Ludvig Holberg
Die Wochenstube
Ludvig Holberg

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiter Akt.

Erste Scene.

Die Wöchnerin in einem Lehnstuhl. Corfitz, die Amme. Später ein Mädchen.

Die Wöchnerin. Es scheint mir, mein Herzensmann, als wärst Du noch nie in solchem üblen Humor gewesen wie jetzt, da Du Dich doch freuen solltest, Dein Haus um einen Sprößling und Erben vermehrt zu sehen.

Corfitz. Die Kosten steigen mir zu Kopf; nur ein paar solcher Wochenbetten und ein ehrlicher Mann muß ins Spital. Außerdem ist da noch einiges Andere, was mir im Kopfe steckt; wollte der Himmel, es wäre ein falscher Verdacht!

Die Amme (mit dem Kinde). Willst Du zu Deinem Papa? Komm, Papachen, küsse das Kind!

Corfitz. Laß die Amme mal einen Augenblick hinausgehen.

Die Wöchnerin. Geh' einen Augenblick hinaus, Marthe, bis wir Dich rufen.

(Die Amme geht mit dem Kinde hinaus.)

Corfitz. Höre, meine Herzensfrau, ich habe große Sehnsucht gehabt, mit Dir allein zu sprechen: aber vor den vielen Visiten, dem Rumoren und Lärmen hab' ich nicht den kleinsten Augenblick dazu gefunden. Jetzt, hoff' ich, bleiben wir ein halbes Stündchen allein, und in der Zeit kann ich Dir die Ursache sagen, die meine Stimmung verändert hat . . . . Aber klopft das nicht? Nun ist der Teufel wieder los, wie soll ich hinauskommen? Das ist darin eine ganz verrückte Stube, daß sie nur eine Thüre hat.

Die Wöchnerin. Ihr könnt ja hier bleiben, mein Herz. 278

Corfitz. Nicht wenn Ihr mir zehn Thaler gäbt! Denn kriegen die mich erst zu packen, dann gehen sie gar nicht wieder fort und dann heißt es tractiren; bin ich aber nicht zugegen, dann kannst Du meine Abwesenheit vorschützen und sagen, ich hätt' in Gedanken die Schlüssel zu Schrank und Keller mitgenommen.

Die Wöchnerin. Gehst Du hinaus, so begegnest Du ihnen geradewegs auf dem Gange; lauf' rasch hinter den Schirm.

Corfitz. Da bin ich auch nicht sicher, da steht ja die Wiege, da wollen sie hin und das Kind besehen. Ach, ich elender Mann, ich muß untern Tisch kriechen.

Die Wöchnerin. Das wird ein schlechtes Lager sein, mein Herz.

Corfitz. Das kann nichts helfen, aus zwei Uebeln . . . . .

(Kriecht unter den Tisch.)

Ein Mädchen (mit einem Teller). Ich soll die Madame vielmals grüßen von meiner Madame, hier ist ein Weinsüppchen mit Zimmet, das läßt sie die Madame bitten, nicht zu verschmähen; nicht als ob sie nicht wüßte, daß Ihr das bei Euch selbst besser habt, sondern blos, weil es doch aus fremden Küchen am besten schmeckt.

Die Wöchnerin. Sieh hier, mein Kind, hier habt Ihr zwölf Schillinge für Eure Mühe; wäre mein Mann zu Hause, solltet Ihr mehr kriegen. (Mädchen ab.)

Corfitz (den Kopf hervorsteckend). Zwölf Donnerwetter sollte sie kriegen, wenn ich zu Hause wäre! Aber sieh, da kommen uns schon wieder neue Visiten über den Hals. (Kriecht wieder unter den Tisch.)

Zweite Scene.

Zwei Damen. Die Wöchnerin.

Erste Dame. Ich gratulire.

Zweite Dame. Ich gleichfalls und danke, daß Sie uns die Ehre erwiesen und uns das haben melden lassen.

Die Wöchnerin. Das war nicht mehr als meine Schuldigkeit. 279

Erste Dame. Ist das Kind schon zur Kirche gewesen, Madame?

Die Wöchnerin. Ei, gewiß.

Zweite Dame. Können wir es nicht sehen?

Die Wöchnerin. Ja, gewiß dürft Ihr das, wiewol an dem kleinen Närrchen noch nicht viel zu sehen ist.

(Sie sehen hinter den Schirm.)

Corfitz (steckt den Kopf hervor). Sind sie fort? (Er kriecht wieder zurück.)

Erste Dame. Ach, ist das ein allerliebstes Kind! Gleicht es nicht ganz seinem Vater?

Zweite Dame. Ja, es gleicht ihm aufs Haar, wahrhaftig! Euer Eheliebster, Madame, ist wol recht erfreut, daß er in seinen alten Tagen noch Leibeserben bekommen hat?

Die Wöchnerin. Ei, gewiß, er ist so vergnügt, daß er nicht weiß, auf welchem Beine er stehen soll.

Erste Dame. Wo ist denn der liebe Mann? Wir müssen ihn herhaben und ihn ein bischen aufziehen.

Die Wöchnerin. Er kommt Augenblicks, er versprach mir nur Kaffe zu mahlen: denn das hab' ich ihm gesagt, in dieser Zeit muß er uns aufwarten –

Zweite Dame. Ei freilich, das ist nicht mehr als billig; Ihr solltet nur sehen, Madame, wie geschäftig meiner ist, wenn ich in Wochen liege. Da sieht er überall selbst nach in Küche und Keller, so daß die Mädchen oft wünschen: Gott gebe, daß doch nur die Madame wieder auf wäre, so werden wir den Topfgucker wieder los!

Erste Dame. Hält da nicht ein Wagen vor der Thür?

