Ludvig Holberg
Hexerei oder Blinder Lärm
Ludvig Holberg

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Dritter Akt.

Erste Scene.

Arv, der Hausknecht, allein.

Arv. Ach, wenn ich mein Geschäft doch nur erst zu Ende gebracht hätte! Ich soll zu einem Hexenmeister gehen, der hier an der Ecke wohnt, und meine gnädige Fräulein bei ihm anmelden; ihr ist ein Dutzend silberne Löffel weggekommen und da hat sie nun einen von uns Dienstboten in Verdacht. Sie wird gleich selbst kommen mit sämmtlichem Gesinde, um die Wahrheit zu erkunden. Ich zittere am ganzen Leibe; denn noch nie habe ich einen Hexenmeister gesehen, geschweige denn mit einem gesprochen. Aber Courage, Arv, Du hast ja ein gutes Gewissen! Ich fürchte blos, wenn er mich zittern sieht, so denkt er, ich bin der Dieb; ich will mir mal vorstellen, als ob ich bereits mit ihm redete, um zu sehen, wie ich mich dabei benehme. (Arv nimmt den Hut unter den Arm, verbeugt sich.) Ein Compliment von der gnädigen Frau an den Herrn. – »Was ist ihr Begehr?« – Sie läßt ergebenst bitten, der Herr möchte doch ein gutes Wort für sie einlegen beim Lucifer, um zu erfahren, wer ihre silbernen Löffel gestohlen hat. – »Warum zitterst Du so?« – Blos vor Kälte, großgünstiger Herr. – »Das ist das böse Gewissen, glaub' ich, das Dich so zittern macht, Du bist vermuthlich selbst der Dieb.« – Nein, hol' mich der Teufel, wenn ich es bin, großgünstigster Herr! – »So hast Du wenigstens dabei geholfen.« – Nein, großgünstiger Herr, ich weiß von der ganzen Geschichte nicht mehr als ein neugebornes Kind. – »Willst 244 Du wol gleich stillstehen, Du Schlingel?« – Ja, großgünstiger Herr! – »Sieh mir in die Augen! (Sieht in die Höhe.) Jetzt bekenne nur gleich alles, ehe es noch zum Verhör kommt, so soll Dir die Strafe geschenkt sein!« – Ich kann nichts gestehen, großgünstiger Herr, ich bin ganz unschuldig! (Zieht sich selbst bei den Haaren.) »Willst Du Bestie gleich bekennen?!« – Ich habe aber doch nichts zu bekennen, gnädiger Herr, ich bin ganz unschuldig . . . . Na, das geht ja. Aber nun muß ich anpochen.

Zweite Scene.

Arv. Leander.

Arv. (stammelnd). Gehorsamster Diener, wohlgeborene Frau, ich soll eine schöne Empfehlung machen vom Lucifer, und sie läßt Euch schön bitten, Ihr möchtet ihr doch sagen, wer ihr die – na, Ihr wißt ja schon. (Beiseite) Nun hab' ich rein vergessen, was es war.

Leander. Was schwatzest Du da für Zeug zusammen, da ist ja kein Wort zu verstehen?

Arv (zitternd, mit gefalteten Händen). Ich soll Monsör um was bitten.

Leander. Um was denn?

Arv. Ich weiß es wahrhaftig nicht.

Leander. Wer hat Dich denn hergeschickt?

Arv. Ich weiß es bei Gott nicht.

Leander. Willst Du Hund mich zum Narren halten? Du weißt nicht, wer Dich hergeschickt hat?

Arv. O ja, ich weiß es sehr gut.

Leander. Und also, wer ist es?

Arv. Wozu soll ich Monsör das noch erst sagen?

Leander. Ei, so soll Dich das Donnerwetter, willst Du mich zum Narren halten?

Arv. Ach, Herr Lucifer, verschont mich!

Leander. Du bist voll Furcht, mein Sohn, wie ich sehe, gieb Dich zufrieden, ich thue Dir nichts Böses; denke nach und sage Deinen Auftrag frei heraus. 245

Arv. Ich soll den Herrn schön grüßen von zwölf silbernen Löffeln, und die lassen auch recht sehr bitten, er möchte doch unserer gnädigen Frau ein Auge ausschlagen, denn die hätte sie gestohlen.

