Ludvig Holberg
Erasmus Montanus oder Rasmus Berg
Ludvig Holberg

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Erster Akt.

Erste Scene.

Jeppe allein, mit einem Brief in der Hand.

Jeppe. Schade, daß der Küster nicht da ist; in meines Sohnes Brief steht so viel Latein, das ich nicht verstehe. Das Wasser tritt mir in die Augen, wenn ich denke, daß ein armer Bauerjunge so gelehrt geworden ist, noch dazu, da wir nicht einmal zu den UniversitätsbauernEr meint die Bauern auf den der Universität gehörigen Gütern, dieselben, die der Dichter anderwärts auch wol »gelehrte Bauern« nennt. A.d.Ü. gehören. Leute, die sich auf Gelehrsamkeit verstehen, haben mich versichert, daß er mit jedem Pastor disputiren kann, wer es auch sein mag. Ach, wenn ich und meine Frau doch nur noch vor unserm Tode die Freude hätten, ihn predigen zu hören, und zwar hier im Ort, da wollte ich das viele Geld, das er uns gekostet hat, auch gern verschmerzen. Peter, der Küster, das merke ich schon, macht sich allerdings nicht viel daraus, daß mein Sohn zurückkommt; er fürchtet sich, wie es scheint, vor Rasmus Berg. Das ist was Schreckliches mit den Gelehrten, daß sie so neidisch auf einander sind, und daß nie einer dem andern seine Gelehrsamkeit gönnt. Der gute Kerl macht solche schöne Predigten, und wenn er vom Neid spricht, da tritt Einem gleich das Wasser in die Augen; bei alledem aber scheint er selbst mir nicht ganz frei davon zu sein. Mir ist das völlig unbegreiflich; wenn Einer nun auch sagte, mein Nachbar versteht den Ackerbau besser, wäre das wol ein Grund für mich, verdrießlich zu sein, oder sollte ich wol gar deshalb meinen Nachbar hassen? Nein, weiß Gott, da kennt Ihr Jeppe Berg schlecht. – Aber wahrhaftig, da ist ja der Küster! 292

Zweite Scene.

Jeppe. Küster Peter.

Jeppe. Willkommen zu Hause, Peter.

Peter. Schön Dank, Jeppe Berg.

Jeppe. Ach mein lieber Peter, da steht in meines Sohnes letztem Briefe so allerhand Latein; wenn Ihr mir das doch übersetzen könntet.

Peter. Ei was, dummes Zeug, glaubt Ihr, ich verstehe nicht ebenso gut Latein wie Euer Sohn? Ich bin ein alter Academicus, ja ich, Jeppe Berg!

Jeppe. Das weiß ich ganz wohl, ich meinte nur, ob Ihr auch das neumodische Latein verständet, da sich diese Sprache ja wol ebenso verändert wie unsre dänische. In meiner Jugend wenigstens sprach man ganz anders als jetzt; was jetzt Lakai heißt, hieß damals Knecht, was jetzt Maitresse heißt, hieß Kebsweib, ein Fräulein hieß Jungfer, ein Musikant Stadtpfeifer und ein Säckeltär hieß Schreiber. Darum meinte ich, das Lateinische könnte sich ja wol auch verändert haben, seit Ihr von Kopenhagen weg seid. Seid denn so gut und übersetzt mir das; die Buchstaben kenne ich wol, aber was sie heißen sollen, da hapert's.

Peter. Euer Sohn schreibt, er studire gegenwärtig seine logicam, rhetoricam und metaphysicam.

Jeppe. Was heißt das: Logicam?

Peter. Das ist die Kanzel.

Jeppe. Das freut mich; ach wenn er doch nur erst Pastor wäre!

