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Scene wie im zweiten Akt. Der Mond tief am Horizont. Auf dem Felsen nahe der Hütte liegt der alte Hirt schlafend.
Alkibiades ( tritt vorsichtig aus der Hütte, schließt die Thür hinter sich, bleibt stehen, blickt aufs Meer hinaus).
Alkibiades.
Der Mond versinkt. Dies ist die Stunde. Fast
Verschlief ich sie, – wer weiß, mir wäre wohler!
Doch wenn ich's thun will, muß es jetzt geschehn.
Wie schaurig kühl die Nacht! Den Mantel sollt' ich –
Nein, nein! Sie schläft; und weck' ich sie mir auf –
(
Erblickt den Alten.)
Ha! wer liegt dort? Mein treuer alter Wirth,
Und drinnen die Getreuste, – und ich geh'
Ins Ungewisse – Still! Nicht rückwärts schauen!
Doch seltsam, wie mir zauderhaft zu Sinn!
Wann säumt' ich je, nach einem Kranz zu greifen,
Der meiner Stirn nur halb entgegenkam,
Und jetzt – ein Diadem umblüht von Rosen,
Und träge stockt mein Fuß! Ich und das Glück –
Wir sind uns wohl ein wenig fremd geworden,
Wie Liebende nach ihrem ersten Zwist,
Doch lieblich ist Versöhnung. (
sieht sich um)
Welchen Weg?
Dort auf der Höhe, sagte sie. Ganz recht!
Dort geht's nach Susa, dort nach Glück und Macht,
Und ich, als strickten tausend Schlingen sich
Um meinen Fuß – (
aufstampfend)
nur weil ein zärtlich Weib
Gesagt, sie überleb' es nicht? Ich Narr!
So sprechen Alle, die uns fesseln wollen,
Und leben lustig weiter, lachen wieder
Und lieben – nein, sie nicht, thu ihr nicht Unrecht,
Sie nicht! Doch kann ich's ändern? Gilt es nicht
Mein großes Werk, die Rettung meines Volks,
Und wie ein weicher Knabe schmiegt' ich mich
Zu Füßen einem Liebchen?
Fort! Und sie –
Sie tröste sich – so rasch, so gut sie kann.
Rieth sie nicht selbst dazu, mit großer Seele
Auf meinen Ruhm, auf meine Pflicht bedacht?
Ich gab ihr keinen Eid, sie heischte keinen;
Frei haben wir uns angehört. Nun denn,
So kann ich scheiden, frei und ohne Schuld!
( Will gehen, der Hirt erwacht.)
Hirt.
Herr – du bist wach? Bedarfst du mein?
Alkibiades ( bleibt stehen).
Still, Alter!
Sprich leise. Weck sie nicht. Was thust du hier?
Hirt.
Ich wollt' hier wachen; unhold ist die Nacht.
Doch nickt' ich ein. Soll ich nun mit dir gehn?
Alkibiades.
Nein, bleib und höre! (
halblaut) Wenn die Frau da drinnen
Erwacht und mich vermißt – es könnte sein,
Daß sie in Schwermuth fiele. Bleib ihr dann
Zur Seite, – sprich ihr freundlich zu: nicht gern
Sei ich gegangen, sag ihr; einen Gruß
Hab' ich dir aufgetragen, hörst du wohl?
Und wenn es Zeit sei, solle sie mir folgen.
Doch wenn sie dir nicht glaubt – Horch! was war das?
Hirt.
Ein Vogel rührte sich im Nest. Du aber,
Du wolltest, Herr, gleich jetzt – so ganz allein –
Alkibiades.
Thu, was ich bat, hörst du? und laß sie schlafen!
Noch immer viel zu frühe wacht sie auf.
Lebwohl! (
entfernt sich rasch auf dem obern Weg nach rechts.)
Hirt.
Die hohen Götter sei'n mit dir!
(
für sich) Seltsam! Was treibt ihn fort?
Alkibiades ( erscheint wieder).
Hör, alter Freund –
Noch Eins: wenn sie im ersten Kummer gar
Hand an sich selber legen will – du weißt,
Jäh von Entschlüssen und vernunftlos ist
Ein Weiberherz – dann sag ihr: nur bis morgen
Ausharren solle sie. Ich hätt' ihr Botschaft
Zu senden von Gewicht, sie müsse mir
Noch einen großen Dienst thun, den kein Mensch
Als
sie mir leisten könne – hörst du wohl?
Das wird sie, weiß ich, zur Geduld bewegen,
Und wenn der erste Sturm vertobt – versprich mir,
Auf Schritt und Tritt ihr nah zu bleiben!
Hirt.
Alkibiades.
Dank, Dank, mein alter Freund!
Und sag ihr noch – Nein, nichts mehr! Gute Nacht!
( Geht hastig ab.)
Der alte Hirt. Dann Timandra .
Hirt.
Ob er im Fieber sprach? Und doch – sein Blick
War fest, und unverworren klang sein Wort.
O Himmel! Trösten soll ich sie – ihr sagen –
Ich wollte lieber härtre Dinge thun,
Als diesem armen Weibe – Still! Da ist sie.
Wie bring' ich es nur an?
Timandra
( tritt langsam aus der Hütte, bleibt vor der Schwelle stehen, blickt nach der Seite, wohin Alkibiades sich entfernt hat).
Es ist geschehn!
Seltsam! ich dacht', es würde weher thun.
So mag das Sterben sein. Wir liegen fühllos,
Wenn unser Lebenshauch entschwand. Nur hier –
(
nach dem Herzen greifend)
Hier zuckt's noch. Doch die eis'ge Starrheit wächst
Empor und kühlt auch diese letzte Flamme;
Dann ruhen wir.
