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Bei der Stadt –t, dem letzten bedeutenden und ummauerten Ort gegen das Nachbarland zu, zweigte sich rechts von der breiten Kunststraße ein wenig befahrener und, wie gewöhnlich dort zu Lande, schlecht unterhaltener Weg ab, der sich etwa eine Stunde weit durch gut bebautes Land und ansehnliche Dörfer wand, dann die mäßigen Hügel hinanstieg, welche von Südost gegen Nordwest sich in's Land ziehen, und darauf sich plötzlich und ziemlich steil wieder in eine Ebene hinabstürzte. Hier waren weder Dörfer noch zeigte sich irgend eine Kultur des Bodens; Moor, Torf und Sand lagen weit hinaus, flach und eben, und widerstanden noch für viele Jahre jeglichem Anbau. Denn die See schien dies frühere Stück ihres Gebiets noch immer nur ungern aufgeben zu wollen, und im Herbst wie im Frühjahr trieben ihre Fluten oft stundenweit über die Fläche und häuften neuen Sand und Kies auf die öden Fluren. Dort wand sich nun der Weg hindurch in hundertfachem Geleise, da jeder Reisende sich einen andern bessern Pfad suchen wollte: allein überall war der öde Flugsand oder die eben so schlimme, in Staub aufgelöste dürre Torferde, und wehe dem, der an einem heißen Sommertage drüber hin mußte.

Das erfuhr der junge Mann, der an einem Tage des Juli diesem Wege folgte. Wieder und wieder verwünschte er seine Neugier und Hartnäckigkeit, die ihn diesen Pfad wählen und die wohlgemeinten Warnungen seines Wirths in –t überhören ließen; immer von neuem suchte er sich mit der Hoffnung auf das nothwendig bald eintretende Ende seiner Pein zu trösten; er war ja schon seit mehreren Stunden unterwegs und die Heide sollte nach der Karte nur drei starke Meilen in der Breite messen. Aber es war nirgends ein Ende zu sehen; sein Pferd, das an diesen Sand nicht gewöhnt war, erlahmte schier im schlimmen Boden, der unter seinen Hufen brennend quoll und sie fort und fort zurückgleiten ließ; ihn selbst überschüttete der Staub erstickend, bald weiß, bald braun. Hin und wider zeigten sich einzelne halbverdorrte Wachholderbüsche, einige Ginster- und Binsenbüschel an einer moorigen Stelle, ein einsames, kümmerlich vegetirendes Heidekraut; sonst fand er weder Baum noch Strauch, der ihm Schatten spenden konnte, kein Grün, auf dem das brennende Auge ausruhen durfte, nirgends eine Spur von Wasser zur Labung für sein keuchendes Thier, keinen Vogel in der Luft, kein Wild auf dem Felde, keinen Menschen auf dem Wege. Es ist ein verfluchtes Land! murmelte er verzweifelnd vor sich hin.

Und so ging es fort; es ward Mittag, es ward immer später, die Sonne sank schon tief gegen Westen und Pferd und Reiter vermochten die Strapazen kaum länger zu ertragen. Da endlich erhoben sich wieder ziemlich leise ansteigende Hügel, welche nach Südwest streichend auf jene oben erwähnte erste Reihe zulaufen mußten. Der Weg vereinigte alle Geleise wiederum zu Einer Spur, der Boden schien fester zu werden, und als der junge Mann die Anhöhen überstiegen, stieß er ein lebhaftes: Gott sei Dank! aus. Die Gegend wechselte fast eben so plötzlich wie beim Beginn der Wüste; es zeigten sich Kiefern, mit Birken untermischt, dann erschien anderes Laubholz, und nicht fern, am Ende des sich ziemlich gerade entlang ziehenden Pfades, sah der Reiter auch Gebäude. Zu gleicher Zeit erblickte er aber über sich die wachsenden Säume so schwerer bleifarbener Gewitterwolken, daß er sein todmüdes Pferd stärker antrieb und mit wachsender Ungeduld einem schirmenden Dache entgegeneilte.

Als er aus den Büschen und Bäumen herauskam, öffnete sich vor ihm ein mäßiger Raum; rechts lagen fruchtbare Felder, von links zog sich im scharfbegrenzten Bogen ein dichter und hoher Wald herum, im Bogen des Holzes lag ein Dorf und an dessen äußerstem Ende, gerade vor ihm, erhob sich ein einzelner Hof, den er bald als den Krug erkannte. Es war eines von den alten Bauernhäusern, wie sie jetzt immer seltener werden und selbst dort zu Lande kaum noch in den abgelegensten Gegenden zu finden sein dürften; denn weder die Polizei noch die steigende Wohlhabenheit und die damit verbundene Liebe zum Luxus dulden noch solche Gebäude. Zwischen Garten, Weg und Wald gedrängt lag es da, im rechten Winkel erbaut, mit seinen niedrigen Mauern, seinen kleinen, halb erblindeten und buntschillernden Fenstern, seinem tief herabreichenden, hohen, schwarzen Strohdach, auf dessen unterem Rande sich hie und da das bräunliche Grün des dort angewachsenen Lauchs zeigte.