Peter. Aber vorher KüsterEs war dazumal in Dänemark nichts Ungewöhnliches, daß Kandidaten der Theologie, denen es nicht glücken wollte, eine Pfarre zu finden, sich einstweilen, in Erwartung eines Besseren, als Küster durchbrachten; Peter, der dasselbe Schicksal gehabt hat und selbst schon seit so vielen Jahren Küster ist, möchte gern ein Gesetz daraus machen, damit es anderen nicht besser geht, als es ihm ergangen. A.d.Ü..

Jeppe. Und das Zweite?

Peter. Das heißt Rhetorica, das ist auf Dänisch das Ritual. Aber das Dritte muß verschrieben sein, oder es ist französisch. Denn wenn es Latein wäre, so verstände ich es ganz gewiß. Ich bin capabel, Jeppe Berg, und sage Euch die ganze AuroraEin damals beliebtes Schulbuch, aus dem die dänische Jugend die Elemente der lateinischen Sprache erlernte. A.d.Ü. aus dem Kopfe her. Ala heißt der Flügel, ancilla das 293 Mädchen, barba der Wagen, coena der Nachttopf, cerevisia das Bier, campana die Glocke, cella der Keller, lagena die Flasche, lana der Wolf, janua die Thüre, cerevisia Schmiere.

Jeppe. Ihr habt ein verteufeltes Gedächtniß, Peter.

Peter. Ja, ich habe auch nicht gedacht, daß ich so lange auf solcher armseligen Küsterstelle bleiben sollte; ich könnte auch schon längst ganz was anders sein, hätte ich nur mit einem Mädchen anbinden wollen. Aber lieber helfe ich mir durch, so gut ich kann, als daß ich mir nachsagen lasse, ich hätte mein Glück durch eine Schürze gemacht.

Jeppe. Aber hier, lieber Peter, ist noch etwas Lateinisches, das ich auch nicht verstehe; hier, diese Zeile.

Peter. Die Veneris Hafnia domum profecturus sum. Das ist allerdings ein wenig ungewöhnlich ausgedrückt, ich verstehe es aber doch ganz gut, obwol es manchem Andern Kopfbrechen machen würde. Auf Dänisch heißt das: Nach Kopenhagen sind profecto die Russen gekommenDie dänischen Studenten nennen »Russe«, was bei uns »Fuchs« heißt. A.d.Ü..

Jeppe. Na, was wollen die Russen da nun schon wieder?

Peter. Ei was, Jeppe Berg, das sind nicht solche Russen von Moskau, das sind junge Studenten, die heißen auch Russen.

Jeppe. Ach, nun verstehe ich schon, das ist, wenn der große Spectakel ist, wo sie Salz und Brod kriegenEr meint die Deposition oder (nach dem heutigen Sprachgebrauch) Inscription der Studenten. A.d.Ü. und zu Studenten gemacht werden.

Peter. Wann erwartet Ihr ihn nach Hause?

Jeppe. Heute oder morgen. Aber wartet mal ein bischen, guter Peter, ich will blos die Nille rufen, sie soll uns einen Krug Bier heraus bringen.

Peter. Ein Glas Branntwein wäre mir lieber, zum Biertrinken ist es mir noch zu früh.

(Jeppe ab.) 294

Dritte Scene.

Peter allein.

