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Fünftes Kapitel.

Le comte Raimond de Ruysbroek

»Das ist eine kuriose Frage, mein liebes Kind,« sprach die Gräfin, »und am kürzesten und wahrhaftigsten könnte ich sie Ihnen beantworten, wenn ich eine Redensart wählte, die der Hugo mit von seiner Universität gebracht und mich trotz ihrer Albernheit doch damit immer zum Lachen bringt: ›das will ich Ihnen ganz genau sagen – das weiß ich nicht! ‹Aber die Sache ist zu ernst für solchen Scherz, obgleich er hier wahr genug wäre. – Sehn Sie,« fuhr sie fort, und schüttelte dabei leise den Kopf, »das ist es, was ich immer sage: in eine Familie, wie die unsere, wo alles an den ältesten Sohn fällt, darf keine arme Frau heirathen. Für ihre andern Kinder, und besonders für die Mädchen, bleibt dann nichts als der alte Name, und wie viele fragen jetzt noch in der Welt nach dem? Die Einkünfte – oder sagen Sie, Vermögen – der Gräfinnen Töchter von Hirschegg-Königshofen sind sehr unbedeutend, und wenn mein seliger Herr mich aus großer Liebe nicht besonders günstig gestellt und Gott mich nicht so lange am Leben gelassen, so hätte Gretchen so gut wie nichts.« – »Aber Margaritta's Mutter, Ihre Frau Tochter, Mama, und auch ihr Vater besaßen doch Vermögen,« warf Diana ein.

Die alte Erlaucht neigte das Haupt. »Das meinte ich vorhin,« erwiderte sie; »das weiß ich wohl! Aber das gehört zu den Mysterien unseres Hauses. Mein Schwiegersohn, Graf Eugen, war sehr wohlhabend. Ein Jahr vor seinem Tode verkaufte er noch überdies vortheilhaft genug seine Besitzung, um sich, nach meinem Wunsche, hier in der Nähe anzukaufen. Denn ich liebte meine Tochter sehr, mein liebes Kind; sie war so ganz nach meinem Herzen. Den Winter lebten sie in Frankfurt und da brach die Krankheit meines Schwiegersohns aus – anscheinend gar nicht gefährlich. Die Aerzte schickten ihn im Sommer mit der bestimmten Versicherung nach Ems, daß er gesund zurückkehren werde. Aber er starb dort plötzlich, mein Kind, so plötzlich, daß er seiner Frau, die ihn keinen Augenblick verlassen hatte, nicht ein Wort mehr sagen konnte. Und als man dann an die Regulirung des Nachlasses kam, fanden sich keine Schulden, aber auch kein Vermögen – kein einziger Nachweis, nicht ein einziges Dokument – gar nichts, mein Kind, – und so viel man forschte, niemand konnte oder wollte Auskunft darüber geben. Sein früherer Banquier in Mannheim wies auf das klarste nach, daß Graf Eugen auch die letzten Kapitalien im Frühling eingezogen habe; sein Geschäftsführer erwartete nach dem letzten Brief, den er vom Grafen erhalten, erst neue Instructionen. Und die Verwaltung des Vermögens war das einzige, was mein Schwiegersohn selbständig und ohne Zuziehung seiner Gemahlin besorgte. Hiervon hatte Lucie nie etwas erfahren, nie eine Einsicht in den Stand dieser Angelegenheiten erlangt. Und dabei blieb's.«

»Aber hat man denn gar keine Spuren, Mama?« fragte Diana lebhaft. »Hat ihr Herr Schwiegersohn vielleicht spekulirt? – Ich habe in der Gesellschaft meiner Tante oft genug von solchen Dingen hören müssen. Da soll man furchtbar rasch und sehr viel verlieren können. – Oder war ein großartiger Diebstahl möglich?« – Die Gräfin schüttelte wieder, diesmal ein wenig verächtlich, den Kopf, »Unmöglich!« versetzte sie dann. »Von letzterem konnte keine Rede sein. Und von Spekuliren nun gar nicht. Graf Eugen hätte das so wenig gethan, wie Sie oder ich. Er war vornehmer Mann, und ein solcher, that das damals noch weniger als jetzt: das überläßt er Juden und Parvenüs! für dergleichen ist das was. – Er hat auch nicht gespielt, noch sonstige Extravaganzen begangen; meine Tochter würde das niemals zugegeben haben, denn sie war sehr selbständig und entschieden. Wollte Gott, Gretchen hatte davon ein wenig mehr geerbt; sie ist mir bald gar zu träumerisch und sanft. Ich muß wirklich daran denken, ihr einen Mann zu geben, der sie stützt und trägt, noch über die alltägliche Liebe hinaus, und der neben alledem auch noch die Milde und Geduld hat, mit der man ihr Wesen aufnehmen muß, wenn sie nicht gleich verschüchtert werden und verzagen soll. – Aber wo den finden?« –

