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Terentia, des Schauspielers Braut. Apollonia.
Terentia. Ach, es ist nur allzu richtig, Apollonia, ich war bei meinem Bräutigam an der Thüre, um zu hören, was es gäbe, aber ich fand das Haus leer und die Thüre verschlossen. Ach, wenn er doch nur dem Gefängniß entflohen wäre; denn wenn er wirklich dem Henker in die Hände fällt, so mag auch ich nicht länger leben.
Apollonia. Ei Possen, Mamsell! Zwar wollt Ihr einen Schauspieler heirathen und späterhin selbst Schauspielerin werden, aber darum müßt Ihr doch nicht vor der Zeit Tragödien spielen.
Terentia. Wenn er, den ich so heiß geliebt habe, eines schmählichen Todes sterben muß, wie könnte ich es wol überleben?
Apollonia. Das ist schon wahr, Mamsell, und ich selbst möchte Ihr nicht rathen, es zu überleben; indessen sorgt wenigstens, daß Ihr nicht anders sterbt, als die Heldinnen der Tragödie nach der Regel des Theaters zu sterben pflegen. Ihr müßt noch erst einige Tragödien durchlesen und Euch eine Heldin zum Muster nehmen, die recht galant und recht nach der Regel stirbt; in diesem Falle wird niemand etwas dagegen haben, im Gegentheil, Ihr erweist dem Publikum noch einen Gefallen damit, da eben großer Mangel an tragischen Stoffen ist. 258
Terentia. Ach, spotte nicht, Apollonia, wüßtest Du, wie ich ihn geliebt habe, Du sprächest gewiß anders.
Apollonia. Ich gebe zu, daß Ihr Anlaß hattet ihn zu lieben; jetzt jedoch, nachdem Ihr erfahren habt, daß er sich dem Teufel verschrieben und ein Schwarzkünstler geworden ist, jetzt, wenn Ihr noch die mindesten Nachgedanken habt, muß Eure Liebe sich in Haß verwandeln. Ich für mein Theil, hättet Ihr mich vor Eurer Verlobung um Rath gefragt, würde Euch von vornherein abgeredet haben; das Risico ist doch gar zu groß, sich mit einem Schauspieler zu verloben, der alle Abend neue Liebschaften hat und so viel Frauen nimmt, als der Poet Lust hat Komödien zu schreiben.
Terentia (weinend). Ach, Apollonia, ich kann ihn nicht verlassen, auch wenn ich wollte.
Apollonia. Wie so? Da ist wol noch etwas mehr zwischen Euch vorgefallen als Redensarten und Versprechungen?
Terentia. Ach eben das ist ja das Unglück, ich bin, unter uns gesagt, nicht mehr so ganz frei –
Apollonia. Das ist freilich dumm, aber das Leben nähme ich mir darum doch noch nicht. Ich bin selbst einmal zu Falle gekommen, durch einen jungen Mann, mit dem ich nicht einmal verlobt war, aber darum bin ich doch eine eben so gute Jungfer wie vorher. Ein Mädchen in einer großen Stadt kommt niemals um ihren Ruf; kommt sie in andere Umstände, so liegt statt ihrer eine Bauerfrau in Wochen und kriegt das Kind. Wenn Ihr einen Jungen kriegt, so wäre es ein wahres Glück für Euch; denn wenn ein Hexenmeister einen Jungen macht, das wird allemal ein Wichtelmännchen, das seine Mutter reich macht.
Terentia. Ach, ach, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen; ich will von der bösen Zunge nichts mehr hören. (Ab.) 259
Apollonia. Lucretia.
Apollonia. Es thut mir doch leid, daß ihr das hat passiren müssen; denn da nun sämmtliche Schauspieler als Schwarzkünstler in Verdacht sind, so werden diese Komödien, von denen wir ebenso viel Nutzen als Zeitvertreib hatten, nun wol ganz aufhören müssen. Aber sieh, da kommt die prüde Madame Lucretia; die wird sich gewiß darüber freuen, da sie ja die Komödien niemals leiden konnte.
Lucretia. Nun, Apollonia, so habe ich denn endlich Genugthuung von der Komödie. Es ahnte mir gleich, daß es mit diesen Schauspielern kein gutes Ende nehmen würde; mit keinem Menschen in keinem Stande haben sie Frieden gehalten, bald ging es über die Doctoren her, bald über die Advocaten, über Obrigkeiten, Apotheker, Bürger und Edelleute, niemand ist von ihnen verschont worden, nicht einmal Papst, Cardinäle, Bischöfe, Barbiere, Kanngießer, noch Tanzmeister.