Peter. Daraus mach' ich mir, die Wahrheit zu sagen, auch nicht viel, daß Rasmus Berg nach Hause kommt. Nicht, als ob ich seine Gelehrsamkeit fürchtete; ich war schon ein alter Student, da er noch in die Schule ging und, mit Permission zu sagen, den Hintern voll kriegte. Das waren andere Kerle, die zu meiner Zeit deponirten, als jetzt. Ich deponirte an der Slagelser SchuleDie Gelehrtenschule zu Slagelse galt damals für eine der besten im Lande. A.d.Ü. mit Peter Monsen, Rasmus Jespersen, Christian Klim, Matz Hansen, den wir in der Schule Matz Pfannkuchen nannten, Paul Iversen, den wir Paul FinkeljochenFinkeljochen war damals in Dänemark wie noch heute in gewissen Theilen von Deutschland ein scherzhafter Beiname des Branntweins. A.d.Ü. nannten – alles Kerle, die trocken waren hinter den Ohren und Haare auf den Zähnen hatten und zu disputiren verstanden, gleichviel worüber es war. Ich bin freilich blos Küster geworden, aber ich habe doch wenigstens mein tägliches Brod und verstehe mein Amt. Auch habe ich die Sporteln sehr in die Höhe geschroben, so daß die Stelle mehr bringt als früher, worüber meine Nachfolger, wenn ich einmal todt bin, ja auch wol nicht böse sein werden. Die Leute denken immer, um Küster zu sein, braucht es kein Genie; ja richtig, so eine Küsterstelle ist weiß Gott keine Kleinigkeit, besonders wenn man satt dabei werden will. Vor meiner Zeit hielten die Leute im Dorf alle Leichengesänge für gleich gut, ich aber habe meine Einrichtungen so getroffen, daß ich zum Bauern sagen kann: »Was für einen Psalm willst Du? Der kostet so viel, der so viel«, und ebenso, wenn die Erde auf den Sarg geworfen wird: »Soll es weißer Sand sein oder bloße gewöhnliche Erde?« Das sind so Finessen, von denen hatte mein Vorgänger, der Christoph, keine Ahnung; er hatte aber auch freilich nicht studirt. Ueberhaupt begreife ich nicht, wie solch ein Kerl hat Küster werden können, aber allerdings er war auch danach. Ein bischen Latein ist dem Menschen zu allen Dingen gut; ich wenigstens möchte mein Latein nicht für hundert Thaler missen, das hat mir in meinem Amt schon mehr als hundert, ja zweihundert Thaler eingebracht. 295

Vierte Scene.

Nille. Jeppe. Peter.

Nille. Gesegne es Gott, Peter.

Peter. Schön Dank, Frau Nachbarin. Uebrigens trinke ich niemals Branntwein, außer wenn mir im Magen nicht recht ist, aber es ist mir meistentheils nicht recht im Magen.

Nille. Habt Ihr schon gehört, Peter, daß mein Sohn heute oder morgen nach Hause kommt? Da kriegt Ihr einen Mann, mit dem könnt Ihr Euch was erzählen, dem ist die Zunge gelöst, wie ich höre.

Peter. Ei ja, so ein bischen Latein für's HausIm Text ist von »Klosterlatein« die Rede, in dem Sinne, wie wir von Apotheker- oder Küchenlatein sprechen. Ebenso heißt es weiterhin »Klosterleinwand«, d. i. Leinwand, die aus den ehemaligen Klostergütern gesponnen worden. Um das Wortspiel nicht ganz verloren gehen zu lassen, hat der Uebersetzer sich zu einer kleinen Abweichung genöthigt. A.d.Ü. wird er wol verstehen.

Nille. Latein für's Haus? Das ist gewiß das beste Latein, gerade wie die Hausleinwand die beste ist.

Peter. Ha ha ha ha!

Jeppe. Was lacht Ihr denn, Peter?

Peter. Ei, über nichts, Jeppe Berg! Gesegn' es Gott zum zweiten Mal, Euer Wohlsein, Frau Nachbarin! Ha ha ha! Da habt Ihr ein wahres Wort gesprochen: Hausleinwand ist die beste Leinwand, aber –

Nille. Aber es heißt doch Hausleinwand, weil sie im Hause gemacht wird?

Peter. Ja, das hat seine Richtigkeit, ha ha ha! Aber Ihr könntet mir wol ein bischen zum Zubeißen geben zu dem Branntwein.

Nille. Hier ist Brod und Käse, nehmt vorlieb.

Peter. Schön Dank, Frau Nachbarin! – Wißt Ihr auch wie das Brod auf Lateinisch heißt?