Ihr Himmlischen dort oben,
Die ihr bis heut dies Überschwängliche
Mir gönntet, schützt, o schützt mich vor mir selbst,
Daß ich in kleiner Schwäche nicht euch lästre,
Weil ihr ein Ziel gesetzt so hohem Glück!
O Erde, Meer und Aether, die ihr still,
Nichts ahnend ruht, ich sag' euch Lebewohl.
Schön seid ihr und ich liebt' euch sehr, so lang
Ihr mir sein Bild gespiegelt. Jetzt verlass' ich
Euch ohne Schmerz, ein Schatten, dem sein Körper
Ward abgetrennt, und geh' zur Schattenwelt,
Wo mich erhabne Geister grüßen werden
Als ebenbürtig, weil ich ihm gehört.
Grüßt ihn von mir! Ich aber will zum Strand
Und dort in seiner Treuen Mitte still
Mich bettend –
( sie ist herabgestiegen, will nach links abgehen.)
Der alte Hirt ( vortretend).
Herrin!
Timandra ( bleibt stehen).
Eine Stimme – wer –
Wer ruft?
Hirt.
Ich, liebe Herrin.
Timandra.
Alter Freund,
Ich hab' dich noch um einen Dienst zu bitten.
Hirt.
Sprich, was ich thun soll.
Timandra.
Eh die Nacht vergeht,
Möcht' ich – Sag, hast du meinen Freund gesehn?
Nicht wahr, er ging hinweg auf jenem Weg?
Hirt.
Er trug mir auf, dir einen Gruß zu sagen,
Und daß er ungern gehe.
Timandra ( erschüttert).
Sagt' er das?
Hirt.
Und hoffe, wenn es Zeit sei, dir's zu melden,
Daß du ihm folgen mögest, ja und daß
Er einen Dienst von dir noch fordern werde.
Du möchtest warten in Geduld.
Timandra.
Geduld! –
Ihr Himmlischen!
Hirt.
Er sorgte sehr um dich
Und trug mir auf, dir ganz zu Dienst zu sein.
Du aber, Herrin, scheinst gefaßt.
Timandra.
Ich bin es.
Ich war es längst.
Hirt.
Ich aber zürnt' ihm doch,
Gesteh' ich's nur, daß er dich lassen konnte,
Da er doch glaubt, du könntst im Schmerze gegen
Dich selber wüthen.
Timandra.
Sagt' er dir auch das?
Nun sieh, wie gütig er an Alles denkt!
Doch irrt' er sehr. Ich hab' mich viel zu lieb,
Um Andres mir, als Liebes, anzuthun.
Du aber denk nicht schlimm von ihm. Er ging,
Weil ihn sein Dämon rief. Mich ruft der meine
Auf einen andern Pfad.
Hirt.
Willst du zur Heimath?
Timandra.
's ist ein Geheimniß; später sag' ich dir's.
Erst muß ich unsre Todten noch bestatten.
Drum sag: hast du wohl einen schwarzen Widder
In deiner Heerde?
Hirt.
Ja. Was soll er dir?
Timandra.
Ich will ihn opfern, daß sein rauchend Blut
Die Untern uns versöhne. Sieh, dies Halsband –
's ist Gold und mit Smaragden reich geziert, –
Ich geb' es dir dafür.
Hirt.
O nicht so, Herrin!
Timandra.
Nimm's! Dort, wohin ich gehe, trägt man nicht
So blanken Schmuck. Doch hast du auch ein Messer,
So scharf, daß es dem Opfer qualenlos
Das Blut entströmen macht?
Hirt ( sein Messer aus dem Gürtel ziehend).
Hier, liebe Herrin.
Doch – darf ich's auch?
Timandra ( ergreift das Messer).
Gieb – gieb!
Hirt.
Du bist so heiter,
Daß es mich fast erschreckt.
Timandra.
Ja, ich bin froh:
Nun fehlt mir Nichts mehr. Hol das Opferthier,
Und ich indeß, von Tamariskenzweigen
Will ich uns Kränze winden, weiß ich doch,
Was Brauch bei Todtenfeiern. Komm hinweg
Und fürchte Nichts. Ach, niemals hat Timandra
So gut gewußt, was ihr zum Heile dient!
( Sie geht rasch nach links den Strandweg hinab, der Hirt folgt ihr.)
( Vorn rechts hinter den Pinien tritt) Pharnabazos ( auf), ein Sklave ( folgt ihm).
Pharnabazos.
Du sahst ihn?
Sklave.
Ihm entgegen sandte mich
Die Fürstin selbst. Auf ihrem Wagen saß sie
Und harrte, rings um sie die Bogenschützen.
Sie aber starrt' ins Meer hinaus, die Stirn
In finstren Falten, mit dem Fuße stampfend
Von Zeit zu Zeit. Doch wenn die Rosse dann
Auffuhren, ungeduldig schnaubend, schwang sie
Die Geißel über sie und riß die Zügel
Zurück. Ob noch der Mond nicht unter sei?
So frug sie mehr als einmal. Doch zuletzt
Hieß sie mich lauschen auf dem obern Weg,
Ob noch kein Mannesschritt am Fels ertöne.
Ich aber – kaum auf eines Steinwurfs Weite
Hinweggerannt – von fern schon sah ich ihn,
Den Griechen, der des Wegs geschritten kam,
Langsam, und oftmals still hielt. Da gedacht' ich,
Daß du mir anbefahlst, dir's kund zu thun,
Und kehrte zu der Fürstin nicht zurück.
Pharnabazos.
