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Tausend und eine Nacht. Band XIII
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Geschichte des Juweliers Hasan von Basra.

Ferner erzählte man, daß in alten Zeiten und in längstentschwundenen Tagen ein Kaufmann im Lande von Basra lebte, der zwei Söhne hatte und viel Gut besaß. Gott aber, der Allhörende, Allwissende, verhängte es, daß jener Kaufmann zur Barmherzigkeit Gottes, des Erhabenen, abschied und das Gut hinterließ; da machten sich seine beiden Söhne daran ihn herzurichten und zu bestatten, worauf sie das Gut untereinander gleichmäßig verteilten und jeder seinen Teil an sich nahm. Beide thaten Läden auf, und zwar ließ sich der eine als Kupferschmied, der andere als Goldschmied nieder.

Während nun eines Tages der Goldschmied in seinem Laden saß, kam ein Perser auf dem Bazar zwischen den Leuten herangeschritten, bis er den Laden des Goldschmieds erreicht hatte, wo er seine Arbeit mit kundigem Auge musterte. Der Jüngling, dessen Namen Hasan war, gefiel dem Perser und, sein Haupt schüttelnd, rief er: »Bei Gott, du bist ein hübscher Goldschmied!« Alsdann betrachtete er seine Waren unablässig, während Hasan in einem alten Buch, das er in seiner Hand hielt, las, und die Leute seine Schönheit und Anmut und seinen ebenmäßigen Wuchs bewunderten. Als sich nun zur Zeit des Nachmittagsgebets der Laden von den Leuten leerte, trat der Perser an Hasan heran und sagte zu ihm: »Mein Sohn, du bist ein hübscher Jüngling; was ist 133 das für ein Buch? Ich habe keinen Sohn, und ich kenne eine Kunst, als welche es keine schönere auf der Welt giebt.

Siebenhundertundneunundsiebzigste Nacht.

Viele Leute baten mich bereits sie in dieser Kunst zu unterrichten, jedoch wies ich alle ab; nun aber ist meine Seele gern bereit sie dir beizubringen, und ich möchte dich als Sohn annehmen und zwischen dir und der Armut eine Scheidewand aufrichten, daß du dieses Handwerks ledig bist und dich nicht mehr mit Hammer, Kohle und Feuer zu placken hast.« Hasan versetzte: »Mein Herr, und wann wirst du mich diese Kunst lehren?« Der Perser erwiderte: »Morgen werde ich zu dir kommen und in deiner Gegenwart aus Kupfer lauteres Gold machen.« Da verabschiedete sich Hasan erfreut von dem Perser und begab sich zu seiner Mutter, mit der er, nachdem er sie mit dem Salâm begrüßt hatte, aß; jedoch war er ganz verwirrt und ohne Gedanken und Verstand, so daß ihn seine Mutter fragte: »Was fehlt dir, mein Sohn?« und hinzusetzte: »Hüte dich auf das Geschwätz der Leute, insbesondere aber der Perser, zu hören, und folge ihnen in nichts, denn es sind Gauner, die sich mit Alchimie befassen und die Leute betrügen, ihnen ihr Geld nehmen und es für nichtiges Zeug verzehren.« Hasan erwiderte: »Meine Mutter, wir sind arme Leute, und wir haben nichts, wonach er begehren könnte, um uns zu begaunern. Der Perser, der zu mir kam, ist ein rechtschaffener Scheich, dem man die Rechtschaffenheit ansieht, und dessen Herz Gott mir geneigt gemacht hat.« Da schwieg seine Mutter in ihrem Ärger, während ihres Sohnes Herz voll Unruhe war, so daß er vor Freude über die Worte des Persers die Nacht über keinen Schlaf fand.

