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Oeder Meerstrand, steil nach dem Hintergrunde abfallend, links ein Streifen des Horizonts. Im Mittelgrunde etwas erhöht eine Hütte aus rohen Steinen aufgeführt, mit Balken gedeckt, rechts und links neben dem Eingang dürre Aeste und Reisigbündel zur Feuerung aufgeschichtet. Vorn rechts ein Brunnen, mit Steinen eingefaßt, hinter welchem sich eine Piniengruppe erhebt. Ein Weg führt links aus dem Hintergrunde herauf, ein zweiter oben von der Hütte weg nach rechts, ein dritter unter den Pinien am Brunnen vorbei.
Alkibiades ( sitzt vor der Hütte, ein wenig zur Linken auf einem Felsen).
Alkibiades.
Hast du nun ausgestürmt, du altes Meer,
Und streckst im weiten Bett dich friedlich aus
Zum kühlen Schlaf, um den ich dich beneide?
Denn hier noch wogt's in dieser Menschenbrust,
Und die das Licht gescheut, die bösen Sorgen,
Wie Abgrundsungeheuer steigen sie
Mit feindlich kaltem Haifischblick herauf,
Daß alle holden Traumgesichter scheu
Von meinem Lager fliehn.
O mein Athen!
O sähst du, Mutter, deinen stolzen Sohn
So tief gebeugt: den Gast von Königen
Jetzt einer dürft'gen Hirtenhütte froh,
Dich reute deine Härte. Hat uns Beiden
Doch niemals Heil geblüht, wenn wir uns trennten.
Was stießest du von deinem Schooße mich
Hinweg um einer thör'gen Laune willen!
Ist nicht die Meerflut auch voll Wankelmuth,
Nachdem der Himmel Sturm und Heitre sendet,
Und schirmt umbrandend deine Küsten doch
Und trägt dir deine Flotten? Das Lebend'ge
Wogt hin und her; fest liegt das Todte nur,
Sich ewig gleich und ewig unfruchtbar.
Doch aus der Seele, die den Wechselhauch
Des Schicksals spürt, entsteigen, wie die Wolken,
Die Sonnentöchter, aus dem Meer, Gedanken,
Die wetterleuchtend durch den Aether ziehn
Und dann befruchtend auf die dürre Welt
Herniederrauschen. (
Steht auf, breitet die Arme gegen den Horizont aus.)
Alkibiades. Der alte Hirt ( steigt von links den Pfad herauf).
Hirt.
Herr, der Scheiterhaufen
Ist nun am Strande drunten aufgethürmt.
Willst du ihn sehn?
Alkibiades.
Dank, alter Freund. Ich komme.
Hirt.
Ein roh Gerüst. Das Land ist arm an Holz.
Mit Mühe samml' ich, was der Herd bedarf,
Denn jene Bäume, die den Quell beschatten,
Draus meine Heerde trinkt, darf ich nicht fällen.
Um Todter willen Lebende verkürzen,
Und wär's nur armes Vieh, mißfällt den Göttern.
Alkibiades.
Hirt.
Für deine Todten
Ließ ich die Todten sorgen. Unlängst strandet'
Ein Kornschiff hier, die Mannschaft sank ins Meer,
Das leere Wrack ward an den Strand gespült.
Nun hab' ich deiner treuen Schaar daraus
Ein Floß gezimmert zu der Schattenfahrt,
Da auch ihr armes Leben Schiffbruch litt.
Alkibiades.
Du thust so viel an mir, mein güt'ger Wirth –
Wenn je das Glück sich wieder zu mir wendet,
Will ich dir geben, was dein Herz begehrt.
Hirt.
Herr, wenig wünscht ein altes Herz. Mein Weib
Und blüh'nde Söhne hab' ich längst begraben
Und frage nicht mehr viel den Andern nach.
Doch daß ich dich an meinem schlechten Herd
Herbergen durfte, wird im Winterfrost
Des Greisenthums mein einsam Herz erwärmen;
Denn nie erschien ein Mensch mir königlich,
Wie du, der so dem Niedern freundlich war,
Und gern mein Leben gäb' ich für dich hin.
Alkibiades
( legt ihm die Hand auf die Schulter).
Dies Wort, mein Freund, ist mir ein Gastgeschenk –
Mehr werth, als Pharnabazos' goldne Schätze.
Noch, seh' ich, wich das Glück nicht ganz von mir,
Da es noch immer mich zu Menschen führt,
Die mir ihr Herz hingeben. (
Wendet sich zum Gehen.)