's ist gut. Geh nun hinauf zur Hütte, sag
Der Fremden, hier am Brunnen harrt' ich ihrer.
( Der Sklave steigt hinauf.)
Es scheint, sie ist noch ahnungslos. Ich muß
Behutsam ihre wunde Seele –
Der Sklave ( der hineingeblickt hat).
Herr,
Es regt sich innen nichts; die Hütt' ist leer.
Pharnabazos.
Sie schläft vielleicht. Er stahl sich leise fort.
Ich selbst will schau'n – (
wendet sich, um hinaufzusteigen.)
Der Sklave ( der nach links gespäht hat).
O Herr, dort in der Tiefe –
Pharnabazos.
Was siehst du?
Der Sklave.
Jene, die du suchst. Sie geht
Mit hast'gen Schritten, hinter ihr ein Mann,
Der Hirt, so scheint's –
Pharnabazos ( hinunterblickend).
Sie ist's – sie will entfliehn.
Lauf – eil ihr nach – ich folge! – Die Betrogne,
Wohin entflieht sie und vor wem? Vor mir?
Sie soll erfahren, daß man nicht so leicht
Mich um mein Recht betrügt. Des Lebens Brandung
Warf sie an diesen Strand, nun ist sie mein!
( Folgt dem Sklaven, der vorangeeilt, nach links.)
Alkibiades' ( Stimme hinter der Scene).
Timandra! – Hörst du mich? – Timandra!
( Tritt auf in höchster Erregung mit verstörten Zügen, halb athemlos, bleibt auf dem obern Wege stehen.)
Taub
Und stumm die Nacht! O Nemesis! Wär's wirklich
Zu spät? – Timandra! – Still! Wenn sie nun schläft –
Ha – offen ist die Thür – ich schloß sie doch –
Ich schloß sie ganz gewiß – und jener Alte –
Versprach er nicht zu wachen? Hohe Götter!
Und jetzt in dieser weiten öden Welt
Kein Herzschlag mehr!
(
Schaudert in sich zusammen.)
Bin ich ein Feigling? Hab' ich
Gebebt, da dieser Persrin Schlangenauge
Mir tausend Tode zugeblitzt? – Und jetzt,
Was überrieselt mich's, als sollt' ich drinnen
Der Gorgo ins Gesicht – (
thut einige Schritte, bleibt wieder stehen.)
Sie sitzt vielleicht
Ganz still am Herd und schürt die Kohlen an,
Daß, wenn ich wiederkehre – denn wer sagt' ihr,
Daß ich für immer fortging? – Wer ihr's sagte?
Weissagt' ihr nicht die eigne Seele längst –?
Nein, nein! (
blickt in die Hütte.)
Der Herd ist dunkel wie der Abgrund
Des Erebos! O list'ge Schläferin,
Ich will dich wecken! Wart! ich komm', ich komme!
( Tritt mit zögernden Schritten über die Schwelle, verschwindet in der Hütte.)
( Von links) Pharnabazos, ( das Hirtenmesser hoch in der Hand schwingend, hinter ihm) Timandra.
Timandra.
Gieb deinen Raub zurück!
Pharnabazos.
Nicht eh du schworst,
Daß er nicht helfen soll, mir
dich zu rauben.
Timandra.
Mich dir? Seit wann hättst du ein Recht –
Pharnabazos.
Gesteh's nur:
Als du die Schärfe dieses Messers prüftest,
Ein andres Opfer lag dir da im Sinn,
Als für die Todten dort. Und wär' ich nicht
Dir in den Arm gefallen –
Timandra.
Wem ich opfre
Und Wen, was kümmert's dich? Gieb mir zurück,
Was dir nicht eignet!
Pharnabazos ( ihr näher tretend).
Höre mich, Timandra!
Hör eines Freundes Wort; erkenne mich
Und dich und dein Geschick!
( Alkibiades erscheint wieder in der Thür der Hütte, erblickt die Beiden, tritt lauschend in den Schatten zurück.)
Timandra.
Soll ich mein Schicksal
Von dir erfahren? Lange sagte mir's
Mein eignes Herz.
Pharnabazos.
Dein Herz will dich verderben,
Ich dich erretten. Jener falsche Mann –
Du warst ihm Alles, da er glücklos war.
Nun drängt ein neues Glück sich zwischen euch,
Und was du ihm gewesen, gilt ihm nichts.
Timandra.
Ich weiß. Doch wenn auch ich mir Nichts mehr gelte,
Wer will mich schelten?
Pharnabazos.
Wer dich kennt
Und hoch hält. Auch dein klaglos stolzer Schmerz
Bezeugt mir deinen königlichen Werth.
Zu herrschen, nicht zu dienen, haben dich
Die Götter ausersehn. Ihm dientest du,
Ich aber biete dir mein Haus und Reich,
Was ich nur hab' und bin, zu eigen an,
Dafern du willig bist, mit mir zu gehn,
Mein Gast, so lang es dir gefällt, mein Weib,
Sobald dein Herz sich zu mir neigt. Und du,
So klug wie stolz –
Timandra.
Genug. Die Sprache, die
Du sprichst, ist meine nicht. So klug wie stolz?
Wann war der Stolze klug? Wann hätt' er sich
Nur um des armen Athemholens willen
Gefügt in ein gemeines Loos? Und du,
Ein Pharnabazos! – wagst dem Weibe, das
Ein Alkibiades geliebt, zu bieten
Den Tausch mit deinem goldnen Sklaventhum?
Ich müßte lachen, wenn dies Alles nicht
So todestraurig wär'! Das aber wisse:
Wärst du der große König selbst und legtest
Das ungeheure Persien mir zu Füßen,
Du kauftest mir das Hochgefühl nicht ab,
Das mich auf diese Welt verzichten heißt,
Seit Er daraus entschwand.