»Darf ich Ihnen wohl einmal etwas sagen?« bemerkte Diana nach einer Pause, legte den Arm leise um die alte Frau und sah schmeichelnd zu ihr empor. »Aber wollen Sie mir auch gewiß nicht zürnen, Mama?« – Und als die Gräfin freundlich lächelnd nickte, fuhr sie fort: »halten Sie es für gut, daß Margaritta hier so abgeschlossen lebt, wo sie niemand sieht, niemand kennen lernt als die Untergebenen? Und doch, liebe Mama, sagen Sie selbst, daß Margaritta gar zu sanft und schwach ist; und ich setze hinzu: sie ist es so sehr und dazu von solcher Innigkeit und Zärtlichkeit, daß sie sich nicht nur nach einer Stütze sehnt, nach einem Halt – sondern daß sie auch einen Menschen haben muß, dem sie ihr ganzes Herz, ihr ganzes Sein und Wesen hingeben kann. – Ich habe das ja selbst damals im Kloster am besten erfahren,« setzte sie lächelnd hinzu. »Wie strebte sie mir entgegen, wie hat sie mich erobert! muß ich sagen. Wie schloß sie sich mir an und fand alles in mir, gab sich mir hin mit der vollen Innigkeit ihres Herzens! – Sollte ein solcher Charakter in solcher Einsamkeit nicht gefährlich werden können, für Margaritta selbst und – für andere, liebe Mama?«

Die Gräfin antwortete nicht sogleich, gedankenvoll schaute sie in den Park hinaus, auf die wirr gekreuzten Zweige und Zweiglein von Strauch und Baum, die mit Schnee und Eis sich wie kandirt zeigten, und auf die Oeffnungen der Pfade und Alleen, welche jetzt mit einem leichten bläulichen Duft erfüllt waren. »Das hat mir früher schon oft genug Sorge gemacht,« sagte sie endlich ernst. »Die Einsamkeit und Einförmigkeit unseres Lebens sind nicht gut für Gretchen. Aber was thun, mein liebes Kind? Da zeigen sich recht die betrübten Zustände unserer Familie! Ich selbst habe den Aufenthalt in Städten nie geliebt und bin jetzt auch zu alt dazu, noch mit Gretchen nach Wien oder München zu gehn; halb und halb könnte ich, wie die Sachen nun einmal liegen, auch gar nicht von hier fort. Mein Stiefsohn, wissen Sie, kann nirgends ein Haus machen, und bei Hugo's Vater ist es damit, für jetzt wenigstens, auch vorbei. Gretchen aber mit einer bekannten Familie dort leben zu lassen, kann ich mich nicht entschließen. Wir haben nicht viel Bekannte, und niemand, dem ich von Herzen diesen Schatz anvertrauen möchte. Und was ich von der Lockerheit der Ansichten und Sitten höre und sehe – und noch mehr, was ich von der Frivolität des Lebens in der jetzigen Gesellschaft erfahre, erschreckt mich, liebes Kind. Sie kennen das ja nicht, und ich kann es Ihnen daher auch nicht so genau auseinandersetzen; aber es ist eine böse Zeit!

»Nun,« fuhr sie nach einem kurzen Schweigen fort, »das war früher, und für den nächsten Sommer wird der Herrgott ja auch sorgen. Jetzt bin ich ruhiger als je. Sie sind ja hier, Diana, und eine Stütze und ein Segen für mein Kind, wie Sie es selbst nur begehren können. Gretchen hängt mit unglaublicher Liebe an Ihnen.« – Diana schüttelte mit einem eigenthümlichen Lächeln den schönen Kopf. »Sie verstehn mich wohl nicht ganz, liebe Mama,« versetzte sie. »Auch dies alles ist übel genug für Margaritta: allein ich meinte nicht sowohl die Stille ihres hiesigen Lebens, sondern mehr eine, Folge derselben. Margaritta's Herz muß für jemand schlagen, ihr Kopf muß von etwas träumen – und da meine ich: sollte sie dies Herz, dieser Kopf hier nicht irre führen können und –«

»Fräulein von Kaufberg meint nämlich, Großtantchen, daß sich Gretchen in Ihren alten Hubert oder mich verlieben könnte,« sagte hier plötzlich Hugo, der von den Damen nicht bemerkt, aus der Thür des Frühstückssaals gleichfalls auf die Terrasse getreten war und Diana's letzte Worte gehört hatte. »Und da wir beide nun ein paar kalte Menschen und anerkannte Weiberfeinde sind,« fuhr er lustig und mit einer neckischen Verbeugung gegen Diana fort, »so wäre das allerdings eine bitterböse Geschichte, das Fräulein wär' übel daran, und heirathet am Ende auch aus Aerger den ersten besten Mann, der ihr in den Weg gelaufen'!«

