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Erster Akt.

Gemach im Palast des Pharnabazos, die Mitte der Hinterwand durch einen Teppich verschlossen. Vorn rechts ein goldener Sessel, zu dem teppichbelegte Stufen hinaufführen. Links ein niedriges Ruhebett unter hohen Pflanzen in vergoldeten Geschirren. Daneben ein niedrer Tisch, auf dem ein Weinkrug und eine Trinkschale steht. An der Wand neben dem Sessel sind Waffen aufgehängt.

Erste Scene.

Pharnabazos ( auf dem Sessel, den langen Scepterstab in der Hand. Vor ihm steht) Brasidas (in griechischem Lederpanzer, bewaffnet, einen Mantel umgeschlagen).

Brasidas.

So traf ich ihn, heut in der grauen Frühe,
Unfern der Stadt.

Pharnabazos.

Du lagst im Hinterhalt?

Brasidas.

Die Späher hatten Nachts mir angezeigt,
Er ziehe dieses Wegs. Du weißt, o Fürst,
Seit ihn Athen verbannt zum zweiten Mal,
Hat er in seiner Burg bei Sestos drunten
Fern allen Kämpfen seinen Tag vergrollt.
Doch da ihm Kunde ward vom tiefen Fall
Athen's und Sparta's ungeheurem Sieg,
Geschrieen hab' er wie ein Löwe, dem
Die Fäng' ein Adler in das Fleisch gekrallt,
Und sinnlos so gewüthet Tag und Nacht,
Daß selbst sein Buhlweib, die Korintherin
Timandra, nicht gewagt ihn anzureden.
Dann plötzlich hab' nach Waffen er verlangt
Und, selbst die Rosse von den Krippen reißend,
Sie angeschirrt, als könne seiner Hast
Kein Sklavendienst genügen.

Pharnabazos.

Und hieher
Stürmt der Verderbliche? Und ich – ich soll –

Brasidas.

Du sollst ihm Fürspruch gönnen und Geleit
Nach Susa, Fürst, zu Persiens großem König.
Den will zum Helfer wider Sparta's Macht
Er werben, Rache für die Schmach zu nehmen,
Die seiner Vaterstadt wir angethan.
Sie hat es kaum um ihn verdient. Noch jüngst,
Da ihre Flotte gegenüber lag
Der unsern in der Bucht des Ziegenflusses
Und die Athenerfeldherrn gottverblendet
In thör'ger Sicherheit sich wiegten, kam
Er von der Burg herab und warnte sie.
Doch sie verschmähten seinen Rath. So ging
Die letzte Flottenmacht Athen's verloren,
Die langen Mauern schleifte Thrasybul,
Und König Agis –

Pharnabazos.

Trägt er noch den Groll
Um jenen Schimpf, den Alkibiades,
Der Gastfreund, und sein Weib ihm zugefügt?

Brasidas.

Sein Weib hat er verstoßen, doch den Dämon
Der Rache bannt' er nicht aus seiner Brust.
Mich hat er abgesandt, mit einer Schaar
Erprobter Leute, lebend oder todt
Des alten Feinds mich zu bemächtigen.
Du siehst, was ich erreicht.

( Schlägt den Mantel zurück. Man sieht den mit Blut befleckten Panzer.)

Pharnabazos.

Und deine Schaar?

Brasidas.

Wir ließen, hinter Fels und Buschwerk lauernd,
Ihn nah heranziehn, wo sein Zwiegespann
Des Hohlwegs Steile Schritt für Schritt erklomm.
Zwei Sklaven, wohlbewaffnet, ritten ihm
Vorauf, zwei andre folgten dem Gefährt.
Drei gegen Einen waren wir, und traun,
Sein Bestes that ein Jeder. Doch sein Name –
Sein Blick – ein Zauber schien uns zu entmannen.
Die Hälfte meiner Leute sank entseelt
In seines Wagens Radspur; von den Andern
Entkam nicht Einer wundenlos. Und ob
Die Seinen sämmtlich auch im Blute lagen
Und er allein noch stand, an seiner Seite
Das Weib, das muthvoll ihm den Rücken deckend
Penthesileen gleich Verderben schuf –
Mir selbst, da seines Auges Blitz mich traf,
Durchrann ein eis'ger Schauder das Gebein,
Als hätt' auf einen der Unsterblichen
Ich meinen Speer gezückt. Und so entfloh ich,
Und er entkam.

Pharnabazos ( nach einer Pause).

Und was nun suchst du hier?

Brasidas.

Vollendung dessen, was ich ungeschickt
Begann. Herr, du bist mächtig. Wenn du winkst,
Ist Lakedämon's größter Feind besiegt.
Doch kennst du wohl die glatte Schlangenkunst,
Die ihm verliehn ist, Geister zu verführen.
Stand nicht schon einmal an des Großherrn Hof
Ihm offen jedes Herz und jede Thür?
Wenn er zum zweitenmal nach Susa kommt –
Erwäg es, Herr! ( tritt ihm näher.)

Ich bringe Vollmacht mit,
Dir jeden Preis zu bieten. Nimm die Städte
Ioniens, nimm die Inseln, die bisher
Tribut nur zollten, völlig hin und gieb
An Sparta nur den einen Mann.

Pharnabazos.

Ich soll ihn
Euch überliefern, der ein Flüchtling kommt
Und heischt in meinem Hause Gastfreundschaft?

Brasidas.

Kein Zorn der Götter trifft dein hohes Haupt.
Nur eine Pforte bleibt zu Nacht mir offen,
Und was geschieht, indeß du schläfst –

Pharnabazos ( steht auf).