Das große Thor im einspringenden Winkel war geschlossen, aber die kleine Thür in seiner Mitte stand mit der obern Hälfte auf; aus der schwarzen Oeffnung unter dem Dach stieg ein starker Rauch wirbelnd und kerzengerade in die Luft, und unter der breiten Linde saßen um den rohen Tisch drei Männer, welche dem Ankömmling neugierig entgegenblickten. Der eine, eine wenn auch gealterte, doch anscheinend noch rüstige und stattliche Figur, erschien in Hemdärmeln und mit der gebräunten ledernen Kappe auf dem ergrauenden Haupt, und war offenbar der Wirth; der zweite war ein Grenzjäger, der bald nach dem Fremden hinüberschaute, bald mit einem großen vor ihm auf dem Tisch stehenden Glase Wein liebäugelte; im dritten endlich konnte man, wenn man den grünen Rock, die hohen Stiefel, die Büchse zwischen den Knieen und den seitwärts ruhenden edeln Hund beachtete, den Förster nicht verkennen.

Endlich war der junge Mann auf dem schlecht gepflegten und bestaubten Grasplatze angelangt, der die Linde umgab. Er stieg langsam vom Pferde, und indem er den feuchten Hals seines den Kopf senkenden Thiers klopfte, sagte er zum herantretenden Alten: »Wenn Sie der Wirth sind, so sagen Sie mir, ob ich Stallung und Futter für mein Pferd und Speise und ein Lager für mich haben kann, denn wir sind beide mit unsern Kräften gänzlich zu Ende gekommen.« – »Das merk' ich,« erwiderte der Alte; »der Gaul da ist mächtig herunter. Allein nehme der Herr nur Platz, man wird euch beiden schon unter die Arme greifen.« Damit faßte er selbst die Zügel und führte das Thier in's Haus.

Der Ankömmling warf sich erschöpft auf die Bank und lehnte sich müde an den Stamm der Linde zurück. »Was zu viel ist, ist zu viel,« sagte er. »Von solchen Strapazen hab' ich mir nichts träumen lassen. Und nun zuletzt noch das Gewitter, welches so drohend herauf kam! Das Schicksal hatte es heut einmal böse mit mir im Sinn.« – »Ei,« bemerkte der Förster mit einem leichten Lächeln, »wenn das Unwetter hier zu Lande über uns kommt, geht es freilich nicht sanft her; aber Sie, mein Herr, brauchten vor dem da auf Ihrem Wege keine Angst zu haben. Sehen Sie,« fuhr er fort und deutete hinauf, wo die schweren Wolken eilig seitwärts zogen und nur hin und wider einige große Tropfen fallen ließen; »was so daher kommt, geht selten tiefer in's Land, es muß hinaus über die See.« –

»Nun ja,« erwiderte der junge Mann mit Lachen, »so wäre ich der Wäsche entgangen; aber gebacken und gedörrt bin ich wie die Pflaumen im Herbst.«

Der Krüger war inzwischen zurückgekehrt und hatte auf seinem frühern Sitz, einem seitwärts liegenden Holzklotz, wieder Platz genommen. »Warum in aller Welt,« fragte er nun, »kommt Ihr denn auch durch die Heide? Habt Ihr denn in –t keinen einzigen Freund gehabt, der Euch rathen konnte?« – »Nun,« entgegnete der Angeredete und wandte sich in seiner Antwort etwas gegen den Grenzjäger, »ich heiße Freidorf und bin –.« – »Es ist ein Herr Ihres Namens kürzlich zum Assistenten bei dem Hauptzollamt am Wildpaß ernannt worden,« unterbrach ihn der sich erhebende Grenzbeamte und faßte an die Mütze. »Wenn der Herr dies etwa sein sollte, ich bin der Jäger Frühauf und auf dem ersten Nebenposten stationirt.« – »Schon gut,« sagte Freidorf und nickte dem andern freundlich zu, »ich bin allerdings jener Assistent, aber bleiben Sie ruhig sitzen.«

Der Krüger betrachtete den Beamten mit einem scharfen finstern Blick. »Ihr seid also ein Zollbeamter?« fragte er, »und zwar auf dem Wildpaß? Da weiß ich wirklich nicht, weßhalb Ihr nicht den geraden, ebenen Weg eingeschlagen und Euch lieber durch die Heide gequält.« – »Das wollte ich vorhin sagen,« bemerkte kalt der junge Mann, dem Ton und Blick des Alten nicht behagte. »Ich weiß, daß der Schmuggel gerade in diesen Gegenden ziemlich scharf gehen soll, und da ich noch einige Tage Urlaub habe, wollte ich das Revier doch auch einmal sehen. Ich wußte freilich nicht, daß eine solche Wüste davor liegt.« – »Das hat man von der Neugier und Ungeduld,« sagte der Krüger ruhig und legte phlegmatisch die in kurze schwarze Lederhosen und weiße Strümpfe gekleideten kräftigen Beine übereinander. Der Ton und das Wesen des alten Mannes nicht allein, sondern auch der beiden andern hatte sich, seit der Stand des Gastes entdeckt worden, gänzlich verändert und eine gewisse Unbehaglichkeit schien alle erfaßt zu haben. Freidorf fühlte sich, wie jeder Müde und Hungrige, zum Aerger geneigt und hatte eine ziemlich herbe Entgegnung auf der Zunge, als die Erscheinung einer Frau mit Speisen und Getränk ihn verhinderte sie auszusprechen.

