Ludvig Holberg
Die Wochenstube
Ludvig Holberg

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Erster Akt.

Erste Scene.

Traugott (holt ein Stück schmales Papier hervor, aber so lang wie das ganze Theater, und zählt davon her:)

Marie Hansen; Barbara Peter Nielsen; Abelone Hans Hansen; Christine Erich Erichsen; Engelke Jens, die Hutmacherin; Lucie Franz, die Kürschnerin; Wibeche Peter Goldbrandten; Marie Christopher, die Schneiderin; Else David, die Schulmeisterin; Frau Cantor Ellen; Frau Wachtmeisterin Maleene; Geske, die Küsterin; Anne Peter, die Kannegießerin; Marie Jens, die Steuereinnehmerin; Ingeborg Norten, die Dachdeckerin; Dörte Jochum Seliger, die Knopfmacherin; Stine, die Eisenkrämerin; Nette, die Frauenschneiderin; Nille Mogen Anderssen; Hildegard, die Schwertfegerin; Karen, die Uhrmacherin; Maren, die Messerschmiedin; Düveke, die Thorschreiberin; etcetera, etcetera, etcetera, etcetera, etcetera, etcetera, etcetera; ein Dito, noch ein Dito, noch ein Dito; Summa Summa Summarum: Dreiundneunzig Weiber stehen auf dieser Liste, und in eben so viel Häuser hab' ich dieser Tage laufen müssen, um die Stadt das große Mirakel wissen zu lassen, daß es geschehen ist, daß unsere Madame von einer jungen Tochter entbunden worden. Ein großes Mirakel, weswegen die ganze Stadt in Aufruhr gebracht werden muß, gleichsam als wär' der Feind vor den Thoren und wollte Sturm laufen. Ich wollte mich verpflichten, funfzig solche Kinder des Jahrs zu machen, solch ein Mirakel ist das. Aber die Menschen sind in dem Punkt wie in allen andern. Will man heirathen, da müssen gleich so viel Leute 262 zusammenkommen, daß sie mehr aufessen und trinken, als ein armer Handwerksmann in vier Jahren wieder verdienen kann. Darum hatte man auch in alten Zeiten die Mode eingeführt, daß die halbe Stadt dem jungen Paare opfern und ihm Brautgeschenke bringen mußte; denn sonst hätten die Meisten direkt von der Hochzeit in den Schuldthurm tanzen müssen. Seitdem die Leute nun ärmer und ärmer werden, werden sie auch immer hochmüthiger und wollen keine Brautgeschenke mehr haben, so daß die Dienstboten noch die Einzigen sind, denen man heutzutage opfertEine Verordnung Christians V. vom Jahre 1683 hatte, um dem übermäßigen Luxus zu steuern, der damit getrieben worden, das Geben und Nehmen von Hochzeitsgeschenken verboten, mit alleiniger Ausnahme der Dienstboten., und das geht auf die Manier zu: Es sind alles blos freundschaftliche Einladungen, man dankt ihnen für die Ehre und Freundschaft – ei ja, das ist recht fein und höflich, aber wenn ich es mir näher bedenke, so heißt es doch nur: sintemal unsere Haus- und Küchenmagd beschlossen hat, sich morgen Abend ihrer Jungfernschaft zu entledigen, und da das ohne einen gehörigen Spectakel oder ohne uns die Gesundheit durch Essen, Trinken und Tanzen zu ruiniren, nicht vor sich gehen kann, so ist unser gehorsamstes Ansuchen, daß Sie uns die Ehre erweisen wollen, die Kosten zu bezahlen und außerdem noch für die Miethkutsche einen Thaler oder auch zwei. Worauf die Invitirten dann antworten: wir danken für die große Höflichkeit, wir werden