Genug!
Ich brauche deines Winks und Rathes nicht.
Du sinnst mir Großes an für großen Preis.
Wer aber bürgt, daß Sparta mir ihn zahlt?
Viel in der Noth versprecht ihr, haltet wenig
Im Glück. Still! Ich erwäg' es noch.

( Er stößt den Stab gegen den Boden. Sklaven treten ein.)

Man wird
Im Haus dich pflegen. Halte dich verborgen,
Daß Niemand wisse, unter meinem Dach
Herberg' ich einen Feind des großen Flüchtlings.
Sobald ich dein bedarf, erfährst du es!

( Brasidas nach rechts ab. von den Sklaven begleitet.)

Zweite Scene.

( Der Vorhang im Hintergrunde wird rasch von zwei Sklavinnen geöffnet, durch den Garten, der dahinter sichtbar wird, nähert sich) Mandane ( eine Schriftrolle in Händen, in der sie lies't. In leidenschaftlicher Erregung spricht sie vor sich hin), Pharnabazos ( steht ihr abgekehrt im Vordergrunde).

Mandane.

Zum zweiten Mal verkauft, verschenkt, verschleudert,
An eines Mannes Willkür hingegeben –
Oh! lieber todt! ( aufblickend).

Dich sucht' ich, Bruder. Lies,
Was unser theurer Ohm, der Großherr, mir
Zu schreiben wagt.

Pharnabazos ( zerstreut vor sich hin blickend).

Ich weiß um diesen Brief.

Mandane.

Und billigst ihn? Und riethst wohl gar dazu?

( das Blatt zu Boden werfend)

O Sonn' und ew'ge Sterne! – Doch was klag' ich
Dich an? Du bist ein Mann, bist wie sie alle:
Hochmüthig, selbstisch, grausam, falsch und feig;
Und da Natur euch so geschaffen hat,
Wär's kindisch, mit dem Einzelnen zu grollen,
Daß er nicht besser ist, als sein Geschlecht.

Pharnabazos.

Du thätest klug, Mandane –

Mandane.

Glaubt der Großherr,
Wie? glaubst du selbst, was damals ich erlitt
In jenem kurzen Ehbund mit Otanes,
Sei schon aus meiner Seele weggeschwunden,
Das Brandmal meiner Knechtschaft schon vernarbt?
Er war der Schlimmste nicht; ja, war er satt
Von Wollust oder Blut, konnt' er wohl gar
Die Mücke, die am Becherrande kroch,
Wegjagen, statt sie zu zerdrücken, konnte
Dem Sklaven, der den Wein vergoß, den Rest
Zu trinken geben, statt ihn todtzupeitschen.
Denn auch die Laune kam ihm, Mensch zu sein,
War er sich lang genug ein Mann gewesen,
Der unvernünft'gen Thiere grausamstes.

Pharnabazos.

Doch er gefiel dir einst.

Mandane.

Gefiel! – Ich mußt'
Ihn mir gefallen lassen. Doch noch einmal,
Jetzt nicht mehr arglos, jetzt mit offnen Augen,
Da Götter jenes schmachbefleckte Band
Mir gnädig lös'ten, beugen soll ich mich
In eines Mannes Joch, als Kaufpreis dienen,
Mit dem man eines Dieners Treue zahlt?
Nie – nie – und sei's auch, wer es sei! Nie wieder!
Eh mit der eignen Hand erwürg' ich mich!

( Wirft sich auf das Ruhebett, starrt vor sich hin.)

Pharnabazos.

Du träumst, Mandane.

Mandane.

Nein! Ich bin erwacht.
Wohl hat mir einst geträumt von einem Manne –
Hoch, herrlich, weise, milde wie ein Kind
Und furchtbar wie der Blitz. Es brach ein Glanz
Aus seinen Augen, der mich schaudern macht'
Und doch im Busen alle Starrheit schmolz.
Er wandelte mit eines Gottes Tritten
Durch alles Volk, und vor ihm bogen sich
Die Nacken, gleich den Halmen eines Felds,
Wenn Sturm darüberfährt. Er aber schritt
Mit traurig stolzem Lächeln durch die Welt.
Mit einem Griff hätt' er sie bänd'gen können,
Doch er verschmäht's; sie däucht' ihm zu gering,
Und nach der Sonne wendet' er sein Haupt,
Die ihm verbrüdert war. Solch einen Traum –
Ein Kind nur durft' ihn, eine Thörin träumen.
Seit ich erwacht bin, lach' ich sein, und doch –
Ich möchte weinen, daß mein Traum zerrann.

Pharnabazos.

Dein Toben oder Träumen ändert nichts
An deinem Schicksal. Nicht unbrüderlich
Bin ich gesinnt, doch größre Sorge drückt mich,
Als um die kranken Launen eines Weibes.
Die Nachricht kam mir, auf dem Weg hieher
Sei Einer, der, wohin er treten mag,
Unheil und Wirrsal stiftet, – uns zu wohl
Bekannt nur, – Alkibiades.

Mandane ( aufspringend).

Ihr Götter!

Pharnabazos.

Er zieht gen Osten, will den Großherrn reizen
Zum Kriege wider Sparta. In der Schlucht
Fiel ein spartanischer Hinterhalt ihn an,
Und schweren Kampfs entkam er.

Mandane.

Hehre Mächte,
Die ihr das Racheflehen der Gekränkten
Vernehmt, ich dank' euch!

Pharnabazos.

Ob er unserm Ohm
Willkommen, ob verhaßt, – wer sagt es mir?
Man wünscht vielleicht in Susa, Lakedämon
Zu beugen. Doch der Blutpreis, den es bietet
Für dieses einzigen Atheners Haupt,
Ist hoch: die Städt' und Inseln Ioniens!
Wer sagt mir, welch ein Wind am Hofe weht?