Leander. Aha, jetzt endlich verstehe ich, was Du meinst, so kauderwelsch Du Dich auch ausdrückst. Deiner gnädigen Frau, merke ich, ist ein Dutzend silberner Löffel gestohlen worden?

Arv. Ja, und der Herr möchte doch so gut sein und ihnen ein Auge ausschlagen.

Leander. Den silbernen Löffeln ein Auge ausschlagen?

Arv. Nein, dem von dem Gesinde, der die Löffel gestohlen hat. Ach, Herr, thut mir nichts zu leide, ich bin so bange, Ihr macht einen Wehrwolf aus mir. (Weint.)

Leander. Du wirst sie wol selbst gestohlen haben, daß Du so sehr bange bist.

Arv (weinend). Nein, ich habe noch all mein Lebtag nichts gestohlen, nicht einen Stecknadelknopf.

Leander. Hast Du nichts gestohlen, mein Sohn, so hast Du auch nichts zu befürchten. Grüße Deine gnädige Frau und ich ließe sie bitten, mit dem Gesinde herzukommen, so wollte ich ihr den Dieb zeigen.

(Arv geht ab, sieht sich unterwegs furchtsam um.)

Dritte Scene.

Leander. Ein Mädchen. Später ein Mann. Ein Junge.

Leander. Wie sich die Menschen doch vom Aberglauben beherrschen lassen; nicht im Traume hätte ich mir einfallen lassen, daß die Leute noch einmal das Kreuz vor mir schlagen sollten. – Aber da ist schon wieder Eine; was wollt Ihr, mein Kind?

Das Mädchen. Ach, großgünstiger Herr, mir ist ein Unglück passirt mit einem jungen Mann, der mich zu Falle gebracht hat; ließe es sich nicht machen, daß ich wieder Jungfer würde? 246

Leander. Ja, machen ließe sich es schon, mein Kind; aber was hülfe es wol, Ihr verlört sie ja doch gleich wieder?

Das Mädchen. Ja, es könnte mir doch so viel helfen, daß ich desto eher einen Mann kriegte.

Leander. Ich will Euch ein gutes Mittel sagen, das Ihr wöchentlich einmal brauchen müßt; aber hier in der Stadt nützt es Euch nicht, soll es Euch helfen, so müßt Ihr in eine fremde Stadt reisen, und wenn Ihr das Mittel da noch einige Tage braucht, so werdet Ihr wieder eine so richtige Jungfer, wie Ihr je gewesen.

Das Mädchen. Was habe ich dafür zu bezahlen?

Leander. Zwei Thaler.

(Sie bezahlt das Geld, kriegt dafür ein Fläschchen und geht ab.)

Ein Mann (tritt ein). Ist Er nicht der weise Mann, der hier wohnt?

Leander. Ja; was steht zu Diensten?

Der Mann. Mein Herr, ich habe solch verfluchtes Weibsstück, das mich alle Tage bei den Haaren herumzieht; wolltet Ihr sie nicht für Geld und gute Worte wieder zahm machen?

Leander. Schneidet von einem Baume einen Zweig, so von Daumendicke, und trocknet ihn bei mäßigem Feuer; wenn er ordentlich getrocknet ist, so schmiert ihn mit Gänsefett und damit gebt Eurer Frau des Morgens früh zwölf tüchtige Hiebe. Hilft es den ersten Tag nichts, so schmiert ihn mit Schweinefett, das aber ein bischen ranzig sein muß, und versucht es damit zwei Morgen nach einander. Will das auch noch nicht helfen, was jedoch sehr unwahrscheinlich ist, so müßt Ihr ihn mit Mandelöl schmieren und damit vier Tage nach einander fortfahren, und Ihr werdet die sanfteste Frau bekommen, die nur Einer verlangen kann.

Der Mann. Was kostet der Rath?