die Kosten bezahlen, wünschen wohl zu leben und stehen ein andermal wieder zu Diensten. So geht das zu, wenn Hochzeit gehalten wird; da plärrt man erst drei Gesundheiten quer über den Tisch auf Hinz und Kunz, die hundert Schritte davon sitzen, und dann muß man die Nacht noch tanzen, bis Einem vor Staub und Müdigkeit so miserabel wird, daß man der Musik noch Geld zugiebt, damit sie nur aufhört, und dann geht man nach Hause und medicirt noch drei Tage hinterdrein. Wende ich mich aber von den Hochzeiten zu den Begräbnissen, so finde ich bei den letzteren eben so viele Narrheiten als bei den ersten. Eine arme Frau verliert ihren Mann, der ihr, ich setze den Fall, noch einige Schillinge hinterlassen hat, so daß sie bei sorgfältiger Einrichtung davon leben kann. Die Vernunft sagt, sie soll das Geld zusammenhalten: aber die Mode sagt, sie soll ihrem Manne ein anständiges Begräbniß besorgen. Das 263 heißt auf gut Dänisch: sie soll den todten Leichnam ausputzen, soll nicht blos die Stühle, sondern auch die Stubenmagd, die Küchenmagd, die Amme, die Kutsche, die Pferde schwarz überziehen (mit der Zeit werden die Schooßhunde wol auch überzogen werden) – mit einem Wort, sie läßt den Mann so anständig begraben, daß sie selbst hinterdrein nichts hat, anständig zu leben! Und auch daß sie mit ihrem Manne ihren Wohlstand verliert, ist nicht genug: die Mode verlangt auch, daß sie sechs Wochen lang auf dem Sopha liegen muß, und jede Stunde sechsmal sechsmal die Worte hören muß: Wie sehr, Madame, beklage ich Euren Verlust! so daß, wenn sie sich auch als gute Christin vorgesetzt hat, ihr Unglück mit Demuth zu ertragen, die Mode sie nicht einmal dazu kommen läßt. Es ist gerade, als wenn sie einen Schaden an der Hand hätte, und die Mode verlangte, sie müßte ihre guten Freunde davon in Kenntniß setzen, ob sie ihr nicht die Ehre anthun wollten, eine nach der anderm, und ihr das Pflaster abreißen. Da kommen sie denn getrippelt, eine nach der andern, und reißen, um ihre Freundschaft sehen zu lassen, das Pflaster von der Hand. Und dafür muß man dann noch dankbar sein, ja noch Thee und Kaffe geben obenein. Aber der Teufel sollte sie, wär' ich Wittfrau! Das Allertollste aber sind doch diese Wochenstuben. Erstlich wird da hundert Menschen angezeigt, wie ein großes Wunderwerk, daß Hans Hansen oder Jespersen an seiner Frau ein Meisterstück gemacht hat, das jeder Bursche auf AmagBekanntlich liegt ein Theil von Kopenhagen selbst auf der Insel Amag oder Amager. Zu Holbergs Zeit wurde daselbst hauptsächlich Gärtnerei und Gemüsebau getrieben; die Bewohner waren ein besonders frischer, derber Menschenschlag. ihm nachmachen kann, und hat ihr, sei es in Person oder wenigstens aus zweiter Hand, zu einem Sohn oder einer Tochter verholfen. Und dies Wunderwerk zu sehen, kommen sie nun herbei und machen die kranke Wöchnerin todt mit Gratulationen und Schnickschnack und hindern die Patientin, so rasch wieder gesund zu werden, wie es geschehen wäre, hätte sie können in Ruhe liegen . . . . Aber wer Henker kommt da so gelaufen? Das ist Christophersens Bursche; was Tausend will der? 264