Die Damen hatten sich von ihrer ersten Ueberraschung wieder erholt und konnten bei seinen Worten nicht das Lachen unterdrücken, obgleich Diana zuerst ein wenig ärgerlich darein gesehen und auch während des Lachens die leichten Falten von ihrer Stirn nicht ganz verbannen konnte. Die alte Dame erhob aber jetzt nur strafend den Finger und bemerkte: »daß du das abscheuliche Erschrecken nicht lassen kannst, du Ausbund! – Uebrigens,« wandte sie sich dann an ihre Begleiterin, »möchte auch ich, wie der da, nur im Ernst, Ihre Befürchtungen nicht theilen.« – »Und auch ich möchte das um so weniger, gnädiges Fräulein,« sprach Hugo mit gutgespieltem Ernst, »da die Einsamkeit hier auch wieder ein Ende nimmt. Es ist eben ein Fremder gekommen, Großtantchen, und ich habe Karl die Karte abgenommen, die er Ihnen bringen wollte. Hier ist sie.«

Die Erlaucht nahm das dargebotene Blättchen, hielt es weit von ihren Augen und las: »Le comte Raimond de Ruysbroek.« – Ihr Arm sank herunter und sie sah ihren Neffen einen Augenblick Verwundert an. »Wie denn? Der Graf von Ruysbroek?« murmelte sie dann nachdenklich vor sich hin. – »Ein schöner Name!« rief Diana. – »Freilich, ich bin gleichfalls neugierig auf ihn!« meinte Hugo.

Gräfin Charlotte hatte ihre erneuerte Ueberraschung inzwischen überwunden. »Mein Kind,« wandte sie sich ruhig an ihren Neffen, »du mußt schon die Güte haben, den Herrn einstweilen zu empfangen und ihm mitzutheilen, daß er mir willkommen und daß ich ihn in einer halben Stunde oder wann es ihm bequem, im Salon erwarte.« Und zu dem Kammerdiener, der eben in der Thür des Frühstückssaals erschien, fuhr sie fort: »lassen Sie dem Herrn Grafen Zimmer im Josefsbau anweisen, Karl, und seine Effekten dahinschaffen. Er möchte einige Tage verweilen.« Dann, nachdem beide Männer sich entfernt, nahm sie ihren Spaziergang auf der Terrasse wieder auf, verharrte jedoch in nachdenklichem Schweigen, und selbst als Diana neugierig fragte: »wer ist der Herr? Sie kennen ihn schon, Mama?« – gab sie nur die kurze Antwort: »mein Bruder hat mir seinen Besuch gemeldet. Ich kenne ihn noch nicht.« – Gleich darauf ging sie nach einer freundlichen Verbeugung in die Thür, und Diana blieb allein.

Lange war das freilich nicht der Fall, und sie hatte es auch wohl vorher gewußt, denn als wenige Minuten später Margarethe heiter und mit den Worten aus der Thür sprang: »da bin ich, Diana!« – blieb sie stehn und sagte ruhig: »endlich, Margaritta! Sind deine Briefe beendigt?« – »Ja, Gott sei Dank!« versetzte die junge Gräfin. »Nun schreibe ich aber auch in vierzehn Tagen kein Wort mehr. Ich hab' es satt!« Und dann ihren Arm um die Freundin schlingend, zog sie dieselbe mit sich die Terrasse entlang. »Wie ich solch einen Tag liebe!« plauderte sie dabei: »so still, so milde, so friedlich! – Das ist nicht wie ein Regen- oder Schneetag, wo's uns bis ins Herz hinein schauert. Und auch nicht wie jener, wo die Sonne so hell strahlt, als nähme sie all ihre Macht zusammen und als sagte sie zum Menschen: da bin ich! Nun sei auch hübsch zufrieden und fröhlich! – Das ist nichts für mich. Ich liebe es so wie heut, da kann ich heiter sein, während mich das scharfe Licht aufregt, die rauhe oder wilde Luft niederdrückt. Was sind die Menschen dumm, daß sie es verbieten wollen, vom Wetter zu reden, obgleich dasselbe doch von so großem Einfluß auf uns ist.« – »Ist das nur vom Wetter, daß du heut so munter bist, Margaritta?« fragte Diana nach einer Weile und schaute die Freundin mit ihren blitzenden Augen durchdringend an. – »Freilich, und auch von der wohl vollendeten Arbeit,« gab Margarethe zur Antwort. »Aber ich habe dich schon längst fragen wollen – entweder nennst du mich seit einiger Zeit gar nicht mehr, Diana, oder nur noch "Margaritta." Weßhalb eigentlich?« Sie waren stehn geblieben.

Diana hatte die Arme unter dem Shawl über die Brust gekreuzt, ihre ganze Haltung und Stellung drückte einen gewissen Trotz aus, auch ihre Augen blickten trotzig und in ihrer Stimme klang dieselbe Regung, als sie endlich nach einer Pause erwiderte: »nun, das bedarf doch wohl keiner Erklärung? Mir däucht, du mußt es nur für natürlich halten, daß ich in der Aeußerung meiner Liebe zu dir ebensowenig mit jemand theilen mag, wie in der Liebe selbst. Ich mag nicht reden zu dir wie jedermann, denn ich bin nicht jedermann, sondern ich selbst, Diana Kaufberg. Und am wenigsten theile ich mit dem da!« Sie warf die Hand mit einer verächtlichen Bewegung gegen den Josefsbau hinüber, wo die Fenster der Wohnung des Forstmeisters sich eben von der drinnen angezündeten Lampe erhellten.