Apollonia. Eben darum schätzte ich sie werth; das Theater ist der Spiegel, worin die Menschen sich selbst erblicken und ihre Fehler verbessern können.
Lucretia. Was mir bei den Komödien am besten gefiel, das war immer der letzte Akt, und dann wieder im letzten Akt die letzte Scene, denn da wußte ich doch jedesmal, daß es zu Ende ging. Mein Mann war vorige Woche da, aber wie er wegging, spuckte er aus.
Apollonia. Das ist mir sehr begreiflich; der Held der Komödie war ein geduldiger Ehemann, und da war der Herr Liebste denn für diesmal völlig in seinem Rechte.
Lucretia. Ei, Ihr Spottvogel, für wen haltet Ihr mich?
Apollonia. Für eine höchst liebenswürdige Dame.
Lucretia. Na was sollen denn da die Historien? Und übrigens hat mein Mann nicht blos in dieser Komödie ausgespuckt, sondern auch schon in der vorhergehenden.
Apollonia. Dazu wird er ebenfalls seine Gründe gehabt haben; es trat ein Jäger mit seinen Hunden auf, und das ist ein 260 unangenehmer Anblick für gewisse Männer, denen dabei bange wird, es könnte ihnen gehen wie dem Actäon, der von seinen eigenen Hunden für einen Hirsch gehalten und von ihnen zerrissen ward.
Lucretia. Was war das für ein Mann, der Actäon?
Terentia (kommt). Das war eine gute alte Haut von Mann, nur –
Lucretia. Was meint Ihr mit Eurem Nur?
Apollonia. Nur soll er ebenfalls eine sehr liebenswürdige Frau gehabt haben.
Lucretia. Ihr müßt Euch deutlicher aussprechen, wenn Ihr mit mir sprecht, ich verstehe solche verblümte Redensarten nicht.
Apollonia. Nun, wahrhaftig, ich spreche doch so deutlich, daß man es mit Händen greifen kann.
Lucretia. Adieu, Mademoiselle, hier habe ich keine Lust länger zu bleiben. (Ab.)
Apollonia. Ganz nach Belieben. Von solchen thörichten Menschen werden wir gewiß noch mehr geplagt werden, die sich über das Ereigniß freuen, weil sie innerlich hoffen, das Theater, das ihre Thorheiten gegeißelt, werde bei dieser Gelegenheit zu Grunde gehen. Aber sieh, wer kommt denn da gesprungen, das ist ja wahrhaftig Hans Franzen.
Jean. Apollonia.
Jean. Vertichoux! quel accident! On dit, que la bande va-être perdue, ha, ha, ha!
Apollonia. Worüber ist Er denn so vergnügt, Monsieur?
Jean. He bien, Mademoiselle, je vous gratule. Ihr sollt ja, wie ich höre, sammt und sonders gehängt werden.
Apollonia. Hat Einer von unserer Gesellschaft sich vergangen, so trifft das doch uns Uebrige nicht.
Jean. Que diantre? N'avez-vous, pas – 261
Apollonia. Ei, wenn Ihr es noch im Stande seid, sprecht doch hübsch Eure Muttersprache.
Jean. Je vous dis, Mademoiselle, Ihr habt mardi alle zusammen Galgen und Rad verdient für die Schandschriften, die Ihr gemacht habt auf honnête gens.
Apollonia. Aber was geht das Monsieur an? Er wird doch hoffentlich nicht närrisch genug sein, sich unter die honnêtes gens zu rechnen?
Jean. Je me morcque de vous, Madame Grivoise. Ihr seid ein Kümmeltürke, ich aber als ein Cavalier bin im Auslande gewesen, pour faire honneur à la nation.
Apollonia. Pour faire honneur à la nation?!
Jean. Oui, Madame, pour faire honneur à la nation! Le roi de France, Monseigneur et Madame, sah mich nie, ohne sogleich zu sagen: Laissez passer et repasser dce Cavalier là; denn er bringt uns Geld ins Land. Ich weiß noch recht gut, was mich die Anzüge gekostet haben, die ich mir allein zu den verschiedenen Geburtstagen machen ließ, blos pour faire honneur à la nation. Oui pardi, Madame! Dafür passirte ich aber auch in Versailles, Fontainebleau und Marly nicht allein für einen honnête homme, sondern auch für einen honnête cavalier.