Zweite Dame. Ja, ich muß schnell ans Fenster und muß sehen, wer es ist. Ei, Element, Schwester, nun ist's am besten, wir gehen; das ist Anne, die Zinngießerin, das Weib kann ich vor den Tod nicht leiden.

Erste Dame. Und ich noch weniger.

Zweite Dame. Sieh, da ist sie, gieb nur Acht, was für ein Air sie sich giebt. 280

Erste Dame. Sollte man's denken? Hat die Kuh sich auch noch eine Adrienne ungehängt!

Dritte Scene.

Anne, die Zinngießerin. Die zwei Damen. Die Wöchnerin.

Anne. Sieh da, hab' ich das Glück, Sie hier zu finden?

Erste Dame. Wo hübsche Leute sind, kommen hübsche Leute hinzu; ist es mir doch wahrhaftig den ganzen Tag so gewesen, als ob ich das Vergnügen haben würde, Sie zu sehen.

Anne. Ich danke gehorsamst, die Ehre ist auf meiner Seite.

Erste Dame. Ich freue mich von Grund der Seele, so oft ich die Ehre habe, Sie zu sehen.

Zweite Dame. Ich meiner Treu' ebenso; noch in diesem Augenblick saßen ich und Madame und sprachen von Ihnen und sagten: Wie mag sich doch nur die allerliebste Madame Anne die Zinngießerin befinden?

Erste Dame. Wir haben so lange nicht die Ehre gehabt, Sie zu sehen.

Zweite Dame. Ich kann ebenfalls versichern, daß ich Sie liebe, als wären Sie meine leibliche Schwester; das Unglück ist nur, daß wir Sie so selten sehen.

Die Wöchnerin. Ach, Ihr guten Madamen, Ihr macht einander solche Complimente; wenn Ihr es auch nur wirklich so meint, dann ist es schon gut.

Erste Dame. Madame kann überzeugt sein, daß ich keineswegs zu den Menschen gehöre, welche anders reden, als sie denken; ich gehöre durchaus nicht zu den politischen Weibern, weshalb ich denn auch so viele Feinde habe. Meine Muhme hat mir oft gesagt: Du verstehst Dich nicht auf die Welt, mein Kind, was Du auf dem Herzen hast, das muß herunter und wenn es durch die Rippen sein sollte.

Die Wöchnerin. Habt Ihr heute sonst schon Wochenvisiten gemacht, gute Madamen? 281

Erste Dame. Ja, wir waren beim Tabaksspinner Jeremias seiner Frau.

Die Wöchnerin. Wer war weiter da?

Erste Dame. Ha ha ha, bittet mich nicht, das zu erzählen; ich bin im Stande und platze vor Lachen, sowie ich daran denke. Meine Schwester versteht die Leute besser zu schildern als ich, die kann sich das Lachen besser verhalten.

Zweite Dame. Kennt Madame nicht dem Hans Jespersen seine Lucie?

Die Wöchnerin. Nein.

Anne. Ja, ich kenne sie, das ist ja die, welche den Leuten immer so viel in die Ohren flüstert.

Zweite Dame. Ja, das ist dem Teufel sein Flüstern mit dem Weibe; sie kann nicht sagen, daß gut Wetter ist, außer sie zieht die Leute in den Winkel und flüstert ihnen in die Ohren. Dann war da noch Gertrud Jansen, die erzählte von ihren Hühneraugen beinahe 'ne halbe Stunde lang.

Die Wöchnerin. Nein, Ihr übertreibt auch wol ein bischen.

Zweite Dame. Nein, Madame, Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was das Frauenzimmer für einen Reichthum von Worten hat; es ist eine wahre Lust, sie sprechen zu hören, besonders wenn sie etwas deutsch erzählen will.

Anne. Spricht sie auch deutsch?

Zweite Dame. Sie hat ja ein Erbbegräbniß in der deutschen Kirche; was war das doch, Schwester, was sie sagte, als wir gingen?

Erste Dame. Sie fragte: wullt Ihr schon so bolde gaan?

Die Wöchnerin. Ihr seid doch wirklich schlimme Leute. Aber waren da nicht noch mehr?

Zweite Dame. Ei, Madame, fragt uns nicht weiter, sonst fangen wir an, Ihr Marthe Martensens Adrienne zu beschreiben, und das kann ich unter einer Stunde nicht abmachen.

Erste Dame. Ja, das Mädchen kleidet sich verflucht absurd.

Zweite Dame. Habt Ihr auch Acht auf ihre AdrascanteEin damals beliebter Frauenputz.?

Erste Dame. Versteht sich; aber was meint Ihr erst zu ihrer Schleppe? 282

Zweite Dame. Gewiß, das war ein Original von einer Schleppe.

Die Wöchnerin. Aber hat sie nicht eine Schwester?

Zweite Dame. Freilich, das ist die, die immer so mit dem Hintern wackelt. Oh, das ist wirklich ein niedliches Mädchen, sie ist nur so blöde, daß sie nicht die Zähne von einander macht, sie spricht von keinem Schnupftuch oder keiner Schürze ohne zu sagen: mit Permission oder salva venia, bitt' um Entschuldigung.

Die Wöchnerin. Ihr seid recht schlimm, Ihr guten Madamen, ich mag Euch nach weiter niemand mehr fragen. Aber erzählt nur von der Wöchnerin selbst, das hör' ich lieber.

Erste Dame. Nein, wir müssen auf einen andern Fleck.

(Sie gehen ab.)

Vierte Scene.

Anne, die Zinngießerin. Die Wöchnerin.

Anne. Das war mir recht lieb, daß die nicht bleiben wollten, mit solchem falschen Volk kann ich nicht zurechtkommen.

Die Wöchnerin. Es ist nicht meine Art, Madame, die Leute auf einander zu hetzen oder zur Einen von der Andern zu sprechen: aber das kann ich doch versichern, daß die zwei von Ihr so viel Böses sprachen, ehe Sie kam, daß es mir zu Herzen ging.