Margarethe war tief erröthet, aber in den seinen und weichen Zügen ihres Gesichts zeigte sich nichts von Zürnen oder Erstaunen, sondern nur eine tiefe Wehmuth. Nach einem langen, fast vorwurfsvollen Blick auf die Freundin senkte sie die Augen und sagte mit leise bebender Stimme: »das verstehe ich nicht, Diana. Du bist sehr ungerecht.« – »Ungerecht?« rief sie bitter. »Ungerecht? Das ist in der That zum Lachen! Also weil ich dich nicht nennen mag, wie ein andrer, – weil für mich der Name, den ich dir gebe, kein leerer Klang ist, sondern seine Bedeutung hat als Ausdruck meiner Liebe, weil ich solche Vertraulichkeit zwischen dir und dem Menschen unpassend finde – deßhalb ungerecht? Ist's so weit, Margaritta? – Aber was frage ich? – Ich weiß es ja! Ich habe es ja selbst gehört – gesehn!« setzte sie hinzu, und in der leisen tiefen Stimme, mit der sie jetzt sprach, hörte man dennoch die ganze Leidenschaftlichkeit ihres ungestümen Herzens. »O Margaritta, Margaritta, wie konntest – wie kannst du dich so vergessen!« – Die Andere sagte kein Wort und gab keinen Laut von sich. Mit leicht gesenktem Haupte stand sie vor der heftigen Freundin ohne Bewegung; selbst ihr Athem schien stille zu stehn.

»Ich weiß es – ich fühle es und leugne es nicht,« fuhr Diana noch einmal fort, »ich bin Egoistin in diesem Punkt; ich kann nichts Halbes brauchen, ich will für mich ein ganzes Herz und eine ganze Liebe. Siehst du, Margaritta, das habe ich dir schon gesagt und muß es nun wiederholen. Aber hierbei ist das nicht die Hauptsache. Hier gilt es dir selbst und dieser – dieser Neigung zu dem Mann, der deiner so gar nicht würdig ist. Ich muß dich erwecken aus diesem Traum! Ich muß dich losreißen von dieser – Phantasie! Bedenk' es wohl, Margaritta – mich stößest du damit auf ewig von dir; du zwingst mich, diese Liebe zu dir, diese abgöttische Liebe, aus meinem Herzen zu reißen und unglücklich und elend zu werden für all meine Lebenszeit. Denn du bist die Einzige, der ich mein ganzes Herz hingegeben, die ich angebetet habe bis in den kleinsten Zug ihres Wesens. Wie soll mir da sein ohne dich? Und doch müßte es so kommen! Ich würde dich nicht mehr lieb haben – ich müßte dich verleugnen wie alle Welt. – Wähle, Margaritta, wähle!« setzte sie leidenschaftlich hinzu und ergriff der Freundin Hände. »Aber ich weiß es, ich gelte dir nichts mehr! Du hast nur Untreue für mich und meine Liebe.«

Die Exaltation, mit der sie nicht nur gesprochen, sondern auch gefühlt, hatte sie wenig auf die Freundin achten lassen, an welche doch ihre Worte gerichtet waren. Jetzt jedoch, da sie ihr Gesicht dem der Andern genähert hatte, bemerkte sie, daß Margarethens Augen voll Thränen standen, und als diese nun langsam ihre Hände losmachte und sich mit leisem Schluchzen umwandte, warf Diana beide Arme ungestüm um die schlanke, bebende Gestalt und sprach mit unterdrückter Stimme: »zürnst du mir, Margaritta? Habe ich thörichtes Kind dir weh gethan? Verzeih' mir, Margaritta! Mein theures – theures Kleinod, sei wieder gut! Ich will ja alles, was du willst! Nur weine nicht, nur zürne mir nicht mehr! Sieh, ich habe dich so abgöttisch lieb, daß ich sterben müßte, wenn ich deine Liebe nicht mehr hätte! – O Margaritta!« Und ihre Stimme sank zum Flüstern herab, und ihre Augen blitzten von Thränen, – »o Margaritta, bitte, bitte, bitte! Vergib mir! Mein einziges – einziges Herzenslieb!«

Margarethe hatte sich langsam wieder umgewandt, ihre Arme um den Hals der aufgeregten Freundin geschlungen und ihren Kopf auf deren Schulter gesenkt. Nun erhob sie ihn wieder, und durch Thränen lächelnd versetzte sie flüsternd: »du liebe – böse – liebe Quälerin! Was machst du uns beiden nur das Herz so schwer! Wie könnte ich dir wohl zürnen, da ich doch weiß, wie lieb du mich hast, und daß nur dein wildes, heißes Herz dich zuweilen fortreißt!« Und indem sie dann den Kopf Diana's zwischen ihre Hände nahm, und die Stirn gegen die der Andern lehnend, innig und tief in ihre Augen schaute, setzte sie hinzu: »du sagst von meiner Untreue. Aber glaube mir nur, ich liebe dich viel – viel mehr als du mich! – Sieh, ein Kuß auf die Augen, heißt's, geht grade ins Herz hinab. Fühlst du, wie treu und warm das meine für dich ist, Diana?« So standen sie fest verschlungen, im langen, heißen Kuß, und als sich die Lippen lösten, blieben sie dennoch so eng umfaßt stehn, Wange an Wange gelehnt und flüsterten einander heiße und innige Liebesworte zu.