Es war eine weiche, schlanke Figur, deren vielleicht allzugroße Hagerkeit die in diesen Gegenden damals noch hin und wider gebräuchliche alte Tracht aus schweren Stoffen verhüllte. Gegen die Gewohnheit des Landes aber trug sie Schoßjacke und kurzen Rock, Tuch und Schürze von dunkeln Farben, und nur die Strümpfe schimmerten hochroth mit blauen Zwickeln. Leicht, aber freundlich grüßend trat sie zum Tisch, deckte ein grobes, jedoch reines Tuch über des Fremdlings Ecke, setzte ein Eiergericht und saftigen Schinken, so wie Wein in grüner Flasche darauf, kehrte dann in's Haus zurück und brachte rasch auch das kräftige Schwarzbrod, frische Butter und von den kleinen runden, reichlich mit Kümmel gemischten Käsen des Landes. Sie stand dann und überschaute flüchtig das Aufgestellte. »So,« sagte sie mit klarer, tiefer Stimme und senkte die rechte Hand lässig in die unter der schwarz und blau gedruckten Schürze niederhangende dunkle Tasche. »Ich habe das rasch besorgt und der Herr nimmt wohl zur Vesper damit vorlieb. Das Abendessen wird auch keine zwei Stunden mehr säumen.« – »Ich danke,« versetzte Freidorf freundlich und langte nach Messer und Gabel, »es wird vollkommen genügen, und ich bitte nur noch um ein wenig Salz.«

»Else!« rief der Alte hart und runzelte die hohe Stirn, »mußt du denn immer was vergessen! Flink, flink!« – Sie hatte sich auf dem ziemlich hohen Absatz des Schuhs umgedreht und brachte das Geforderte bald herbei. »Wohl bekomm's!« sagte sie dann eintönig und wandte sich zum Hause zurück. – Der Krüger rief sie an. »Schaff, daß das Essen zur rechten Zeit fertig ist,« sprach er kalt und gleichgültig und ohne den Kopf zu ihr zu wenden; »du weißt, wenn der Georg warten muß, setzt es was ab. Und vergiß nicht wieder, was man bei Tisch braucht. Mach!« – Sie hob wieder weder ihre Augen noch den kleinen Kopf, der von der dichten schwarzen Mütze und dem daraus hervortretenden breiten und gestärkten weißen Strich knapp umspannt und leicht vorübergeneigt war. »Schon gut,« sagte sie eben so kalt und kehrte in's Haus zurück.

»Ist das Eure Tochter?« fragte Freidorf, betroffen über diese herbe Scene, und machte sich im Stillen Vorwürfe, daß er selbst sie hervorgerufen habe. – Der Wirth hob leicht den Kopf und schaute flüchtig zu dem Fragenden hinüber. »Meine Tochter?« sagte er und seine Lippe zog sich wie höhnend zur Höhe; »nein, es ist nur meine Sohnsfrau.« Dann richtete er eine Frage an den Förster, die dieser beantwortete, und es entspann sich nach und nach, während Freidorf speiste, ein ziemlich langsames und gleichgültiges Gespräch zwischen den drei andern. Das Gewitter hatte sich inzwischen fast gänzlich verzogen und stand fern im Osten, der Himmel war blau und tief ihnen zu Häupten, und die Sonne, die sich schon hinter die Wipfel des Forstes gesenkt hatte, bestrahlte die weiterhin liegenden Felder mit klarem, vollem Licht.

Freidorf hatte seine Mahlzeit beendet; er zündete sich nun eine von den Cigarren an, die der Alte herbeigedracht und in einem Glase auf den Tisch gestellt hatte. »Bei Gott, mein lieber Wirth,« sagte er dann und lehnte sich nach einem tiefen Schluck aus seinem Glase behaglich zurück, »es sitzt sich hier ganz gemüthlich. Allein wie findet Ihr nur Eure Rechnung bei solchem guten fremden Wein und so trefflichen Cigarren? Es liegt doch ein hoher Zoll darauf und Euer Wirthshaus scheint ziemlich abgelegen und in einem eben nicht reichen Lande.«