Pharnabazos.
Unglückliche!
Verblendete! Ha, schmähe nur! Die Zeit
Beschämt dich noch und zeigt dir meinen Werth
In besserm Licht. Doch daß du vorschnell nicht
Der Einsicht dich entziehst, bürgt mir die Waffe,
Die ich dir nahm, und meine Wachsamkeit,
Die dich auf Schritt und Tritte vor dir selbst
Beschirmen soll. Der Gott der Träume heile
Dein wundes Herz! Lebwohl! (
geht nach rechts ab.)
Timandra ( allein).
Und nun auch das!
Muß denn das Opfer, fürchterliche Götter
Der Tiefe, das sich willig euch geweiht,
Erst noch besudelt werden, eh es fällt?
Nein, unverdiente Schmach – ihr rechnet sie
Dem Duldenden nicht an und wascht ihn rein
In seinem eignen Blut. Für viele Noth
Gabt ihr den Einen Trost dem Sterblichen,
Daß, wenn er scheiden
will, ihn Nichts zurückhält.
Geh du nur hin, Hoffährt'ger! Wähne mich
In deiner Macht! Die Wege kenn' ich wohl,
Die mich ins Freie führen. Dort hinaus
Der Klippenfels hoch überm Meeresabgrund –
Wer droben steht und übern Rand sich neigt,
Ein Schwindel faßt ihn an; um wie viel leichter
Zieht mich hinab mein schweres Herz – hinab
Zum Hafen, wo ich ruhen mag!
( Sie wendet sich, erblickt Alkibiades, der vor der Hütte steht.)
Ihr Ew'gen,
Beschirmt mich! – Sein Gespenst!
Alkibiades ( tonlos).
Wohin so spät,
Timandra?
Timandra.
Nein – es spricht – es lebt –
Alkibiades.
Du zitterst?
Ertappte Sündrin! Eh die Fahrt begann,
Wollt' ich zu Hause nachsehn, ob man mich
Auch missen kann, und finde, daß man eilig
Auf Trost bedacht war.
Timandra.
Trost!
Alkibiades ( kommt langsam herab).
Kannst du es läugnen,
Daß, da du mich im Weiten glaubtest, du
Zu einem neuen Buhlen schlichst? Doch muß ich
Dir sagen: deine Wahl war schlecht.
Timandra ( für sich, ihn anstarrend).
Er ist
Von Sinnen!
Alkibiades.
Viel zu alt ist er, zu rauh
Und menschenfeindlich. Holde Liebesfreuden
Sind ihm verblüht. Warum verschmähtest du
Den Pharnabaz, der doch ein schmucker Mann?
Timandra ( sich in Qualen abwendend).
Entsetzlicher! Sein Auge glüht!
Alkibiades ( in wachsender Leidenschaft).
Nein, Weib,
Ich lasse dich ihm nicht, dem grauen Buhlen,
Dem Frauenwürger, dem erbarmungslosen!
Er soll dich nicht in seinen Nachen locken,
Der greise Ferg', er soll nicht, hörst du wohl?
Und darum, nur aus brennender Eifersucht,
Kehrt' ich zurück und will nicht von dir gehn,
Bis er dich selber holt aus diesem Arm,
Dafern er's wagt!
Timandra ( noch halb ungläubig).
Mir – mir zu Liebe kamst du
Noch einmal –?
Alkibiades.
Dir zu Liebe? Nein, dich hass' ich,
Verstehst du wohl, wie man Tyrannen haßt,
Die uns in Wahnsinn jagen oder Tod.
Denn war's nicht Wahnsinn, was vom goldnen Wagen
Der Persrin, drauf ich schon den Fuß gesetzt,
Mich jäh zurückriß, mich die Zügel ihr
Hinwerfen ließ und rufen: Fahr allein!
Mir steht der Sinn nach dieser Reise nicht,
Weil ich ein armes Weib zu Hause ließ,
Das ohne mich sich schlecht behelfen kann.
Und darum muß ich für die Ehre danken,
Die, schöne Fürstin, du mir zugedacht,
Und wünsche gute Fahrt!
Timandra ( erschreckend).
Das – das der Stolzen,
Der Glühenden –
Alkibiades.
Das – oder sonst dergleichen –
Vielleicht auch Nichts – kommt's doch auf Eins heraus:
Verstanden hat sie's doch.
Timandra.
Und das um mich!
Und wenn sie wüthend nun auf Rache sinnt –
Alkibiades.
Du glaubst? Je nun, beim ew'gen Firmament,
Ich glaub' es selbst. Ich wußt' es, da ich's that,
Und that es doch und würd' es wieder thun.
So manche Thorheit hab' ich schon verübt,
Da ich mein Herz nie bänd'gen lernte, – dies
Ist aller Thorheit Krone: Macht und Glanz
Und Liebeslust und Rach' an meinen Feinden –
Ich achtete sie schlechten Kieseln gleich,
Da sie den Rückweg mir zu hemmen drohten
Zu diesem blassen Weibe. O und jetzt,
Da diese Thörin mit dem stillen Blick
Mich weinend grüßt, dünk' ich mir königlicher,
Als wenn ich Macht und Glanz und Glück erobert,
Und hätte
sie verloren!
Timandra.
O halt ein!
Du tödtest mich mit diesen Zauberworten!
Alkibiades ( sie an sich drückend).
Nein, du sollst leben, Herz, und ich will leben,
Sorglos und frei und selig, wie ein Gott,
Und nicht von dieser persischen Hexe Gnaden!