Leander. Zwei Thaler. Seht aber ja wohl zu, daß der Zweig bei mäßigem Feuer getrocknet wird, sonst wirkt er nicht. (Der Mann ab. Ein Junge tritt ein.) Ei, sieh, da ist schon wieder ein Frischer; das geht ja wie geschmiert. Was fehlt Euch, mein Sohn? 247

Der Junge. Ach, ich bin ein armer Schustergeselle und muß für mein Brod arbeiten wie ein Vieh; mein ältester Bruder dagegen hat sich auf die Bücher verlegt und ist Doctor geworden in der Doctorkunst, und da ist er nun bei den Leuten ebenso angesehen, wie ich verachtet bin, und verdient an einem einzigen Fieber mehr als ich an zehn Paar Stiefeln. Meine unterthänigste Bitte an meinen Herrn geht nun dahin, da Er sich nun doch einmal dem Teufel verschrieben hat und der schwarzen Kunst mächtig geworden ist, daß Er mir doch nur einen einzigen Wunsch erfüllen möchte.

Leander. Man kann die schwarze Kunst erlernen, auch ohne sich dem Teufel zu ergeben. Zwölf Personen thun sich zusammen und reisen auf die schwarze Schule nach Wittenberg, elf von ihnen gehen frei aus, nur den zwölften, den das Loos trifft, holt der Teufel.

Der Bursche. So ging mein Herr also frei aus?

Leander. Gewiß, sonst wäre ich ja nicht hier. Aber was ist Euer Begehr?

Der Bursche. Ich möchte gern Doctor werden wie mein Bruder.

Leander. Das kostet vier Thaler.

Der Bursche. Hier sind vier Thaler.

Leander. Nun höre an: Du kaufst Dir zehn Ellen schwarzes Tuch bei dem Kaufmann hier gerade über; denn der hat allein das Tuch, das in der schwarzen Manufactur in Wittenberg gemacht wird. Von diesem Tuche läßt Du Dir einen langen Rock machen, wenn Du das gethan hast, so miethest Du Dir eine hübsche Wohnung und läßt mit großen Buchstaben über die Thüre schreiben – wie ist Euer Name?

Der Bursche. Ich heiße Jahn.

Leander. Ja, so müßt Ihr schreiben: Hier wohnt der weitberühmte Doctor Jansenius, der jegliche Krankheit curirt.

Der Bursche. Aber was soll ich denn brauchen, daß die Kranken gesund werden?

Leander. Das ist einerlei, nehmt, was eben bei der Hand 248 ist; habt Ihr nur den langen Rock an, so könnt Ihr in Eure Flaschen gießen, was Ihr wollt, es ist alles gleich.

Der Bursche. Nein, aber sollte das wirklich so sein?

Leander. Höre, Kamerad, auf Widerspruch lasse ich mich nicht ein. Thut nur, wie ich Euch sage; wol hundert Doctoren kenne ich, die ihr Glück auf keine andere Weise gemacht haben. Glückt es Euch nicht, so erstatte ich Euch die Kosten und zahle das Geld zurück. (Der Bursche ab.)

Vierte Scene.

Eine Dame mit ihrem Gesinde. Leander.

Die Dame. Dienerin, Herr Doctor, ich nehme mir die Freiheit, mich bei Euch in zwei Fällen Raths zu erholen. Vor drei Tagen wurde mir eine silberne Kanne gestohlen und heute wieder ein Dutzend silberne Löffel, und in beiden Fällen bin ich überzeugt, daß es Hausdiebe sind. Will der Herr Doctor mir die nun nachweisen, so will ich Ihm seine Mühe redlich vergelten.

Leander. Verzeihung, da muß ich erst ein wenig mit mir selbst zu Rathe gehen. (Bei Seite) Wie soll ich mich da nun herausziehen? Indessen ich kann ja sagen, der Dieb selber soll ihr die Sachen morgen wieder bringen. (Laut) Hört, meine beste gnädige Frau, morgen Abend sollen beide Diebe die gestohlenen Sachen freiwillig zurückliefern.

Die Dame. Ach nein, Herr Doctor, ich weiß ja, Er kann es mir gleich sagen.