Mandane ( tritt dicht vor ihn hin).

Und dir im Busen ward kein Sturm entfacht
Bei dieses Mannes Nahn? Hast du mit ihm
Nicht abzurechnen noch in eigner Sache?
Tritt Kassandane's, unsrer armen Schwester
Beweinter Schatten furchtbar mahnend nicht
Bei dieses Namens Klange vor dich hin?

Pharnabazos.

Mich schrecken Todte nicht. Wer leben will,
Sei auf der Hut vor Denen, die da leben.

Mandane.

So denkt ein Mann. Ein Weib gedenkt der Todten,
Denn wen wir je geliebt, der stirbt uns nie.
Der Mann, um den der Schwester Auge brach,
Er darf nicht leben!

Pharnabazos.

Du bist außer dir!

Mandane.

O wohl mir, daß ich's bin, daß ich die Fessel,
Die mir das Herz umklammert Jahre lang,
Nun endlich sprengen kann! Ich war ein Kind;
Unreif im zarten Busen keimten mir
Noch Lieb' und Haß. Von Männern wußt' ich Nichts,
Von Weibern nur, daß Sklavinnen mich schmückten,
Und daß die Schwester das verwais'te Kind
Am treuen Herzen hielt. Da eines Tags
Hört' ich die Frau'n von einem Fremdling reden,
Der an des Oheims Hof erschienen sei,
Verschlagen von der Heimath, und sie priesen
Um seine Schönheit ihn, um seinen Stolz
Und Muth und Ruhm, und daß noch nie ein Weib
Ihm widerstand. Nur Kassandane schwieg.
Doch ich, mit meinem trotz'gen Kinderherzen,
Ich haßte diesen Mann. Mir, rief ich glühend,
Mir sollt' er nur begegnen, dieser Abgott,
Mich würd' er nie zu seinen Füßen sehn!
Die Weiber lachten; Kassandane schwieg.
Und Wochen gingen hin, und stummer nur
Und ernster ward sie. Schwester, rief ich bang
Und schlang den Arm um ihr geliebtes Haupt,
Was ist dir? Bist du krank? – Nein! mir ist wohl.
Muß ich nicht zu des Oheims Festen gehn?
Da lach' ich, Kind, und sing' und plaudre viel,
Dann, wieder einsam, bin ich müd' und stumm.
So lullte sie mich ein – bis zu der Stunde,
Wo man sie todt auf ihrem Lager fand.
Der Fremde war zu Nacht hinweggeflohn,
Und ihre Seele sandte sie ihm nach,
Da sie ihn lebend nicht begleiten durfte.
O jene Stunde! Ueberm Grab der Schwester –
Was ich ihr da gelobt in wildem Schmerz,
Heut kann ich's halten, da der Mörder kehrt,
Und darf's und will's, und keine Klugheit soll,
Kein Zaudern eines feigen Manns mich hindern,
Dem mehr vor Lebenden als Todten graut!

( Wirft sich wieder auf das Ruhebett.)

Pharnabazos ( auf- und abgehend).

Hass' ich ihn minder denn, als du? Sie alle,
Die übermüth'gen Narren, denen wir
Barbaren heißen – bei des Ormuzd Auge!
Hätt' ich Gewalt der unterird'schen Götter,
Ich ließe Feuer auf ihr Hellas regnen,
Und aus den Tiefen um ihr Inselreich
Das Meer aufwühlend, zög' ich in den Abgrund
All ihre Städt' und Tempel, ihre Spur
Auf ew'ge Zeit vertilgend! ( Bleibt stehen.)

Und nun er,
Der argen Brut Arglistigster, – ich ließe
Von ihm den Haß mir aus der Seele schmeicheln,
Hätt' ihn auch Kassandane nie geliebt?
Nur soll er kommen erst, sein Herz mir öffnen,
Mir seiner Wünsch' und Ränke vielverschlungnes
Geweb' enthüllen, dann – hab' ich ihn dann
Recht sicher erst gemacht, sein Haupt mit Kränzen
Umwunden, wie man schmückt den Opferstier,
Eh man das Beil erhebt –

Ein Sklave ( tritt ein, neigt sich zur Erde, erhebt sich rasch wieder, meldet)

Herr, draußen hält
Ein Wagen, dem ein griechischer Mann entstieg.
Die Gunst erfleht er, vor dein Angesicht
Zu treten.

Pharnabazos.

Führ ihn her. Er ist willkommen.

( Sklave ab. Pharnabazos besteigt den Thronsitz.)

Mandane – und du bleibst?

Mandane.

Hier ist mein Platz.

Pharnabazos.

An deiner Stirn wird er sein Schicksal lesen.

Mandane.

Sein Schicksal ist in dieser Brust vergraben,
Und an den Lippen soll ein Lächeln stehn,
Als hätt' es einen goldnen Schatz zu hüten.

Dritte Scene.

( Sklaven treten durch die Thür zur Linken ein, werfen sich zu Boden, zwischen ihnen hindurch tritt) Alkibiades ( auf, in leichtem Panzerrock, einen zerhauenen Helm auf dem Haupt, den linken Fuß verbunden, den Mantel mit Blut befleckt). Pharnabazos ( im Sessel, ohne aufzustehn), Mandane ( liegt abgewandt, scheinbar theilnahmlos, auf dem Ruhebett).

Alkibiades ( bleibt stehen).

Die Götter schirmen dieses Haus und Den,
Der Schutz darinnen sucht!

Pharnabazos.