Anne. Hol' sie der Teufel! Ich weiß übrigens recht gut, was sie und andere böse Menschen mir nachsagen: aber sie thun mir großes Unrecht, Madame; es kann Einer recht gut ein rothes Gesicht haben, ohne daß er trinkt.

Die Wöchnerin. Ja, was will das auch sagen, wenn Ihr nun auch wirklich tränkt, was geht es sie an? Sie geben Euch ja nichts dazu.

Anne. Das versteht sich, und ich mag auch gar nicht mehr davon sprechen. – Wie ist Sie mit ihrer Amme zufrieden, Madame? 283

Die Wöchnerin. Ei nun, so weit recht gut, Milch genug hat sie.

Anne. Das ist ein Hauptpunkt, Madame, wenn sie nur übrigens leidlich ist; gute Ammen sind rar.

Die Wöchnerin. Sehr richtig, Madame. Meine Schwester hat eine, die säuft wie 'ne Sau; man kann es ihr freilich nicht beweisen, da sie es heimlich thut, aber die glühend rothe Couleur, die sie im Gesicht hat, die beweist es hinlänglich.

Anne. Schön Dank, Madame, für die Pique, die war gut, meiner Treu'.

Die Wöchnerin. Und ich schwöre der Madame, daß ich das ohne alle Absicht gesagt habe; Sie weiß ja wol selbst, wenn man ein Frauenzimmer sieht mit glühendem Gesicht, da heißt es gleich: sie nimmt ein Thränchen. Aber da haben wir neue Fremde.

Fünfte Scene.

Ingeborg die Bleideckerin. Die Vorigen.

Ingeborg. Madame, ich gratulire.

Die Wöchnerin. Danke ergebenst, Madame.

Ingeborg. Wie steht's mit der Gesundheit? Sie sieht herzlich miserabel aus; Gott behüte, wie hat Sie das Kindbett mitgenommen! Hätt' ich nicht gewußt, daß es Madame wäre, ich kann darauf schwören, ich hätte Sie nicht wieder erkannt.

Die Wöchnerin. Meine gute Madame, das ist meine Schuld nicht.

Ingeborg. Freilich wol, Madame, Sie kann nichts dafür. Aber weil ich Ihre aufrichtige Freundin bin, so condolire ich Ihr zu Ihrem Zustande.

Die Wöchnerin. Um Ihr wieder ein Freundschaftszeichen zu geben, so wünschte ich, Madame, ich könnte Ihr ebenfalls condoliren.

Ingeborg. Danke ergebenst, gar zu gütig. Ach, Madame, nehme Sie sich nur ja in Acht, Ihre Augen wollen mir 284 gar nicht gefallen. Sie kommt mir vor gerade wie meine Schwester, die voriges Jahr starb.

Die Wöchnerin. In der That, Madame, wenn Sie nur eine Stunde fortfährt, dergleichen zu sprechen, so folg' ich Ihrer Schwester ganz gewißlich nach; die Theilnahme, die Sie für mich hat, incommodirt mich mehr als die Kindesnöthen.

Ingeborg. Das sollte mir leid thun, Madame, wenn meine Gespräche Sie incommodiren. Aber ich fordere die gute Frau die hier sitzt, zum Zeugen, ob das nicht so ist, wie ich sage; ist es nicht so, meine gute Anne Kannegießerin? Sieht Madame nicht wirklich recht schlimm aus?

Anne. Das thut sie, Ingeborg Bleideckerin.

Ingeborg. Ich glaube wahrhaftig gar, Sie ist böse, weil ich Sie nicht Madame genannt habe?

Anne. Nein, böse bin ich nicht: aber ich glaube allerdings, daß ich gewiß eben so gut eine Madame bin wie Sie, ja noch besser als Sie. Denn zwischen einem Zinngießer und einem lumpigen Bleidecker da ist doch, die Wahrheit zu sagen, ein Unterschied wie zwischen Zinn und Blei.

Ingeborg. Na, da kann Einem doch schlimm werden bei solchem Gewäsche; das paßt sich auch wol für Euch, meinen Mann einen lumpigen Bleidecker zu nennen! Denkt Ihr, ein Bleidecker ist nicht in allen Stücken so gut wie ein lumpiger Kannegießer?

(Sie schlagen einander Schnippchen und gehen ab.)

Sechste Scene.

Arianke die Buchdruckerin. Die Wöchnerin.

Arianke. Viel Glück zur jungen Tochter!

Die Wöchnerin. Viel Dank, Madame Arianke Buchdruckerin.

Arianke. Wie befindet sich die Madame?

Die Wöchnerin. Ich bin so schrecklich matt. 285

Arianke. Das kann nicht anders sein, Madame, die erste Edition ist allemal die beschwerlichste.

Die Wöchnerin. Was heißt das, die erste Edition?

Arianke. So sagt man bei uns von den Büchern. Wird eins zum ersten Mal aufgelegt, so heißt das die erste Edition; ich will also damit sagen, daß Madame noch nicht gewohnt ist, so oft in den Wochen zu liegen als ich, darum fällt Ihr das auch beschwerlicher.

Die Wöchnerin. Wie oft ist denn Madame zum Druck befördert worden?

Arianke. Ha ha ha! Das war ein niedlicher Einfall, Sie bleibt, wie ich höre, im Gleichniß. Uebrigens soll ich schön grüßen von meinem Herrn Liebsten, und er läßt bitten, die Madame wolle dies Buch nicht verschmähen, das er eben hat neu auflegen lassen.

Die Wöchnerin. Ihr mit Euren Büchern müßt doch Geld verdienen wie Heu.