Blick auf! Was kommen wird, wer sagt es uns?
Wir können Eins nur thun: uns nie entzwei'n
Mit unserm Herzen, ob es Weisheit uns,
Ob Wahnsinn eingiebt. Dann sind wir in uns
So unbezwinglich, wie ein Kämpfender
Im Panzer von Demant. Komm, laß dich küssen,
Und lache, liebes Herz, du Einziges,
Was mir an ebenbürt'gem Glücke je
Gegönnt ward von den Göttern!
Timandra.
O mein Leben!
Wohin nun soll ich gehn, wenn mir der Tag
Erbleicht? Es müssen die olympischen Hallen
Sich vor mir aufthun; denn ein
Schatten kann
Das Weib nie werden, das so selig war!
Alkibiades.
Genug geträumt! Wir wollen schlafen gehn,
Uns stärken für die Fahrt, auf der hinfort
Kein Pharnabaz uns schirmt. Der stolze Dieb!
Mir nehmen wollt' er, was doch mein allein!
Fast möcht' ich lachen! Sieh, ich hatt' einmal
Ein treues Weib, da ich ein junger Fant war,
Und macht' ihr böse Tage. Da entfloh sie
Zurück zu ihrem Vater, forderte,
Sie wolle vor Gericht geschieden sein.
Doch wie ich vor den Richter trat und sah
Die finstren Blicke rings auf mich gekehrt,
Da lacht' ich hell und rief: Wer will mir nehmen,
Was mein? und hob sie auf und trug sie kecklich
Durch alles Volk an meinen Herd zurück
Und hielt sie liebreich, bis sie frühe starb.
So frag' ich heut auch, wer mir nehmen will,
Was mein? und allem Götterneid zum Trotz
Trag' ich mein treues Weib an meinen Herd,
Und kein Lebend'ger soll sie mir entreißen!
( Hebt Timandra auf und trägt sie rasch in die Hütte. Die Thür schließt sich hinter ihnen.)
( Argestes' Stimme, hinter den Pinien.)
Dort! – an den Brunnen hin! he! Leuchtet dorthin!
Ein Fackelträger ( tritt auf, hinter ihm) Argestes, dann Bogenschützen, (die bewußtlose) Mandane ( halb tragend, halb führend).
Argestes.
Sacht! Auf den Steinsitz dort! – schöpft aus dem Brunnen –
Ha, sie kommt zu sich – Fürstin! hörst du mich?
Mandane ( sich gegen ihre Schwäche wehrend).
Wer rührt mich an? Wer wagt's? Du hier, Argest?
Was ist mit mir geschehn? Was steht ihr hier
Und gafft mich an?
( Fährt mit den Händen über die Augen, erhebt sich, blickt suchend umher.)
Argestes.
Fürstin –
Mandane.
Was such' ich hier?
Der Wagen – das Gespann – befahl ich nicht –?
Argestes.
Erinnre dich, Erlauchte –
Mandane.
Hier der Brunnen –
Ganz recht! den sah ich schon – hier war's, hier saß er
Und sprach – von was doch gleich? – von einem Palmbaum
In seines Lebens Wüste. Aber dann –
Dann – dann –?
Argestes.
Du harrtest lange jenes Fremden,
Und immer kam er nicht, und als er kam –
Mandane.
Und als er kam, was dann? und kam er denn?
Und wenn er kam, warum ist er nicht hier?
Doch freilich hier nicht, droben auf der Höhe –
( Kommt plötzlich zur Besinnung, schreit auf.)
Ha, Dämon! Natternbiß in diese Brust –
Ich sterbe dran!
( Taumelt, Argest hält sie. Sie kommt gleich wieder zu sich, stößt ihn fort.)
Wer sah's mit an? Ihr Alle?
Und Alle lebt ihr noch? Und ich, ich lebe,
Verschmäht, zertreten, ein verachteter
Wegwurf aus eines Uebermüth'gen Hand?
Warum nun schweigt ihr? Warum brecht ihr nicht
In Hohngelächter aus? Wie? macht das Mitleid
Euch stumm? Mitleid – mit
mir?! O lieber will ich
Die Sohlen euch mit Dornen kitzeln lassen,
Daß ihr nur lachen müßt! – Ich selber, seht –
Ich lache, lache! Niemals hört' ich noch
So lust'gen Schwank. Der Bettler, der nicht hat,
Wo er sein Haupt hinlege, der zu Gast geht
Bei niedren Hirten – still! nicht lachen! Rührte
Nicht seine Noth mein Herz? Und er, er dankt
Mir so dafür! O namenlose Schmach!
Pfui! weinen? – Nimmermehr! Was hülf' es auch?
Ein Meer von Thränen wilder Wuth und Scham,
Es wüsche mich nicht rein. Nur sterben – sterben –
Er – oder ich! (
bedeckt das Gesicht mit den Händen.)
( Leiser Gesang Timandra's aus der Hütte.)
Mandane ( auffahrend, für sich).
Wer singt da? In der Hütte?
Ihr Höllengeister, macht mich taub! Sie wagt's,
Sie singt, die Siegrin flötet ihr Triumphlied,
Sie schlingt den Arm um ihn und lullt ihn ein
Und lacht dabei und denkt, die Schadenfrohe,
Wie eine Andre nun sich schlaflos wälzt,
Und er, vor dem ich hier an dieser Stätte
Den Wahnsinn der geheimsten Seele – nein,
Das nicht! Ich sprach's nicht aus. Doch er, er las,
Der Sieggewohnte, auf den glüh'nden Wangen,
Was ihm mein Mund verschwieg, und nickte gnädig
Und lockte mich mit doppeldeut'gem Wort
Ins Netz, ha – ich ersticke!