Sei mir gegrüßt!
Dein Angesicht ist mir nicht fremd. Uns war
So Manches einst gemeinsam, Gut' und Böses.
Ich will, da du als Gast mir heute nahst,
Des Guten nur gedenken. Sei willkommen!

Alkibiades

Die finstre Noth der Tage führt mich her,
Und Manches hoff' ich dir zu danken, was
Sie lindern soll.

Pharnabazos

Sprich ohne Scheu.

Alkibiades

Dich kenn' ich.
Doch diese schöne Frau –

Pharnabazos

Sie weiß zu schweigen.

Alkibiades

Nun, wie du willst. Auch wird, was ich dir bringe,
Mit hellem Schall bald Erd' und Himmel füllen.
Doch, wenn ich reden soll – die weite Fahrt –
Ein unsanft Abenteuer unterwegs –
Vergönne mir die Liebliche den Sitz
Zu ihren Füßen.

( Mandane zuckt zusammen, zieht die Füße an sich. Er setzt sich auf das Ende des Ruhebetts.)

Pharnabazos

Willst du dich erquicken
An Speis' und Wein? Du bist verwundet.

Alkibiades

Früh
Am Morgen fiel mich Raubgesindel an.
Die Frechen büßten mir's.

Pharnabazos

Ein Ueberfall?
Auf persischem Gebiet?

Alkibiades

Ein Freundesgruß
Aus Sparta. Einer, den ich hinwarf, stöhnte:
Hilf, Brasidas!

Pharnabazos.

Spartaner! Die Vermessnen!
Im Umkreis meiner Macht!

Alkibiades.

Sie wollten mich
Verhindern, gastlich in dein Haus zu treten,
Wo ich geborgen bin. Wohl denk' ich's noch,
Wie du an Xerxes' Hof mir freundlich warst.
Jetzt herrscht sein Sohn, dein Oheim Artaxerxes,
Und bis zu seinem Thron, so hoff' ich, wird
Mir Pharnabazos Schirm und Hülfe leihn.

Pharnabazos ( zurückhaltend).

Auch ihm bist du nicht fremd. Was bringst du ihm?

Alkibiades.

Mich selbst, und damit, wenn er weise denkt,
Die Bundsgenossenschaft Athen's.

Pharnabazos.

Athen's,
Das unter Sparta's Fuß im Staube liegt?

Alkibiades.

Der Zorn der hohen Götter warf es nieder.
Doch wenn es neu ersteht von seinem Fall,
Dann wehe seinen Feinden!

Pharnabazos ( ohne ihn anzusehen).

Standst du selbst
Nicht kürzlich noch zu diesen?

Alkibiades ( stirnerunzelnd).

Woran mahnst du?
Ich Feind Athen's!. Da ich das Schlimmste selbst
Ihm anthat, immer doch im Herzen schrie
Die Sohnesliebe: Schone deine Mutter,
Die schwer dich kränkt' und doch nicht missen kann,
So wie du selbst dich ihrer nie entwöhnst!
Und hatte sie nicht auch den Knaben schon
Mit reicher Gunst gehätschelt, seinen Brüdern
Ein Aergerniß, ihn jung zum Herrn des Hauses,
Obwohl er wild und sittenlos, erhöht?
Doch da ich ihr geschworen, ihren Namen
Weit über Meer' und Lande groß zu machen,
Sicilien zu erobern, ihrer Flotte
Wimpel zu pflanzen auf Karthago's Zinnen,
Warum lieh die Bethörte da ihr Ohr
Verläumderzungen und des Neides Raunen
Und riß mich aus der Sonnenbahn des Ruhms,
Mir meine Flügel knickend, grausam nieder,
So thöricht, wie unmütterlich? Da floh ich
Nach Sparta, sie zu schrecken. Mutter, rief's
In mir, gieb Acht, du sollst mich fürchten lernen,
Daß du mich besser lieben lernst. Die Schelme,
Die mir dein Herz entwendet, bis aufs Blut
Will ich sie peitschen mit der Ruthe, der
Ich selbst entwachsen bin! – Und so geschah's,
Daß aus verschmähter Lieb' ihr treuster Sohn
Zu ihren Feinden stand.

Pharnabazos.

Doch hört' ich sagen,
Ihr hättet euch versöhnt, und im Triumph
Seist du zurückgekehrt. Wie kam's, daß wieder,
Sie dich vertrieb von ihrer Schwelle? Trugst
Du nicht von Neuem Schuld?

Alkibiades.

Ich büßte neu
Die alte Schuld. Vergeben schien sie wohl,
Vergessen ward sie nie. Als ich die Flotte
Anführte wider Sparta, Wind und Wellen
Und wechselnd Mißgeschick mich feindlich hemmten,
Da lärmten hämisch meine Widersacher,
Der Pöbel sammt der Oligarchenbrut:
Verrath! Er will den alten Freunden nicht,
Den Spartern, wehe thun! – Und so ereilte
Mich Nemesis. Und wieder ward der Sohn
Von seiner Mutter Herzen losgetrennt.
Doch diesmal führten Götter meine Sache!
Sie gaben die Verblendete zur Buße
Dem Todfeind in die Hand; zum andern Mal
Von ihrer stolzen Höhe sank die Stadt,
Und des Spartaners plumpe Sohle trat
Der Greisin blut'ge Locken in den Staub.

( Er verhüllt sein Haupt. Pause.)

Pharnabazos.

Doch wieder, wenn mir recht berichtet ward,
Traf einzig durch die Schuld des Lieblingssohnes
Sie dies Geschick. Hat Sparta's König nicht
Die alte Schmach, die du ihm angethan –

Alkibiades ( heftig auffahrend).