»Hm!« erwiderte der Krüger, »das Land ist nicht so schlecht und gibt dem, der es pflegt, sein gutes Auskommen. Und wir haben es auch manche Jahre lang gehabt. Allein, Herr Assistent –«, er betonte scharf den Titel, – »wenn mein Nachbar Strobel oder ein anderer aus dem Dorf sein Glas Französischen trinkt und seine Pfeife bei mir füllt, so erhält er zwar gute Waare, aber doch nicht dieselbe wie Ihr. Dafür seid Ihr aber auch ein königlicher Beamter, könnt mehr aufgehen lassen und müßt mehr honorirt werden. Und was den Zoll betrifft, von dem Ihr sagtet – was geht uns der Zoll an?«

»Und doch liegt Euch das Zollamt sozusagen vor der Nase,« bemerkte der Assistent. – »Nun ja, und dann?« gab der Alte zur Antwort; »ist der Herr ein Kind an Erfahrung und hat noch nie vom Schmuggel gehört?« – »Wohl,« versetzte Freidorf und ein tiefer Ernst lagerte sich plötzlich auf dem freien, verständigen Gesicht und verdüsterte die klaren Augen, »wohl, ich kenne das, weiß, daß er hier stark im Gange ist, und glaubte bisher dennoch nicht, daß man das Ding so offen bespreche und daß königliche Diener nicht allein ruhig zuhören, sondern auch darüber wie über etwas sich selbst Verstehendes lachen.« Er machte eine leichte Bewegung gegen die beiden andern Gäste. Der Grenzjäger aber schüttelte nur leise den Kopf und sagte: »Sie kennen hier die Verhältnisse noch nicht, Herr Assistent.« – »Das scheint so,« bemerkte der Alte und machte sich kaltblütig mit Stahl und Stein Feuer für seine Pfeife, – »Unrecht ist überall Unrecht und Gesetzlosigkeit allenthalben gleich strafbar,« rief Freidorf heftig. »Wer sagt mir, daß nicht auch dieser Wein, diese Cigarren geschmuggelt sind und ich also schon gewissermaßen mich gleichfalls eines Verbrechens schuldig gemacht habe?«

»Ja,« sagte der Krüger wieder mit derselben unzerstörbaren Kaltblütigkeit, »Ihr gehört zu denen, Herr Assistent, die alles in der Welt nur mit dem guten Auge betrachten wollen, und wenn sie dann einmal auf dies und das stoßen, was ihnen weniger gut scheint, sozusagen aus dem höchsten Himmel fallen und geblendet auch das Nächste und Natürlichste übersehen. Ihr bleibt hier bei uns und ich kann daher Euch heut schon sagen, was Ihr morgen doch von einem andern erfahren werdet. Seht an, es wird viel geschmuggelt längs der ganzen Grenze, trotz aller Bemühungen der vielen Beamten; denn sie können das weite Revier, und gerade dieses Revier, nie zur Genüge besetzen. Und dennoch werden viele Waaren aufgefangen und konfiscirt. Was soll nun das Zollamt mit diesen Vorräthen beginnen? Der Transport in's Inland ist zu theuer und macht sich nicht bezahlt; da man in den naheliegenden Städten mit Schmuggelwaaren versehen ist, bedankt man sich für höhere Preise; hier bei uns geht das eben so, und wenn nun das Steueramt nothgedrungen mit den Waaren räumen und Auktionen anstellen muß, so bezahlt dann für die, meist noch etwas verlegenen oder auch sonst hart mitgenommenen Gegenstände kein Mensch auch nur einen Pfennig mehr, als er etwa dafür an die Schmuggler selbst entrichten müßte. Markten und juden thut der Staat allerdings nicht, weil er hier doch keinen Nutzen davon hätte; er schlägt vielmehr los, sobald er irgend einen annehmbaren Preis erhält und seinen Zollausfall nothdürftig gedeckt sieht: und so kommt es denn, Herr Assistent, daß das Land mit solchen Waaren gefüllt und überschwemmt ist, und daß Ihr diesen Wein und diese Cigarren trotz des Zolls und eigentlich durch den Schmuggel hier etwa um hundert Procent billiger erhaltet als tiefer im Lande.

»Nun werdet Ihr mir vielleicht sagen,« fuhr der Mann nach einer kleinen Pause fort und betrachtete den nachdenklich gewordenen Beamten mit einem scharfen Blick seiner großen blauen Augen, »Ihr werdet mir vielleicht sagen, das alles sei Euch bekannt. Allein Ihr glaubt nicht, daß die Menge solcher Waaren hinreichend sei, das Land zu überschwemmen und alle Krug- und Hauswirtschaften damit zu versehen. Da habt Ihr auch keineswegs Unrecht und ich kann es immer gestehen, daß von der Grenze an bis drei Meilen in's Land hinein und weiter kaum ein Haus gefunden werden möchte, wo man nicht ein geschmuggeltes Stück auftreiben könnte. Ich seh' Euch zornig auffahren,« sprach er lachend weiter und schüttelte den grauen Kopf, »Ihr denkt, dies sei zu dreist von mir und Ihr wäret verpflichtet mich anzuzeigen. Aber, lieber Herr, das wissen hier zu Lande alle und Eure Kameraden am besten. Die versuchen alles Mögliche, um solches Treiben zu verhindern, aber zum Ziel kommen sie nicht. Sie kommen und suchen nach; hier finden sie gar nichts, dort nur den nothwendigen Bedarf, und die Leute geben an, ihn dann und wann von dort oder da mitgebracht zu haben. Beweist ihnen doch das Gegentheil! Oder Ihr findet was und man hält Euch dabei in schönster Ruhe die Quittung über die vom Zollamte erhandelten Gegenstände unter die Nase. Da straft sie einmal Lügen! Nein, Herr Assistent, so kommt Ihr hier im Leben nicht durch.«