Es gibt nichts auf der Welt, was einer solchen Uebertreibung und Ueberspanntheit fähig wäre und doch daneben von einer so tiefen und reinen Innigkeit sein könnte, wie Herz und Gefühl eines jungen Mädchens; und es gibt auch nichts rührenderes und zugleich wieder komischeres als die Weise, in der zwei solche junge Wesen diese Herzen einander hingeben, diese Gefühle für einander ausdrücken und austauschen. Hausbackene Naturen freilich verstehn davon nie etwas als die Übertreibung und schütteln zu solchen »Albernheiten« mißmuthig den Kopf.

Selbst Hugo, der in diesem Augenblick wieder auf die Terrasse trat und die beiden eng verschlungenen Gestalten sah, überkam es schon bei diesem Anblick mit einer Art von Rührung und Scheu, und offen herantretend sprach er zu den Freundinnen, welche ihn Arm in Arm stehend erwarteten, ganz abweichend von seiner gewöhnlichen neckenden Weise die Botschaft der Großmutter aus, welche Margarethe bei sich zu sehn wünschte.

Diana lachte heiter. »Soll sie schon dem neuen Ankömmling vorgestellt werden?« fragte sie, und als Margarethe auf Hugo's beistimmendes Lachen nach der Bedeutung dieser Worte forschte, setzte sie hinzu: »ei es ist da ein Graf Raimund de – de – der Himmel mag wissen, von was! – angekommen, dem Benehmen deiner Großmutter bei seiner Ankunft nach, eine etwas mysteriöse Person und von deinem Cousin hier zu einem Freier für dich gestempelt. Was ist es für ein Mann?« wandte sie sich an Hugo. – Er zuckte die Achseln. »Wie Sie sagen – mysteriös, mir wenigstens unverständlich und auffällig. Bald von einer Schüchternheit des Benehmens wie eine junge Pensionärin, dann wieder von einer Nonchalance, die wenig dazu paßt, ja scharf damit kontrastirt, und zuweilen sogar mit Blicken um sich schauend, die eigenthümlich schnell und forschend – ich möchte am liebsten sagen: unverschämt sind. Endlich hat der Herr einen alten Diener bei sich, dessen Augen ich noch nicht gesehn, so selten schlägt er sie auf. Aber er schleicht wie eine Katze, die Milch gestohlen und ein böses Gewissen hat.« – »Schauerlich!« lachte Diana. »Was Sie nicht alles sehen, Herr Poet!« – Und mit einem neuen Achselzucken entgegnete er: »das war der erste Eindruck und ich will wünschen, daß er sich verliert. Denn sonst wär's keine angenehme Zugabe zu unserm fröhlichen Leben.«

Inzwischen ging Margarethe nach einigen weitern scherzenden Worten, und da Diana erklärte, daß sie ihren Spaziergang noch fortsetzen wollte, allein ins Haus hinein, und Hugo schritt mit der Zurückbleibenden plaudernd die Terrasse auf und nieder. Die Dämmerung hatte unterdessen schnell zugenommen und im Schlosse zeigten sich bereits überall erhellte Fenster, während die Gruppen des Parks zu immer undeutlicheren Massen verschwammen. Die beiden jungen Leute wurden dadurch noch mehr, so zu sagen, auf sich angewiesen, und nach der Scene zwischen den Freundinnen, welche Diana's ganzes Wesen durchschüttert und zuletzt in der Versöhnung sie ungewöhnlich weich gemacht hatte, war es kein Wunder, daß die Nachklänge dieser Weichheit und Innigkeit noch jetzt durch ihr Wesen bebten und von Hugo alsobald bemerkt wurden. Es erfaßte den jungen Mann wunderbar und zwar um so mehr, je weniger er auf solche Stimmung des schönen Mädchens vorbereitet sein konnte; und plötzlich und ohne über seine Worte nachzudenken, sagte er stehen bleibend: »hören Sie, Diana, Sie sind ein wahrer weiblicher Proteus! Wie kommen Sie jetzt nur zu Gretchens Sanftmuth und Milde, grade Sie? – Aber kleiden thut es Sie zauberhaft.«