Leander (bei Seite). Das ist eine verwünschte Versuchung! Aber ich werde mir schon noch heraushelfen. (Laut) Na, dann werde ich sehen, gnädige Frau, was sich thun läßt. Stellt Euch mal alle in Eine Reihe, Ihr Leute! (Geht auf und nieder.) Steht Ihr nun alle in einer Reihe? (Sie antworten: Ja.) Nun fallt mal alle auf die Kniee. (Sie antworten: Ja.) Jeder hebe die rechte Hand auf! Nun hebt die linke Hand auf! Nun hebt beide auf! Nun faltet die Hände! (Während er seine Befehle giebt, wendet er ihnen 249 den Rücken.) Habt Ihr nun alle die Hände gefaltet? (Sie antworten alle: Ja.) Du, der Du die Kanne gestohlen hast, auch? (Er antwortet allein: Ja.) Seht da, gnädige Frau, da habt Ihr Euren Dieb; ich habe müssen drei Geister beschwören, um ihn zum Geständniß zu bringen.

Die Dame. Ach, Du abscheulicher Dieb, an Dir ist der Galgen sicher!

Leander. Nein, gnädige Frau, strafen müßt Ihr ihn nicht weiter, als blos aus dem Hause jagen. Höre, Kerl, diesmal habe ich noch für Dich gebeten, nun gieb auch hübsch die Kanne zurück und thue dergleichen nicht wieder.

Der Dieb (küßt ihm die Hand). Tausend Dank für Eure Fürsprache, Herr Doctor; ich habe die Kanne mit sammt den Löffeln in einem Loch auf dem Heuboden versteckt.

Leander (leise zur gnädigen Frau). Laßt ihn laufen, um meinetwillen; eben sagt der Geist mir, daß er die Kanne mitsammt den Löffeln in einem Loch auf dem Heuboden versteckt hat.

Die Dame. Ach, Herr Doctor, Er ist wahrhaftig der größte Schwarzkünstler in der Welt!

Leander. Sie kann sich aber auch kaum vorstellen, meine gute Dame, was Einem das für Mühe macht, so was nachzuweisen; ich will mich lieber sechzehnmal in einen Wehrwolf verwandeln, als einen solchen Diebstahl herausbringen.

Die Dame. Kann Monsieur auch Sturm und Gewitter machen?

Leander. Pah, das ist Kinderspiel, das kann ja der allerunterste von unserer Kunst.

Die Dame. Mein Mann, Herr Doctor, ist ein sehr wißbegieriger und tiefstudirter Mann, aber voll Unglauben, er lachte mich aus, da er hörte, ich wollte mich bei dem Herrn Doctor Raths erholen; er ist nämlich der Meinung, daß es überhaupt keine Zauberei giebt. Jetzt werde ich ihn auf der Stelle herschicken, damit der Herr Doctor selber ihn überführen kann. Adieu, mein Herr! (Die Frau mit dem Gesinde ab.)

Leander. Gehorsamster Diener. 250

Fünfte Scene.

Leander allein.

Leander. Alle Wetter, jetzt geht es mir an den Kragen! Wenn ein Gelehrter, noch dazu ein Feind des Aberglaubens, mich auf die Probe stellt, so bin ich unfehlbar verrathen; so Einem eine Nase zu drehen, das ist was Anderes, als solchem einfältigen Weibsvolk. Es ist daher wol das Gerathenste, ich höre auf, während ich noch im besten Zuge bin, damit es mir nicht am Ende geht wie dem Bauer in der Komödie, der zum Doctor wurde wider seinen Willen. So will ich denn jetzt nach Hause gehen und wenn der Executor kommt, will ich ihm die Hälfte von den fünfzig Thalern abbezahlen, so wird er ja doch wol wegen des Restes Geduld haben. Wenn ich alle diese Abenteuer überdenke, so sind sie so wunderlich, man könnte die schönste Komödie daraus machen; gewiß wohnt hier Einer in unserer Straße, der sich für einen Hexenmeister ausgiebt, und die Mädchen, die zuerst zu mir kamen, haben mein Haus für das seine gehalten. Jedenfalls ist das Beste, ich drücke mich, ehe der gelehrte Herr kommt. Heda, Herr Wirth!

Sechste Scene.

Der Wirth. Leander.