Apollonia. Nach dieser Beschreibung überzeuge ich mich denn freilich, daß ein Pferd mit einer goldgestickten Schabracke ebenfalls ein honnête home heißen kann, besonders wenn le roi de France, Monseigneur und Madame, zu befehlen geruhen: laissez passer und repasser ce cheval.
Jean. Vertichoux, quelle comparaison! Ah la pauvre bête! Je vous dis, Mademoiselle, daß Ihr allzusammen den Galgen verdient habt, und Ihr kommt auch an den Galgen, wenn nicht wegen Zauberei, so doch schon von wegen der Schandschriften, die Ihr habt ausgehen lassen gegen honnêtes gens.
Apollonia. Je vous dis ebenfalls, Monsieur, daß Ihr mardi an den Galgen gehört, schon allein dafür, weil die mancherlei Rollen, die Ihr in der Komödie habt vorstellen sehen, nicht im Stande gewesen sind, Euch zu bessern.
Jean. Das Wenigste, was Ihr kriegt, ist das pilori. 262
Apollonia. Was heißt das: pilori?
Jean. Vertichoux! est il possible? Sie weiß nicht, was pilori ist! Ah la pauvre bête! Ha ha ha! (Ab.)
Hermann von Bremen. Apollonia.
Hermann. Alles, was jetzt geschieht, habe ich Bürgermeister und Rath vorausgesagt, aber niemand wollte ja einem scharfsinnigen Kopfe, wie ich bin, Glauben schenken.
Apollonia. Da ist meiner Treu der politische KanngießerWie Jean de France sind auch Geert Westphaler und der politische Kanngießer Personen aus Holbergs eigenen Stücken; ersterer ist der Held eines dreiaktigen Lustspiels »Hans Westphaler oder der geschwätzige Barbier«, das lange Zeit zu den beliebtesten des Verfassers gehörte und noch ganz neuerdings von Eduard Devrient in Karlsruhe in modernisirter Gestalt auf die Bühne gebracht ward. A.d.Ü., der wird sich auch nicht schlecht über den Vorfall freuen.
Hermann. Der Teufel ist ein großer Politicus, das muß ich wissen, der ich meine Politica studirt habe.
Apollonia. Was höre ich, der Teufel hat auch studirt?
Hermann. Wer spricht da? Ah so, seid Ihr's, Mamsell? Es hat mir von Herzen leid gethan, das Unglück zu vernehmen, das Eure Bande betroffen hat.
Apollonia. Aber soll denn das wol Monsieurs Ernst sein, daß unser Unglück Ihm leid thut?
Hermann. Ja, auf mein Wort, es thut mir sehr leid. Freilich haben die braven Leute, die Schauspieler, mit ihren Spöttereien allerhand Aergerniß gegeben, ich für meinen Theil indessen habe niemals den mindesten Werth darauf gelegt. Ein ordentlicher Politicus sieht und hört all so etwas mit Verachtung; Aristoteles sagt: Ein weiser Mann siehet der Thoren Schimpf mit Verachtung an.
Apollonia. Aber wenn Er solch ein guter Politicus ist, Monsieur, so müßte Er doch billig alles in Schutz nehmen, was zur Bildung des Volkes beiträgt?
Hermann. Was trägt zur Bildung des Volkes bei?
Apollonia. Komödien, in denen die Thorheiten der Menschen dargestellt werden.
Hermann. Ei, Mademoiselle, das widerspricht ja aller 263 wahren Politik; weit entfernt, etwas zu nützen, befördern die Komödien vielmehr den Untergang des gemeinen Wesens.
Apollonia. Das sollte Ihm doch schwer fallen zu beweisen.