Zweite Scene.

Claus. Traugott.

Claus. Ach, lieber Traugott, wechsle mir doch einmal ein Zweischillingsstück in zwei einzelne Schillinge!

Traugott. Was willst Du denn mit den einzelnen Schillingen?

Claus. Ich wollte einen geben, um auf den runden Thurm zu kommen.

Traugott. Ist denn was zu sehen?

Claus. Ja gewiß, auf der Apenrader Straße ist solch ein Gedränge, daß ich vor Wagen und Menschen nicht durchkommen kann.

Traugott. Ha ha ha!

Claus. 's ist meiner Seel', wie ich sage.

Traugott. Weiß wohl; aber was denkst Du, daß los ist?

Claus. Ich weiß nicht: aber darum will ich ja eben auf den Thurm, um zu sehen.

Traugott. Du Narr, für diesmal spare Du nur Deinen Schilling: es ist nichts weiter, als daß bei uns eine Wochenstube ist.

Claus. Ei, ist das möglich? Kann um eine lumpige Wochenstube solch ein Spectakel gemacht werden? noch dazu bei schlichten Bürgersleuten.

Traugott. Schlichten Bürgersleuten? Weißt Du nicht, daß die gemeinen Leute gerade den allermeisten Luxus treiben? Sieh nur die Hochzeiten an! Kommt man bei einem Schneider oder Schuster zur Hochzeit, so wird man eingeholt mit Trompeten und Waldhörnern, wird an einen Tisch gesetzt, so lang wie von Lichtmeß bis Ostern, und voll gerüttelt mit kostbaren Gerichten. Kommt man zu Leuten, die einer etwas höheren Klasse angehören, so kriegt man blos Thee, Kaffe und Complimente . . . . Und bei Leuten vom allerersten Stand bekommt man nun erst recht nichts als blos die Traurede und eine Prise Tabak für die Nase. Ich merke schon, Claus, Du kennst Kopenhagen noch nicht recht. 265

Claus. Was Du da sagst, Traugott, ist wol richtig. Aber daß Dein Meister solchen Allarm davon schlägt, daß seine Frau ein Kind gekriegt hat, das kommt mir doch seltsam vor, besonders da er ja nicht einmal weiß, ob er selbst – mehr trau' ich mir nicht zu sagen . . . .

Traugott. Ei was für Klatsch! Das sind nur böse Menschen, die so etwas ausbreiten, er ist ja ein Mann, der noch nicht einmal siebenzig Jahre alt, und obenein schwören Hebamme und Amme, daß das Kind seinem Vater aufs Haar gleicht.

Claus. Just darum glaub' ich es nicht.

Traugott. Darauf kommt auch wol was an, was so ein Schlingel sagt; hätt' ich Zeugen auf das, was Du eben vorgebracht hast, so sollte es Dir schlecht gehen.

Claus. Du kannst immer Zeugen bringen, ich werde nichts zurücknehmen, was ich gesagt habe; Hebammen und Ammen sagen allemal, daß das Kind seinem Vater gleicht, auch wenn man beweisen kann, daß der Vater in Ostindien war, während das Kind gemacht wurde. Aber da kommt Dein Meister, adiös. (Ab.)

Dritte Scene.

Corfitz. Traugott.

Corfitz. Bist Du es, Traugott? Ich bin froh, aus dem Schwarm herauszukommen; ich bin so bombardirt worden mit Gratulationen, daß ich kaum mehr auf meinen Beinen stehen kann. Aber was dem Messerschmied seine Frau schwatzen kann, die hat den reinen Teufel im Leibe.

Traugott. Das ist ganz wie der Meister sagt, ich habe dieselbe Bemerkung gemacht, meiner Seel'. Auch hätt' ich vorhin beinahe Händel mit ihr gekriegt von wegen des Meisters.

Corfitz. Sprach sie von mir?

Traugott. Nein, keineswegs, nein, das war was ganz Anderes, wovon wir sprachen. Aber ich nahm des Meisters Partie dabei, wie ich allzeit zu thun pflege. 266

Corfitz. Was Teufel sind das für Redensarten? Hast Du meine Partie genommen, so muß sie ja doch in der That böse von mir gesprochen haben?

Traugott. Nein, sagt' ich ihr das nach, so löge ich, ich habe sie durchaus nichts Böses vom Meister sagen hören; sie sagte eigentlich, genau zu sagen, gar nichts, sie saß blos und las ein paar Sentenzen in einem alten Buche.

Corfitz. Was waren das für Sentenzen?

Traugott. Alle hab' ich sie nicht behalten: aber unter Anderm las sie, ein alter Mann, der eine junge Frau nimmt, sei wie einer, der Musikanten hält, damit die ganze Stadt was zu tanzen habe, während er selbst doch gar nicht tanzen kann. Der Meister kann sich denken, wie mir zu Muthe ward, da ich das hörte.

Corfitz. Was Teufel ging denn Dich das an? Ich glaube, der Junge ist verrückt mit seinem Geschwätz!

Traugott. Nein, der Meister muß nur erst hören, was sie weiter las, nämlich, daß so Einer einem Baum gleiche, der keine Frucht trage, sondern nur zum Schatten diene. Hatt' ich da nicht Ursache, mich in des Meisters Seele zu ärgern? Ich kann sagen, es wurde mir ganz schwarz vor den Augen.

Corfitz. Du leichtfertiger Schelm, was geht denn das Dich oder mich an, was in einem alten Buche geschrieben steht?

Traugott. Nein, mich geht das nichts an.

Corfitz. Geht es denn etwa mich an?

Traugott. Nein, Meister, Keinen von uns, das Buch war ja schon über hundert Jahre alt.