Timandra
( tritt aus der Hütte, einen Krug in der Hand).
Gehst du fort?
Das Nachtmahl hab' ich dir bereitet.
Alkibiades.
Iß
Du selbst; mich hungert nicht. Ich will hinab
Und nach dem Holzstoß sehn, den unser Wirth
Gerüstet hat. Gleich kehr' ich dir zurück.
( Ab mit dem Hirten.)
Timandra
( steigt herab, kommt langsam in den Vordergrund).
Ich weiß nicht, wie ich's ihm verbergen soll,
Mein Sinn ist trüb und schwer. Es ängstet mich
Der eigne Schatten an der Wand. Und doch –
Er will mich heiter sehn. Ihr gnäd'gen Götter,
Beschirmt nur diese Nacht sein theures Haupt,
Daß ihn der Schlaf erquicken möge!
( Sie schöpft aus dem Brunnen.)
Timandra. ( Auf dem Wege rechts hinter den Pinien tritt) Pharnabazos ( auf, Sklaven folgen ihm, die Teppiche, kostbare Geräthe, Schüsseln und Weinkrüge tragen).
Pharnabazos
( nach der Hütte deutend).
Dorthin!
Thut Alles, wie ich euch befahl.
( Die Sklaven gehen nach der Hütte, man sieht sie drinnen das Mitgebrachte niederlegen.)
Timandra!
Ich finde dich allein hier außen. Wo
Ist Alkibiades?
Timandra.
Zum Strand hinab,
Zu sehn, wie dort die Hirten unsern Todten
Den Holzstoß schichteten. Ich ruf' ihn her.
Pharnabazos ( ihr in den Weg tretend).
Bleib! Laß die Sklaven erst die Hütte schmücken,
Daß, wenn er kommt, er sie verwandelt findet,
Nicht ganz unwürdig mehr so edler Gäste.
Timandra.
Es mag geschehn; doch deß bedurft' es nicht.
Wohl liebt er, wenn er froh ist, Schmuck und Glanz,
Doch hat er Kummer, fragt er nichts danach,
So wenig wie im Krieg nach andrer Kost
Und Lagerstatt, als der geringste Mann.
Pharnabazos.
Er ist verwundet, da bedarf er Pfleg'
Und weichres Lager, als ein Ziegenfell.
Timandra.
Ich hätte wohl das Haupt ihm weich gebettet.
Pharnabazos.
In deinen Armen? Neidenswerthe Ruhstatt.
Gesteh's, du Herrliche: du liebst ihn sehr.
Timandra.
Ich weiß es nicht. Ich bin ein Stück von ihm.
Liebt dich dein Aug' und Ohr und deine Hand?
Pharnabazos.
Er aber – wie den Apfel seines Auges
Hält er dich lieb und werth?
Timandra.
Ich weiß auch das nicht.
Nie sagt' er mir's. Was aber schwatzen wir?
Ich muß den Krug hier in die Hütte tragen,
Den Wein zu kühlen. (
Will gehen.)
Pharnabazos
( legt die Hand auf ihren Arm).
Hör mich an, Timandra.
Ich weiß – denn deine finstre Miene sagt's –
Nicht freundliche Gedanken hegst du mir.
Doch glaub, ich mein' es gut mit dir.
Timandra.
Mit mir?
Was bin denn ich? Sei
ihm ein wahrer Freund,
Und auch Timandra wird dir freundlich blicken.
Pharnabazos.
Bot ich nicht Schutz ihm unter meinem Dach?
Er zog es vor, im Oeden hier zu hausen.
Doch daß ich wahrhaft nur sein Bestes will,
Hier der Beweis!
( Hinter den Pinien tritt eine Schaar Bewaffneter auf, den gefesselten Brasidas in ihrer Mitte führend.)
Pharnabazos.
Ich habe seinen Feind
Entwaffnet, will ihn selbst in sichrem Schutz
Nach Susa führen lassen. Du indessen,
Wenn ich dir rathen darf, du thätest klug
Hier zu verziehn, bis seine Zukunft sich
Entschied. In meiner Schwester Fraungemach
Als theurer Gast sollst du gehalten werden.
Denn hinderlich ist eines Mannes Schritten
Ein Weib und mühevoll die weite Fahrt.
Wenn du erkranktest unterwegs –
Timandra.
Genug,
Und großen Dank. Hab' ich dir nicht gesagt,
Ich sei ein Stück von ihm? Läßt man sein Aug'
Und Ohr dahinten, wenn man reisen muß?