Hermann. Ich dächte nicht; hört zu, Mamsell, ich werde Euch dienen. Die Stärke eines Staates oder Gemeinwesens besteht in der Einigkeit der Bürger und wird durch Zwietracht vernichtet. Die Weltgeschichte kennt vier große Monarchien, die alle durch Zwietracht zu Grunde gegangen sind. Woran ging die assyrische Monarchie zu Grunde? An Zwietracht, Madame! Woran ging die persische zu Grunde? An Zwietracht, Madame! Was verwüstete die griechische? Zwietracht, Madame! Was endlich brachte die römische zu Falle? Nichts anderes, meiner Seele, als Zwietracht. Alexander Magnus schoß einen Bock, es war ein großer Irrthum von ihm, daß –
Apollonia. Ei, Monsieur, das heißt denn doch wol etwas zu weit ausholen, was hat Alexander Magnus mit unserer Komödie zu thun?
Hermann. Ich sage es auch blos, um zu beweisen, daß Zwietracht und Uneinigkeit einen Staat zu Grunde richten.
Apollonia. Aber Komödien verursachen doch keine Uneinigkeit?
Hermann. Komödien geben einem Stande Anlaß, sich über den anderen zu mokiren.
Apollonia. Auf die Art lernt ein Jeder mit der fremden zugleich seine eigene Narrheit kennen, und das kann ihm offenbar nur höchst nützlich sein.
Hermann. Dann wäre es also auch sehr nützlich, sich alle Tage herumzuprügeln, weil man auf die Art seine und anderer Stärke erprobt. Nein, nein, Madame, laßt uns als verständige Leute sprechen, ohne Rancune, und in Ueberlegung ziehen, was die Komödien für Folgen haben. Da hält ein ehrlicher Junggesell etwas auf seinen Anzug, gleich weisen sie mit Fingern auf ihn und rufen: Jean de France! Meint Sie etwa, er wird sich dafür nicht zu rächen suchen? Da ist ein anderer braver Mann, der sein Pfund nicht in die Erde graben will, vielmehr sich durch gelehrte Discurse nützlich zu machen sucht – gleich heißt er Geert Westphaler. Ein Mann, tief eingedrungen in die 264 Wissenschaft des Staates, will der Obrigkeit einen Wink ertheilen – gleich heißt er der politische Kanngießer. Seht Ihr, das ist die Frucht Eurer Schauspiele, Madame, nämlich daß ein Bürger des andern spottet. Aus Scherzen und Necken erwächst Verdruß, aus Verdruß erwächst Haß, aus Haß Zwietracht und aus Zwietracht das Verderben des Staates; ergo deswegen dürfen keine Schauspiele geduldet werden.
Apollonia. Durch Neckereien, Monsieur, fühlen sich nur Thoren verwundet, die in dem Spiegel, den man ihnen entgegenhält, sich selbst erkennen; lernen sie sich selbst erkennen, so suchen sie auch ihre Fehler abzulegen; legen sie ihre Fehler ab, so werden sie gute Menschen; werden sie gute Menschen, so werden sie auch gute Bürger; ergo deswegen müssen Komödien geduldet werden.
Hermann. Mein Principium ist unumstößlich, daß Spott Zwietracht erzeugt und daß Zwietracht die Bande der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung löst.
Apollonia. Und wenn ich nun beweise, Monsieur, daß Komödien dazu dienen, die Zwietracht zu beseitigen und die Eintracht zu befördern?
Hermann. Das wäre ich wirklich begierig zu hören.
Apollonia. Ist es etwa nicht wahr, Monsieur, daß des Abends der Eine hierhin, der Andere dahin geht, der ins Wirthshaus, der in die Ressource, das Theater dagegen vereinigt sie und hält sie zusammen an demselben Orte, ergo nach meinem Principium beseitigt es die Zwietracht, befördert die Einigkeit und befestigt den Staat?
Hermann. Nein, Spaß bei Seite, laßt uns ernsthaft sprechen, Madame. (Indem er sie bei Seite führt) Apropos, Madame, weil Ihr doch eben von Versammlungen sprecht, so muß ich doch etwas hervorheben, worüber ich mir in der Stille schon seit Langem meine Gedanken gemacht habe, nämlich ob es dem Staate wol wirklich dienlich ist, daß derartige Versammlungen überhaupt stattfinden. Kann dadurch nicht leicht Veranlassung zu Zusammenrottungen gegeben werden? Ich habe von einem persischen König gelesen, der aus eben dieser Ursache alle Versammlungen verbot; selbiger König hieß, wenn ich mich recht erinnere, 265 Pul Asser und hatte nur Ein Bein, wie aus Anders Christensens politischer Reisebeschreibung zu ersehen ist, aber Gehirn für zwei.