Corfitz. Aber wenn Du keine Ursache hattest, warum ärgertest Du Dich denn?

Traugott. Ich sagte ja nicht, daß ich mich geärgert habe, sondern daß ich blos Ursache dazu hatte. Ich will dem Meister was sagen.

Corfitz. Was willst Du denn sagen?

Traugott. Ei, der Meister ist auch zu neugierig, er will immer alles wissen.

Corfitz. Der Bursche macht mich noch toll im Kopf. (Leise) 267 Ich weiß nur nicht, ob das Bosheit oder Dummheit ist, daß er so spricht. (Laut) Aber hast Du wol gemerkt, ob der Cantor GotthardIn den ältesten Ausgaben findet sich hier noch der charakteristische Zusatz: »aus Deutschland«, dem Lande also, wo, nach der damaligen Volksauffassung, die Holberg theilt oder zu theilen sich den Anschein giebt, alle Schwindler, Projectmacher und Taugenichtse herkommen. In der Folge jedoch ließ er selbst den Zusatz wieder fallen. ab und zu bei uns im Hause gewesen ist?

Traugott. Warum fragt der Meister danach? Ist der Meister etwa bange, daß er nicht selbst Vater zum . . .?

Corfitz. Ei, antworte Du mir doch, wonach ich frage.

Traugott. Vielleicht fürchtet der Meister, daß die Frau Meisterin sich hat lassen . . .?

Corfitz. Antworte Du mir nur auf meine Frage, Du Naseweis! Ich frage nur, ob Du bemerkt hast . . .?

Traugott. Seit Decembermonat hab' ich ihn wahrhaftig hier im Hause nicht gesehen. Aber warum will der Meister das wissen? Das kann ich mir doch nicht denken, daß die Frau Meisterin so toll gewesen und hätte sich lassen . . .?

Corfitz. Was ist das für dummes Geschwätz! Ich glaube, ich glaube nicht! Da ist ja noch niemand, der danach fragt, was Du glaubst oder nicht glaubst. – Zu welcher Zeit im December hast Du ihn hier im Hause gesehen?

Traugott. Ich dächte, es wäre so ungefähr vierzehn Tage vor Weihnachten gewesen. Aber warum fährt der Meister denn so zusammen? Ich kann mir doch wirklich nicht denken, daß der Teufel den Kerl sollte geritten haben und er hätte sollen . . . .

Corfitz. Kommst Du Schlingel schon wieder mit Deinem Glauben und Raisonniren? Vierzehn Tage vor Weihnachten, sagst Du, wär' es gewesen?

Traugott. Ja, da war's, Meister, und jetzt schreiben wir den achten October.

Corfitz. Wer Henker fragt danach, was wir schreiben? Das ist ein Teufelsjunge, der macht mich verrückt mit seinem Geschwätz. Marsch, fort!

(Traugott läuft weg.) 268

Vierte Scene.

Corfitz allein, zählt an den Fingern.

December eins, Januar zwei, Februar drei, März vier, April fünf, Mai sechs, Juni sieben, Juli acht, August neun, September zehn – das ist ja was ganz Verfluchtes! Wart, laß noch mal sehen: December eins, Januar zwei, Februar drei, März vier, Mai fünf, Juni sechs, September sieben – es sind doch nur sieben Monate zu rechnen, außer ich hätte mich verzählt. (Zählt wieder und kriegt nun zehn Monate.) Wie Teufel ich auch zähle, so merk' ich, ich bin Hahnrei und bleibe Hahnrei. (Wirft seinen Hut an die Erde, so daß die Schnüre davon losgehen und er ganz breit herunterhängt, da er ihn wieder aufsetzt.) Recht so, da hab' ich ja meiner Treu' gleich vollkommene Bestätigung von meinem Hut! Na, wenn ich den guten Sänger nur zu fassen kriege, so will ich ihn so durchschmieren, daß er in seinem ganzen Leben weder Discant noch Baß wieder singen soll! Aber hab' ich nicht vielleicht einen ungerechten Argwohn gegen einen ehrlichen Kerl? Nein, wenn ich Eins mit dem Andern zusammenhalte, so ist die Geschichte richtig. Das giftige Weib, die Messerschmiedin, saß da, und so oft sie das Kind schreien hörte, stieß sie ihre Nachbarin an den Arm und sagte: Horch, das wird meiner Treu' des Vaters Stimme, es ist, als ob ich ihn vom Orgelchor singen hörte, blos das Trillern, das hat das Kind noch nicht so gut heraus! Worauf die Andere lachte und sagte: Madame, Ihr seid doch gar zu satyrisch. Wie ich das hörte, war mir's, als ob mir Einer ein Messer ins Herz stieße. Aber mein Mißtrauen wurde bestärkt, als ich nachher auf das Kind Acht gab und bemerkte, daß es schon anfängt mit dem Kopf zu nicken, als wollte es den Tact schlagen. Endlich wird das alles bestärkt und besiegelt durch Traugott, der mir ja sagt, daß eben dieser Kerl in meinem Hause gewesen ist während meiner Abwesenheit, zwei Wochen vor Weihnachten. – Was soll ich aber thun? Ich muß wol Geduld haben und ihm noch obenein sein Macherlohn bezahlen. Wenn ich nachrechne, was mich diese Niederkunft bereits 269 kostet, so möcht' ich mir die Haare vom Kopf reißen. Aber Jedem nach Verdienst, was hatt' ich als Mann von siebzig Jahren da noch zu suchen? – Aber da kommt mein Nachbar Jeronimus.