Der Wirth. Was befehlen Monsieur?

Leander. Ich kann nicht über Nacht hier bleiben, wie ich erst wollte, ich wünsche meine Rechnung.

Der Wirth. Die Rechnung ist nicht groß, Monsieur hat blos zwei Mark verzehrt.

Leander. Hier sind zwei Mark.

Der Wirth. Serviteur. (Beide ab.) 251

Siebente Scene.

Der Mann der Dame.

Der Herr. Es ist doch etwas Seltsames, in der That! Alle die Zeit her habe ich dergleichen für Narrenspossen gehalten, nun aber merke ich, daß doch wol etwas daran ist. Ich bin, weiß Gott, nie so begierig gewesen mit jemand zu sprechen, als mit diesem Hexenmeister. Aber hier ist das Haus, wo er wohnen soll! Da ist das Schild mit der Weinkanne und ein Hanswurst auf der Flur; ich muß nur anklopfen.

Achte Scene.

Der Mann der Dame. Der Wirth.

Der Herr. Serviteur, Monsieur. Ist Er hier der Herr vom Hause?

Der Wirth. Zu dienen, mein Herr.

Der Herr. Ich wollte mich noch recht schön bedanken von wegen meiner Frau.

Der Wirth. Gehorsamster Diener, mein Herr. (Bei Seite) Was ist das für Unsinn? Hab' ich denn was mit seiner Frau zu thun gehabt?

Der Herr. Ich hätte wirklich nicht gedacht, daß es überhaupt so etwas giebt.

Der Wirth (bei Seite). Ah, nun merke ich, der gute Herr ist im Thran, mit dem muß ich vorsichtig umgehen.

Der Herr. Ich habe bisher niemals glauben wollen, daß so etwas überhaupt passirt.

Der Wirth. Ja, wie das nun geht, die Welt ist wunderlich.

Der Herr. Hätte meine Frau oder andere Damen mir das erzählt, ich hätte es für Weiberklatsch gehalten.

Der Wirth. Nein, nein, wahr ist die Sache.

Der Herr. Ja, allerdings, ich habe ja den Glauben in Händen. 252

Der Wirth. Hat der Herr es etwa früher nicht geglaubt?

Der Herr. Keine Spur.

Der Wirth. Ja, da zweifelt doch übrigens kein Mensch daran. (Bei Seite) Was das für verfluchter Unsinn ist! Er will niemals geglaubt haben, daß die Welt wunderlich! Aber ich sehe schon, der arme Kerl ist im Thran, darum glaubt er, es geht alles in der Welt so vortrefflich; ich muß ihm nur zu Munde sprechen, vielleicht trinkt er dann auch noch bei mir eine Flasche Wein. (Laut) Der Herr hat vermuthlich nie in der Welt vorher einen Verdruß gehabt?

Der Herr. Ei, aus dem Verdruß mache ich mir nichts; ich hätte auch weiß Gott gar nichts davon gesagt, es war blos meiner Frau wegen, eine lumpige silberne Kanne mehr oder weniger, das hat nichts zu sagen, Herr Doctor.

Der Wirth (bei Seite). Na nu zum Henker, bin ich nun gar schon Doctor? (Laut) Ich bin weder Doctor, noch Magister, mein Herr, sondern ein ehrlicher, schlichter Bürgersmann.

Der Herr. Doctor nenne ich, wer seine Kunst vollkommen inne hat, auch wenn er nicht zum Doctor promovirt ist.

Der Wirth. Mich gehorsamst zu bedanken für die gute Meinung, die der Herr von mir hat. (Bei Seite) Auf die Art werden wir verflucht viel Doctoren in der Stadt kriegen; mein Schuster macht die besten Schuhe und da werde ich ihn wol nächstens auch Doctor nennen müssen.

Der Herr. Wer es in seiner Wissenschaft so weit gebracht hat, daß er seinen Mitmenschen helfen und Beistand leisten kann, wie Monsieur, den nenne ich Doctor.

Der Wirth (bei Seite). 's ist wahr, mit meinem alten Wein hab' ich schon mehr als Einen gesund gemacht. (Laut) Aber, mein Herr, ich helfe niemand mit meiner Kunst, der nicht bezahlt.