Apollonia. Pul Asser hatte ganz Recht, Monsieur, er wollte aber blos solche Versammlungen hintertreiben, wie von Euch und anderen politischen Handwerksleuten auf der Bierbank abgehalten werden, um vom Staate zu schwadroniren und die Obrigkeit durchzuhecheln; solche Versammlungen sind –
Hermann. Adieu, Madame.
Apollonia. Adieu, mein Herr Politicus.
Hermann. Statt zu spotten, Madame, solltet Ihr lieber zusehen, wie Ihr Euch aus dieser Hexengeschichte rettet. (Ab.)
Apollonia. Damit habe ich nichts zu schaffen, der Schuldige mag für sich selbst Rede stehen. Aber da kommt von Quoten. Alle Wetter, was der vergnügt aussieht; nun denkt er gewiß mit seinem Puppenspiel wieder auf den Strumpf zu kommen.
Von Quoten.Im Original spricht Quoten halb deutsch, halb dänisch, was wir hier möglichst wiederzugeben versucht haben. Etwas Aehnliches findet später beim Auftreten Geert Westphalers statt, doch ist es hier minder ausgeprägt, und hat der Uebersetzer diesen Zug daher fallen lassen. A.d.Ü. Apollonia.
Apollonia. Serviteur, mein Herr von Quoten, Er sieht ja sehr vergnügt und wohlgemuth aus.
Von Quoten. Ick aben auch Ursachen, mich über Ihre Fall zu erfreuen. Denn erstens kommen ick nu wieder in meiner alte Brodstelle und zweitens werde ick gerächt an dene, die mich und meine Bande so schändlich persiflirt aben.
Apollonia. Das Erste, was Ihr nun gebt, wird gewiß Doctor Faustus sein, weil jetzt doch gerade so viel von Hexerei gesprochen wird.
Von Quoten. Nein, Madame, wir aben noch was Besseres, das eißt Saubereien von die Armida und ist ein tout-à-fait-Stück; es spielen von Anfang bis zu Ende in die Luft.
Apollonia. Alle Welt, von Anfang bis zu Ende in der Luft?
Von Quoten. Ja, und so oft Armida erscheinen, reiten sie 266 auf eine feuerspeiende Drache; das sein was anderes als Eure magere Komödier.
Apollonia. Bitte recht sehr, wir haben auch Komödien mit feuerspeienden Drachen gehabt, als zum Exempel das Stück, das sich betitelt: Ulysses von Ithacien.
Von Quoten. Ick verstehen schon, was Ihr meinen. Aber für dieser und anderer Boseiten gehen es Euch nun an die Kragen.
Apollonia. Glaubt Ihr wirklich, daß das Vergehen Eines die ganze Bande zu Grunde richten wird?
Von Quoten. Man sagen doch, daß mehr als ein Exenmeister bei Eurer Bande gewesen; ganzes Publikum freuen sich über Eurer Sturz, Ihr aben in Eure Komödier anständiger Menscher auf die Theater gebracht und das sein niederträcktig.
Apollonia. Der Beweis möchte Euch schwer fallen, wohl aber können wir beweisen, daß Ihr in Euren Komödien anständige Menschen auf das Theater bringt, ja den lieben Gott selber, wie in der Komödie von Adam und EvaDie Geschichte des Sündenfalls war schon zur Zeit der kirchlichen Spiele ein sehr beliebter Gegenstand gewesen und hatte sich als solcher auch auf die Hanswurstkomödie sowie auf die Oper vererbt. A.d.Ü., und auf die Art die heilige Geschichte selbst in ein leichtfertiges Märchen verwandelt.
Von Quoten. In das Spanien, wo der Nation doch weit gebildeter sein, sein die meister Schauspieler so.
Apollonia. Ja, in Spanien fällt auch das Parterre auf die Kniee und betet, wenn ein Mönch mit dem Crucifix in der Hand auf der Bühne erscheint.
Von Quoten. Fallen Ihr, wenn Ihr schuldig sein, nur selbst auf der Knie und bereiten Euch zum Tode; sein Ihr aber unschuldig, so sehen Ihr zu, daß Ihr eine Advocate kriegen, der Eure Sache durchbringen, nämlich wenn sick vor Euch überaupt noch eine Advocate finden, weil Ihr es ja doch aben verderben mit die ganzer Welt.
