Hugo von Hofmannsthal
Elektra
Hugo von Hofmannsthal

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Szenische Vorschriften zu ›Elektra‹

von

Hugo von Hofmannsthal

(1903)

Die Bühne. Dem Bühnenbild fehlen vollständig jene Säulen, jene breiten Treppenstufen, alle jene antikisierenden Banalitäten, welche mehr geeignet sind, zu ernüchtern als suggestiv zu wirken. Der Charakter des Bühnenbildes ist Enge, Unentfliehbarkeit, Abgeschlossenheit. Der Maler wird dem Richtigen eher nahekommen – andeutungsweise –, wenn er sich von der Stimmung, die der bevölkerte Hof eines Stadthauses an einem Sommerabend bietet, leiten läßt, als wenn er irgend das Bild jener konventionellen Tempel und Paläste in sich aufkommen läßt. Es ist der Hinterhof des Königspalastes, eingefaßt von Anbauten, welche Sklavenwohnungen und Arbeitsräume enthalten. Die Hinterwand des königlichen Hauses bietet jenen Anblick, welcher die großen Häuser im Orient so geheimnisvoll und unheimlich macht; sie hat sehr wenige und ganz unregelmäßige Fensteröffnungen von den verschiedensten Dimensionen. Das Haus hat eine Tür, die offensteht, aber verschließbar ist. Sie ist um einige Stufen über dem Erdboden erhaben. Links von dieser ist ein niedriges aber sehr breites Fenster. Nach unten links nochmals ein ziemlich großes Fenster, hier scheint im Hause ein Gang zu laufen, den man luftig wünscht. In den höheren Stockwerken sind nur hie und da ein paar verstreute Fensterluken, denen die Kraft des Malers jenes Lauernde, Versteckte des Orients geben wird. Links und rechts sind niedrige Sklavenwohnungen an das Haupthaus angebaut. Rechts ein gedrückter häßlicher Bau mit vier ganz gleichen Türen, wie Zellen nebeneinander, jede mit einem braunen Vorhang geschlossen. An diesen kleinen Bau, der schief von rückwärts nach rechts vorn vorläuft, schließt sich in der Mitte der rechten Seitenwand ein offenes Tor, das in einen anstoßenden Hof führt; von dem Tore bis in die rechte vordere Ecke läuft eine Mauer. Das Gebäude links hat mehrere sehr schmale Fenster, unregelmäßig, und eine einzige große, schwere Tür. Vor diesem Gebäude steht eine Zisterne. Über das niedrige Dach des Hauses rechts wächst von draußen her ein riesiger, schwerer, gekrümmter Feigenbaum, dessen Stamm man nicht sieht, dessen Masse unheimlich geformt im Abendlicht wie ein halbaufgerichtetes Tier auf dem flachen Dach auflagert. Hinter diesem Dach steht die sehr tiefe Sonne, und tiefe Flecken von Rot und Schwarz erfüllen von diesem Baum ausgeworfen die ganze Bühne.

 