Am nächsten Morgen erhob er sich und, die Schlüssel mit sich nehmend, öffnete er den Laden, als auch schon der Perser zu ihm kam. Hasan erhob sich vor ihm und wollte ihm die Hände küssen, er wies ihn jedoch ab und duldete es nicht, 134 indem er zu ihm sprach: »Hasan, mach den Schmelztiegel zurecht und setz' den Blasebalg auf.« Da that er nach dem Geheiß des Persers und zündete die Kohlen an, worauf der Perser ihn fragte: »Mein Sohn, hast du Kupfer?« Hasan versetzte: »Ich habe eine zerbrochene Schüssel.« Da befahl er ihm sie mit der Schere in kleine Stücke zu schneiden, die Stücke in den Schmelztiegel zu werfen und das Feuer so lange mit dem Blasebalg anzufachen, bis das Kupfer flüssig geworden wäre. Alsdann streckte der Perser seine Hand nach seinem Turban aus und holte daraus ein zusammengewickeltes Blatt hervor, aus dem er, nachdem er es geöffnet hatte, etwas, das wie gelbe Augenschminke aussah, im Betrage einer halben Drachme in den Schmelztiegel streute. Dann befahl er Hasan mit dem Blasebalg darauf zu blasen, worauf Hasan seinem Geheiß folgte, bis die Masse ein Goldbarren geworden war. Als Hasan dies gewahrte, ward er betäubt und ganz verwirrt vor Freude; er nahm den Goldbarren und drehte ihn um und um und, ihn mit der Feile prüfend, fand er, daß es das lauterste Gold war. Da flog ihm der Verstand vor Freude fort, und ganz betäubt neigte er sich über die Hand des Persers, um sie zu küssen, während dieser zu ihm sagte: »Trag' den Goldbarren auf den Bazar, verkauf' ihn und nimm das Geld eilends an dich, ohne ein Wort zu reden.« Da begab sich Hasan auf den Bazar und gab den Barren dem Mäkler, der ihn rieb und fand, daß er lauteres Gold war, worauf die Kaufleute mit einem Gebot von zehntausend Dirhem begannen und sich bis fünfzehntausend Dirhem trieben, wofür Hasan den Goldbarren verkaufte. Nachdem er das Gold an sich genommen hatte, ging er nach Hause und erzählte seiner Mutter alles, was er gethan hatte, und sagte: »Mutter, ich habe diese Kunst jetzt gelernt.« Sie lachte ihn jedoch aus und rief: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« 135

Siebenhundertundachtzigste Nacht.