»Ja,« sagte Freidorf erregt, »ich war bisher mitten im Lande und in Städten angestellt. Wir kannten dort auch den Schmuggel; er ward betrieben, aber nicht eben stark, und wer sich damit abgab, ward darum weder geachtet noch prahlte er damit. Er wußte so gut wie alle, daß sein Treiben ein verbrecherisches sei. Die Gesetze hatten dort, ich möchte sagen auch eine moralische Bedeutung, einen moralischen Einfluß, der hier leider zu Grunde gegangen scheint.«

»Ich weiß nicht,« erwiderte der Krüger und die hohe Stirn faltete sich noch fester und gedankenreicher, »ich weiß nicht, was Ihr mit Euern Worten sagen wollt, die ich nicht kenne und auch nicht recht verstehe. Vielleicht meint Ihr nur, man müsse das Gesetz nicht allein aus Furcht vor der im Uebertretungsfall eintretenden Strafe achten und halten, sondern auch, weil es so einmal von dem Fürsten und seinen Behörden für gut und ersprießlich befunden worden, das heißt: man müße es halten, weil es nun einmal da ist und wir es daher auch für gut zu halten haben. Allein, mein Herr Assistent,« fuhr der Alte fort und die Pfeife entsank seinen Lippen und er richtete sich höher auf, »ich bin nicht der Meinung und, Gott sei Dank, nicht der einzige Mann im Lande, der es frei und keck ausspricht: ein Gesetz, welches ich für falsch und untauglich und schlecht halten muß, kann ich nicht achten und ehren, und sollte ich im Augenblick des Todes sein.

»Damit,« fuhr der Krüger fort, »kann ich den Fürsten nicht beleidigen, denn erstens ist er so gut ein Mensch wie unser einer und kann irren, und zum andern, was weiß er von diesem Gesetz weiter, als daß es da ist? Wir sehen, was aus dessen strenger Handhabung entsteht, wir wissen, wie wir daran zu Grunde gehen. Der Fürst kann das nicht wissen, denn er sieht weder in unsere Herzen noch in unsere Hütten, er sieht nur die Herren Minister und die andern Hofherren, die wohl auch nichts davon erfahren. Die brauchen Geld, und wie sie es am leichtesten und schnellsten erhalten, nehmen sie es und beurtheilen, was weiter dabei zu bedenken wäre, nur nach ihren Einsichten, nach ihren Meinungen. Nun denken sie: wer dies und das brauchen will, ist wohlhabend und kann bezahlen für die Waare und für den Gebrauch. Will er nicht bezahlen, so bekommt er's nicht und wird es auch nicht entbehren, denn es ist entbehrlich, ein Luxusartikel, oder wie man's sonst nennen mag. – Aber da liegt der Hund begraben!« fuhr der Alte fort und seine Augen entflammten sich, »da sitzt das Unrecht, das himmelschreiende! Was wissen die Herren von unsern Bedürfnissen, was wir entbehren können und was nicht? Das können wir allein und die mit uns und nicht nur zwischen uns leben. Wenn die Rede ist von entbehren können – das geht weit. Zum nackten Leben braucht der Mensch nichts weiter als ein Stück Brod oder ein paar Wurzeln und einen Schluck Wasser. Wozu mühen wir uns denn aber und arbeiten unsern Wohlstand zu vermehren? Ich meine, der Herrgott hat uns erschaffen und unterschieden von dem Vieh und all dem Gethier, nicht allein damit wir nur den Athem, das Leben in uns fristen, sondern daß wir auch ringen und schaffen und das genießen, was gut ist und das Leben angenehm