Fünfte Scene.

Jeronimus. Corfitz.

Jeronimus. Guten Morgen, lieber Nachbar, viel Glück zum jungen Sohne.

Corfitz. Schön Dank, Nachbar, für Seinen Wunsch; aber seid Ihr noch nicht in der Wochenstube gewesen?

Jeronimus. Nein, ich traue mich nicht hinein, ich bin bange für meinen Hut.Männern, die sich in eine Wochenstube wagten, wurde von der Amme der Hut weggenommen, den sie dann durch ein Geschenk auslösen mußten.

Corfitz. Ich wollte, meinen Hut hätte der Teufel geholt. Ich kriege jetzt 'nen Schreck, wenn ich nur von Hüten höre.

Jeronimus. Ha ha ha!

Corfitz. Lacht nicht über mich, lieber Nachbar, es wäre sündhaft von Euch. Ich räume ein, daß ich ein Thor war, als so ein steinalter Mann eine junge Frau zu nehmen.

Jeronimus. Ja, da das nun einmal geschehen ist, so kommt nun auch das Heulen zu spät. Aber wen habt Ihr im Verdacht, lieber Nachbar? Ich meiner Treu' bin Ihm nicht in das Gehege gekommen.

Corfitz. Ach, ich muß lachen; nein, Ihr, Nachbar, seid allerdings unschuldig. Aber ich bin in Furcht wegen eines jungen Sängers, der hier mehrmals im Hause gewesen ist.

Jeronimus. Ei, was will das sagen? Vielleicht ist Eure Frau eine Musikliebhaberin und hat deshalb solchen Musikanten erlaubt, ins Haus zu kommen; das thun ja, wie man sieht, manche Frauen, ohne darum in übles Gerede zu kommen.

Corfitz. Ach, Nachbar, die Art Kerle, fürcht' ich, sind bessere Mausekater, als Musikanten. Aber sei dem nun, wie ihm wolle, so sagen die Leute doch, das Kind gleicht dem Kerl aufs Haar. 270

Jeronimus. Das muß schlechtes Volk sein, das so etwas sagt.

Corfitz. Ja, unterstände sich Einer, mir das in die Augen zu sagen, da sollt' ihn das Donnerwetter für seine Mühe. Aber ich kriege das erst aus zweiter Hand zu wissen durch gute Freunde, die es gehört haben.

Jeronimus. Das mögen wol auch dem Teufel seine guten Freunde sein, die Euch solchen Klatsch hinterbringen; wollte da Einer zu mir kommen, und mir so in aller Vertraulichkeit erzählen, der oder der hätte mich einen Hahnrei geschimpft, das sollte ihm einen schlechten Lohn einbringen.

Corfitz. Laßt uns nicht mehr davon sprechen, da kommt der Bursche.

Sechste Scene.

Traugott. Corfitz. Jeronimus.

Traugott. Ich hab' einen Gang in die Stadt, die Frau Meisterin läßt den Meister bitten, er möchte doch unterdessen so gut sein, und diese Kaffebohnen mahlen, 's ist eben niemand anders zur Hand.

Corfitz. Ei, scheer' Dich fort, Du Flegel! Kannst Du nicht sehen, daß ich Fremde bei mir habe?