( sich gewaltsam fassend)
Bist du hier,
Argest? Komm näher – laß dir sagen –
Argestes.
Mandane.
Bist du mir treu? Nein, schwöre nicht!
Worte sind Schlingen nur zum Drosselfang.
Beweis' es durch die That.
Argestes.
Was, meine Fürstin?
Mandane ( tonlos).
Der dort muß sterben, wenn ich leben soll.
Argest.
O Fürstin, weiß dein Bruder –
Mandane.
Nichts von ihm!
Mein ist der Schimpf, mein soll die Rache sein.
Geh, poch ihn aus dem Schlaf, fall über ihn,
Und wenn er hinsinkt, donnr' es ihm ins Ohr:
Dies ist Mandane's Gruß!
Argest.
Erlauchte Herrin –
Mein Leben – blindlings gäb' ich's hin für dich.
Doch fruchtlos wär's; denn zu gewaltig ist er.
Du hörtest, wie er heut die Sparter schlug;
Ein Halbgott schien er ihnen.
Mandane.
Ja, ganz recht:
Ein Halbgott er, und ihr – armsel'ge Puppen,
Entseelt, entmannt durch einen einz'gen Blick!
Nun wohl! so muß ein Weib –
Argest ( sie zurückhaltend).
Was willst du thun?
Bei deinem theuren Leben – Nein, er stirbt,
Doch einen sichren Tod. Wir locken ihn
Durch List ins Freie; aus der Ferne dann
Mit unsern Pfeilen, die in Gift getaucht –
Mandane.
Gut so, ihr feigen Schelme! Ja, so fangt
Den Königstiger. Lockt ihn aus dem Lager –
Und dann von fern – o trüg' ich Manneswaffen
Und könnt' ihm Aug' in Auge – (
versinkt in Brüten.)
Argestes.
Menschlich ist's,
Den Übermenschlichen zu scheu'n. Versprich mir,
Daß du die That bei unserm Herrn vertrittst –
Mandane.
Wohl! wohl! Er muß zu Falle, muß zu Falle!
Noch heut! – noch eh der Lichtgott seinen Strahl
Auf diese Stirne, die entehrte, sendet.
Ich liefr' ihn euch – es lodert mir im Blut
Wie muntre Jagdlust – fort! ins Dunkel ihr!
Ich aber – (
während Argest und die Andern sich zurückziehen, zu dem Fackelträger)
Gieb die Fackel! fort – fort – fort!
( Alle ab nach rechts.)
Mandane
( steht im Vordergrunde, die Fackel in der Hand).
Und jetzt – und ich allein mit meiner Schmach!
Wenn ich den Brand hier in den Brunnen tauchte,
Wer kühlt mir dann die Glut, die fressend mir
Am Leben zehrt? Sterben wie Kassandane,
Nur kläglicher, da er mich nie geliebt –
Hab' ich's um ihn verdient? – Horch! spricht er da?
Er liegt in ihrem Schooß und lallt im Traum:
Haha! sie hat nun eine böse Nacht,
Die gute Thörin! – und das Weib verschließt
Mit Küssen ihm den Mund: Schlaf wieder ein,
Mein Held! Was kümmert dich die Perserin?
Ihr Götter meiner Heimath, steht mir bei
Wider den Fremdling! Finstrer Ahriman,
Dir weih' ich ihn! Hilf mir, ihn wegzutilgen,
Daß, wenn dein Bruder kommt, der Sonnenfrohe,
Er seinen Nebenbuhler nicht mehr findet,
Der mit den trotz'gen Augen eine Welt
In Brand zu stecken droht – wie dieses Herz!
( Sie schreitet hastig zur Hütte hinauf, wirft die Fackel in das Reisig. Die Flamme schlägt hell auf.)
Dem bleichen Schatten meiner Kassandane,
Dem blut'gen Schatten meines eignen Glücks
Bring' ich dies Opfer. Götter, nehmt es an!
( Geht langsam auf dem oberen Weg nach rechts ab.)
( Timandra 's Stimme in der Hütte.)
Der Himmel röthet sich, – der Morgen naht –
Wach auf!
( Alkibiades' Stimme.)
Ein wunderseltsam Morgenroth –
Ha, Qualm und Funken – auf! – hinaus!
( Reißt die Thür auf, man sieht ihn hochaufgerichtet an der Schwelle stehen.)
Verrath!
Gieb mir den Helm – das Schwert –
( er waffnet sich hastig)
Wo sind die Hunde?
O Brut! Müßt ihr die heil'ge Nacht entweihn?
Zeigt euer Antlitz, Memmen!
Timandra.
Wahre dich!
Sie locken dich in einen Hinterhalt!
Alkibiades.
Zurück, Geliebte! Bleib! Ich finde sie.
Ha, was ist das? Ein klirrend Schlossenwetter
Aus heitrer Luft –
( Ein Pfeilregen dringt von rechts über ihn herein.)
Timandra.
Hier deinen Schild! O Lieber,
Komm in die Hütte!
Alkibiades.
Was? im Qualm ersticken?
Nur zu! Ich finde sie. Bleib hinter mir,
Deck mit dem Schilde dich –
( Ein neuer Pfeilschauer.)
Verwünscht! das traf!
( wankt einen Schritt zurück.)
Timandra ( aufschreiend).
Verwundet!
Alkibiades.
Nur geritzt. – Die Mordgesellen!
Von dorther kam's, von meinen persischen Freunden.
Die Hunde, die mich erst geleiten wollen,
Nun fletschen sie die Zähne mir –
Timandra.