macht. Denn die Erde bietet doch so viel des Guten und Angenehmen. Oder soll dies alles nur für die Reichen da sein, für die, welche so und so viel im Vermögen haben? Und also, wenn der eine sich jährlich dreihundert Thaler macht und ein anderer dreitausend einnimmt, soll jenem der Genuß einer Flasche Wein oder einer guten Pfeife Tabak nur deßwegen versagt sein, weil er zehnmal weniger besitzt als der andere? Ja, wenn der Preis der gewünschten Waare eigentlich so niedrig steht, daß sich der Arme sogar dieselbe noch verschaffen kann, ist es recht, daß man sie ihm durch eine hohe Steuer entzieht und sie nur jenem erlaubt, der ihren Werth doppelt bezahlen kann? »Ich seh' es ja ein,« sprach er weiter, »der Fürst braucht Geld, um den Staat zu erhalten, und es muß daher zusammengebracht werden. Aber es kommt doch aus den Taschen der Unterthanen, und daher, scheint mir, müßten die Leute doch auch befragt werden, wie ihnen die Beschaffung am leichtesten werden könnte. Wer was geben soll, den muß man doch fragen, wie er's geben kann und will; soll er ungefragt geben, unter jeder Bedingung, da gibt er nicht mehr, sondern es wird ihm genommen. Das wäre ein Unrecht, und daher müssen die Leute gefragt werden, und wieder auch nicht alle, sondern nur, die sie unter sich als die vernünftigsten Köpfe ausgewählt haben. Das sind unsre alten Stände, wie wir sie hießen, die man uns mit Unrecht nahm; mit denen müßte man reden und sich verständigen. Ich weiß nicht, was da herauskommen würde, denn dazu bin ich zu dumm, ich habe nicht darauf studirt, aber die Zölle ließen sie gewiß und wahrhaftig nicht bestehen. Denn die sind halb eine Schande, halb ein Unsinn, Ich will gar nichts sagen von den Zöllen auf Lebensmittel, die wir bei uns selbst hervorbringen, die wir nicht entbehren können – denn wer lebt noch ohne Brod und Fleisch? – deren Ungerechtigkeit sieht ein Kind ein. Aber ich frage, Herr Assistent, weßhalb besteuert man das, was wir weder bei uns schaffen noch entbehren können und daher aus fremden Ländern einführen müssen? Da ist das Salz, von dem wir hier im Lande nicht genug haben; da ist Pfeffer, Reis, Kaffee. Ja, der Kaffee ist vom Ueberfluß, sagt man. Aber das ist nicht wahr. Geht hin zu den armen Leuten: sie trinken ihn zur Erwärmung Mittags und Abends, denn sie können sich schon bei den jetzigen Preisen keine so wohlfeile Suppe verschaffen. Wär's nicht besser, wenn sie ihn billiger und von guter Sorte hätten? – So könnt' ich Euch hunderterlei nennen, aber das eine mag genügen. Nein, wenn ihr besteuern wollt, so besteuert das, was wir bei uns eben so gut haben oder schaffen könnten und nur aus reiner Kommodität, oder auch weil bei uns die Anlagen und Fabriken nicht fortkommen, von auswärts einführen. Dann aber muß der Staat seinen Angehörigen unter die Arme greifen und ihnen behülflich sein, daß sie gegen das Ausland aufkommen können, damit, wenn sie so weit sind, auch diese letzten Zölle aufhören dürfen. Das muß der Staat, denn wir alle halten in ihm zusammen und arbeiten auch für das Ganze, damit wir uns einer an dem andern halten können und durch das Ganze wieder in unserm einzelnen Wirken gesichert und gefördert werden.«