Traugott. Ach, Meister, sei Er doch so gut, Monsieur Jeronimus ist ja kein Fremder.

Corfitz. Fort, sag' ich, ich habe jetzt Andres im Kopfe.

Traugott. Den Kopf braucht der Meister ja auch nicht dazu, blos die Hände.

Corfitz. Dich soll das Donnerwetter, packst Du Dich jetzt nicht fort, Du Naseweis!

Traugott (geht, kommt aber wieder). Ach, Meister, sei Er doch so gut, ich kriege sonst meiner Seel' Schelte.

Jeronimus. Reich' die Mühle nur her, mein Sohn, und besorge Du Deinen Gang, ich will den Kaffe ja gern mahlen.

(Traugott ab.)

Corfitz. Nein, da dank' ich Ihm doch, Nachbar, soll Einer von uns mahlen, so bin ich der Nächste. (Er mahlt und schwatzt 271 zugleich.) Das ist nun bereits das sechste Pfund Kaffe, das bei diesem Kindbett verzehrt wird, die Haare auf dem Kopf stehen Einem zu Berge, wenn man daran denkt – und an Anderes noch. Der Kessel kommt nicht mehr vom Feuer; die Eine will Kaffe haben, die Andere grünen Thee, eine Dritte Thee de Bou oder de Bock, wie zum Teufel sie das nun nennen, so daß, wenn dies noch lange so dauert, ich nicht so viel Geld behalte, um mir den Strick zu kaufen, an dem ich mich aufhänge. Dies Kaffetrinken, glaub' ich, das hat kein Anderer inventirt als Lucifer selbst: damit hat er mehr erreicht, als mit dem Branntwein. Meine Frau fängt schon ganz auf große Manier an, sich schlecht zu befinden, so lange sie noch keinen Kaffe getrunken. Es ist eine seltsame Wirkung, Nachbar, die ich an diesen gebrannten Bohnen bemerkt habe; ich habe Weiber und Mädchen in Gesellschaften so still und ehrbar sitzen sehen, als wären sie in der Kirche; sowie sie aber dies gebrannte Teufelszeug in den Leib bekamen, da ging ihnen das Mundwerk wie 'ne Pfeffermühle. Ja, noch mehr, Nachbar: sowie sie nur erst so ein drei bis vier Schälchen im Leibe haben, so kriegen sie auch gleich Lust Karten zu spielen. Ich habe das zehn- und zehnmal bemerkt, so daß doch zuletzt so 'ne Art Gift in den Bohnen stecken muß. Auch ist mir dieser Trank von jeher verhaßt gewesen, wenn aus keinem andern Grunde, so doch allein schon darum, daß selbige Bohnen von den Türken kommen, welches die Feinde der Christenheit sind.

Jeronimus. Ei, Nachbar, hört nur auf zu mahlen, so werdet Ihr auch aufhören, so närrische Reden zu führen. An Euren eignen Reden merk' ich ja, daß es wahr ist, was Ihr von den Wirkungen des Kaffes sagt: denn wenn Ihr so redselig werdet und solche wunderliche Geschichten schwatzt allein vom Geruch, wie muß er nicht erst bei denen wirken, die ihn wirklich in den Leib kriegen. Ich kann Eure Meinung nicht so ohne Weiteres unterschreiben; müssen denn die guten Frauenzimmer nicht auch etwas haben, sich des Nachmittags zu vergnügen, so gut wie wir, die wir Abends ins Weinhaus gehen und betrunken nach Hause kommen? Gegen Thee und Kaffe hab' ich niemals 272 gepredigt: denn die Art Getränke sind noch die unschuldigsten. Denkt einmal, Nachbar, wie das ehedem ging, als die Frauenzimmer Sommers noch Kalteschale tranken und Winters spanischen Wein, da konnten sie, wenn sie mehre Besuche machten, ohne einen halben Rausch gar nicht abkommen. Darüber also laßt uns nur schweigen, Nachbar! Denn sollen die Frauenzimmer auch etwas haben, womit sie sich in Gesellschaft erquicken, was doch Sünde wäre ihnen weniger zu gönnen, als den Männern, so ist es noch immer besser, sie debauchiren in Wasser, als in Wein und Branntwein.