Doch frag ihn immerhin. Dort kommt er selbst.
Vorige. Alkibiades ( den Strandweg heraufsteigend, bleibt auf der Höhe einen Augenblick stehen).
Pharnabazos.
Sei mir gegrüßt. Du hast mein gastlich Dach
Verschmäht. Doch wirst du dich nicht weigern, hoff' ich,
Ein Gastgeschenk, wie ich's zu bieten habe,
Aus meinen Händen zu empfahn. Dort steht
Dein Feind. Er ging um meinen Schutz mich an
Und ließ mich wählen zwischen dir und ihm.
Nun sieh, wie ich gewählt.
Alkibiades
( der mit gekreuzten Armen stehen geblieben).
Und wird die Wahl
Dich morgen nicht gereu'n?
Pharnabazos.
Des herben Worts
Für guten Willen war ich nicht gewärtig.
Alkibiades.
Oft sah ich guter Freunde guten Willen
Sich wandeln über Nacht. Doch du hast Recht:
Fürwahr, die Gab' ist kostbar.
( zu Brasidas, indem er herabkommt)
Tritt heran.
Mich dünkt, heut frühe warst du mehr bemüht,
Mir nah zu kommen. Ist's nicht so?
Brasidas.
Du sagst es.
Alkibiades.
Nun ist mir's lieb, daß wir uns wiedersehn,
Wo ich vor deiner allzu engen Nähe
Gesichert bin. Doch wenn ich nun vor dir
So stünde jetzt, wie du vor mir, was würdest
Du thun?
Brasidas.
In Ketten dich nach Sparta führen,
Wie mir befohlen ward.
Alkibiades.
Haha! In Ketten,
Wie man den Panther auf dem Markte zeigt:
Da seht das Ungethüm! – Nun, güt'ge Götter
Und hier mein trauter Gastfreund sparten mir
Dies arge Loos. Du aber, Schelm – doch nein!
's ist weibisch, den gefangnen Mann zu schmähn.
Und darum (
zu Pharnabazos) – Ist er wirklich mein, so ganz,
Daß ich mit ihm nach Laune schalten kann?
Pharnabazos.
Wenn du ihn kreuz'gen, ihn an Zung' und Ohren
Verstümmeln lassen willst –
Alkibiades.
Ich bin kein Perser,
Den solch ein Spiel vergnügt. Nehmt seine Fesseln
Ihm ab und laßt ihn frei.
Pharnabazos.
Frei?
Alkibiades.
Ja, so sagt' ich.
Er soll mir Botendienst nach Sparta thun,
Dem König melden: wenn er wiederum
Fanghunde auf mich hetzt, so mög' er sorgen,
Daß ihre Zähn' und Klauen schärfer sei'n.
( da Brasidas, dem die Fesseln abgenommen, unbeweglich steht)
Und so gehab dich wohl. – Was stehst du noch?
Ich rath' dir, brauch die Beine. Wenn ich auch
Dich frei gegeben, widrig bist du mir,
Und wenn im Fieber mich die Wuth ergreift
Und du mir in den Wurf kommst, möcht' ich doch
Vielleicht unsanfter thun.
Brasidas.
Thu mir das Aergste –!
Laß mich an deines Wagens Räder binden
Und schleif mich häuptlings, über deine Rosse
Die Geißel schwingend, durch das Steingeklipp –
Nur schick mich nicht, durch deine Milde schmählich
Entwaffnet, heim, daß sie in Sparta mich
Als Feigling steinigen.
Alkibiades.
Mein guter Freund,
Du bist nicht Hektor, wär' ich auch Achill.
Drum fort von hier!
Brasidas.
Denn meine Pflicht geböte,
Daß ich aufs Neue dein Verderben sänne,
Gleichviel, ob du mit Großmuth mich beschämt.
Ich aber – kann nicht!
Alkibiades.
Narr! Es ist dein Glück,
Daß du ein Grieche vor dem Griechen stehst,
Ob auch ein Sparter vor dem Sohn Athen's!
Wär' dies nicht persischer Boden hier – beim Styx!
Dich schont' ich nicht. Doch in der Fremde kann
Ich keines griechisch Redenden Blut vergießen.
's ist eine Schwäche; aber stärker ist sie,
Als Vorsicht und Vernunft. (
wendet sich ab.)
Brasidas.
So fahr denn wohl!
Doch höre dies noch, damit Brasidas
Nicht scheide ohne Dank: hüt dich vor Diesem!