Die Beleuchtung. Anfänglich so wie bei Beschreibung des Bühnenbildes angegeben, wobei der große Wipfel des Feigenbaumes rechts das Mittel ist, die Bühne mit Streifen von tiefem Schwarz und Flecken von Rot zu bedecken. Das Innere des Hauses liegt zunächst ganz im Dunkel, Tür und Fenster wirken als unheimlich schwarze Höhlen. Diese Beleuchtung ist am stärksten während des Monologes der Elektra, und auf der Mauer, auf der Erde scheinen große Flecken von Blut zu glühen. Während der Szene Chrysothemis-Elektra nimmt die Röte ab, der ganze Hof versinkt in Dämmerung. Der Zug, welcher der Klytämnestra im Innern vorangeht, erfüllt zuerst das große Fenster, dann das zweite Fenster links von der Tür mit Wechsel von Fackellicht und schwarzen vorüberhuschenden Gestalten. Klytämnestra erscheint mit ihren zwei Vertrauten im breiten Fenster, ihr fahles Gesicht, ihr prunkendes Gewand grell beleuchtet – fast wie ein Wachsfigurenbild – von je einer Fackel links und rechts. Der Hof liegt im Dunkel. Klytämnestra tritt in die Tür, zwei Fackelträger hinter ihr in den dunklen Hof, auf Elektra fällt flackerndes Licht. Klytämnestra entläßt ihre Begleiterinnen, diese gehen ins Haus, die Fackelträger verschwinden gleichfalls, nur ein sehr schwaches flackerndes Licht fällt aus einem inneren Raum durch den Hausflur in den Hof. Die eine Vertraute kommt wieder, die Fackel hinter ihr, auf Klytämnestras Ruf mehrere Fackelträger, es wird für einen Augenblick ganz hell. Sie gehen ab, nun Dunkel im Hof, der Abendhimmel aber rechts, soweit er sichtbar ist, noch hell in den wechselnden Tönen. Es ist ein Element der Stimmung, daß es in diesem traurigen Hinterhof finster ist, während es draußen in der Welt noch hell ist. Der hellste Fleck ist das offene Tor rechts. In diesem offenen Tor erscheint die dunkle Gestalt des Orest. Alles spielt nun bei zunehmender Dunkelheit, die Dauer des Stückes ist genau die Dauer einer langsamen Dämmerung, bis die Vertraute erscheint, um Orest ins Haus zu rufen. Hinter ihr ist eine Sklavin mit einer Fackel, diese Fackel steckt sie in einen Ring links von der Haustür, wo sie steckenbleibt, bis Elektra sie ergreift, um dem Ägisth damit entgegenzusehen. Dann bleibt die Fackel in dem Ring, erleuchtet flackernd den Hof bis zum Schluß.

 

Die Kostüme schließen gleichfalls jedes falsche Antikisieren sowie auch jede ethnographische Tendenz aus. Elektra trägt ein verächtliches elendes Gewand, das zu kurz für sie ist. Ihre Beine sind nackt, ebenso ihre Arme. Die Gewänder der Sklavinnen bedürfen keiner Anweisung, als daß sie getragen erscheinen müssen, abgenutzt: es handelt sich um keinen Opernchor. Die Aufseherin der Sklavinnen trägt blaue Glasperlen ins Haar gewunden und eine Art Stirnreif. Sie hat einen kurzen Stock in der Hand. Klytämnestra trägt ein prachtvolles grellrotes Gewand. Es sieht aus, als wäre alles Blut ihres fahlen Gesichtes in dem Gewand. Sie hat den Hals, den Nacken, die Arme bedeckt mit Schmuck. Sie ist behängt mit Talismanen und Edelsteinen. Ihr Haar hat natürliche Farbe. Sie trägt einen mit Edelsteinen besetzten Stab. Ihre Schleppträgerin hat ein hellgelbes Gewand. Sie hat ein bräunliches Gesicht, das schwarze Haar straff zurückgenommen wie die Ägypterinnen, sie ist sehr groß und hat die biegsamen Bewegungen einer aufgerichteten Schlange. Die Vertraute, auf die sich Klytämnestra stützt, hat ein violettes oder dunkelgrünes Gewand und gefärbtes Haar mit Goldbändern durchflochten und ein geschminktes Gesicht. Es kommt sehr darauf an, daß der Maler diese drei Gestalten als Gruppe sieht und den furchtbaren Gegensatz zu der zerlumpten Elektra. Orest und der Greis, sein Pfleger, sind als wandernde Kaufleute gekleidet. Daß sie einem fremden Volke angehören, als Fremde wirken, muß deutlich sein. Ihr Kostüm muß sich, ohne zu sehr zu befremden, von den konventionellen, pseudo-antiken entfernen und darf an die Stimmung orientalischer Märchen anklingen, aber in finsteren, wenn auch keineswegs toten Farben.


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