Arianke. Bitt' um Verzeihung, Madame, bei solchen Büchern setzen wir zu, und müssen uns an Romanen und Aehnlichem von unserem Schaden erholen. Wir verkaufen eher vierhundert Romane, ehe wir zweihundert solcher Bücher absetzen.

Die Wöchnerin. Auf die Art solltet Ihr gar nichts Anderes verlegen als Romane?

Arianke. Ich will der Madame sagen, wie das ist; mein Mann ist ein gar kurioser Mann, er thut manches mehr, um dem Publikum zu dienen, als um seinen Profit.

Die Wöchnerin. Um dem Notarius Publikus zu dienen?

Arianke. Nicht doch, Publikum, so nennen wir das gemeine Beste.

Die Wöchnerin. Mein Mann ist sehr fürs Lesen. Alle Tage kauft er Bücher. Heut hat er Doctor Arendt Hvitfeldts Chronik gekauft.

Arianke. Welche Edition?

Die Wöchnerin. Nu die dänische Edition.

Arianke. War es die in Quarto oder die in Folio?

Die Wöchnerin. Es war die Auflage in weißem Einband. 286

Arianke. Eingebunden kann das Buch auf zehnerlei Arten werden, wenn man sonst will, das ist es also nicht, wonach ich frage. Aber weiß Sie denn nicht, was ein Buch in Folio ist?

Die Wöchnerin. Ich habe noch nie davon gehört, blos von einem Narren in Folio.

Arianke. Ha ha ha, nun merk' ich freilich, daß Madame sich auf Bücher nicht versteht. Ein Buch in Folio ist eins, das ist so groß wie die Bibel; ein Buch in Quarto ist kleiner; eins in Octavo ist noch kleiner; in Duodez noch kleiner und endlich in Sedez, das sind die allerkleinsten.

Die Wöchnerin. So ist das Buch denn in Folio: denn es war so groß wie eine Bibel.

Arianke. Die Edition ist keine Prise Schnupftabak werth, Madame. Warum fragt Ihr nicht meinen Mann um Rath, bevor Ihr Bücher kauft? Die in Quarto ist noch einmal so gut.

Die Wöchnerin. Das kann schon sein: aber dann hätt' es der Buchbinder anders einbinden sollen, denn übrigens war das Buch ganz neu.

Arianke. Ha ha ha!

Die Wöchnerin. Worüber lacht Sie, Madame? Ich drücke mich vielleicht nicht recht aus, aber was weiß ich von Ihren Angelegenheiten? Uebrigens bedank' ich mich, daß ich doch etwas von Ihr gelernt habe, nämlich, was ein Buch in Folio ist. – Aber sprechen wir von etwas Anderem; seid Ihr nicht in der Thüre zwei Frauen begegnet?

Arianke. Ei gewiß.

Die Wöchnerin. Die geriethen hier in Streit mit einander. Die eine war Bleideckers Ingeborg und die andere Zinngießers Anne.

Arianke. Welche von beiden war Anne Zinngießerin, die Große oder die Kleine?

Die Wöchnerin. Die in Quarto war Ingeborg Bleideckerin und die andere in Folio war Anne Zinngießerin.

Arianke. Ha ha ha, hört auf mit Eurem Latein, Madame, das läßt sich nur von Büchern sagen. Aber jetzt muß ich Abschied nehmen; ich werde die Ehre haben, Sie recht bald wieder zu sehen. 287

Die Wöchnerin. Seid so gut und grüßt den Herrn Liebsten.

Corfitz (kriecht hervor). Element, nun bin ich gleich todt, sowol von dem schlechten Lager, das ich gehabt habe, als von diesem Wochengespräch!

Die Wöchnerin. Merkst Du nicht, wie beklagenswerth eine arme Wochenfrau ist?

Corfitz. Jetzt hab' ich nicht Zeit, sie zu beklagen, jetzt hab' ich noch genug mich selbst zu beklagen, daß ich so lange hab' unterm Tisch liegen müssen.

Die Wöchnerin. Ach, theurer Mann, Ihr seid nun frei, mir dagegen stehen noch hundert andere Visiten der Art bevor. Ja, wenn Dörte Knopfmacherin und Hildegard Schwertfegerin kommen, da geht meine Plage erst recht an, da solltet Ihr den Lärm einmal erst hören, die sprechen immer beide zugleich, und da kommt es nun drauf an, welche das Maul am weitesten aufreißt.

Corfitz. Na, da will ich nur lieber meiner Wege gehen, so lange es noch Zeit ist.

Die Wöchnerin. Ich werd' es Euch sagen lassen, wenn ich allein bin. Aber pocht das nicht? Da kommen schon wieder frische Visiten!

Corfitz. Ach, nun bin ich verloren.

(Kriecht wieder unter den Tisch.)

Siebente Scene.

Else die Schulmeisterin. Die Wöchnerin.

Else. Ich danke gehorsamst, Madame, für die Ehre und den Honneur, die Sie mir angethan, erzeigt und erwiesen, indem Sie mich von Ihrer Entbindung unterrichtet und in Kenntniß gesetzt hat, welches mehr ist, als meine Meriten meritiren. Ich gratulire und wünsche Glück von Herzen und versichere, bezeuge und contestire. daß es zu meinen größten Plaisirs, Annehmlichkeiten und Freuden gehört, Ihres Wohlbefindens Contentements zu sehen. Denn sintemal das allzeit ein treues aufrichtiges Liebes-, Freundschafts- und Amorsband gewesen ist, 288 das unsere Häuser zusammen verknüpft, verbunden und vereinigt hat, so darf und muß ich mich auch freuen und ergötzen an Madame's Freude und Ergötzen, gleichsam als wäre mir selbst widerfahren, was, indem es ein Contentement und Vergnügen für Euch ist, auch für mich ebenfalls ein Contentement und Vergnügen ist. Denn ich kann die Madame versichern, daß Ihrer Tugenden Abbild allzeit aufgehängt ist an meines Herzens Nagel. Auch habe ich allen Grund, die Madame zu lieben, sowol um Ihrer selbst willen, als auch in Berücksichtigung Ihres Bruders, von dem mir so viel Gutes erwiesen worden; denn ich kann sagen, daß er niemals in den Kramladen geht, sich ein Kleidungsstück zu kaufen, ohne daß er auch einen Rock oder mit Reverenz zu sagen eine Schürze für mich kauft.