Mich trog er erst – so wird er dich betrügen;
Denn falscher ist er als –
Pharnabazos.
Ha, gift'ger Wurm,
Stichst du im Fliehen noch? (
will auf ihn zu eilen.)
Alkibiades ( tritt dazwischen).
Halt ein! Du hast
Ihn mir geschenkt, mein Schützling ist er jetzt.
Führt ihn hinweg! (
Brasidas ab.)
Und was er mir gesagt,
Hat nur die Muschel meines Ohrs gestreift,
Die Seele nicht berührt. Muß ich von Fremden
Erfahren erst, wie du gesinnt mir bist?
Pharnabazos.
Du thatst nicht weise. Wenn er Uebles doch
Im Schilde führt, – hier in der Oede bin
Ich machtlos, dich zu schützen.
Alkibiades.
Fürchte nichts.
Wenn deiner Perser du so sicher bist,
Wie dieses Sparters ich, bin ich geborgen.
Und somit nochmals Dank für dein Geschenk
Und – gute Nacht! Ich muß zur Fahrt mich stärken
Durch Schlaf.
Pharnabazos.
So leb denn wohl! – Auch du, Timandra!
( Ab mit Bewaffneten nach rechts.)
Alkibiades. Timandra.
Timandra
( sich ihm nähernd, der vor sich hinblickend dasteht).
Dein Auge blickt so trüb. Dir ist nicht wohl.
Alkibiades.
O hättst du sie gesehn, die wackern Bursche,
Wie sanft sie ruhn auf ihrem harten Pfühl,
Die zugedrückten Augen lächelnd gegen
Das Firmament gekehrt, und leise kommt
Der Meerwind, jede Spur der Erdennoth
Von ihren bleichen Stirnen wegzuhauchen!
Gern hätt' ich sie gebeten: Rückt zusammen
Und macht den Platz in eurer Mitte frei
Für Einen, der noch ruhbedürft'ger ist,
Als ihr!
Timandra.
Scheuch diese Schatten aus der Seele!
Komm in die Hütte. Unser Gastfreund hat
Mit weichen Teppichen sie schmücken lassen.
Ich will dir deine Wunde kühlen.
Alkibiades.
Laß!
Ich fühle sie nicht mehr.
Timandra.
Du mußt dich laben,
Eh du zum Schlaf dich niederlegst.
Alkibiades.
O Kind,
Der Nachtthau labt mich, der vom Aether kühl
Herniederträuft, mehr als der herbe Trank
Aus unsres Wirthes Schlauch.
Timandra.
Auch Wein und Speisen
Hat Pharnabazos hergesandt.
Alkibiades.
Mir däucht,
Wir thäten klüger, nicht davon zu kosten.
Sie wissen einem Gast, dem sie nicht hold,
Den Becher scharf zu würzen, diese Perser,
Und daß er gar so liebreich sich bemüht,
Es täuscht mich nicht. Ich weiß, nur allzusehr
Ist meine Art der seinen widerwärtig.
Er ist von Denen, die nicht groß, nicht klein,
Nicht gut, noch böse sind. Sie fallen tückisch
Den Ueberlegnen an, so wie sie plump
Bescheidne Niedrigkeit zertreten. Nur
Der Nutzen ist ihr Gott. Ein Hochgefühl,
Das sich verschwendet ans Unmögliche,
Nur weil es göttlich ist, belächeln sie
Und neiden einen Wicht um seine List.
So lang er einen Vortheil hofft von mir,
Wird er mir schön thun. Nütz' ich ihm nicht mehr,
Wirft er mich weg. Da staunst du nun. Ja du,
Die auf den eignen Vortheil sich so schlecht
Versteht und einem Bettler Treue hält!
Du könntest jetzt die besten Tage haben
Und muntre Nächte, eine stolze Schaar
Von salbenduft'gen Knaben dir zu Füßen,
Und ziehst des wunden, heimathlosen Flüchtlings
Gesellschaft vor. – Komm, reiche mir den Krug!
Mir brennt die Zunge von den Heuchelworten,
Die ich dem Falschen gab. – Doch wer kommt dort?
Vorige. Mandane ( von rechts hinter den Pinien in einer Sänfte hereingetragen. Sie steigt aus. Die Sklaven mit der Sänfte ab).
Alkibiades.
Mandane – noch so spät! Was führt dich her?
Willst du bei einem armen Hirtenpaar
Zu Gast dich laden?
Mandane ( finster, ohne Timandra anzublicken).
Schick erst Diese fort.
Geheimes hab' ich dir zu sagen.