Der Alte hatte das Mitgetheilte nicht in einem Zuge gesprochen; er ward vielmehr oft unterbrochen, sei es, weil er für die Gäste sorgen mußte, die sich nach und nach aus dem Dorfe eingefunden hatten und ihr Glas Wein forderten, sei es durch die Leute selbst, die mehr als einmal dazwischen sprachen, Fragen stellten, ihre Billigung zu erkennen gaben. Allein das alles störte ihn im Ganzen so wenig, daß auch wir es übergehen zu können glaubten. Der Krüger sprach so fließend und klar, wie man es selten von Leuten seines Standes hört, und wie man es im breiten, platten Dialekt jener Gegend nicht für möglich zu halten pflegt. Allein es zeigte sich hier, was sich überall bestätigt hat, sei es im Kreise der Gesellschaft oder der Familie, sei es auf dem rohen Tisch in der Volksversammlung, oder auf der prächtigen Tribüne vor den Kammern: bei tiefer Ueberzeugung, wirklicher Einsicht und gesunder Vernunft müssen klare Gedanken und Worte schier von selbst kommen und selbst der rauhste Dialekt sich durchringen und siegend zum Ziele strömen.

Freidorf hatte aufmerksam und fast immer schweigend zugehört, denn es interessirte ihn, die Gedanken dieses ungebildeten und doch so scharfsinnigen Kopfes so frei und frank vor sich hintreten zu sehen. Er begriff allerdings recht gut, wie viel in diesen Worten unrichtig war und sich leicht hätte widerlegen lassen, aber er bewunderte auch den Mann, der in dieser Stellung, in dieser Abgeschiedenheit so ernst, so erfolgreich über die höchsten Interessen des Staats und der Gesellschaft nachgedacht hatte, und er mußte den Kern der tiefen Wahrheit anerkennen, der dem allen zu Grunde lag und sich durch nichts wegdisputiren ließ. Von diesem Gesichtspunkte, wie ihn der Mann des Volks aufstellte, war ihm die Sache auf dem staubigen Bureau und in der Unterhaltung mit seinen Freunden und Nebenbeamten noch nie erschienen. Er hatte das Steuerwesen bisher kaum von einer andern Seite betrachtet als von jener schmählichen, unseligen, wie es vorige Zeiten auffaßten und anwandten, wo man die Verschließung des Landes zum System erhob und das größtmögliche Zurückhalten des Geldes zum Ideal der Staatswirthschaft machte, wo man die Einwohner nur als Unterthanen und Objekte betrachtete, mit welchen und an denen das Subjekt, d. i. die Regierung, seine Systeme, seine Ideen und Ideale durchkonjugirte und deklinirte. Da war von dem Wechselverhältniß der einzelnen Bürger zum Staat und des Staats zu den einzelnen Bürgern keine Rede; man träumte nicht einmal von Rechten und Ansprüchen des Einzelnen dem Ganzen gegenüber, obgleich diese Rechte und Ansprüche doch so klar zu Tage lagen, so einfach, so verständlich waren. Und das sprach der Schlußsatz des Krügers, wenn auch nur annähernd, dennoch bestimmt aus. Freidorf saß in tiefen Gedanken, und manche Masche zerriß in dem trübenden Schleier, mit dem seine Augen bisher verhüllt gewesen.

»Aber,« fuhr der Alte plötzlich wieder fort und sah sich ernsthaft im aufmerksamen stillen Kreise um, »daß die Zölle hart sind und unbillig, rechtlos und vernunftlos, daß sie uns mit Gewalt aufgelegt sind und uns mit Gewalt das Geld aus den Taschen nehmen, daß sie uns, die wir arm sind, zwingen zu entbehren, das, ihr Leute, ist in meinen Augen noch immer nicht das Schlimmste. Aber es stößt mir das Herz ab, wenn ich nun sehen muß, was man auf diese Manier aus einem einst glücklichen Lande und aus zufriedenen wackern Bewohnern, desselben in kurzer Zeit machen kann. Wir waren früher -isch und kannten keine Zölle, der Handel ging frisch und lustig herüber und hinüber. Nun ist das anders worden. Wir waren zufrieden, und nun sind wir mißmuthig, verstimmt, habgierig, neidisch – weiß Gott was alles! Wir waren arm, alle mit einander, aber wir lebten ein rechtes, thätiges Leben und mühten uns rechtschaffen um unser Auskommen und sein Brod hatte jeder. Nun haben wir Bettler und Vagabunden im Lande. Seht einmal hinein in's Hauswesen, in die Wirtschaft! Die geht wie ein Krebs immer sachte zurück, denn der Schleichhandel wirft mehr ab und sicherer als die Wirtschaft. Die Arbeit bleibt liegen, alles läuft über die Grenze; was man nicht sauer und offen erworben, das achtet man nicht, man verpraßt es so leicht wie man's gewonnen. Der Ackerbau geht zu Grunde, denn es fehlt an Händen, es fehlt an Lust. Seht hinein in die Familien! Damit geht's retour: das lebt nicht mehr still und mäßig neben einander hin, gottesfürchtig, ohne Hader und Neid; es heißt jetzt: sechs Tage gehungert und einen verpraßt! Knechte und Mägde früher, die waren lustig, wie jedes junge Blut, aber sie waren auch manierlich, bescheiden, arbeitsam; sie gehörten zur Familie, sie achteten auf ihren Herrn, auf ihre Frau und waren wie diese ein Beispiel für die Kinder. Nun ist es meistens verlaufenes Gesindel, das nur ein augenblickliches Unterkommen sucht, heut zuzieht und morgen davonläuft. Sie sehen nirgends was Gutes und thun's selbst nicht. Der früher ihr Herr war, freundlich, aber doch ernst und immer über ihnen, der ist jetzt oft mitten drunter, läuft auch die Schleichwege, verpraßt was er gewonnen, wird ein Spieler, Trunkenbold, ein schlechter Patron, dem nichts mehr heilig ist, der sein Heimwesen vernachlässigt, Weib und Kind prügelt, einen Grenzbeamten auf den Kopf schlägt, als sei er ein Thier. Da wird die Frau auch kalt, schlecht, hält nicht mehr zu Rath, vernachlässigt ihrerseits auch das Hauswesen und die Kinder dazu, treibt sich auch umher und geht zu Grunde. Und dann kommt das Verräther- und Angeberwesen, Spionerie und Bestechung. Da kann man seinem Kinde nicht mehr trauen und die Dienstboten sind Horcher; da verräth die Frau ihren Mann, der Vater den Sohn. Da halten auch die Beamten ihre Hände auf und drücken die Augen zu und betrügen ihrerseits die Regierung. Kurz, Liederlichkeit, Gottlosigkeit, Verrath, Lug und Betrug auf allen Ecken und Enden. Das ist das Ende vom Liede. Das findet ihr überall in unserem armen Lande, und darum verfluche ich die Zölle, und darum hasse ich ihre Diener, denn die haben uns das Unheil gebracht und das Elend, das Verderben.«