Corfitz. Ja, Nachbar, das möchte auch alles so sein, ich wollte ohne Murren mein Geld geben zu Thee, Kaffe, Schockerlade, spanischem Wein, Eingemachtem, Doctor, Barbierer, Quacksalber, Hebammen, Wahrsagerin, Amme, Kindermädchen, ja mit Vergnügen wollt' ich Kaffe mahlen, Feuer anmachen, sogar an der Wiege sitzen, wenn ich nur gewiß wüßte, daß ich . . . Aber habt Ihr nicht gehört, was der Holländer sagt:

    Hoe kan en jonge Vrouw en oude Man bedriegen,
    En ander maekt het Kind, en ick meet staaen an Wiegen?

Jeronimus. Ei, laßt doch die Grillen fahren, kommt herüber zu mir, raucht ein Pfeifchen Tabak!

Corfitz. Ich werde gleich nachkommen.

(Jeronimus ab.)

Siebente Scene.

Ein Mädchen. Corfitz. Traugott. Später ein zweites Mädchen.

Mädchen (im Eintreten). Meister, die Hebamme ist drinnen, die Frau Meisterin sagt, sie müßte sechs Thaler haben für ihre Bemühung.

Corfitz. Wenn ich eine von euch Mädchen sehe, ist das doch grade, als ob ich den Teufel sehe; jedesmal, wenn Ihr kommt, wollt Ihr auch Geld haben.

Mädchen. Freilich, die Hebamme muß bezahlt werden, sonst kommt sie meiner Treu' das nächste Mal nicht. Das ist 273 so 'ne Art Leute, die muß man warm halten; denn in Jahr und Tag, hoff' ich, wird der Meister doch wieder ein Kind kriegen?

Corfitz. Meinst Du? Und ich hoffe, daß daraus nichts wird; als ein Mann von siebzig Jahren kann man seiner Frau nicht alle Jahre ein Kind leisten.

Traugott. Ei, das hat nichts zu sagen, wenn der Meister hundert Jahre alt wäre, dann könnt' er doch alle Jahre ein Kind haben, man hat so Exempel von Beispielen. Ich kenne einen Mann in Aalborg, der war hundert und vier Jahre alt und kriegte Zwillinge; nämlich seine Frau war erst achtzehn Jahre, na und wenn die Frau so jung ist, da kann das ja passiren ohne Hexerei. Nämlich . . . .

Corfitz. Wer spricht mit Dir, Du naseweiser Schlingel? Willst Du gleich Dein Maul halten, wenn Dich Keiner fragt?

Mädchen. Ach, Meister, gebt uns doch die sechs Thaler, die Hebamme kann nicht länger warten. Bei der Gelegenheit muß ich auch um Geld zu verschiedenen andern Dingen bitten.

Corfitz. Hei so, da möchte man doch verrückt im Kopfe werden über solch Volk!

Mädchen. Es sind blos ein paar Kleinigkeiten.

Corfitz. Na, was denn?

Mädchen. Ein Pfund Kaffebohnen . . . .

Corfitz. Recht so, da haben wir schon sieben Thaler auf einem Brett.

Mädchen. Und dann der Lohnkutscher, der die Hebamme gebracht hat, der muß auch zwei Mark haben.

Corfitz. Kann das Vieh nicht zu Fuß gehen, so gut wie ich? Wäre das noch eine von den vornehmen Hebammen, so wollt' ich nichts dagegen sagen. Na, komm' her, ich werde Dir sieben Thaler und zwei Mark geben und dann laß mich auch in Frieden.

Mädchen. Ich muß auch noch gleich Geld zu einem Hut Zucker haben, es ist kein feiner Zucker mehr im Hause.

Corfitz. Der Zucker schon alle? Na, das ist doch, um einen armen Mann auf einmal zu ruiniren! Für Zucker geb' 274 ich kein Geld mehr her, sie können braunen Zucker nehmen, der ist lange gut.

Mädchen. Ei, Meister, man kann doch nicht braunen Zucker zum Kaffe nehmen, wenn solche Fremde da sind?

Corfitz. Was sind denn das für Fremde?

Mädchen. Nun, das ist Jacob Butterblumen seine Marthe und Jesper Oldfuxen seine Engelke . . . .

Corfitz. Das sind auch gerade die richtigen Weiber, solch Aufhebens davon zu machen. Sieh her, da hast Du acht Thaler und nun lauf' zum Henker.

Mädchen. Die alte Anne, die das Kind gestrichen hat, damit es nicht die Herzspanne kriegt, muß auch vier Mark haben.