Alkibiades.
Sprich!
Sie hat zu Allem, was ich je geheim hielt,
Den Schlüssel.
Mandane.
Wenn sie bleibt, so muß ich gehn.
Timandra ( ruhig).
Ich will ins Haus.
Alkibiades.
Nun, Liebe, wie du willst.
( Timandra nimmt den Krug, geht in die Hütte.)
Verschmähst du, Fürstin, diesen rauhen Sitz?
( Er zeigt auf den Brunnenrand, sie macht eine abwehrende Bewegung.)
So gönn ihn dem Ermatteten und laß
Mich hören, was du bringst. (
Er setzt sich.)
Mandane ( dumpf).
Sieh mich nicht an,
Wenn Scham den Mund mir nicht versiegeln soll!
Alkibiades.
Sprich offen. Ich will in den Brunnen schauen,
Obwohl der Wiederschein der Sterne drin
So lieblich nicht erglänzt wie deine Augen.
Scham, sagst du? Welcher Schuld denn zeihst du dich?
Mandane.
Wohl! Einer Schuld, die mir kein Gott vergiebt.
Ein Leben, das mir theurer war, als meins,
Hatt' ich an dir zu rächen – und nun komm' ich,
Um deins zu retten! – Nein, sieh mich nicht an!
Du hast es mir gelobt. O daß die Nacht
Mein Bild verschlänge, daß du ganz vergäßest,
Mandane sei's, die also zu dir spricht!
Alkibiades.
So will ich denken, der Erinnyen eine,
In einen Geist des Segens umgewandelt,
Wie Jene, die den Muttermörder jagten,
Sei mir genaht. Doch dies sind heil'ge Sagen,
Die du nicht kennst. O schöne Gütige –
( Steht auf, will sich ihr nähern.)
Mandane ( zurücktretend).
Nein, rühre mich nicht an! Vor deiner Nähe
Erbebt mein Herz! Furchtbarer! Mußtest du
Mich so mir selbst entfremden, daß mir ist,
Als spräch' ein andres Weib aus meinem Mund?
Und doch – ich kann dich nicht verderben sehn!
Alkibiades.
Wie? Droht Gefahr? Von Wem? Dein eigner Bruder
Schirmt mich –
Mandane ( hastig).
Mein Bruder? Hüte dich vor ihm!
Er liebt dich nicht. Vertraue mir allein.
Alkibiades.
Dir – die mich haßt?
Mandane.
O still! Weck ihn nicht auf,
Den Rachegeist, den du mir eingeschläfert.
Frag nicht, wie ich gesinnt, nur, wie ich handle.
Weit ist der Weg nach Susa. Wenn mein Bruder
Dir auch Geleit verspricht, wer weiß, er sendet
Dir einen Führer mit, der dafür sorgt,
Daß du des Großherrn Antlitz nie erblickst. –
Weh mir! Was red' ich? An den Meinen üb' ich
Verrath – und meines Stammes Feind, dem Fremdling,
Dem Mörder meiner Schwester opfr' ich sie!
( Wendet sich schaudernd ab.)
Alkibiades.
Die Götter gaben dir ein griechisch Herz,
Wie ihr, dem vor der Persertücke graut.
Mandane.
Nein, eine Persrin bin ich, doch ein Weib,
Das einen stolzen Mann, und wär's ihr Feind,
Nicht kann im Hinterhalt verbluten sehn.
Hör mich! Die Stunde flieht. Noch diese Nacht
Auf raschem Wagen unter sichrem Schutz
Sollst du die Fahrt beginnen, und ich selbst
Will deine Rosselenk'rin sein.
Alkibiades.
Du selbst?
Mandane.
Ich soll nach Susa, einen zweiten Gatten
Hat mir der Oheim ausersehn. Doch ich –
Nie einem Perser mehr gehör' ich an!
Alkibiades.
Du warst vermählt?
Mandane.
Mit einem Fürstensohn,
Der niedriger gesinnt war, als die Sklaven,
Die seine Sänfte trugen. Mich befreite
Der Tod von ihm, – eh ich mich selbst erlöste.
Doch Nichts von mir! Um dich nur handelt sich's.
Ich war des Oheims Liebling. Wenn ich jetzt
Dich zu ihm führe, – was du wünschen magst,
Erlangst du sicher durch Mandane's Fürwort,
Und was an alter Schuld dahinten liegt –
Wenn
ich's vergebe, so ist's abgethan,
Vergessen und gesühnt!
Alkibiades.