Hierauf schwieg sie ärgerlich, während Hasan in seiner Dummheit einen Mörser nahm und damit zum Perser ging, der noch im Laden saß. Als er den Mörser vor ihn stellte, fragte ihn der Perser: »Mein Sohn, was soll ich mit diesem Mörser thun?« Hasan versetzte: »Wir wollen ihn ins Feuer setzen und Goldbarren daraus machen.« Da lachte der Perser und sagte zu ihm: »Mein Sohn, bist du verrückt, daß du jeden Tag mit zwei Goldbarren auf den Bazar gehen willst? Weißt du nicht, daß die Leute Verdacht gegen uns schöpfen und wir unser Leben verlieren können? Wenn ich dich diese Kunst lehre, mein Sohn, darfst du sie nur einmal im Jahre ausüben, denn das genügt dir, um von einem Jahr zum andern zu leben.« Hasan versetzte: »Du hast recht, mein Herr.« Hierauf saß er im Laden, setzte den Schmelztiegel auf und warf Kohlen ins Feuer, so daß ihn der Perser fragte: »Was willst du, mein Sohn?« Hasan versetzte: »Lehr' mich diese Kunst.« Da lachte der Perser und rief: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Du hast wenig Verstand, mein Sohn, und bist in keiner Weise für diese Kunst geeignet. Hat irgend jemand diese Kunst in seinem Leben auf offener Straße oder auf den Bazaren gelernt? Wenn wir sie hier an diesem Ort betreiben, so werden die Leute sagen: »Die da betreiben Alchimie;« und dann kommt es den Behörden zu Ohren, und es geht uns ans Leben. Wenn du, mein Sohn, diese Kunst lernen willst, so komm' mit mir in mein Haus.« Da erhob sich Hasan und, seinen Laden verriegelnd, machte er sich mit dem Perser auf. Unterwegs erinnerte er sich jedoch der Worte seiner Mutter, so daß sich tausend Gedanken in seiner Seele erhoben, und er eine lange Weile gesenkten Hauptes stehen blieb. Als der Perser sich nach ihm umwendete und ihn stillstehen sah, lachte er und sagte: »Bist du verrückt? Ich sinne Gutes für dich in meinem Herzen, 136 und du glaubst, ich könnte dir etwas Böses zufügen? Wenn du dich fürchtest in mein Haus zu kommen, so will ich mit dir in dein Haus gehen und dich dort lehren.« Hasan erwiderte: »Schön, mein Oheim;« worauf der Perser entgegnete: »Geh' vor mir.« Da schritt er dem Perser bis nach seiner Wohnung voran und teilte, während der Perser vor der Thür stehen blieb, seiner Mutter mit, daß der Perser mit ihm gekommen wäre, worauf sie das Haus für beide zurechtmachte und in Ordnung brachte. Als sie mit allem fertig geworden war, ging sie fort, während Hasan dem Perser nunmehr die Erlaubnis gab einzutreten. Alsdann nahm Hasan eine Schüssel in die Hand und holte vom Bazar etwas zu essen, das er dem Perser mit den Worten vorsetzte: »Iß, mein Herr, damit Brot und Salz zwischen uns ist; und Gott, der Erhabene, wird Rache an dem nehmen, der Brot und Salz verrät.« Der Perser versetzte: »Du hast recht, mein Sohn;« dann lächelte er und sprach: »Mein Sohn, wer kennt den Wert von Brot und Salz!« Hierauf machten sich der Perser und Hasan ans Essen, und, als sie sich gesättigt hatten, sagte der Perser zu Hasan: »Mein Sohn, hol' uns etwas Konfekt.« Da begab sich Hasan auf den Bazar und holte, erfreut über die Worte des Persers, zehn Schalen mit Süßigkeiten, von denen beide aßen. Dann sprach der Perser zu ihm: »Gott lohne es dir mit Gutem, mein Sohn! Leute wie dich nimmt man zu Freunden, und man teilt ihnen Geheimnisse mit und lehrt sie nützliche Kenntnisse.« Hierauf sagte er: »Hasan, hole das Werkzeug.« Kaum hatte Hasan diese Worte vernommen, da lief er auch schon wie ein im Frühling auf die Weide gelassenes Füllen zum Laden und kehrte mit dem Werkzeug zurück, es vor den Perser stellend, worauf dieser ein Stück Papier hervorholte und sagte: »Hasan, bei dem Brot und Salz, wenn du mir nicht teurer als ein Sohn wärst, so teilte ich dir nicht diese Kunst mit, denn ich habe von diesem Elixir nur noch soviel, als in diesem Papier ist, übrig; paß' jedoch auf, wenn ich 137 die Droguen vor dir herstelle. Und, wisse, mein Sohn Hasan, zu jeden zehn Pfund Kupfer mußt du eine halbe Drachme von dem Pulver in diesem Papier thun, um zehn Pfund lauteres Gold zu erhalten. In diesem Papier aber sind noch drei Unzen Pulver nach ägyptischem Gewicht, und, wenn das Pulver zu Ende gegangen ist, mache ich dir neues.« Da nahm Hasan das Papier und fand darin etwas Gelbes, das noch feiner als das erste war, worauf er fragte: »Mein Herr, wie heißt das, wo wird es gefunden und woraus wird es gemacht?« Da lachte der Perser über Hasans Gier und sagte: »Wonach fragst du? Thu' dein Werk und schweig!« Hierauf holte er eine Schale aus dem Hause, zerschnitt sie, warf die Stücken in den Schmelztiegel und streute etwas von dem Pulver, das sich im Papier befand, darauf, worauf es ein Barren lautern Goldes wurde. Hasan war hierüber mächtig erfreut und dachte, ganz verwirrt, nur an den Goldbarren, während der Perser nunmehr schnell aus seinem Turban ein Stück Bendsch holte und, ein Stück davon in ein Stück Konfekt packend, zu Hasan sagte: »Hasan, du bist mein Sohn und bist mir teurer als mein Leben und mein Gut; ich habe eine Tochter, mit der ich dich verheiraten will.« Hasan versetzte: »Ich bin dein Diener, und was du mit mir thust, wird bei Gott, dem Erhabenen, wohl aufgehoben sein.« Da sagte der Perser: »Mein Sohn, gedulde dich nur, und es soll dir gut ergehen;« alsdann reichte er ihm das Stück Konfekt, das Hasan nahm, indem er ihm die Hand küßte, und in seinen Mund steckte, ohne zu wissen, was ihm im Verborgenen bestimmt war. Kaum aber hatte er den Bissen hinuntergeschluckt, da sank sein Haupt vor seine Füße, und die Welt versank vor ihm. Als der Perser sah, daß das Unglück über ihn hereingebrochen war, freute er sich mächtig und sagte, sich auf seine Füße erhebend: »Bist du mir nun in die Hände gefallen, du Galgenstrick, du Araberhund! Lange Jahre suchte ich nach dir, bis ich dich fand, Hasan.« 138