Der Herr. Das wäre ja auch unverschämt, so etwas umsonst zu verlangen.

Der Wirth (bei Seite). Nun seh' ich doch, ich habe dem Herrn unrecht gethan, es ist ein ganz ordentlicher, nüchterner Herr. (Laut) Wer mich bezahlt, dem steh' ich sofort zu Diensten. 253

Der Herr. Die Gelehrten freilich wollen voll dem Gewerbe nichts wissen.

Der Wirth. Doch nicht alle, mein Herr; da sind zum Beispiel zwei Magister, die sprechen regelmäßig jeden Nachmittag bei mir ein.

Der Herr. Ist es möglich? Haben sie auch schon rechte Fortschritte gemacht?

Der Wirth. Ei nun, sie sind nicht schlechter als meine andern Gäste.

Der Herr. Monsieur sagt Gäste, er meint wol Schüler; indessen das kommt auf Eins heraus.

Der Wirth. Schüler kann ich sie nicht nennen, mein Herr, da ich sie ja nicht unterrichtet habe, das soll mir niemand nachsagen.

Der Herr. Monsieur hält mich doch hoffentlich nicht für einen Spion, der hierher gekommen ist, ihn zu verrathen?

Der Wirth. Davor brauche ich keine Angst zu haben, ich treibe mein Gewerbe mit obrigkeitlicher Erlaubniß.

Der Herr. Das ist mehr, als ich gedacht hätte.

Der Wirth. Hat der Herr denn etwa geglaubt, ich wäre ein Bönhase?

Der Herr. Nein, nein, dazu habe ich selbst ja zu sprechende Beweise erlebt. Aber schreiten wir näher zur Sache; ich bin hierhergekommen, weil ich gern noch weitere Proben von Seiner Kunst sehen möchte.

Der Wirth. Gehorsamst zu bedanken, aber das bloße Probensehen nützt nichts, der Herr muß sie auch kosten.

Der Herr. Was soll das heißen: kosten?

Der Wirth (bei Seite). Sieh da, nun redet wieder der Branntwein aus ihm. (Laut) Ich habe so einiges, mein Herr, wenn Ihr das seht, so denkt Ihr, es ist nicht werth, daß man es kostet; aber sowie Ihr es nur auf die Zunge bringt, da merkt Ihr, wie köstlich es ist.

Der Herr (bei Seite). Das ist wieder sehr verblümt. Aber diese Leute sprechen immer in Gleichnissen in philosophia occulta. (Laut) Aber, Monsieur, wen haltet Ihr wol für den Meister 254 Eurer Profession? Ist es der Albertus Magnus oder der Cyprianus?

Der Wirth. Cyprianus? Bei unsrer Profession kenne ich in der ganzen Stadt keinen, der Cyprianus heißt.

Der Herr. Er kennt den Cyprianus nicht?

Der Wirth. Nein, der Herr meint vielleicht den Julius.

Der Herr. Den Mann kenne ich wieder nicht.

Der Wirth. Das ist seltsam, da er doch den besten Wein in der Stadt hat.

Der Herr (bei Seite). Sieh da, nun spricht er schon wieder durch die Blume. (Laut) Wenn Monsieur doch die Güte haben wollte, sich der gewöhnlichen Ausdrücke zu bedienen, ich verstehe sonst nicht, was Er meint. Aber sollte er wirklich den Albertus Magnus nicht gelesen haben, das ist ja doch ein berühmter Autor in magia naturali?

Der Wirth (leise). Horch, nun spricht wieder der Branntwein aus ihm. (Laut) Wie ich jung war, mein Herr, habe ich allerdings etwas von Alexander Magnus gelesen, aber das war ein Kaiser und ich bin blos ein Weinhändler, das sind zwei unterschiedliche Professionen.

Der Herr (leise). Nun spricht er schon wieder durch die Blume. (Laut) Ein Weinhändler seid Ihr? Ha, ha, ha!

Der Wirth. Ja gewiß ein Weinhändler, das ist eine Profession, deren ich mich ganz und gar nicht schäme.