(Geht ab.) 267
Apollonia allein.
Apollonia. Ich will ebenfalls gehen. Aber da kommen zwei von unseren Schauspielern; es taugt nicht, daß man uns jetzt beisammen sieht, ich will mich zu Hause halten, bis ich höre, wie die Geschichte zu Ende geht. (Ab.)
Zwei Schauspieler.
Erster Schauspieler. Ach, Monfrère, wenn das wirklich wahr ist, so ist es eine furchtbare Geschichte.
Zweiter Schauspieler. Es ist außer Zweifel, er ist eingezogen und hat alles gestanden.
Erster Schauspieler. Aber wie wäre es denn nur möglich gewesen, daß wir in einem so langen Verkehr nicht das Mindeste hätten merken sollen?
Zweiter Schauspieler. Ja, das sagst Du nur so; er hat sich eben meisterhaft darauf verstanden, seine Bosheit zu verbergen, in die Kirche ging er wie Einer, auch habe ich niemals ein lästerliches Wort aus seinem Munde vernommen.
Erster Schauspieler. Ich denke, es muß noch irgend anders zusammenhängen.
Zweiter Schauspieler. Nein, Monfrère, Du kannst Dich darauf verlassen, die Sache ist richtig, er hat es selbst gestanden.
Erster Schauspieler. Wenn es wirklich so wäre, so wollte ich gewiß nicht das kleinste Wort zu seinen Gunsten sagen, vielmehr selbst noch Holz zu dem Scheiterhaufen tragen, auf dem er verbrannt werden soll. Aber kann ein Mensch sich nicht selbst belügen?
Zweiter Schauspieler. Was für Gewäsche! Sich selbst belügen, um des schmählichsten Todes zu sterben?
Erster Schauspieler. Sage das nicht, Monfrère, so etwas kann allerdings geschehen, sei es aus Wahnsinn oder weil jemand 268 seines Lebens müde ist und sich doch nicht selbst umbringen mag, so hilft er sich auf diese Art vom Dasein. Hat man ja doch Exempel, daß melancholische Menschen gemordet haben, blos um hingerichtet zu werden, während Andere sich Verbrechen andichten, welche sie nie begangen haben, blos um zu sterben. Denn mit der sogenannten Hexerei ist das eine seltsame Geschichte, die mir niemals hat einleuchten wollen; sind doch gerade diejenigen Völker, bei welchen der Teufel angeblich am allermeisten zu Hause ist, die allerärmsten. Oder ist es nicht seltsam, daß die Finnen, die doch für die größten Teufelsbeschwörer geltenDie Finnen, als Bewohner Norwegens, das damals noch zu Dänemark gehörte, standen und stehen noch heute im Ruf, besonders geschickt in Zauberkünsten und Beschwörungen zu sein. A.d.Ü., arm sind zum Sterben, während es dem Teufel doch leichter fallen müßte, seinen Anhängern Geld zu verschaffen, als die größten Wunder zu thun, Wind und Wetter zu machen und um ihretwillen von einem Ende der Welt zum andern zu laufen, so oft sie befehlen? Ist es nicht ebenfalls seltsam, daß man in den großen Städten Paris und London, wo der Teufel in einem Tage mehr erbeuten könnte, als in Lappland in zehn Jahren, gleichwol niemals von solchen Geschichten hört? Eins von beiden ist gewiß: entweder ist die Zauberei eine natürliche Wissenschaft, oder sie ist eine Kunst des Teufels. Ist sie eine natürliche Wissenschaft, so müßte sie in Blüte stehen bei den gebildeten Nationen, welche eigene gelehrte Anstalten zur Erforschung der Natur errichtet haben, nicht aber bei armen Schächern, die weder lesen, noch schreiben können. Ist es dagegen eine Teufelskunst, wie geht es dann zu, daß diejenigen, welche sie ausüben, gerade die allerärmsten sind? Aus welchem Grunde wol sollte der Teufel die großen Städte mit ihrer Gottlosigkeit vorbeigehen und sich in Lappland ansiedeln, wo er ja eine bloße Hand voll Menschen zu verführen findet, es müßte denn etwa sein, weil ihm für gewöhnlich glühend heiß ist, und so ginge er denn vielleicht nach Finnland, um sich abzukühlen: eine Hypothese, die aber doch auch mehr witzig als gründlich ist? Nein, die Zauberei hat ihren Ursprung allein in der Unwissenheit und gedeiht nur da, wo die Menschen nicht im Stande sind, den Dingen auf den Grund zu sehen. Darum sieht man auch: ist wo eine Provinz, in der die Obrigkeit dem Aberglauben die Zügel schießen 269 läßt, gleich wimmelt das ganze Land von Teufeln; befördert sie dagegen die Aufklärung, so wird es augenblicks von allen solchen Dingen still.