Nille. Nein, meiner Seele, das weiß ich nicht.

Peter (indem er zugleich ißt und spricht). Das heißt panis, Genitivus pani, Dativus pano, Vocativus panus, Ablativus pano.

Jeppe. Alle Wetter, Peter, das ist eine weitläufige Sprache; was heißt denn da Grobbrod? 296

Peter. Das heißt panis gravis und fein Brod heißt panis finis.

Jeppe. Das hört sich ja beinahe wie Dänisch an.

Peter. Ja gewiß, aber es giebt auch eine ganze Menge lateinischer Wörter, die ursprünglich dänisch sind. Nämlich das hängt so zusammen: bei der hohen Schule in Kopenhagen war mal ein alter Rector, der hieß Saxo GrammaticaEr meint Saxo Grammaticus, den berühmten dänischen Gelehrten, den Vater der dänischen Geschichtschreibung, wenn auch freilich in fremder (lateinischer) Sprache. A.d.Ü., der verbesserte das Latein im Lande und schrieb eine lateinische grammatica, wovon er eben seinen Beinamen bekam: Saxo Grammatica. Selbiger Saxo verbesserte auch die lateinische Sprache wesentlich, indem er sie mit dänischen Wörtern bereicherte; denn vor seiner Zeit war das Lateinische so arm, daß man sich gar nicht so recht darin ausdrücken konnte.

Jeppe. Aber was heißt nur das Wort grammatica?

Peter. Das ist dasselbe wie DonatDer bekannte, auch bei uns sprüchwörtlich gewordene lateinische Grammaticus, der das ganze Mittelalter hindurch bis in die moderne Zeit hinein als Grundlage des lateinischen Unterrichts benutzt ward. A.d.Ü.; wird es in türkisch Papier gebunden, so heißt es Donat, wird es dagegen in weißes Pergament gebunden, so heißt es grammatica und wird declinirt wie ala.

Nille. Nein, wie die Menschen nur so was behalten können, mir wird allemal schon ganz schwindlich im Kopfe, wenn ich davon höre.

Jeppe. Darum sind aber auch die Gelehrten meist nicht richtig im Kopfe.

Nille. Ei wie kannst Du wol so was sagen? So glaubst Du also, unser Sohn, Rasmus Berg, ist nicht richtig im Kopfe?

Jeppe. Na hör' mal, Mutter, ein bischen wunderlich kommt es mir allerdings vor, daß er mir lateinische Briefe schreibt.

Peter. Ja wahrhaftig, da hat Jeppe ganz recht, es ist auch eine Narrheit von ihm; es ist gerade, als wollte ich mit dem Verwalter Griechisch sprechen, blos um zu zeigen, daß ich es kann.

Jeppe. Also Griechisch könnt Ihr auch, Peter?

Peter. Pah, so vor zehn Jahren konnte ich Euch die ganze Litanei auf Griechisch hersagen in einem Athemholen, und das weiß ich noch jetzt, das letzte Wort heißt Amen.

Jeppe. Ach Peter, was wird das für einen Spaß geben, 297 wenn mein Sohn nach Hause kommt und wir Euch da so auf einander los lassen.

Peter. Will er mit mir disputiren, so soll er seinen Mann an mir finden. Was aber das Singen anbetrifft, da kommt er gegen mich zu kurz. Ich habe mit zehn Küstern um die Wette gesungen und habe sie alle zusammen in den Sand gesetzt; ich schrie meinen Glauben so laut, daß ich von allen zehnen herauszuhören war. Schon vor zehn Jahren hätte ich können Cantor werden bei unserer Frauen SchuleDas berühmteste und besuchteste Gymnasium des damaligen Kopenhagen. A.d.Ü., aber ich wollte nicht, und sag' selbst, Jeppe, warum hätte ich es auch sollen? Warum hätte ich mich trennen sollen von meiner Gemeinde, die mich liebt und ehrt und die ich ebenfalls ehre und liebe? Ich lebe an einem Ort, wo ich mein Stück Brod habe und von allen Menschen respectirt werde; selbst der Herr Amtmann, so oft er herkommt, läßt mich sofort holen, um ihm die Zeit zu vertreiben und ihm was vorzusingen. Vor einem Jahr um diese Zeit gab er mir zwei ganze Mark, blos weil ich ihm die Scala vorsang, er schwur Stein und Bein, ich sänge das so gut, wie er es in den größten Concerten in Kopenhagen nicht zu hören kriegte. Wollt Ihr mir noch einen Schnaps einschenken, Jeppe, so sollt Ihr es ebenfalls zu hören kriegen.