Du wankst –
Alkibiades.
Seltsam – ein Streifschuß nur – und doch, ich merke,
Sie haben ihre Pfeile gut gesalbt,
Und bis ans Herz hinan dringt dieser Gruß.
O arme Liebste! (
stützt sich auf sie.)
Timandra.
Gnadenlose Götter!
Du sinkst –
Alkibiades.
Noch nicht – noch athm' ich! Führe mich
Dort in die Kühle –
( Wankt, von Timandra unterstützt, nach dem Brunnen, an dessen Rande er zusammenbricht.)
Timandra ( aufschreiend).
Alkibiades.
Nein, ruf Niemand her.
Wenn es gestorben sein muß, stürb' ich gern
Allein mit dir. Wie ätzend mir die Schärfe
Des Todes durch die Adern dringt! 's ist aus –
Und wie Herakles auf dem Oeta muß ich
In Flammen enden.
Timandra.
Ist denn keine Rettung?
Götter und Menschen, seid ihr taub? Er stirbt –
Und Erd' und Himmel sehn es ungerührt!
Vorige. Der alte Hirt ( von links, gleich darauf) der junge mit anderen Hirten.
Hirt.
In Flammen meine Hütte – o und dort
Mein hoher Gast – o Jammer, Jammer, Jammer!
( Stürzt zu den Beiden hin.)
Alkibiades
( in Timandra's und des Alten Armen sich aufrichtend).
Klagt nicht um mich! In dieser letzten Glut
Schmilzt Alles von mir ab, was sterblich war.
Mein Weib – komm! hauch mir Kühlung auf die Lippen –
( sie küßt ihn)
So – so ist's gut! – Wenn es vorbei ist, Liebe,
Bring meine Asche –
Hirt.
Herr – es kann nicht sein!
Laß mich die Wunde sehn – ich kenne Kräuter –
Alkibiades.
Nein, nicht zu meiner wankelmüth'gen Mutter
Athen bring diesen armen Rest. Verstreu ihn
Ins heil'ge Meer. Du, alter Freund, du wirst
Noch oft hier oben deine Heerde weiden.
Wenn du die Flut dann ruhlos branden siehst,
Dann sprichst du wohl: Dort in der Tiefe stürmt
Das Herz des Mannes, dem ich Herberg gab.
Du aber, Liebste – Oh! ein Aetna!
( Der Hirt schöpft Wasser mit der Hand, kühlt ihm die Stirne.)
Dank!
's ist bald vorbei. Und bald auch wandeln wir
Am dunklen Strome drunten Hand in Hand.
Siehst du, sie kommen all: mein weiser Freund,
Mein Sokrates, der hohe Perikles –
Die Helden alle grüßen mich und dich –
Und ein Athenerschatten schwebt herab
Und kündet: deine Mutter klagt um dich –
Doch hebt sie wieder stolz ihr altes Haupt –
Und Hellas' Städt' und Inseln dienen ihr,
Wie damals, da ihr Sohn von Sieg zu Siegen –
O Qual!
Timandra.
Wen suchst du?
Alkibiades.
Dunkel wird mein Blick –
Ist dies mein Weib? – Komm näher – ja, du bist's!
Nun denn, es muß wohl sein. O heil'ge Kypris,
Die Welt war süß – der Rest ist bitter – oh!
( lehnt sich zurück, stirbt.)
Hirt.
Er stirbt! Weh, weh um ihn! Ein solcher Held!
( winkt die Hirten herbei)
Kommt! kommt herbei und seht: hier liegt ein Großer,
Von niederträcht'ger Hinterlist gefällt,
Und wir, wir armen Hunde, stehn dabei
Und lassen feig und stumm die Ohren hängen?
Auf! sucht den blut'gen Wolf, den tückischen
Mordbrenner, schleppt ihn her, die schwarze Seele
Woll'n wir ihm aus dem Busen zerren –
Timandra
( die über der Leiche hingesunken, sich aufrichtend).
Still!
Dein Argwohn, Alter, schweift auf falscher Spur.
Die das gethan, erreicht kein Rächerarm,
Die Götter nur, die allgewaltigen,
Die selbst im Diadem den Frevler treffen.
Ihr aber, Freunde, wenn ihr diesem Todten
Noch Treue halten wollt, ich bitt' euch herzlich,
Tragt diesen theuren Leib zum Strand hinab,
Daß wir die letzte Pflicht an ihm erfüllen.
( Die Hirten nähern sich, heben den Todten auf.)
Und du, mein alter Gastfreund, ehe du
Sein Wort vollziehst, auch meine bleichen Reste –
Versprich mir's – scheide von den übrigen,
Und sie mit seinen mischend – (
Das Wort versagt ihr.)
Hirt.
Liebe Herrin,
Was sprichst du nur? Du lebst!
Timandra.
Nicht lange mehr.
Sieh, diesen Pfeil, der ihn gestreift; ich taucht' ihn
In
mein Blut auch, und schon durchrieselt kühl
Ein Hauch vom Acheron –
Hirt ( entsetzt).
Was thatest du,
Du Unglücksel'ge!
Timandra.
Gönnst du mir es nicht,
Dem Freunde nach den dunklen Pfad zu wallen
Zum ew'gen Frieden? Komm nun! es ist Zeit.
( Sie legt ihm die Hand auf die Schulter, die Hirten haben den Todten aufgehoben, wollen sich nach links in Bewegung setzen.)
Mandane (erscheint auf dem oberen Weg, neben der Hütte, die in Trümmer gesunken, bleibt stehen, starrt hinab).
Mandane.
Wohin mit diesem Manne? Setzt ihn nieder!