Sie blieb gleichfalls stehn und versetzte halb neckend, halb nachdenklich: »nun natürlich! – Ihre Cousine ist ja eine leibhaftige Fee – und wenn die ihre Macht und ihren Zauber über ein andres Wesen breitet, muß das wohl davon erfaßt werden – selbst eine Nixe, wie ich,« setzte sie lachend hinzu. »Aber ohne Scherz,« fuhr sie dann fort, ohne Hugo's leises Kopfschütteln zu beachten, »Ihre Cousine ist ein wunderbares Wesen, dem man sich nicht entziehn, gegen das man nicht kämpfen kann. Ich hatte wohl Grund, mit ihr zu zanken, zu zürnen – auch Sie betrifft das, Graf Hugo! – und das Resultat war dasselbe wie immer bei unsern Streitigkeiten – ich gab nicht nur nach, sondern ich bekannte demüthig, daß mein Recht Unrecht sei, und ward ihr inniger zu eigen als je. Ja noch jetzt bin ich betrübt, daß ich ihr weh gethan, und habe sie so abgöttisch lieb, wie nie zuvor.«

Er schüttelte mit einem schelmischen Lächeln den Kopf, »Weiß Gott, Fräulein Diana,« sagte er, »dazu gehört ein starker Glaube, daß Sie der nachgebende, demüthige Theil seien, und nun gar Gretchen gegenüber!« – »Weßhalb?« rief sie lebhaft. »Glauben Sie vielleicht auch, daß ich besonders kraftvoll und herrschsüchtig sei, gern und leicht dominire?« Und als Hugo lächelnd nickte, fuhr sie eifrig fort: »o wie unrecht habt ihr alle! Nein, im Gegentheil! Margaritta beherrscht mich grenzenlos und – macht sie nur ein betrübtes Gesicht, so laß ich mich von ihr um den Finger wickeln.« – »Lieber Gott!« sagte Hugo mit einem komischen Seufzer, »wem das auch einmal so gut würde!« – »O das ist gar nicht so schwer, Graf Hugo,« gab sie lachend zur Antwort. »Es kommt nur auf den Menschen an und auf die Weise!« – »Gut!« versetzte er, »geben Sie mir einmal ihre Hand!« – »Wollen Sie mich etwa um Ihren Finger wickeln?« fragte sie neckend. Aber als er seine Rechte hinhielt und leise: »bitte, bitte!« dazu sagte, erhob sie die Augen für einen Moment mit einem eigenthümlich dunklen Blick zu den seinen und legte dann wie mit plötzlichem Entschluß ihre feste schmale Hand in die seine und fühlte die Finger mit einem leichten Drucke umfaßt.

»Wollen Sie nun ganz gut und demüthig sein, Diana, wie gegen Gretchen – so lassen Sie mir die Hand,« sprach er leise und innig. – Sie sah nicht auf, sie antwortete auch nicht sogleich, und erst nach einer Pause fragte sie eben so leise und mit einem leichten Beben der Stimme: »wozu?« – »Zum Leben, Diana!« flüsterte er erregt und preßte ihre Finger in die seinen. »Sie wissen's doch, daß ich Sie – unmenschlich lieb habe!« – Wieder nach einer Weile erst sah sie – man möchte sagen: lauschend – zu ihm empor und versetzte: »und haben Sie keine Angst vor der Seejungfer? – Nixen sind falsch, sie verlocken und – verlassen.« – Er nahm auch ihre andere Hand und zog beide ungestüm an die Lippen. »O,« sagte er, und man hört' es seiner Stimme an, daß er nur mit Mühe ein helles Aufjubeln unterdrückte, »o, dafür habe ich keine Sorge! Wo will die Nixe hin, wenn der, den sie liebt, ihres Gleichen und im selben Element ist?« – »Uebermüthiger!« flüsterte sie lächelnd.

»Diana,« sprach er nach einem Augenblick des innigsten Anschauens, »Sie haben es mir noch nicht gesagt – lassen Sie mir die Hand?« – Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Haben Sie sie nicht?« – »Aber Diana, ich muß auch das Herz dazu haben – das ganze Herz!« – »Ungenügsamer Mensch! Und wenn ich nun sagte: das habe ich nicht mehr! Wie dann?« – »Da frage ich heftig und zornig – denn Sie beugen sich ja vor dem Zorn! – wo ist es?« – »Und ich beuge mich demüthig,« versetzte sie, immer noch mit niedergeschlagenen Augen und beide Hände in den seinen, – »und sage: ich habe es einem wilden – thörichten – lieben Menschen gegeben – leider schon längst!« – »Und wer ist – wo ist dieser wilde, thörichte Mensch, Diana?« fragte er ganz leise.

Da zog sie ihre Rechte aus seinen Fingern, und indem sie die Augen mit ihrem vollen Glanz und ihrer vollen Größe zu ihm aufschlug, legte sie die Hand auf seine Schulter und sagte aus dem tiefen Herzen herauf: »da!«

Er breitete die Arme aus und legte sie langsam um ihre schlanke Gestalt, zog sie eben so langsam immer fester und fester an sich, drückte leicht die Lippen auf ihren Scheitel Und preßte dann ihren Kopf mit beiden Händen einen Augenblick an sein Herz. »Wollen Sie mich sehr lieb haben, Diana?« fragte er dann. – »Ich muß wohl!« flüsterte sie. »Und Sie, Hugo – wie sagten Sie vorhin? Sagen sie das noch einmal.« – Er schob sie von sich, er faßte ihre beiden Hände und beugte sein Gesicht nahe zu dem ihren und sagte: »ich habe dich un – unmenschlich lieb! – Diana, sind wir wirklich ein Herz und eine Seele? – »Ja, dein Herz, deine Seele!« war ihre leise Antwort.