Zweiter Schauspieler. Das alles räume ich Dir gerne ein, hier jedoch liegt sowol sein eigenes Bekenntniß, als die Aussage zahlreicher Zeugen vor, welche gesehen haben, wie er den Teufel beschwor. Du kennst ihn ja so gut wie ich, er gehört doch sicher nicht zu den Lebensmüden und hat sich doch gewiß nicht selbst so etwas andichten wollen.
Erster Schauspieler. Blos vielleicht die Schulden, in denen er steckt, die könnten ihn möglicherweise dazu gebracht haben.
Zweiter Schauspieler. Ei warum nicht gar, er pflegte sich die Dinge nicht so nah zu nehmen, daß eine vorübergehende Geldverlegenheit ihn hätte sollen so muthlos machen. Ueberdies beweist gerade sein Geldmangel, daß er kein Zauberer ist; denn wenn sich Einer doch mal dem Teufel ergiebt, so ist Geld jedesmal die erste Bedingung.
Erster Schauspieler. Aber vielleicht hat gerade der Geldmangel ihn verleitet und man hat ihn ergriffen, bevor er zu seinem Zwecke gekommen.
Zweiter Schauspieler. Das kann wol sein, aber für jeden Fall will ich ihn doch nicht vor der Zeit verdammen.
Ein Gerichtsdiener. Die Vorigen.
Ein Trommelschläger tritt auf, geht dreimal um die Bühne, veranlaßt einen Auflauf bald von Einen, bald von Andern, wobei man so viel Personen zusammenbringen muß, wie sich irgend auftreiben lassen, besonders Kinder und alte Weiber, welche sich um den Trommelschläger herumstellen, während Nachfolgendes verlesen wird.
Gerichtsdiener. Wir Bürgermeister und Rath dieser Stadt thun hiermit kund und zu wissen, welchergestalt der Schauspieler Leander überwiesen ist, sowol durch ausreichendes Zeugniß, als durch eigenes Geständniß, vermöge der schwarzen Kunst den Teufel in sein Hans citirt zu haben, allwo er auch 270 ergriffen worden und im Gefängnisse bekannt hat, daß die meisten Schauspieler derselben Bande sich des gleichen Verbrechens mit ihm schuldig gemacht: als wird hiermit männiglich, der solche Schauspieler beherbergt, verwarnt, unverzüglich danach zu sehen, daß selbige bleiben, wo sie sind, und sich nicht aus dem Hause entfernen; so aber jemand befunden würde, der Einen von ihnen verheimlicht, damit sie der Obrigkeit entrinnen und der gebührenden Strafe, welche sie verdient haben, andern zum abschreckenden Exempel, entzogen werden, selbiger soll als Mitwisser der gleichen Strafe verfallen sein, auch wenn ihm nichts weiteres nachgewiesen werden kann. (Rührt nochmals die Trommel und geht ab, begleitet von dem ganzen Haufen, der ein großes Geschrei erhebt.)
Die beiden Schauspieler. Nachher zwei Jungen.
Erster Schauspieler. Hast Du es gehört, Monfrère?
Zweiter Schauspieler. Ja, ich habe es gehört und kann mich vor Schrecken kaum auf den Beinen halten; was haben wir doch nur verbrochen, daß man uns unschuldigen Menschen so etwas andichten kann?!
Erster Schauspieler. Wer im Unglück ist, sucht Gesellschaft. Was sollen wir nun anfangen? Fliehen wir, so machen wir uns verdächtig, und bleiben wir, so setzen wir uns der äußersten Gefahr aus.
Zweiter Schauspieler. Mir scheint am besten, wir bleiben; eines Mannes Zeugniß ist nicht hinreichend, uns zu stürzen.