Ihr hohen Götter,
Ihr Menschenfreunde, ist es möglich? Thut
Ihr Wunder erst, wenn man euch todt geglaubt?
Dies königliche Wesen, euch verwandt –
Ein Palmbaum in der dürren Wüste spendet
Es Schatten, Frucht und Thau dem Lechzenden
Und lenkt den Blitz vom Haupt des Flüchtlings ab?
Wie? oder nahm die heil'ge Nemesis,
Wie Göttinnen dem Dulder einst genaht,
Die Züge dieser holden Fremden an,
Daß unter ihrem Schutz ich mein Athen
Aus seiner Schmach errette?
( Der Mond geht über den Pinienwipfeln auf.)
Mandane.
Wenn der Mond
Hinunter ist, soll auf der Höh' am Strand,
Da wo der Weg sich steil nach Osten wendet,
Mein Wagen harren. Find' ich dich bereit?
Alkibiades.
Wie dürft' ich zaudern, wundersame Freundin,
Mit Leib und Seele dir mich zu vertrau'n?
Nur eine kurze Rast, und Beide sind wir
Zur Fahrt gerüstet.
Mandane ( finster).
Beide?
Alkibiades.
Sie bedarf's.
Sie hat sich heut im Kampfe nicht geschont
Und ist ein Weib.
Mandane.
Sie mag durch Schlaf sich stärken
Bis an den hellen Tag. Sie bleibt zurück.
Alkibiades.
Wie sagst du?
Mandane.
Dich allein zu retten kam ich.
Alkibiades.
Mandane.
Auf meinem Wagen ist
Kein Raum für sie – und keiner neben mir.
Begreifst du's nicht?
Alkibiades.
Gewiß. O Aphrodite,
Dein altes Spiel!
Mandane.
Entschließe dich! Du zauderst?
Alkibiades.
Ich sinne nur, was aus ihr werden soll.
Sie ist doch fremd und hülflos ohne mich
Und war mir treu. Ich fürcht', es trifft sie hart.
Mandane.
Sei unbesorgt, sie wird nicht schutzlos sein.
Alkibiades.
Wer wird sie schirmen?
Mandane.
War sie rathlos je,
Wenn nur ein Mann noch zu erspähen blieb?
Mein Bruder warf ein Aug' auf sie.
Alkibiades.
Dein Bruder?
Mandane.
Bist du erst fern, so fällt sie ihm anheim,
Ein herrenloses Gut.
Alkibiades.
Du meinst? Je nun –
Es mag ja sein – auch das der Götter Wille.
Ob er schon mit ihr sprach? Mich soll doch wundern,
Wie sie es nahm.
Mandane.
Es scheint dich zu bekümmern;
Doch Ihresgleichen tröstet sich ja leicht.
Alkibiades.
Ei, kennst du Ihresgleichen so genau?
Und Deinesgleichen, – da ich doch einmal
Erinnert ward, daß Frauengunst dem Manne
Wohl manchmal hoch zu stehen kommt, – sag an,
Was schuld' ich dir für deine Lieb' und Huld?
Mandane
( sich abwendend, tonlos).
Mir? Frage nicht! Ich selbst, ich denk' an Nichts,
Als daß ich dich gehaßt, und jetzt – dich rette,
Dich retten muß, ob mir auch graut vor dir.
Sonst war es hell in mir. Seit du erschienst
Fiel's wie ein Schleier über meinen Sinn,
Daß in der Schwüle kaum ich athmen kann.
Ob ich die Stunde preisen, ob ich sie
Verwünschen soll, die dich mir zugeführt,
Ich weiß es nicht.
Alkibiades.
Nimm diese Hand. Sie sei
Ein Pfand dir, daß, was auch die Zukunft dir
Und mir verhängt, ich nie dich täuschen will.
Nicht nur zum Geben fühl' ich mich zu arm,
Auch zum Versprechen. Laß die Götter walten;
Sie wissen, was uns frommt.
Mandane ( freudig auffahrend).
So folgst du mir?
Alkibiades.
Um Mondesuntergang bin ich bereit.
( Mandane will noch etwas sprechen, verstummt, geht rasch nach rechts ab.)
Alkibiades allein, dann Timandra.
Alkibiades.
Nun denn, du Allgewalt'ge, deren Lächeln
Selbst auf des Schicksals ehr'ner Stirn die Falten
Zu glätten Macht hat, Goldenthronende,
Die du den Knaben schon verführerisch
Anlachtest, dann dem Jüngling und dem Manne
Vorleuchtetest durch seines Lebens Sturm,
Wie dort dein schöner Stern, – erhabne Kypris,
Ists wahr? Dem Vielverwöhnten hättest du
Das Wundersamste bis zuletzt gespart?