Beim Aar des Zeus! Mußt du vor Weiberohren
Von Dingen schwatzen, die im Frau'ngemach
Die müß'ge Weile füllen? Agis' Weib –
Wann hätt' ich je mich ihrer Gunst berühmt?
Wenn sie es that, nachdem ich längst geschieden,
Das träge Blut – die Rasende! – dem Gatten
Entflammt', ein Kind, das sie ihm brachte, tändelnd
Mit meinem Namen rief, – sie trägt die Schuld!
Nach Liebesfreuden stand mir nicht der Sinn.
Nur bänd'gen meiner Feinde Haß und Hohn
Und meiner Mutter Herz zurückgewinnen,
Das wollt' ich. Wer mir dazu helfen konnte,
Den mußt' ich werben. Sparta's Herrscher ward
Gelenkt durch eines üppigen Weibes Wink,
Und da dies Weib sich an den Hals mir warf,
Sollt' ich's verschmähn, mich ihrer zu versichern?
Doch war's ein Frevel, – Erd' und Himmel wissen,
Wie schwer ich ihn gebüßt! Bei Flötenschall,
Bekränzt, wie zu den Dionysien, riß
Der Sparter Heer die langen Mauern ein,
Lysander's Flotte sperrte den Piräeus,
Und Agis und sein Throngenoß zu Land,
Wie bei dem Festspiel in Olympia, hoch
Herab von ihrem frechen Schaugerüst
Sahn sie die Wehr und Macht der Nebenbuhlin
Hinstürzen – während meine heil'ge Mutter –
In stummem Jammer – mit gebundnen Armen –
Entkräftet von der langen Hungersqual –
Furien des Abgrunds!

( Die Stimme versagt ihm, er bricht ohnmächtig zusammen.)

Pharnabazos ( vom Sessel auffahrend).

Todt?

Mandane

( ist aufgesprungen, zu dem Bewußtlosen hingeeilt, beugt sich über ihn).

Er athmet noch.

Pharnabazos ( vor sich hin).

Wenn jener Sparter, der ihn traf, sein Eisen
Getaucht hätt' in den Saft der Todtenblume,
Die in Bithyniens Sümpfen wächs't, – er stünde
Nie wieder auf, und wir – was thust du, Schwester?

( Mandane geht rasch nach dem Tische, füllt die Schale mit Wein.)

Ha, du bist klug! – Du willst – in diesem Wein –

Mandane.

Den wehrlos Unbewußten? Arme Rache!
Beleben will ich ihn. Er soll nicht sterben,
Unwissend, wer ihn tödtet und wofür!

( nähert die Schale dem Munde des Regungslosen. Alkibiades trinkt, die Besinnung kehrt ihm zurück.)

Alkibiades (noch mit geschlossenen Augen).

O süßer Thau! Du labst bis in das Mark!
Dank! Dank! ( richtet sich halb auf, sieht sich um.).

Nicht meiner Schwäche schäm' ich mich.
Ein Bastard ist, wer seiner Mutter Schmach
Mit unbewegter Seele denken mag.
Du aber, Schöne, Gütige, – wie ist
Dein Name, daß ich zu den Göttern bete,
Dir zu vergelten, was du an mir thatst?

Mandane

( tritt zurück, läßt die Schale fallen).

Die Schwester bin ich jener Kassandane,
Die um dich starb.

Alkibiades ( zusammenfahrend).

Was sagst du? Kassandane –
Mein persisch Glück –? O jammervolle Kunde!
Ich hoffte sie nach Wunsch vermählt zu finden,
Und wenn mein Bild auch längst aus ihrer Brust
Entschwand, – hochherzig, wie sie war, aufs Neue
Sie mir geneigt zu machen. O und nun!
Todt – todt und hin!

( sinkt auf das Ruhebett, starrt vor sich hin.)

Ein Sklave ( tritt ein von links).

Erhabner Herr –

Pharnabazos.

Was bringst du?

( Der Sklave spricht leise zu ihm.)

Alkibiades ( ohne aufzublicken).

Und wann – wann starb sie?

Pharnabazos.

Laß die Todten ruhn!
Das Weib, mit dem du kamst, verlangt nach dir.
Sie habe Wicht'ges, sagt sie, dir zu melden.

Alkibiades ( zerstreut).

Befiehl, daß man sie herführt. Gönne mir
Noch eine Rast, bis meine Seele sich
Aufs Neu' gesammelt hat.

Pharnabazos

( winkt dem Sklaven, der abgeht).

Was kann sie wollen?
Wer ist sie?

Alkibiades.

Ein Stück Heimath, das mir folgt,
Wie wir ein Hausgeräth wohl mit uns nehmen
Auf weite Fahrt, das in der Fremde draußen
Uns lieb ist, weil es heimisch ist. Doch einst
War sie ein jung leichtherzig lachend Weib,
Nicht gut, nicht böse, nur gedankenlos.
Ich aber, der verbannt durch Hellas irrte,
Kam eines Tags an ihrem Haus vorbei,
Wo sie mit einer Schaar bekränzter Gecken
Auf luft'gem Söller in der Kühle saß.
Und Einen hört' ich sagen: Seht, da geht
Der abgedankte Liebling der Athener!
Sein Glanz verblich, er wurde welk und alt.
Sie haben seine Güter eingezogen;
Nun heischt er Gab' und Gunst von Thür zu Thür.
Da lachten sie. Ich aber hob das Haupt
Gelassen, wie ein abgeschiedner Geist,
Der seiner irdischen Thaten Kunde hört,
Und sah das Mädchen an, um dessen Lippen
Ein trotzig Lächeln blühte. Doch im Nu
Schwand es hinweg, und jene Spötter auch
Verstummten, und ich selbst ging meines Wegs.
Nachts aber pocht's an meine Thür; ich öffne
Und seh' im Sternenlicht die Schöne stehn,
Ganz ohne Schmuck, gleich einer Flehenden,
Doch stumm. Was suchst du bei dem Bettler? fragt' ich.
Du irrtest dich im Haus. Geh zu den Reichen,
Den Schönen, Jungen, Uebermüth'gen. Ich
Bin alt und arm. – Da stürzten ihr die Thränen
Heiß von den Wangen, mir zu Füßen sank sie
Und haucht': Ich sterbe, wenn du jenen Blick
Nicht von mir nimmst, der mir das Herz versengt.
O sei mir hold! – Mich dauerte die Thörin;
Ich schalt, ich droht', ich höhnte – doch sie blieb.
Und da ich Nachts die Thür schloß, fand ich sie
Frühmorgens an der Schwelle.