Die Wöchnerin. Tausend Wetter, da ist Sie glücklich!

Else. Es geht mit mir, wie das alte Sprüchwort lautet . . .Wie es lautet, erfahren wir nicht, da Else unterbrochen wird; vermuthlich war es so etwas wie unser: »Je größer Stück, je größer Glück.«

Die Wöchnerin (wischt sich den Schweiß ab). Da klopft es wahrhaftig schon wieder, das ist Hildegard die Schwertfegerin und Dörte die Knopfmacherin. (Leise) Na, nun mögen so viel närrische Frauenzimmer kommen, als da wollen, jetzt hab' ich mich einmal darein ergeben.

Achte Scene.

Hildegard. Else. Dörte. Die Wöchnerin.

Hildegard. Ei, Madame, Glück auf! Ihr paradirt ja meiner Treu' wie eine Maibraut. Nein, sieh mal her, Schwester, wie das kleine Luderchen sich herausgeputzt hat! Bitt' um Verzeihung, daß ich ein Späßchen mache.

Else. Dienerin, Madame.

Hildegard. Ei, seht, Madame, ist Sie hier? Da muß ich Sie gleich um eine Prise Toback bitten, Sie pflegt immer was Gutes zu führen.

Else. Ich weiß wirklich nicht, will Sie so gut sein und einen Versuch machen?

Hildegard. Das ist Baltzers Toback.Diese und die folgenden Tabaksetiketten gehörten beliebten Kopenhagener Firmen jener Zeit, die von der Bühne herab zu hören dem Publikum ohne Zweifel zu einem besondern Ergötzen gereichte. 289

Dörte. Ich dächte, Schwester, das ist französischer Maria, Kopenhagenscher Toback, den kenn' ich gleich.

Hildegard. Ich wahrhaftig ebenfalls. Von wem ist der Toback, Madame?

Else. Von Louis . . .

Hildegard. Wollt Ihr nun auch meinen kosten?

Else. Das ist ein excellenter Toback, ich dächte, das ist Ascharah.

Dörte. Er kommt mir mehr vor wie eine Art Havannah.

Hildegard. Was es eigentlich ist, kann ich nicht sagen; verkauft ist er mir für Spadille.

Else. Haben die guten Madamen nichts gutes Neues?

Hildegard. Nein, Gutes nicht, aber Böses, das hört man leider genug. Von der Frau, die einen Wockenstock zur Welt gebracht hat, habt Ihr doch wol schon gehört?

Else. Nein, kein Wort.

Dörte. Na, dann will ich es Ihr erzählen.

Hildegard. Ich kann das schon noch allein erzählen. (Sie sprechen Beide zugleich.) Da ist eine Frau, ihren Namen weiß ich nicht, bei der kommt ein armes Bettelweib an die Thür und bittet sie um eine Gabe für ihre kleinen Kinder, wird aber abgewiesen mit den Worten: Marsch fort, du alte Vettel, dir wär' es auch besser gewesen, du hättest statt Kinder zu kriegen einen Wockenstock gekriegt, da könntest du dir doch wenigstens dein Brod zusammenspinnen!

Else. Ihr guten Madamen, es genügt, wenn Eine erzählt; wenn Ihr Beide auf einmal sprecht, kann ich es lange nicht so gut fassen.

Hildegard. Ich will es schon erzählen, Madame.

Dörte. Nein, ich will es erzählen! (Wieder Beide zugleich.) Darauf fing das Bettelweib an bitterlich zu heulen und sagte: So wünsche ich Euch doch, daß Ihr das erste Mal, daß Ihr in Wochen kommt, selbst einen Wockenstock kriegt!

Hildegard. Darauf nahm die Frau einen Besenstiel –

Dörte. Darauf nahm die Frau ein Mangelholz –

Hildegard. Nein, es war ein Besenstiel – 290

Dörte. Nein, es war ein Mangelholz –

Hildegard. Nein, das war es ganz gewiß nicht!

Dörte. Nun, lassen wir das Mangelholz fallen, Ihr müßt ja immer Recht behalten. (Sprechen wieder Beide zugleich.) Und damit prügelte sie das arme Bettelweib zur Thür hinaus. Aber was geschah? Eine halbe Stunde darauf befand sich die Frau vom Hause sehr übel, mußte zu Bett gehen und lag ein volles halbes Jahr, bis sie endlich niederkam, und zwar mit einem Wockenstock.

Hildegard. Aber eins hab' ich noch zu erzählen vergessen, nämlich wie es mit dem Bettelweib weiter ging.

Dörte. Ja richtig. (Sprechen wieder Beide zugleich.) Nicht lange hernach begegnete die Köchin vom Hause demselben Bettelweib, das sie dann bei der Hand nahm und sagte: Grüß' deine Herrschaft und sag' ihr: das Weib, das sie so höhnisch fortgewiesen, das war die Sanct Brigitte, welche Bettlersgestalt angenommen hatte, sie zu prüfen. Und darauf fing sie an zu glänzen wie die Sonne und verschwand.

Hildegard. Es ist doch seltsam, daß ich die Geschichte nicht allein erzählen darf.

Dörte. Ich weiß die Geschichte so gut wie Ihr.