Am öden Strand, wo er zu scheitern wähnte,
Bereitet hast du ihm ein Königreich,
Und die ihn dort erharrt mit Racheglut,
Mit weichen Armen hülfreich zieht sie ihn
Empor an ihre Brust, auf ihren Thron?
Und doch – ich kenn' euch nur zu gut, ihr dunklen,
Zweideutig Waltenden, und euren Neid!
(
Timandra tritt aus der Hütte.)
Ihr wählt so oft ein köstliches Gefäß,
Dem hülflos Schmachtenden ein Gift zu reichen.
Das Schicksal, gleich der Buhle des Aegisth,
Lockt uns ins laue Bad, um, wenn wir ihm
Erquickt entsteigen, tückisch uns zu fällen.
(
Blickt um.)
Timandra! Komm herab! – Du hast gehorcht?
Timandra ( ruhig).
Hätt' ich's bedurft? Was Diese dir gewollt,
Ich wußt' es ja.
Alkibiades ( sich wieder setzend).
Ei, wußtest du's? Nun denn,
So sprich, was war's?
Timandra.
Dich wollte sie.
Alkibiades.
Nichts weiter?
Das wäre Viel und Wenig, wie man's nimmt.
Doch wär' es so – sag, wär's nicht wunderbar,
Daß wir noch nicht zu alt, zu wund und arm,
Um Fürstentöchter zu erobern? Denk,
Was dieser ambraduft'ge Wirbelwind
Mir zugelispelt: tragen will er mich
Noch diese Nacht auf weichen Fittigen
Hinweg bis vor des Großherrn goldnen Thron.
Dort soll ich Alles, was mein Herz begehrt,
Erlangen, – Mehr noch, als mir selber lieb.
Nun, staunst du nicht?
Timandra ( tonlos).
Du hast ihr zugesagt?
Alkibiades.
Zwar – wenn ich's recht bedenk' – ein wenig hoch
Ist immerhin der Preis. Mein ganzes Selbst –
Sie sprach's nicht aus, doch Weib ist immer Weib.
Kein Stück von mir dürft' ich zurückbehalten,
Zum Beispiel
dich.
Timandra ( wendet sich ab).
Mich! Was auch liegt an mir?
Alkibiades.
Ei, Herz, du darfst dich nicht so niedrig schätzen.
Denn Einer, der viel mächt'ger ist, als ich,
Er wög' ein Lächeln deiner blassen Lippen
Mit Tonnen Goldes auf.
Timandra.
Was spottest du?
Alkibiades.
Je nun, wenn ich mit Perserinnen äugle,
Lockst du dir Perserfürsten in dein Netz.
Ha, da erröthet sie!
Timandra.
Mein Blut wallt auf,
Daß du im Scherze nur –
Alkibiades.
Nein, ganz im Ernst:
Freund Pharnabazos ist kein übler Mann.
Nicht, daß ich dich ihm gönnte; dir jedoch,
Mein armes Kind, muß ich das Beste gönnen.
Du hast viel herbe Noth mit mir getheilt
Und trugst sie willig, mir zu Liebe. Doch
Wenn ich nun ferne bin –
Timandra ( erschüttert).
Er spricht es aus,
Und seine Stimme bebt nicht!
Alkibiades ( steht auf).
Wunderliche!
Nein, hör mich an!
Timandra.
Bei allen Himmlischen
Beschwör' ich dich: sprich Nichts! Weiß ich nicht Alles?
Hat nicht ihr erster Blick mir heut gesagt,
Daß neben ihr kein Platz mir würde sein?
Ich aber preise klaglos mein Geschick,
Daß es mir all die Jahre dich gegönnt.
Nun tret' ich still in meine Nacht zurück
Und weiß, kein Weib war je begnadeter.
Denn Andre liebtest du in Glück und Glanz,
Ich durft' in trüber Zeit dir nahe sein
Und war dir werth genug, wenn du voll Gram,
Dein Herz in meinen Busen auszuschütten.
Hast du nicht Freundin mich und Leidgenossin
Genannt? Das raubt mir keine Perserin!
Und wenn dein Stern sich wieder trübt, dann, weiß ich,
Wird all ihr Zauber, der dich jetzt bestrickt,
Erblassen und Timandra's bleiches Bild
Dir vor der Seele stehn.