Erster Schauspieler. Aber weil doch kein Mensch glauben wird, daß er seine besten Freunde mit Unrecht eines solchen Verbrechens bezüchtigt haben sollte, wird man uns nicht auf die Folter spannen, und werden wir da nicht am Ende Dinge bekennen, die uns nie in den Sinn gekommen sind? Ja, welcher Gefahr sind wir nicht von der Raserei des Pöbels ausgesetzt, gegen den die Obrigkeit selbst nicht im Stande sein wird uns zu beschützen? 271
Zweiter Schauspieler. Du hast Recht, es ist doch wol das Beste, wir ergreifen die Flucht. Aber wohin sollen wir fliehen? Gewiß wird niemand mehr aus dem Thore gelassen.
Zwei Jungen (kommen mit Liedern). Neue Lieder von den sämmtlichen Komödianten, die sich in Wehrwölfe verwandelt haben! (Sie kaufen das Lied und blättern darin.)
Erster Schauspieler. Ach Himmel, ist es möglich, mit solcher Ausführlichkeit zu lügen? Hier finde ich uns beide, Monfrère, Dich und mich, in einer langen Unterredung, die wir mit dem Teufel gepflogen, und auch Tag und Stunde ist angegeben, wo wir uns in Wehrwölfe verwandelt haben!
Zweiter Schauspieler. Eine Lüge ist wie ein Schneeball, der wird auch immer größer und größer.
Erster Schauspieler. Wir wollen uns zu meinem Schwager flüchten, er wird uns verbergen, bis dieser Wahnsinn vorüber ist.
Drei Bewaffnete. Die Vorigen.
Erster Soldat. Zwei von ihnen sollen ja hier auf der Straße stehen.
Zweiter Soldat. Ja, denk' mal die Unverschämtheit, stehen da mitten unter dem Volk bei der Trommel, während die obrigkeitliche Bekanntmachung verlesen wird! Aber sieh hier, wahrhaftig, das sind sie!
(Die Soldaten spannen den Hahn und zwingen sie, ihre Degen abzugeben.)
Erster Schauspieler. Ach, ist es möglich, daß Unschuldige in einem christlichen Lande so mißhandelt werden?
Erster Soldat. Ja richtig, Du hast auch wol noch von Unschuld und Christenthum zu sprechen, Du, der seinen Glauben abgeschworen und sich mit seinem eigenen Blute dem Teufel verschrieben hat?!
Erster Schauspieler. Nicht gedacht habe ich daran, geschweige denn es gethan.
Zweiter Soldat. Und hat sich in einen Wehrwolf 272 verwandelt, um Nachts auf der Straße unschuldige Menschen zu morden.
Erster Schauspieler. Davon wissen wir nichts.
Erster Soldat. Der aus Bosheit Sturm und Ungewitter gemacht hat, den Seefahrern zum Unglück und Verderben! Gestern allein sind drei Schiffe gescheitert, und den Sturm, in dem sie untergegangen sind, hat kein anderer verursacht, als diese verfluchten Zauberhunde!
Erster Schauspieler. Ach, ach, welche unerhörten falschen Beschuldigungen!
Zweiter Soldat. Und drei honnete Bürgerfrauen haben sie auch behext.
Erster Schauspieler. Glaubt nur, der Himmel wird unsere Unschuld rächen.
Erster Soldat. Der Himmel? Was habt Ihr Kerle mit dem Himmel zu thun? Dem habt Ihr ja doch durch Euer Bündniß ein für allemal entsagt?
Zweiter Soldat. Wunderbar, daß diese Bestien nur überhaupt noch den Himmel zu nennen wagen; ich dachte, das dürften die Zauberer gar nicht.
Erster Soldat. Nein, Bruder, die Hunde, hol' sie der Henker, machen es sich im Contract aus, daß sie sowol beten, als in die Kirche gehen dürfen, damit niemand von ihrer Zauberei was merkt.
Erster Schauspieler. Aber genügt denn eine bloße falsche Beschuldigung? Ist unsere Aussage nicht so gut wie seine? Wir sind jeden Augenblick bereit, die Hand zum Himmel zu erheben und unsere Unschuld zu beschwören.
Zweiter Soldat. Ob Ihr schwört oder ein Hund bellt, das kommt auf Eins heraus; solche Schurken werden gar nicht zum Schwure zugelassen, die Folter wird Euch schon zum Geständniß bringen. (Die Schauspieler werden abgeführt.) 273