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X

Oda öffnete die Tür.

»Ihr sollt herüberkommen, Karola ist da mit der Fancy Freo. Und du mußt dich umziehn, Clemens, ihr geht mit in die Nachtprobe im Kabarett.«

»Ich ins Kabarett? Laßt mich lieber in meinem Schlafrock und in meiner Höhle.«

»Auch wenn der Wendelin mitkommt, magst du nicht?«

»Auch dann nicht. Aber du solltest einmal ausgehn. Heute hast du nicht die Ausrede, bei dem Kind bleiben zu müssen. Ich bin ja da und kann nach ihm sehn.«

»Laß mich hier, bitte«, sagte sie beinah weinerlich. Clemens küßte ihre Stirn.

»Nun, dann geht hinüber und entschuldigt mich. So mag ich mich nicht vor der Diva präsentieren.»

Wendelin folgte der Oda in Karolas Zimmer. Da war niemand. Nur die beiden Mäntel lagerten auf dem Sofa unter dem Bilde des Römerkaisers, der Wendelin streng und nüchtern ansah. Oda öffnete die Tür zum Kinderzimmer. »Komm leise, sie sind bei Erwin.«

Da standen sie über das Bett des schlafenden Kleinen gebeugt. Karola sah sich nur mit verlorenem Lächeln halb nach Wendelin um und reichte ihm rückwärts eine Hand. Die Freo richtete sich auf, begrüßte ihn lebhaft flüsternd, erinnerte an seinen Besuch mit Jutta in ihrer Garderobe und ging, auf ihre muntere Art Konversation machend, mit ihm in Karolas Zimmer hinüber.

»Clemens mag nicht mitgehn«, berichtete Oda der Schwester.

Karola seufzte: »Dann will ich noch einmal mit ihm reden.«

Sie fand ihn an seinem Ofen, stellte sich neben ihn, lehnte den Kopf an seine Brust und fragte: »Warum läßt du mich immer allein?«

»Aber, Karola, wer ist denn heute weggelaufen den ganzen Tag?«

»Ich war bei so tröstlichen Leuten, wo gleich das Grammophon angedreht und getanzt wird, Leierkastenlieder werden gesungen mit Varietéreimen, und nichts ist wichtig, alles wie aus Versehen und unterhaltend. Es täte dir so gut, unter solche Menschen zu kommen. Heute bei der Nachtprobe werden viele sein.«

»Mein liebes Herz, ich habe mehr davon, wenn du mir nachher alles erzählst, was du erlebt hast.«

»So schickst du mich immer fort. Was würdest du nun sagen, wenn ich zur Bühne ginge, tanzen oder singen. Die Freo meint, ich hätte Talent.«

»Mir ist es lieber, du tanzest für mich.«

»Aber ich könnte Geld verdienen, für uns alle genug. Dann brauchtest du nicht mehr Stunden zu geben, könntest für dich studieren.«

»Ist es nicht so viel schöner bei uns?«

»Meinst du? – Ich wäre dir heut beinahe fortgelaufen und weit fort.«

»Ich weiß schon.«

»Ach so, von Wendelin. Aber davon spreche ich jetzt nicht. Das ist auch nicht so gefährlich.«

»Das ist sehr gefährlich. Das mußt du nicht tun.«

Sie faßte nach seinem Kopf und drehte ihn ins Licht. »Du bist eifersüchtig; wie gut das tut!« sagte sie in so überzeugtem Ton, daß Clemens nicht dazu kam, zu erklären, wie er es meinte.

»Aber bist du denn gar nicht neugierig, mit welchen andern Leuten ich fort wollte?«

»Sind es denn mehrere?«

»Ich habe mit der Freo einen Plan ausgeheckt. Eißner soll uns beide nach Italien fahren in seinem Reiseauto.«

»Und den Wendelin wollt ihr mitnehmen.«

»Meinst du, daß das hübsch wäre? Soll er sich von der Freo verführen lassen?«

»Es gibt eine viel größere Gefahr für ihn.«

»Clemens, wenn du eifersüchtig bist, kann ich heute nicht fort von dir. Außer wenn es dir lieber ist, daß ich gehe und wecke dich spät und erzähle dir. – Ja? Du nickst. Oh, ich Arme muß wieder auf Abenteuer in dunkler Nacht. Was ich auch auf mich nehme, ist nur ein Spiel zu deiner Unterhaltung.«

Sie küßte ihn und ging.

›Es ist hübsch, wenn zwei ernste erwachsene Menschen kindisch miteinander reden‹, dachte Clemens und klopfte seine Pfeife aus.


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