Als der Krüger schwieg, war es ringsum still; die meisten schauten ernst darein, und nur über das gebräunte pockennarbige Gesicht des Grenzjägers lief ein leichtes Lächeln, welches Freidorf auffiel. Endlich sagte einer der Anwesenden zum Krüger: »Ihr laßt heute ja wohl anmähen, Nachbar?« Und der Alte erwiderte: »Ja freilich, und da kommen auch schon meine Leute.« Dann kehrte er sich zum Thor und rief zornig in's Haus: »Else, Else, daß dich der Teufel regiere! Wo bleibt das bunte Wasser?« Gleich darauf trat sie mit gefüllter Schürze und von einer Magd gefolgt aus dem Hause und ging schweigsam mit flüchtigem Grüßen vorüber. Vor dem Nebengebäude ward ein breites flaches Gefäß, dort zu Lande eine Balge genannt, auf einen ziemlich hohen Untersatz gestellt und von dem Mädchen mit Wasser aus dem Ziehbrunnen gefüllt; dann that Else aus ihrer Schürze Laubwerk, Blumen und die gerade reifen Fruchtarten hinein; bunte Bandenden, Schaum- und Knistergold wurden darauf gestreut.

»Was bedeutet das?« fragte Freidorf, als er die Frau jetzt zurückkehren sah. – »Sie sind hier noch fremd,« versetzte der Grenzjäger, »und kennen die Gebräuche nicht. Wenn der Roggen angemäht wird, bereitet man am ersten Abend für die heimkehrenden Leute ein Wasser und thut, wie Sie eben sahen, allerlei Gegenstände hinein. Man nennt es das bunte Wasser.« – »Wozu aber?« fragte der junge Mann. – »Das werdet Ihr gleich sehen,« antwortete der Krüger und deutete auf einen Trupp Männer und Frauen, die durch's Dorf mit Jubel und Gesang daher kamen.

Ein kräftiger, noch junger Mann ging mit raschem Schritt den übrigen voraus, trat zu dem Kreise unter den Baum, grüßte den Alten mit einem »guten Abend, Vater,« und die andern mit einem kurzen Nicken, hing die Sense an einen Pflock in der Wand des Hauses und ließ sich dann auf einer Bank nieder. »Na,« sagte er endlich und warf den flachen breitkrämpigen Hut auf den Tisch, fuhr mit der Hand über die gebräunte heiße Stirn und ließ die scharfen Augen die Gäste überfliegen, »da find' ich ja reichlich Gesellschaft. Du auch da, Förster? Ja, wie immer, ich seh's schon! Und der liebe Frühauf, und –.« – »Das ist der neue Assistent auf dem Paß und heißt Freidorf,« unterbrach ihn der Vater, indem er auf den Genannten deutete. – »So so, schon wieder ein Neuling!« fuhr der Sohn mit höhnischem Lächeln fort. »Ich weiß nicht, was die Herren da oben nur denken mögen, wir haben das Land voll und sie schicken immer mehr.« – »Darnach fragt Ihr die Herren bei Gelegenheit am besten selbst,« bemerkte Freidorf, der sich durch den Ton des Redenden gereizt fühlte. – »Sachte, Herr Assistent, ärgert Euch nicht!« entgegnete der Vorige mit rauhem Lachen. »Ich bin gar nicht neugierig und meinetwegen mögen sie tausend schicken; mir ist's egal. Else! Weib!« rief er dann, »kannst du mir keinen Schluck Bier bringen?« Und aufspringend fuhr er fort: »ich muß nur selbst danach sehen, der Person wegen kann ich verdursten.« Damit stürmte er in's Haus und gleich darauf konnte man seine harte scheltende Stimme vernehmen.

Unterdessen waren die Leute zu dem Gefäß mit Wasser geeilt, und indem einige die Früchte heraussuchten, andere sich mit den nassen Blumen und Bändern neckten, noch andere sich einfach die Hände wuschen, drängten alle sich näher und näher heran; von den Gästen hatten sich auch einige jüngere Leute munter hinzugemacht und der Kreis und das Treiben, das Jubeln wuchs, bis endlich dieser oder der, um sich Raum zu schaffen, oder nur des Scherzes wegen mit vollen Händen das Wasser zu verspritzen begann. Nun ward Lärm und Treiben erst groß und wild. Man neckte und haschte sich, man jauchzte und schrie; alle spritzten, alle suchten sich gegen die übrigen zu schützen, die Mägde kamen nicht zum Besten davon und theilten ehrlich wieder aus. Das Gefäß ward hierher und dorthin gezogen, der Wirbel zog sich über den Hof, die Gäste bekamen gleichfalls eine flüchtige Sprühe, und selbst der Krüger ging nicht leer aus, bis das Wasser zu Ende war, das Gefäß zur Seite gesetzt wurde und die Theilnehmer sich triefend und mit den Blumen oder Bändern prunkend hier und dorthin verloren.

»Das ist nun hier so Gesetz,« sagte der Alte lachend, als er Freidorf sich einige Tropfen abtrocknen sah: »wer heißt Euch auch just am ersten Tag der Ernte bei uns anlangen? Mitgefangen, mitgehangen.«


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