Todt sollt' er sein? O schnödes Gaukelspiel!
Du, list'ge Dirne, willst ihn mir entführen
Und dann auf einem fernen Eiland still
Dich deiner Ränke freu'n. Setzt nieder, sag' ich!
Mein ist er, mein!
( Die Hirten haben zögernd den Leichnam niedergelegt. Mandane kommt rasch herab, tritt auf ihn zu.)
Mandane.
Bist du nun stumm? Wo sind
Die süßen Worte, wo die Feuerblicke,
Womit du leichtbetrogne Herzen kirrtest?
Diesmal wirst du gezüchtigt. Vor dir steht
Nicht Kassandane, die es stumm erlitt,
Daß du sie wegwarfst, nein, die Rächerin,
Die Sühne will für sich und ihr Geschlecht
An deinem kecken Haupt.
Pharnabazos ( tritt eilig von rechts auf, mit Bewaffneten, bleibt entsetzt stehen).
Mandane.
Ha! Kommst auch du,
Mein Bruder, Zeuge des Gerichts zu sein,
Das hier gehalten wird? Sieh deinen Feind,
Vor dem du bebtest – ich, ein schwaches Weib,
Ich bebte nicht – ich kann auch jetzt den Blick
Auf dieses trotzig stille Antlitz heften –
( sie reißt das Tuch fort, das Timandra über den Todten geworfen)
Siehst du? – ich – bebe nicht – ich – O ihr Götter,
Er sieht mich an!! –
( sie bricht mit einem Schrei zusammen.)
Timandra ( hoheitsvoll).
Du armes, armes Weib!
Du thatst das Aergste – ich vergeb' es dir;
Du sprachst das Feindlichste – ich hör's voll Mitleid.
Du hast ihn ja geliebt und nie dein Haupt
An seine Schulter selig lehnen dürfen.
Nun seh' ich dich in deines Reichthums Fülle
Als Bettlerin vor mir, um die er starb.
O triumphire, daß du dich gerächt!
In allem Glanz wirst du den Platz mir neiden
Auf stiller Todtenbühne neben ihm,
Der mich sein Weib genannt. Und so beschleicht
Ein schwesterlich Erbarmen meine Brust,
Und wahrlich, wenn er jetzt dich hören könnte,
Auch er vielleicht –
Mandane
( fährt auf, wirft einen irren Blick auf den Todten, erhebt sich ungestüm).
Nein, rede nicht zu mir!
Halt mich nicht auf! Hinweg! Siehst du denn nicht?
Er lächelt – nickt mir zu – dies Lächeln kenn' ich –
Es wohnt ein Zauber drin – er will mich fassen,
Mich halten, die Lebend'ge an den Todten
Festschmieden, – fort! – er streckt die Hand nach mir –
Er flüstert – hört ihr nicht? O Heimathsgötter –
O Tod und Abgrund, rettet mich vor ihm!
( Sie ist während der letzten Worte, den Blick immer starr auf den Todten geheftet, langsam zurückgewichen, beide Hände abwehrend gegen ihn ausgestreckt, verschwindet oben nach rechts mit der Geberde heftigsten Entsetzens.)
Pharnabazos
( aus seiner Betäubung sich gewaltsam aufraffend).
Schwester! wohin? Folgt ihr! – Und du, Timandra,
Du Aermste, welch ein Schicksal! Mir gebricht
Vor diesen Räthseln jedes Wort des Trostes.
Doch wenn du Freundeshülfe je bedarfst –
Timandra
( mit schwindender Kraft).
Nichts mehr bedarf ich. Nur das Eine bitt' ich,
Du wollest Diese hier gewähren lassen
In Allem, was sie an uns Todten thun.
Die Pulse meines Herzens ebben schon –
Die Nacht umspinnt mein Haupt – ich sehe kaum
Die Züge des geliebten Angesichts –
Und wenn der letzte Dämmerschein der Welt
Erloschen ist –
( Sie gleitet leise neben dem Todten nieder. Auf der Höhe droben von rechts erscheint) Argestes ( in höchster Bestürzung).
Argestes.
O Herr – o zürne nicht
Dem Bringer bittrer Kunde! – Deine Schwester –
Pharnabazos.
Unsel'ger! Rede, was geschah –
Argestes ( stockend und hastig).
Wir hielten
Dort auf der Höhe bei dem Zweigespann.
Da sahn wir mit gelöstem Haar die Fürstin
Herstürmen. Ohn' ein Wort zu sprechen, schwang sie
Sich auf den Sitz, und rasch die Zügel fassend,
Mit wildem Ruf und Geißelhieben trieb sie
Die Renner an. Wir starren schreckentseelt
Ihr nach und sehn sie – sehn sie nach der Klippe
Hinjagen, die weit übers Meer hinaushängt,
Und hören ihren Zuruf – aus der dumpfen
Erstarrung reißt uns das Entsetzen – schreiend
Und flehend stürzen wir ihr nach – der Wagen
Erreicht den jähen Abhang, schnaubend bäumen
Die Rosse sich, ein letzter Geißelschlag
Bricht ihren Trotz – und überm Abgrund taumelnd
Sehn wir kopfüber in die tiefe Flut –
Pharnabazos
( sich entsetzt abwendend).
Still! still! O grauenhaft!
( Verhüllt sein Haupt.)
Der alte Hirt
( neigt sich zu Timandra hinab).
Vernahmst du, Herrin?
( mit einem schmerzlichen Blick zu den Andern)
Ihr Aug' ist still und sieht die Welt nicht mehr.
Sie ist bei ihrem Freunde!
( Vorhang fällt.)