Pharnabazos.

Und seitdem
Ist sie dir nachgefolgt?

Alkibiades.

So wie ein Hündlein
Sich an die Hand des finstern Herren schmiegt,
Die sparsam nur es liebkos't, öfter schlägt.
Denn meiner Launen rauheste erträgt sie
Demüthig stumm, und streichl' ich ihr das Haar,
So dankt sie mir's, wie unverdiente Gunst
Mit Thränen oft. Nun bin ich sie gewöhnt,
Und ihre Stimme klingt mir wie das Lied,
Womit die Mutter einst den heft'gen Knaben
Zur Ruhe sang, – nur, weil es griechisch ist.

( Der Sklave tritt wieder ein, macht Pharnabazos ein Zeichen.)

Pharnabazos.

Sie weigert sich zu kommen. Gönnst du ihr
Den eignen Willen, daß sie dein Gebot
Verachten darf?

Alkibiades.

Seltsam! Doch wenn sie fehlt,
Sie fehlt aus Treue nur. Schick noch einmal –

Pharnabazos.

Ich selbst will gehn. Sie ist hier fremd und scheu.
Ich führe sie hieher. ( ab nach links. Der Sklave folgt.)

Vierte Scene.

Alkibiades ( auf dem Ruhebett). Mandane ( vorn zur Rechten, starr in sich gekehrt).

Alkibiades.

Und Kassandane –!
O könnt' ein Zauberwort den armen Schatten
Heraufbeschwören, daß ich ihn befragte,
Ob er noch unversöhnt! Gebietend riß
Von ihrer Seite mich die heil'ge Pflicht,
Denn mein Athen bedurfte meines Arms.
Sehr hab' ich sie geliebt, und hätte sie
Der Großherr mir gegönnt, als mein Gemahl
Hätt' ich sie mitgeführt. Dawider bäumte
Sein Stolz sich auf. In Persien sollt' ich wohnen
Als sein Satrap, nicht seines Stammes Blüte
Verpflanzen nach dem fernen Heimathstrand.
Da floh ich – o und sie –!
( Blickt auf, sieht Mandane prüfend an.)

Du gleichst ihr nicht.
Du bist nicht dunklen Haars und Angesichts,
Und – du bist kühl. Sie war wie eine Fackel,
Mit deren Glut der Sturm verwegen spielt,
Bis er sie aufgezehrt. Doch welch ein Glanz!
Ich meint', ich hätte, was uns Süßes und
Verderbliches vom Weibe kommt, genossen:
Sie lehrte mich, daß ich ein Neuling war.
Wie wer auf Flüssen wohl zu steuern weiß,
Und plötzlich wirft ein Gott sein taumelnd Schiff
Ins wilde Meer – o jene Zeit!

Mandane.

Der Heuchler!
Mich kirren will er, mir mit Zaubersprüchen
Einlullen meinen Haß!

Alkibiades.

Und nun dahin –
Und von so tausendfachen Freuden blieb
Nur Reu' und Gram! Dank' deinen Göttern, Mädchen,
Daß sie der Schwester dich so ungleich schufen!
Ein kühles Herz ist ihrer Gaben beste.
Wer es besitzt, sieht lange Jahre durch
Frühling und Winter wechseln und genießt
Jedwede Frucht, die ihm der Sommer reift.
Du hast wohl nie geliebt, du schönes Bild,
Und höhnisch nur gelächelt, wenn du hörtest,
Daß Liebe tödten kann.

Mandane ( sich plötzlich umwendend).

Kühl nennst du mich?
Verstehst du dich so schlecht auf Zeichenschau,
Daß diese Züge du nicht deuten kannst?
Wenn ich nicht lieben lernte, lernt' ich hassen,
Und du, du lehrtest mich's!

Alkibiades.

So dank es mir!
Denn etwas lieben oder hassen muß
Ein Menschenherz, das nicht versteinern will.
Ich zürne dir drum nicht. Erkenn' ich doch
Der Rachegötter dunkles Walten, die
Nach langem Schweifen meinen Fuß hieher
Zurückgelenkt und dies mein wehrlos Haupt
In einer holden Feindin Hand gegeben.
Zwar – auch ein schärfres Auge täuschte wohl
Der sanfte Frühling dieser weichen Wange,
Die Lippe, die zu süßem Stammeln nur
Geschaffen scheint, kein Todtenlied zu raunen,
Und diese Kinderhand, so weiß und zart,
Als wär' sie nur geschickt zum Kränzewinden,
Nicht einen Dolch zu führen. Doch ich bitte
Dir herzlich ab den kränkenden Verdacht.
Dort hängt ein Schwert; nimm es herab und tauch es
In diese müde Brust. Still halten will ich,
Als ob mich kos'te der Geliebten Hand.
Denn wahrlich! eine Wohlthat dünkte mir's,
Von dieses Lebens Irrsal auszuruhn.
Und treff' ich drunten an dem stillen Strom
Den Schatten Kassandane's, will ich sie
Von ihrer Schwester grüßen, will ihr sagen,
Wie treu du sie geliebt und sie gerächt.
Nun? Warum zauderst du?