Corfitz. Vier lebendige Teufel soll sie kriegen, aber nicht vier Mark! Hätt' ich das gewußt, hätte sie mir nicht mit einem Fuße ins Haus kommen sollen; das Besprechen und Bestreichen ist gesetzlich verboten.

Mädchen. Wenn das auch zehnmal verboten ist, dem Kinde hat es diesmal doch geholfen, und überdies ist es nun geschehen. Die Frau Meisterin möchte niemand unlieber schuldig sein als dem alten Weibe; denn die geht und klascht an den vornehmsten Oertern.

Corfitz. Das seh' ich schon, diese Rolle Geld geht heut zum Teufel. Hast Du noch mehr, so sag' es nur geschwinde: denn nun bin ich mal desperat.

Mädchen. Nein, nichts, außer zwölf Schillinge für Goldwasser zum Kaffe; vier Schillinge für Branntwein für die Amme, wie ihr übel wurde; zwei Mark für Zuckerwerk; eine Mark für Aepfel und Nüsse; zwanzig Schillinge für eine Flasche mit Riechwasser, wie der Frau Meisterin schlimm wurde; vier Mark für den Barbier, der der Frau Meisterin am Fuß zur Ader gelassen; vier Mark für den Barbiergesellen, der der Amme zur Ader gelassen, aber wo anders; drei Schillinge für . . . . .

Corfitz (hält ihr die Hand vor den Mund). Ei, halt! Das Mädchen ist offenbar besessen! Sieh, da hast Du die ganze Tüte, nun lauf' damit zum Henker! (Mädchen ab.) Ach, ich unglückseliger Mann! Dauert das noch lange, muß ich ein Becken vor 275 die Kirchthüren setzen lassen; so ging das heut, so ging das gestern, so ging das vorgestern.

Zweites Mädchen (kommt). Ich wollte gern zwölf Schillinge haben zum Trinkgeld für eine Magd, welche der Frau Meisterin einen Teller Gerstengrütze gebracht hat mit Corinthen darin, von Else David, der Schulmeisterin.

Corfitz. Bist Du verrückt? Für acht Schillinge krieg' ich ja Grütze für vier bis sechs Menschen?!

Zweites Mädchen. Das hilft nun nichts, Meister, die Schulmeisterin giebt unserm Mädchen jedesmal zwölf Schillinge Trinkgeld für die geringste Kleinigkeit, die wir hinschicken.

Corfitz. Nun, das bekenn' ich, das sind ja verfluchte Moden, die sind ja auf nichts Anderes angelegt, als die Leute zu ruiniren.

Zweites Mädchen. Ach, Meister, macht rasch, die Frau Meisterin hat das Mädchen gebeten, so lauge zu warten.

Corfitz. Sieh her, da hast Du zwölf Schillinge, ich glaube, alles beides ist nicht mehr werth, die Grütze mit sammt dem Teller. Ach, muß man nicht verrückt im Kopf werden über diese verfluchten Moden! Und doch wollt' ich mich mit Geduld in alles schicken, wenn ich nur sicher wäre, daß ich . . . . (Geht auf und nieder und singt leise vor sich hin.) Traugott!

Traugott. Ja, Meister?

Corfitz. Sagtest Du nicht, es wäre vierzehn Tage vor Weihnachten gewesen, daß Du den Kerl hier im Hause sahst?

Traugott. Ja, Meister, und jetzt schreiben wir den achten October.

Corfitz. Halt Dein Maul, Schlingel, das hab' ich schon einmal gehört.

Traugott. Ach, Meister, ich möchte darauf schwören, daß man dem guten Kerl Unrecht thut und daß das nur nichtswürdige Erfindungen und Lügen sind, daß sie sagen, das Kind sähe ihm ähnlich . . . .

Corfitz. Willst Du Bestie Dein Maul halten? (Kriegt ihn bei den Haaren und wirft ihn hinaus.) Ach, ich elender Mensch! Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Und doch, wen darf ich anklagen, als mich selbst? In einer Komödie hab' 276 ich gelesen, daß, wenn ein alter Mann eine junge Frau heirathet, es sich jedesmal, auch ohne ausdrücklich im Ehecontract bemerkt zu sein, von selbst versteht, daß er die Güte haben muß, im ersten Jahr zu sterben, und wenn er das nicht thut, so ist sie auch nicht verpflichtet, den Contract in andern Punkten zu halten. 277


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