Siebenhundertundeinundachtzigste Nacht.

Hierauf gürtete sich der Perser den Leib, band Hasan die Hände und Füße zusammen und packte ihn in eine Kiste, nachdem er die Sachen, die sich in derselben befanden, herausgenommen hatte. Nachdem er die Kiste über ihm verschlossen hatte, entleerte er eine zweite Kiste, packte alles Geld Hasans samt den Goldbarren, die er das erste Mal und nachher gemacht hatte, hinein und verschloß sie, worauf er nach dem Bazar eilte und einen Lastträger holte, der ihm die beiden Kisten nach einem vor Anker liegenden Schiff tragen mußte, das für ihn ausgerüstet war, und dessen Kapitän ihn bereits erwartete. Als die Matrosen ihn sahen, kamen sie herbei und trugen die Kisten aufs Schiff, worauf der Perser dem Kapitän und allen Matrosen zurief: »Auf, das Geschäft ist besorgt und unser Wunsch ist erreicht.« Da rief der Kapitän den Matrosen zu: »Lichtet die Anker und entfaltet die Segel!« worauf das Schiff mit günstigem Wind absegelte.

Soviel, was den Perser anlangt. Inzwischen hatte Hasans Mutter bis zum Abend gewartet; als sie aber weder einen Laut noch irgend eine Kunde von ihm vernahm, ging sie nach Hause und fand nun das Haus offen, niemand darin und die beiden Kisten samt ihrem Geld verschwunden. Da erkannte sie, daß ihr Sohn fort war, und daß das Schicksal ihn ereilt hatte, worauf sie, ihr Gesicht schlagend und ihre Kleider zerreißend, schrie und heulte und fortwährend rief: »Ach mein Sohn, du Frucht meines Herzens!« Alsdann weinte und jammerte sie bis zum Morgen, als die Nachbarn zu ihr eintraten und sie nach ihrem Sohn fragten. Da erzählte sie ihnen, was zwischen ihm und dem Perser vorgefallen war, und lief, im Glauben, ihn nie wieder zu sehen, weinend im Hause umher, wobei sie mit einem Mal zwei Zeilen auf der Wand erblickte; da ließ sie einen Gelehrten holen, der sie ihr vorlas; und sie lauteten also: 139

Zur Nachtzeit erschien mir Leilās Traumbild, als ich von Schlaf überkommen war,
Schon graute der Morgen, und all die Freunde schliefen in der Wüste.
Doch als wir erwachten, das nächtige Traumbild zu schauen,
Sah ich die Luft leer und fern das Heiligtum.

Als Hasans Mutter diese Verse vernahm, schrie sie auf und rief: »Jawohl, mein Sohn, das Haus ist verödet und das Heiligtum fern!« Hierauf verabschiedeten sich die Nachbarn von ihr, nachdem sie ihr Geduld und baldige Vereinigung mit ihrem Sohn gewünscht hatten, und gingen fort, während Hasans Mutter Nacht und Tag weinte und mitten im Hause ein Grab erbauen ließ, auf das sie Hasans Namen und den Tag seines Verschwindens schreiben ließ. Und von nun an trennte sie sich nicht von dem Grab ihres Sohnes.