Hildegard. Ich habe sie aber eher gewußt als Ihr.

Dörte. Aber ich habe sie von Einem gehört, der dient in demselben Hause mit der Köchin ihrem Schwesterkind.

(Während sie so reden, sitzt die Wöchnerin und hält sich die Ohren zu.)

Else. Aber Ihr guten Madamen, ob das wol gewiß ist mit dem Schiff, das man dieser Tage im Mond gesehen hat?

Hildegard. Ja freilich ist das gewiß! (Erzählen wieder Beide.) Wenn man zuerst hinsah, konnte man nichts sehen als einen ordinären Mond, aber wenn man nur länger hinstarrte, sah man zuerst das Schiff, dann das Schiffsvolk, dann den Schiffshund, und endlich, wenn man recht lange hinstarrte, sah man sogar die Tobackspfeifen, die die Matrosen im Munde hatten!

Else. Aber was meint und glaubt man wol, daß solchen Zeichens Offenbarung zu erkennen geben, anzeigen und bedeuten will?

Hildegard. Das bedeutet unfehlbar Krieg, Madame. 291

Else. Ja, ich glaub' es wol; denn man hat auch außerdem in diesen Tagen noch verschiedene andere Zeichen gesehen, die ebenfalls nichts Gutes bedeuten, unter Anderm einen feurigen Drachen, gerade über Roeskild.Roeskild war damals und ist bekanntlich noch heute die Krönungsstadt des dänischen Reichs, und mußte also ein derartiges Himmelszeichen, das gerade über Roeskild stand, doppelt verhängnißvoll erscheinen.

Dörte. Ei, das muß Madame uns erzählen!

Else. Weder des Tages, noch des Datums Erinnerung kann ich mir in mein Gedächtniß zurückrufen: allein ich erinnere mich und gedenke, daß das Zeichen zuerst erschien und sich sehen ließ um die Zeit, da die dickste Finsterniß herrscht und regiert, und die man gemeiniglich Mitternacht heißet. Da ist es erblicket worden von einem von den Männern, die da müssen wachen, wenn Andere schlafen, und mit der Posaune ihrer Stimme die Stunden der Nacht zu erkennen geben, so man gemeiniglich nennt Nachtwächter. Des Drachen Glanz und Schein war so groß, daß er ungefähr circa dieselbige Wirkung auf den Pol des Himmels machte als das kleinere Licht der Nacht, ich meine den Mond, wenn er in seiner Viertel Erstheit ist. Der Drache hatte, mit Reverenz zu sagen, einen Schwanz von drei Ellen Länge; wenn man seinen Gang und Weg observirte, wahrnahm und beobachtete, so mußte man sich verwundern, nicht minder über die Schnelligkeit seiner Fahrt, als über die wunderliche Art, wie er sich bewegte. Denn er spielte in dem subtilen Element, ich meine die Luft, gleichsam wie jene leichtfertigen Meerschweine spielen im Hause des Neptun, ich meine im Meere. Nun bemerkte und observirte mein Mann eine Aufrichtung des Kopfes, gleichsam als wollte er hinauffliegen in den dritten Himmel, jetzt wieder ein Herniederwerfen des Kopfes, gleichsam als wollte er sich präcipitiren und herunterstürzen auf Gottes Fußschemel, ich meine die Erde. Verschiedene Leute in Roeskild haben ihre sämmtlichen Kopfnerven angestrengt, um ausfindig zu machen dieses Zeichens Bedeutung, Signification und Auslegung.

Hildegard. Das ist ja eine erschreckliche Erscheinung gewesen; hat unsere Wöchnerin die Geschichte gehört?

Die Wöchnerin. Nein, Madame, ich liege und denke, was ich heut Abend essen soll.

Hildegard. Ei, hat Sie auf die Geschichte nicht Acht 292 gegeben? Die ist meiner Treu' werth, daß man sie hört; Madame ist wol so gut und erzählt sie noch einmal.

Die Wöchnerin. Ach, das ist ja gar nicht nöthig, sich zu bemühen und solche lange Geschichte zu recitiren.

Dörte. Will Madame sie nicht erzählen, so will ich es, obwol ich nicht versprechen kann, sie in solchem zierlichen Stile vorzutragen wie Sie, die aber auch freilich solchen gelehrten Mann hat wie David Schulmeister.

Die Wöchnerin. Ich will wahrhaftig niemand damit bemühen.

Dörte. Ei, wer spricht denn von Mühe, Madame, die Geschichte war diese –

Hildegard. Ich will sie schon erzählen, Schwester.

(Sie erzählen die Geschichte Beide zugleich. aber in einem andern Stil.)

Die Wöchnerin (trocknet sich den Schweiß ab). Da klopft es eben an die Thür; ich glaube, das ist Engelke, die Hutmacherin.

Hildegard. Ach, ist das die Pimpernille? Die sitzt in Gesellschaft wie eine Bildsäule, die weder Mund, noch Maul hat. Laß uns gehen, Schwester. Lebt wohl, Madame, haltet Euch hübsch wacker!

Dörte. Leb' wohl! Die Schwerenoth sollst Du auf den Hals kriegen, wenn Du Dich zu früh hinauswagst! Laß mich den Puls fühlen, bevor ich gehe, – nu, für solch ein kleines Ungethüm geht er gut genug. Adiös. (Beide ab.)