Jeppe. Ei wol, schenk' noch eins ein, Nille!

Peter. Ich singe nicht vor jedem, Ihr aber, Jeppe, seid mein guter Freund, so stehe ich Euch mit Vergnügen zu Diensten. (Fängt an zu plärren, erst langsam, dann rascher) Ut, re, mi, fa, sol, la, si, ut! Nun wieder rückwärts:ut, si, la, sol, fa, mi, re, ut! Nun wieder auf eine andere Manier, damit Ihr auch einen Begriff von meiner Höhe kriegt: ut, re, mi, fa, sol, la, si, ut, re, mi, fa, sol, la si, ut, re!

Jeppe. Potz Schlag, das letzte ging fein, so fein können es nicht mal unsere Ferkel.

Peter. Jetzt ganz geschwinde: ut, re, mi, re, re – nein, das war falsch! Ut, re, mi, do, re, mi, ut – nein, das war wieder falsch! Ja, das ist höllisch schwer, mein guter Jeppe, so schnell zu singen. – Aber hier kommt Monsieur Jeronimus. 298

Fünfte Scene.

Jeronimus. Magdelone. Lisbeth. Jeppe. Nille. Peter.

Jeronimus. Guten Morgen, Schwager, hat Euer Sohn nichts von sich hören lassen?

Jeppe. Ei ja, er kommt, glaube ich, heute oder morgen.

Lisbeth. Ach, ist es möglich? So erfüllt sich mein Traum also doch!

Jeronimus. Was träumtest Du denn?

Lisbeth. Mir träumte, ich läge heute Nacht bei ihm im Bett.

Magdelone. Es hat doch was auf sich mit den Träumen, sie sind doch nicht so ganz zu verachten.

Jeronimus. Mag wol sein. Ihr guten Mädchen aber, wenn Ihr des Tags nicht so viel an die Mannspersonen dächtet, so würdet Ihr auch Nachts nicht so viel von ihnen träumen; Du, Magdelone, hast wol auch recht viel von mir geträumt, als wir noch Liebesleute waren?

Magdelone. Versteht sich; aber jetzt ist es meiner Seele lange her, daß ich nicht mehr von Dir geträumt habe.

Jeronimus. Das macht, weil die Liebe jetzt nicht mehr so heiß ist als Anfangs.

Lisbeth. Aber so ist es wahr, daß Rasmus Berg morgen zurückkommt?

Jeronimus. Nun ja, Du hörst es ja, morgen kommt er.

Lisbeth. Ach, Herzväterchen, wie lange haben wir noch bis morgen?

Jeronimus. Was das für verfluchte Fragen sind. Solch verliebtes Volk ist doch rein wie verrückt.

Lisbeth. Ich zähle wahrhaftig jede Stunde.

Jeronimus. Na, nun frag' noch, wie lang eine Stunde ist, dann merkt man gewiß, daß Du verrückt bist! Halt Du den Mund mit Deinem Gewäsche und laß uns Aelteren ein Wort verständig mit einander reden. Hört, mein werther Jeppe Berg, scheint Euch das wirklich rathsam, daß wir die beiden jungen Leute zusammengeben, bevor er sein Brod hat? 299

Jeppe. Wie Ihr darüber denkt. Ernähren kann ich sie freilich, aber besser wäre es doch, er hätte erst sein Brod.