Mandane

( hat eine Bewegung gemacht, als ob sie thun wolle, wozu er sie aufgefordert, hält plötzlich inne, sieht ihn an, wendet sich mit Zittern ab, bedeckt das Gesicht mit den Händen).

Entsetzlicher!
Ich kann nicht – kann nicht!

Alkibiades ( steht auf, nähert sich ihr langsam).

Kannst du nicht? So that
Ich doch dir Unrecht? Kassandane's Herz
Schlägt auch in deiner Brust? Sie war dem Fremden,
Dem Heimathlosen, Glückberaubten hold,
Weil Unglück alle großen Seelen rührt.
( Zieht ihr die Hand von den Augen.)
Komm, laß mich auch in deinen Augen lesen,
Daß diese schönen Doppelsterne sanft
Auf meinem dunklen Pfad mir leuchten wollen. –
Du weinst!

Mandane ( sich von ihm losreißend, heftig).

Vor Zorn und Scham, daß du mein Kleinod,
Daß du den Haß mir aus der Seele stiehlst!

Fünfte Scene.

Vorige. Pharnabazos, dem Timandra zögernd folgt Timandra ( bleibt an der Schwelle stehen).

Ein Weib bei ihm!

Pharnabazos.

Was zauderst du? Dort steht er.
Nun sag ihm, was du mir nicht kundthun wollen.

Mandane ( für sich).

Welch ein Gesicht!

Alkibiades.

Tritt ohne Furcht herein,
Timandra. Freunde fand ich hier. – Du schweigst?

Timandra ( ruhig aufblickend).

Ich hab' ein Wort nur dir allein zu sagen.

Pharnabazos.

So sprich. Ihr seid allein.

( Geht in den Hintergrund, wohin Mandane sich schon vorher zurückgezogen.)

Alkibiades.

Nun, Wunderliche?
Du blickst so finster.

Timandra ( dicht zu ihm hintretend).

Finstres seh' ich drohn.
Dies Haus – von deinen Feinden wird's bewohnt.

Alkibiades.

Ich weiß es, liebe Klugheit. Doch mich schützt
Des Gastrechts Heiligkeit.

Timandra ( hastig und leise).

Vor Feinden auch,
Die neben dir zu Gast in diesem Haus?
Da ich am Eingang des Palastes hielt, –
Viel gaffend Volk umdrängte mich – da sah ich
Aus einer Seitenpforte Jenen treten,
Der heut die Schaar im Hohlweg angeführt.

Alkibiades ( betroffen).

Den Sparter?

Timandra ( nickt).

Ich erkannt' ihn, ob er auch
Sich lauernd hinter einem Pfeiler barg.
O laß dich warnen! – komm hinweg! –

Alkibiades.

Die Natter!
Ich konnt' es denken.

Timandra.

O sie ruhen nicht,
Bis sie's erreicht, bis sie dein Herz getroffen!

Alkibiades.

Du sagst es, treuer Mund. Doch stille, stille!
Ich darf, begreifst du wohl, dem Freunde dort
Nicht offen sagen, welch ein Schuft er ist.
Denn er ist mächtig, wir in seiner Hand,
Und Niemand ist so groß, daß er sich nicht
In böser Zeit geduldig schmiegen müßte.
( Lacht laut auf.)
Haha!

Pharnabazos.

Du lachst? So lustig klang die Botschaft?

Alkibiades.

Nicht doch, sehr traurig. Ihres Lieblings Leben,
So klagt sie, sei bedroht.

Pharnabazos.

Das deine?

Alkibiades.

Meins!
Das weiß sie wohl bewahrt in deinem Schutz.
Ihr Herzensfreund, um den sie sorgt und bangt,
Ihr Handpferd ist es, der Bellerophon.
Er sei vom Weg ermattet, schaudre wie
In heft'ger Fieberglut, der Vielgeliebte,
Und weigre sich zu trinken. »Er ist krank –
Er darf nicht länger in der Sonne stehn,
Sonst stirbt er uns!« – und alle Renner, die
Je siegten in Olympia, selbst die Rosse
Des Sonnengottes trösteten sie nicht,
Wenn ihm ein Leids geschähe.

Pharnabazos ( zu Timandra).

Sorge nicht!
Er soll sogleich gepflegt, gefüttert werden
Im luftig kühlen Stall an Marmorkrippen.
Euch aber will ich selbst zu den Gemächern
Geleiten, wo ihr wohnen sollt.

Alkibiades.

Verzeih,
Mein edler Freund. Nur deiner Freundschaft wollt'
Ich mich versichern. Unter deinem Dache
Herberg' ich nicht.

Pharnabazos.

Wie?

Alkibiades.

Weißt du nicht: von Ajax,
Dem Telamonier, rühm' ich mich zu stammen,
Deß traurig Rasen noch im Liede lebt.
Nun siehst du, meines Ahnherrn dunkles Blut
Vererbt' auf mich, und immer, wenn zu Nacht
Mich Fieber anfällt, – und die Wunde da
Weissagt's für heute – bricht die Tobsucht aus.
Da würd' ich dir und deiner theuren Schwester
Den Schlummer rauben und dein Haus verstören
In meiner kranken Wuth.

Pharnabazos.

Ich sende dir
Den Arzt. Was irgend Kunst vermag –

Alkibiades

( die Hand auf Timandra's Schulter legend).