»Aber Diana – Hugo – wo bleibt ihr denn?« rief jetzt Margarethens Stimme. »Es ist ja eisig kalt geworden!« – »Sagen Sie ihr nichts, Hugo,« sprach Diana schnell, während sie vom Ende der Terrasse, wo sie bisher gestanden, sich der Rufenden näherten. »Das muß ich selbst ihr mittheilen.« – »Nur kein Geheimniß!« bat er, zum letztenmal ihre Hand drückend. Sie erwiderte den Druck. »Nein,« versetzte sie munter, »wir steigen jetzt lustig auf die Erde und werden Menschen. Das wird einen schönen Rumor geben!« – Er lachte, flüsterte noch einmal: »Nixe – holdselige Nixe!« und dann traten sie zu der Andern und mit ihr ins Haus. An der großen Treppe, die hinter dem Bibliotheksaal zu den Familienzimmern hinausführte, trennten sie sich, und während Diana, den Arm um Margarethe schlingend die Stufen hinaufging, schritt Hugo über den Lehnhof dem Josefsbau und seinen Zimmern zu, um in der Stille wieder Herr seiner selbst zu werden.

Als er sich nach anderthalb Stunden über den Corridor, der an den Stuben der beiden Mädchen vorüberführte, nach dem Salon zur Theestunde begeben wollte, öffnete sich Margarethens Thür und sie selbst zog den Ueberraschten in's Gemach. »Schnell!« sagte sie mit glühenden Wangen und feuchten Augen; »schnell, Hugo! Ich will dich nur segnen und dir einen Kuß geben, daß du mich so glücklich machst!« Und als sie seine Lippen flüchtig mit den ihren berührt und seinen Kopf einen Augenblick zärtlich in ihre Hände gedrückt, tanzte sie fröhlich durch's Zimmer zu Diana, die lächelnd und stumm in der Sophaecke gelehnt, zog sie auf und zu Hugo und sprach: »nun gebt euch rasch noch die Hand, daß ich euch Menschenkinder einmal innig bei einander sehe. Schnell! Meine Donna kann jeden Augenblick kommen!«

Diana lächelte. »Eigentlich ist's für heut übergenug,« versetzte sie: »das ist ein stürmischer milder Mensch, den ich kurz halten muß.« Aber sie sah ihn, dessen Gesicht von Glückseligkeit strahlte, mit einem tief leuchtenden Blick an und reichte ihm dann plötzlich mit ihrer ganzen ungestümen Herzlichkeit die beiden Hände hin. Sie litt es auch, daß er ihren Kopf an die Brust zog und wieder das dunkelblonde Haar küßte, ja als er sie losließ, legte sie für einen Moment ihre Hände an seine Wangen. Dann jedoch wandte sie sich rasch auf dem Absatz um, machte gegen ihn eine neckische Verbeugung und sagte lustig: »nun genug, mein schöner Ritter! Für heut heißt's: Wir kennen uns jetzt schon gut genug – Suchen uns jetzt zu vermeiden! – Fort, zur Großmama!« Und aus dem Zimmer eilend, stieß sie mit Margarethens Gesellschafterin zusammen, welche die Damen eben zur Theestunde abholen wollte. Sie faßte das Mädchen unter den Arm und zog es singend' mit sich fort, die andern Beiden folgten lachend.

Im Salon war noch niemand, doch trat unmittelbar nach ihnen schon Gräfin Charlotte aus ihrem Kabinet, und bevor sie noch etwas weiteres sagen konnte als: »guten Abend, meine Kinder! Ihr werdet einen originellen, aber höchst liebenswürdigen Mann kennen lernen!« – meldete der Kammerdiener den Grafen von Ruysbroek.

Der Mann, den er in's Gemach ließ und der nach einer höchst förmlichen Verbeugung, die Lorgnette vor den Augen auf die alte Erlaucht zugehn wollte, schien bei dem Anblick der übrigen Damen nicht wenig überrascht, ja so verwirrt zu sein, daß er mitten im Zimmer stehn blieb und nach allen Seiten hin eine neue Verbeugung machte. Als er sich aufrichtete, sah man, daß er roth geworden, und als er sich dann gefaßt und der Gräfin Charlotte genähert hatte, sagte er mit ziemlich befangen klingender, ein wenig heiserer Stimme auf französisch: »Ihr Herr Bruder, Frau Gräfin, hat mir nichts von einem so großen Familienkreis gesagt.« – Die alte Dame lächelte. »Mein Bruder ist ein drolliger Mensch,« versetzte sie; »er ignorirt alle Welt in meiner Umgebung außer seiner alten Schwester, und will von niemand wissen und reden als von mir. Aber ich hoffe,« fuhr sie fort, »die hier Anwesenden werden Ihnen den Aufenthalt in Königshofen nicht verleiden. Und nun kommen Sie, daß Sie sie kennen lernen.«