Jeronimus. Mir scheint es durchaus nicht rathsam, sie vorher heirathen zu lassen.

Lisbeth (weint und heult).

Jeronimus. Ei, pfui Teufel, schäme Dich, das ist ja eine Schande für ein Mädchen, sich so anzustellen!

Lisbeth (weinend). Dauert das denn noch lange, bis er sein Brod hat?

Jeppe. Das wird gewiß nicht lange dauern. Denn wie ich höre, ist er ja so gelehrt, daß er jedes gedruckte Buch lesen kann, was es auch sei; ich habe eben erst einen lateinischen Brief von ihm gekriegt.

Nille. Und das ist ein Brief, der sich gewaschen hat, davon weiß der Küster zu sagen.

Lisbeth. War er so gut geschrieben?

Peter. Ei nun, für solchen jungen Menschen war er nicht übel; wenn er sich dazu hält, Mamsell, so kann er mit der Zeit schon werden. Wie ich in seinen Jahren war, da bildete ich mir auch ein, ich wäre ein Gelehrter, indessen –

Jeppe. Ja, Ihr Gelehrten laßt einander nie ein gutes Haar.

Peter. Pah, dummes Zeug, ich soll wol gar neidisch auf ihn sein? Wie er noch gar nicht auf der Welt war, da hatte ich schon dreimal auf Erbsen geknieet, und wie er in Sexta saß, da war ich schon seit acht Jahren Küster.

Jeppe. Die Anlagen sind verschieden, mancher lernt in einem Jahre, wozu andere zehn gebrauchen.

Peter. Na, was das betrifft, so stehe ich meinen Mann.

Jeronimus. Ei ja, das ist nun, wie es ist. Aber nun wollen wir nach Hause gehen, Kinder. Adieu, Jeppe, ich ging nur eben so am Hause vorbei und wollte Euch blos guten Tag sagen.

Lisbeth. Ach, laßt mich doch gleich wissen, sowie er kommt.

(Jeronimus, Magdelone, Lisbeth ab.) 300

Sechste Scene.

Jeppe. Nille. Peter. Jacob.

Jeppe. Was giebt's, Jacob?

Jacob. Wißt Ihr was Neues, Vater? Rasmus Berg ist gekommen!

Jeppe. Alle Welt, ist's möglich? Wie sieht er denn aus?

Jacob. Ach, er sieht außerordentlich gelehrt aus! Rasmus Nielsen, der ihn gefahren, schwört darauf, er hätte den ganzen Weg über nichts gethan als mit sich selbst disputirt auf Griechisch und Elamitisch, und dabei ist er in solchen Eifer gerathen, daß er Rasmus Nielsen drei, viermal mit geballten Fäusten in den Rücken geschlagen und hat dazu gerufen: »probe Majoren, probe Majoren!« Ich denke mir, er wird wol vor seiner Abreise sich mit einem Major gezankt haben. Und dann wieder hat er ganz still gesessen und Mond und Sterne angesehen, so tief nachdenklich, daß er dreimal aus dem Wagen gefallen und vor lauter Gelehrsamkeit nahe daran gewesen ist, den Hals zu brechen, so daß Rasmus Nielsen darüber gelacht und zu sich selbst gesagt hat: »Am Himmel mag Rasmus Berg ein ganz gescheidter Mann sein, aber auf Erden ist er ein Narr.«

Jeppe. Ei, kommt, laßt uns hineingehen, ihn zu empfangen! Kommt mit uns, guter Peter, am Ende hat er wol gar sein Dänisch vergessen und kann blos noch Latein, da könnt Ihr den Dolmetscher machen.

Peter. Ja, daß ich ein Narr wäre, ich habe anderes zu thun. (Alle ab.)


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