Else. Auch ich muß aufbrechen und Abschied nehmen und wünsche aus meines innersten Herzens Receß und Grund meiner hochgeehrten und hochästimirten Madame eine rasche baldige Wiederherstellung, Restitution und Besserung, gleichermaßen, daß die theure Leibesfrucht, mit der die himmlische Güte Euch gesegnet hat, die kleine köstliche Erstlingspflanze, so er in Euren Weingarten gesetzet hat, aufwachsen möge und emporkeimen, den theuren Eltern zur Freude, Contentement und Vergnügen. (Ab.) 293

Neunte Scene.Diese Scene der stummen Engelke, auf die der Dichter als auf etwas ganz Originelles selbst einigermaßen stolz war, ist als Scena muta berühmt; über ihre Entstehung wird folgende Anekdote erzählt, deren Aechtheit freilich dahingestellt bleiben muß. Während eines Besuchs nämlich, den der Dichter bei einer mit ihm befreundeten Familie ablegte, erschien gleichzeitig eine Dame, um ebenfalls ihre Visite zu machen. Doch sprach sie, so lange Holberg zugegen war, kein Wort. Als dieser dann einige Zeit darauf seinen Besuch bei der Familie wiederholte, kam er auch auf jene Dame zu reden und fragte die Wirthin, ob dieselbe stumm sei. Keineswegs, erwiderte die Wirthin, aber wie die Dame ihr selbst vertraut, habe sie sich vorgesetzt, in Holbergs Gegenwart nicht eine Silbe zu sprechen, »um nicht etwa in seiner nächsten Komödie zu paradiren«. »Ah«, entgegnete Holberg, »ich kann auch stumme Personen gebrauchen«, und ging hin und schrieb diese Scena muta, wo Engelke Hutmacher ihre schweigsame Wochenvisite ablegt.

Engelke die Hutmacherin. Die Wöchnerin.

(Engelke kommt herein und macht ein Compliment.)

Die Wöchnerin. Seid so gut und setzt Euch, Madame.

(Engelke verneigt sich.)

Ach, bitte, setze Sie sich doch.

(Engelke verneigt sich.)

Ach, Madame, wozu sollen denn diese Ceremonien?

(Engelke verneigt sich.)

Madame, ich kann unmöglich zugeben, daß Sie länger steht; will Sie, daß ich aufstehen soll und Sie länger nöthigen?

(Engelke verneigt sich und setzt sich, spricht jedoch kein Wort; endlich steht sie wieder auf, macht ein Compliment und geht.)

Adieu, Madame, danke für angenehme Unterhaltung.

Zehnte Scene.

Stine die Eisenkrämerin. Die Wöchnerin.

Stine. Votre servante, Madame! je vous gratule. Ist es ein Sohn oder eine Tochter?

Die Wöchnerin. Es ist eine Tochter, Madame.

Stine. Ich wollte doch μα fοι meinen Besuch nicht länger aufschieben, obschon ich heute schon halb und halb an einem andern Orte engrassirt war. Aber ich ließ alles im Stich, um Sie zu besuchen, mon cher amie.

Die Wöchnerin. Tausend Dank für Ihre Güte und Höflichkeit.

Stine. Das sind keine Complisance, Madame, sondern ein Devoir und Obligement, seine guten Freunde zu besuchen, wenn sie malade und unpaß sind. Uebrigens habe ich heute schon eine Wochenvisite gemacht.

Die Wöchnerin. Wo da?

Stine. Bei dem Visentator seine Frau: sie hat einen Jungen, das ist αffεχτιvεμεντ ein αμαβλεσ Kind. 294

Die Wöchnerin. Die Frau ist glücklich, daß sie Söhne kriegt.

Stine. Ja, Madame, sie hat ein großes boncoeur vor andern. Ei ma foi, ich glaube gar, ich habe meine Tabatierendose vergessen; darf ich, Madame um eine Entreprise aus Ihrer bitten? – Das ist ein guter Toback, très humble valet.

Die Wöchnerin. Sie kommt mir heut recht wie gerufen, Madame, ich muß einen Brief schreiben an Hans Jacobsen, Tobackshändler in Flensburg, und möchte gern die Aufschrift auf Französisch machen. Aber da Keiner im Hause ist, der ordentlich Französisch versteht, da möcht' ich nun die Madame bitten, mir ein bischen auszuhelfen, da Sie doch die Sprache so außerordentlich gut versteht.

Stine. Très volonté, Madame, Sie schreibt folgendermaßen: A Messiö Messiö Jean de Jacobsen, Marchand de la Toback, presentemang à la Flansborg.

Die Wöchnerin. Sagt man denn Flansborg auf Französisch?

Stine. Oui, Madame, Flensburg ist dänisch. Meist alle Städte und Dörfer werden auf Französisch anders geschrieben, so per Exempel Kopenhagen heißt Copenhague, Norwegen Normandie, Jütland Judée und die Jüten, was das Wunderlichste ist, heißen Les Juifs.

Die Wöchnerin. Dies Letztere ist sehr unsinnig.

Stine. Allerdings, aber ich kann es Ihr gedruckt zeigen in meiner Grammaer, da steht: Les Juifs, die Juden.

Die Wöchnerin. Ha ha ha, die Juden, das sind die Jüten! Macht mir meinen Mann nur nicht zum Juden, er ist ein guter ehrlicher Jütländer! Ha ha ha!

Stine. Ich will mich doch ma foi von Ihr nicht harzelliren lassen, adiös. (Sie geht ab.)

Elfte Scene.

Corfitz. Die Wöchnerin.

Corfitz (kriecht hervor). Ei, gieb mir nur rasch ein Glas Branntwein, ich bin mehr todt als lebendig. Ich bin wie 295 zerschlageb an allen Gliedern und voll Staub, Qualm und Wochenklatsch, daß ich in Gefahr bin, zu platzen. Aber da sind meiner Seel' schon wieder Leute; ist das nicht eine verfluchte Stube, blos eine Thür zu haben! In meinem Leben hab' ich keine solche verrückte Bauart gesehen; kann ich nicht zum Fenster hinauskommen?

Die Wöchnerin. Ei ja, wenn Ihr den Hals brechen wollt.

Corfitz. Na, das hätte auch nichts zu sagen, so wäre die Geschichte auf einmal zu Ende.