Nach der Vorstellung nahm man Platz um den Tisch und die Gräfin that, was sie konnte, eine belebte, heitere Unterhaltung in Gang zu bringen. Allein dem befangenen Grafen gegenüber, der meistens mit niedergeschlagenen Augen in seinem Lehnstuhl gleichsam zusammengeschmiegt saß und nur wenig auf die Gesprächsgegenstände einging, schien ihr seit vielen Jahren geübtes und stets glänzend bewährtes Talent als Wirthin zum erstenmal nicht ausreichen zu wollen, und was sie auch versuchen mochte es gelang ihr nicht, den Gast aus seiner Zurückgezogenheit hervorzulocken. Selbst als er von seiner Heimat, seinem kleinen alten Schloß in Wandern und seinem einsamen Leben dort erzählte, geschah das so kurz, so einförmig und eintönig wie möglich. Auch richtete er seine Worte nur an die alte Dame und sah, wenn er einmal aufblickte, mit seinen kurzsichtigen Augen anscheinend nur zu ihr hinüber. Ungefragt versuchte er nur zwei- oder dreimal zu sprechen und brach auch sogleich, fast wie erschrocken über solche Kühnheit, wieder ab. Dessen ungeachtet verrieth er selbst in dieser Unterhaltung durch einzelne Worte und Bilder, durch einen oder den andern geistvollen oder witzigen Einfall, den er freilich auf die trockenste Weise und mit dem ernstesten Gesicht vorbrachte, daß er sein gebildet und ein Mann von großem Verstand und Geist sein mochte.

Nach etwa zwei Stunden bat er um die Erlaubniß sich zurückziehen zu dürfen, da er von der langen und schnellen Reise sehr ermüdet sei. Und darauf verließ er das Gemach so schüchtern und zugleich so förmlich, wie er es betreten. Hugo machte eine tiefe Verbeugung hinter ihm drein. »In der That,« bemerkte er dann lachend, »ich bewundere Sie, Großtantchen! Wie ein Bergmann haben Sie wahrhafte Schachte in dies Felsgestein abgeteuft, um seine Schätze zu Tage treten zu lassen. Aber –!« –

Die Gräfin verzog gleichfalls wie die Andern ihr Gesicht zum Lachen; dann aber versetzte sie wieder ernsthaft: »mit dir ist nichts anzufangen, mein Kind! Ich wünsche aber, daß die Uebrigen vernünftiger sein werden. Wie soll man mit euch Geduld haben, wenn ihr selbst sie mit andern so wenig habt? Es ist ein Mann, der wie ein Einsiedler erzogen wurde und bis auf die neueste Zeit niemals seine abgelegene Heimat verließ. Mit Männern ist er wenig zusammengekommen und mit Damen verkehrte er nie. Woher soll er denn da Sitten und Gebräuche der Gesellschaft kennen? Ich möchte aber darauf wetten, daß er in sich selbst vollkommen zu Hause ist und seinen Geist nicht brach liegen ließ. Dann findet sich alles andere bald. Und mit mir allein war er vorhin auch ganz anders, gesprächiger und heiterer.« – »Seine Aeußerungen über sein altes Eulenschloß haben mir vorhin gefallen,« bemerkte Margarethe freundlich. »Nicht wahr, Diana, es war geistvoll und – innig?«

»Nein,« rief Hugo lustig, »Fräulein von Kaufberg sollt ihr mir nicht verführen! Die braucht nichts vom fremden Geist, von fremder Innigkeit und ›dem innern Gold eines ächten Cavaliers.‹ Das haben wir alles hier. Denn, Großtantchen und meine Damen,« setzte er hinzu und zog die erröthende Diana zu dem Stuhl der alten Gräfin, »sie hat sich entschlossen, das alles in mir zu finden.« – Die Erlaucht stand rasch auf und legte ihre Arme um das Paar. »Das lohn' Ihnen Gott, mein theures Kind! Das dank' ich dir bis ans Ende, mein lieber Knabe!« sprach sie freudig bewegt. »Das ist eine Freude für mich alte Frau, wie ich mir kaum eine bessere weiß! – Gottes Segen über euch!«

Sie ließ das Paar aus ihren Armen und ging ein paarmal durch den kleinen Saal auf und ab, als wollte sie ihrer Bewegung Herr werden. Aber als in diesem Augenblick Gerhard eintrat und sie ihn zu den Uebrigen an den Tisch zog, da sahen sie wohl, daß sie helle Thränen in den Augen hatte. »Der gehört dazu,« sprach sie aber freundlich, dem späten Ankömmling auf die Schulter klopfend, »der, wie sein Vater vor ihm. – Und nun laßt das Schloß illuminiren und den Wein fließen! Sie sollen's alle wissen, daß der alte Stamm nicht verdorrt ist. Hirschegg-Königshofen blüht wieder! Gottes Segen über euch und unser Haus!«


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