Alkibiades.
Wirst du nun endlich –
Timandra.
Nur Eins noch bitt' ich dich: mit diesen Händen,
Den theuren, die ich tausendmal geküßt,
Senk in den Busen mir dein eignes Schwert,
Daß noch mein letzter Hauch dir danken mag
Für eine letzte Wohlthat.
Alkibiades.
Nun, beim Zeus!
Närrchen, du träumst. Komm, reden wir vernünftig!
Doch nein, mein Hirn ist müd. Nur Eins ist jetzt
Vernünftig: ausruhn von dem heißen Tag.
Was? sterben? Holde Klugheit, du bist toll!
Sterben? um diese persische Hexe? Nun,
Beim Lichte deiner Augen schwör' ich dir –
Timandra.
Schwör' nicht! Die Stimme, die untrügliche
In dieser Brust, kein Eid macht sie verstummen.
Ich kenne mein Geschick.
Alkibiades.
So übertöne
Den falschen Parzenruf; sing mich und dich
Mit einem sanftern Wiegenlied in Schlaf.
Wie lauten doch die Verse? Weißt du noch?
Ein Sinn wie mondhelle Meeresstille,
Ein holdes, wunderreiches Kleinod,
Lieblicher Augen sanfter Pfeil,
Herzverwundende Liebesblüte –
Der Dichter singt's von jener Helena,
Ich sagt' es stets von dir. Komm, singe mir's,
Und wenn das Schicksal, unsanft oder mild,
An unsre Hütte pocht, verschlafen wir's.
Sterben! Wie nur ein Weib, klug wie der Tag,
So thöricht schwatzen mag!
( Er hat den Arm auf ihre Schulter gelegt, wendet sich, auf sie gestützt, der Hütte zu. Beide gehen hinein, schließen hinter sich die Thür.)
Der alte Hirt ( kommt mit einem) jungen ( den Strandweg herauf).
Der Alte.
Sie sind hinein,
Und ich vergaß, den Riegel ihm zu zeigen,
Daß er die Thüre wohl verwahrt. Ich sah
Den bösen Mann, den Sparter, noch vorhin:
Er schoß aus schiefen Augen Blitze, wie
Der Wolf, den von der Hürde man verjagt
Und der auf Tücke sinnt. Und Der da oben –
Er ist so sorglos, wie die sel'gen Götter.
Der junge Hirt.
Er sollt' auf seiner Hut sein. Geh und sag's ihm!
Der Alte.
Das will ich, Artames. Sie sind noch wach,
Und besser auch, den Schlaf sich abzubrechen,
Als nimmermehr erwachen. – Horch! sie singt!
Timandra ( in der Hütte).
Ein Sinn wie mondhelle Meeresstille,
Ein holdes, wunderreiches Kleinod –
( Der Alte geht hinauf, öffnet leise die Thür. Man sieht Timandra auf niedrigem Polster sitzen, vor ihr, das Haupt in ihren Schooß zurückgesunken, ruht Alkibiades, der Mond scheint durch eine Lücke des Dachs herein.)
Der junge Hirt.
Sie wacht.
Der Alte ( leise).
Ich sag' ihr nur ein einzig Wort.
Der junge Hirt.
Wie schön sie ist!
( Timandra hört einen Augenblick zu singen auf, legt den Finger auf den Mund. Der Alte schließt die Thür behutsam wieder. Timandra singt gedämpft weiter.)
Lieblicher Augen sanfter Pfeil,
Herzverwundende Liebesblüte –
Der Alte
( oben bei der Hütte, mit halber Stimme).
Es ist zu spät, sie hören mich nicht mehr.
Geh du hinweg. Ich will hier vor der Schwelle
Die Wache halten, daß nichts Feindliches
Sich an ihn wagt. Wenn dieser Herrliche
Zu Schaden käm' hier unter meinem Dach,
Zeit meines Lebens würd' ich nimmer froh.
Geh! geh!
( Winkt ihm, sich zu entfernen, legt sich vor der Schwelle nieder.)
Der junge Hirt ( indem er zögernd abgeht und noch einmal stehen bleibt).
Hab gute Nacht! – Wie schön sie singt!
( Vorhang fällt.)
Musik, an die Melodie des Liedes anknüpfend. Ein Violinsolo, mit discreter Begleitung des Orchesters, füllt den ganzen Zwischenakt aus, geht zum Schluß wieder in die erste Melodie über, völlig gedämpft. Bei den letzten Takten geht der Vorhang auf.