Hier steht
Die Aerztin, die allein mich bänd'gen mag.
Wenn sie ihr griechisch Ammenlied mir summt,
Entschläft der Sturm in meinem Blut. Nun sieh,
Wir kamen auf dem Weg hieher vorbei
An einer Hirtenhütte, hoch am Strand,
Und ließen unsre Todten dort zurück.
Bei jenem schlichten Alten wollen wir
Zu Gast uns bitten. Auch die Pferde sind
Der engen Marmorkrippe nicht gewohnt
Und müssen Meerluft wittern. In der Frühe
Such' ich dich auf; dann rüste mir die Fahrt.

Pharnabazos.

Ihr wolltet unter niedrem Dach – Unmöglich!
Mir wär's ein ew'ger Schimpf, entließ' ich euch.
Sprich ihnen zu, Mandane! Bitte sie –

Mandane.

Ich – bitten – dieses Weib!

Alkibiades.

Die kluge Schwester
Ahnt, daß wir diesem Hause Unheil brächten.
Auf morgen denn!

Pharnabazos.

Nun wohl, du bist mein Gast,
Wo du auch nächt'gen magst. Du hörst von mir.

Alkibiades.

Die Götter wissen, die ins Innre schau'n,
Wie ich für Alles, was du thust und sinnst
Zu meinem Heil, dir dankbar bin. Lebwohl!

( Geht, auf Timandra gestützt, ab.)

Sechste Scene.

Pharnabazos. Mandane. Brasidas.

Pharnabazos.

Er geht – was trieb ihn fort? Dein Auge, Schwester?
Hast du den Haß nicht zähmen, ihm und ihr
Ein gastlich Antlitz zeigen können?

Mandane.

Ihr!
Der Buhlerin!

Pharnabazos.

Jung ist sie, schön und stolz –
Ein solches Weib – ha, wenn ich denk', ihn trifft
Sein Schicksal hier, und Diese bleibt zurück,
Hülflos verwittwet, ihrer Heimath fern,
In meiner Macht –

Brasidas ( eilig eintretend).

Herr –

Pharnabazos.

Du? Wer rief dich her?

Brasidas.

Vergieb, o Fürst! – doch du entließest ihn –
Der blutbespritzte Wagen rollt hinweg –
O wenn du meiner Bitte jetzt gedächtest,
Da keine Pflicht der Gastfreundschaft –

Pharnabazos.

Du wagst es,
Du trittst hervor – und sie – Wahnwitz'ger, sprich,
Sie haben dich erblickt?

Brasidas.

Vom Lärm gelockt
Trat ich vors Haus, nicht ahnend, daß das Weib
Dort mit dem Wagen harrte. Da erspäht'
Ihr lauernd Auge mich –

Pharnabazos.

Das also war's,
Was sie zu melden kam? Nun, bei den Untern!

( Stößt den Stab gegen den Boden. Sklaven stürzen herein, er giebt Einem einen Wink, der hinauseilt.)

Brasidas.

Du zürnst mir, Herr. Doch fehlt' ich ahnungslos,
Und sühnen will ich's. Gieb mir eine Schaar
Von Bogenspannern, und ich bürge dir,
Bevor der Abend sinkt –

( Bewaffnete treten ein.)

Pharnabazos.

Werft ihn in Ketten!

Brasidas

( indem er gefesselt wird).

O Herr, was thust du? Herr, ich flehe dich –
Fordre so viel du willst –

Pharnabazos.

Dein Haupt, Verräther,
Das aus der sichren Zuflucht du vorwitzig
Hinausgestreckt, soll mir den Schimpf bezahlen,
Daß man des Pharnabazos Gastfreundschaft
Verschmäht. Hinweg mit ihm! ( Brasidas wird abgeführt.)

Nun ist mir wohl,
Und frei die Bahn! Beweisen will ich ihm,
Indem ich diese Schlang' auf seinem Weg
Zertrete, daß sein Argwohn thöricht war,
Und um so sichrer dann verderb' ich ihn.

( Wendet sich zum Abgehen.)

Mandane

( aus ihrem Brüten auffahrend).

Bruder –

Pharnabazos.

Was soll's?

Mandane.

Versprich mir –

Pharnabazos.

Du bist bleich.
Geh zu den Frau'n.

Mandane ( ohne ihn anzusehn).

Versprich mir, diesen Tag
Und diese Nacht nichts Feindliches geheim
Ihm anzuthun.

Pharnabazos.

Was kümmert's dich?

Mandane.

Mein ist er,
Sein Leben mir verfallen.

Pharnabazos.

Thörin! Meinst du,
Es sei ein Spiel für Weiberhände, Den
Zu fällen, der vor Männern nie gebebt?

Mandane.

Vertraue meinem Haß und laß ihn mir!
Schwör's bei des Sonnengotts allseh'ndem Auge –
Und jenes Weib, das dein Verlangen reizt,
Ist dein!

Pharnabazos ( nach kurzem Besinnen).

Ich fürchte, du versprichst zu viel.
Doch sei's geschworen. Bis zum nächsten Morgen
Gehört er dir allein. ( geht ab.)

Mandane ( düster vor sich hin).

Doch ich – wo berg' ich
Vorm allesseh'nden Blick des Sonnengotts,
Wo vor mir selber mein unselig Herz?
O Kassandane, meine kluge Schwester,
Wohl dir, daß du um ihn gestorben bist:
Wie konntst du leben, wenn du ihn verlorst!

( Vorhang fällt.)

Musik setzt ein, leidenschaftlich bewegt, am Schluß des Zwischenakts in sanften Harfenaccorden verklingend.


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