Der Herr (streichelt ihm die Backen). Ei, mein Herr. so laßt uns von der Leber wegsprechen, ich weiß ja doch, wer Er ist.

Der Wirth (leise). Ei so soll Dich doch das Donnerwetter! Wo Du Dein Bier trinkst, da kannst Du auch Deine Hefe verschütten. (Laut) Für wen also hält der Herr mich?

Der Herr. Ihr seid ja doch Doctor magiae naturalis.

Der Wirth. Was heißt das?

Der Herr. Ihr seid ja doch Doctor in der Hexenkunst.

Der Wirth. Na, wer mir das nachsagt, ist kein ehrlicher Mann!

Der Herr. Ist denn dies nicht Euer Haus?

Der Wirth. Ja, dies ist mein Haus. 255

Der Herr (streichelt ihm nochmals die Backen). Ei so laßt uns doch ernsthaft reden, ich verrathe Ihn wahrhaftig nicht.

Der Wirth. Monsieur, bisher dachte ich blos, Ihr wäret betrunken, jetzt aber merke ich, daß Ihr verrückt seid. (Will gehen.)

Der Herr (hält ihn zurück und liebkost ihn aufs neue.) Ich verrathe Ihn ja wahrhaftig nicht!

Der Wirth. Was will Er denn von mir verrathen?

Der Herr. Daß Er die schwarze Kunst versteht und übt.

Der Wirth. Das ist ein Spitzbube, der mir so was nachsagt!

Der Herr. Nein, das geht doch zu weit. (Packt ihn bei den Haaren.)

Der Wirth. Heda, Peter, Christoph, kommt heraus!

(Peter und Christoph, mit Schürzen vorgebunden, kommen heraus und stehen dem Wirthe bei.)

Neunte Scene.

Zwei Polizisten. Der Herr. Der Wirth. Peter. Christoph.

Erster Polizist. Was giebt's da?

Der Herr. Arretirt mir gleich diese Kerle, das sind Hexenmeister.

Zweiter Polizist. Ha ha, das sind just dieselben, denen wir heute schon den ganzen Tag nachlaufen.

Der Wirth. Glaubt ihm nicht, Ihr guten Freunde, es ist ein Verrückter.

Erster Polizist. Ja wenn wir nur die ganze Stadt voll solcher Verrückten hätten, den Herrn Leonard kennen wir. Fort, fort mit Euch, Ihr Zauberteufel, die ganze Stadt, glaub' ich, ist mit dem Gesindel angesteckt!

Der Wirth. Hei, hei, Gewalt!

Zweiter Polizist. Willst Du gleich still sein, Du Hund, oder ich stoße Dir den Spieß in den Bauch! Aber wie hat der gnädige Herr sie nur ausgespürt? Wir gehen ebenfalls und suchen den Komödiantenmeister, der sich mitsammt der ganzen Bande dem Teufel verschrieben hat. 256

Der Herr. Er hat soeben vor meiner Frau eine Probe seiner Kunst abgelegt, das kann mein gesammtes Gesinde bezeugen.

Der Wirth. Ich will gleich des Teufels sein, wenn ich seine Frau jemals gesehen habe; Ihr seht ja, es ist ein Verrückter!

Erster Polizist. Herr Leonard ist ein vernünftiger und zuverlässiger Herr, ein Wort aus seinem Munde ist so gut wie hundert aus Eurem.

Der Herr. Ich werde meine Frau und mein gesammtes Gesinde als Zeugen stellen.

Erster Polizist. Ist gar nicht nöthig, Euer Gnaden; diesen Kerlen sieht man es ja am Gesicht an, daß sie Hexenmeister sind. Wollt Ihr gleich fort, Ihr Teufelsbraten? (Alle drei fangen an zu schreien.)

Der Herr. Hättest Du es mir im Guten gestanden und mich nicht noch obenein ausgeschimpft, ich hätte Dich nicht verrathen.

Der Wirth. Ach, ach, Du abscheulicher Verräther!

Erster Polizist. Marsch fort, Ihr Hunde, die Andern werden wir schon auch noch kriegen. (Sie werden fortgestoßen.) 257


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