Die Wöchnerin. Ei, Possen, ich glaube, Du bist nicht bei Trost.

(Corfitz kriecht wieder unter den Tisch.)

Zwölfte Scene.

Geske die Küsterin. Die Wöchnerin.

Geske. Ich gratulire der Madame zur jungen Tochter; ich dachte, es wäre ein Sohn, aber damit ist's für dies Mal doch noch nichts geworden.

Die Wöchnerin Ich bin mit einer Tochter ganz zufrieden. Allerdings kann man zuweilen von Söhnen größere Freude haben, aber wenn ein Knabe nicht geräth, so macht Einem das noch größeren Kummer als zehn Mädchen.

Geske. Wol wahr, Madame, man kann auf die Töchter besser Acht haben. Ich weiß noch, was für Verdruß meine Muhme Schmidts Gertrud von ihrem Sohne Andres hatte. Nicht daran denken kann ich, Madame, ohne daß mir die Thränen in den Augen stehen. (Sie weint und trocknet sich die Thränen mit der Schürze.) Ja, der Andres, der Andres, der hat seiner armen Mutter so manches graue Haar gemacht! Hat Madame schon gehört, was er vorgestern angerichtet?

Die Wöchnerin. Nichts hab' ich gehört.

Geske (weint). Ach, ach, was weiß der Teufel nicht alles anzustiften! Denn von unserm Herrgott kann so etwas doch nicht kommen! Steigt der Junge über den Zaun in dem Nachbar 296 seinen Garten und stiehlt sich die ganzen Taschen voll Aepfel. (Sie weint.)

Die Wöchnerin. Ei, Madame, das scheint mir doch wirklich kein Grund, auch nur sein Schnupftuch naß zu machen.

Geske. Hört nur weiter, Madame. Wie er nun wieder zurück will, bleibt er hängen und reißt sich seine neuen Tuchhosen entzwei, die Ihr vermuthlich noch kennt.

Die Wöchnerin. Ei, Madame, wie käm' ich dazu, seine Hosen zu kennen?

Geske. Aber unser Herrgott hatte doch wenigstens die Gnade und conservirte seine Jacke. (Sie weint wieder.)

Die Wöchnerin. Ich möchte die Madame doch bitten, unsern Herrgott aus dem Spiel zu lassen; es ist eine üble Gewohnheit, Gottes Namen so zu mißbrauchen, wenn man von Jacke und Hosen spricht.

^Geske. Ach so, Madame, ich soll mich wol nach Ihr richten?

Die Wöchnerin. Madame, ich will mich darüber mit niemand in einen Disput einlassen. Doch scheint es mir nur eine schlechte Gewohnheit, zu sagen: Unser Herrgott war mir so gnädig, daß mein Strumpfband oder Schuhriemen nicht entzwei ging, gerade wie es auch eine bloße Redensart ist, zu sagen: Na, was hat der Teufel nun wieder angerichtet, wenn ein Dienstbote ein Glas fallen läßt oder ein bischen Suppe auf den Tisch verschüttet. Aber laßt uns von etwas Anderem sprechen; ich sehe, die Madame hat einen schlimmen Finger, wo hat Sie den her?

Geske. Das will ich Ihnen sagen: ich wollte gestern auf den Fleischmarkt gehen und einkaufen.

Die Wöchnerin. Wie sieht es denn jetzt aus auf dem Fleischmarkt? Ich schickte gestern das Mädchen hin, aber die war nicht im Stande, nur ein rechtschaffenes Stück Fleisch zu kriegen.

Geske. Da hat Sie auch recht, Madame, das ist niemals solche verfluchte Wirthschaft gewesen wie jetzt. Die sind jetzt so frech, fünf Schillinge zu fordern für das Pfund Ochsenfleisch, und dabei ist es so mager, daß man nicht ein Körnchen Fett 297 daran sieht. Ich wollte Suppe davon kochen, aber die Suppe wurde so schlecht, daß ich, um sie zu verbessern, ein Stück Speck daran thun mußte. (Sie weint wieder.)

Die Wöchnerin. War die Suppe da gut, wie der Speck daran kam?

Geske. Ja, nu war sie delicat, Madame.

Die Wöchnerin. So hat Madame ja nicht mehr nöthig, darüber zu weinen.

Geske. Ich weine auch nicht just darüber, ich denke blos noch an das Fleisch, wie erbärmlich das aussah und kostete doch fünf Schillinge das Pfund. Alles wird theurer: willst du ein Stück Speck haben, willst du Butter haben, willst du Käse, Grütze, Lichter, Holz haben, so ist das nicht mehr mit Geld aufzuwiegen. Ich erinnere mich, daß meine Muhme Brigitte erzählte (sie weint) – nun ist das gute Weib auch todt und hinüber – die erzählte mir, in ihrer Jugend konnte man das beste Pfund Ochsenfleisch für einen halben Schilling kriegen, und damals war doch noch nicht einmal ein Polizeimeister in der Stadt.

Die Wöchnerin. Aber um wieder auf meine Frage zu kommen, wo hat Sie den Schaden am Finger her?

Geske. Ich wollte ein Stück Speck abschneiden, das sollte in die Suppe kommen: aber was richtet der Teufel nicht wieder an?

Die Wöchnerin. Ei, kommt nun mal wieder der Teufel an die Reihe? – Aber seht, da kommen neue Gäste.

Geske. So muß ich wol gehen. (Ab.)

Corfitz. Und ich meiner Treu' ebenfalls, bevor wieder neue kommen.

Die Wöchnerin (zum Mädchen). Hör', nun will ich ein Stündchen Ruhe haben. Kommt ein Besuch unterdessen, so kannst Du sagen, ich schlafe ein bischen. 298


 << zurück weiter >>