Soviel mit Bezug auf sie. Der Perser aber war ein Magier, der die Moslems bitterlich haßte und alle, die in seine Hand fielen, umbrachte. Er war ein Schurke, ein Schuft und Alchimist, wie der Dichter sagt:

Er ist ein Hund, eines Hundes Sohn, und sein Großvater war ein Hund;
Und nichts Gutes ist in einem Hunde, der von einem Hunde stammt.

Der Name jenes Verruchten war der Magier Bahrâm, und jedes Jahr pflegte er einen Moslem zu rauben und ihm zu einem bestimmten Zweck die Kehle abzuschneiden. Als er nun seine List an dem Juwelier Hasan ins Werk gesetzt hatte und mit ihm vom frühen Morgen an bis zur Nacht gesegelt war, ließ er das Schiff bis zum Morgen am Lande anlegen; nach Sonnenaufgang segelte er dann wieder weiter und befahl seinen Sklaven und Burschen ihm die Kiste, in welcher Hasan steckte, zu bringen. Als sie seinen Befehl vollzogen hatten, öffnete er die Kiste und holte Hasan heraus, dem er Essig zu schnupfen gab und ein Pulver in die Nase blies, worauf er nieste und den Bendsch ausbrach; dann öffnete er seine Augen und, nach rechts und links schauend, fand er sich 140 auf einem Schiff mitten auf dem Meere und den Perser an seiner Seite sitzend, woraus er erkannte, daß ihm der verruchte Magier eine Falle gestellt hatte, und daß er gerade darin geraten war, wovor ihn seine Mutter gewarnt hatte. Da sprach er das Wort, das keinen, der es spricht, zu schanden macht, und das da lautet: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir zurück! O Gott, sei mir gnädig in deinem Ratschluß und verleih mir Geduld in deiner Prüfung, o Herr der Welten!« Alsdann wendete er sich zu dem Perser mit sanften Worten und sagte zu ihm: »O mein Vater, was ist das für eine That, und wo ist das Brot und Salz und der Eid, den du mir schwurst?« Da schaute der Perser ihn an und sprach: »Du Hund, kennt einer wie ich Brot und Salz, wo ich schon tausend Burschen wie dich, weniger einen, umgebracht habe, und wo du das Tausend vollmachen sollst?« Dann schrie er ihn an, während Hasan schwieg, da er erkannte, daß ihn der Pfeil des Schicksals getroffen hatte.

Siebenhundertundzweiundachtzigste Nacht.

Hierauf befahl der Verruchte ihm die Fesseln zu lösen, und sie reichten ihm ein wenig Wasser zu trinken, während der Magier lachte und sprach: »Bei dem Feuer und dem Licht, dem Schatten und der Wärme, ich glaubte nicht, daß du in mein Netz fallen würdest, jedoch stärkte mich das Feuer wider dich und half mir, dich in meine Hand zu bekommen, auf daß ich meinen Wunsch erlangen und zurückkehren und dich ihm als Opfer darbringen könnte, um es so zufrieden zu stellen.« Hasan erwiderte: »Du hast an Brot und Salz Verrat geübt.« Da hob der Magier seine Hand und versetzte ihm einen Schlag, daß er mit thränenüberströmten Wangen hinfiel und, mit den Zähnen in den Boden beißend, in Ohnmacht sank. Alsdann befahl der Magier ihm ein Feuer anzuzünden, worauf Hasan ihn fragte: »Was willst 141 du mit dem Feuer thun?« Der Magier erwiderte: »Dieses Feuer ist die HerrinFeuer ist im Arabischen weiblich. des Lichts und der Funken; ihm diene ich, und willst du es gleich mir anbeten, so gebe ich dir die Hälfte meines Gutes und verheirate dich mit meiner Tochter.« Hasan rief jedoch: »Wehe dir, du bist ein ungläubiger Magier, der das Feuer anbetet an Stelle des allgewaltigen Königs, des Schöpfers der Nacht und des Tages; und dies ist nichts als ein Unglück unter den Religionen.« Da ergrimmte der Magier und rief: »Willst du dich mir nicht fügen, du Araberhund, und nicht meinen Glauben annehmen?« Da Hasan sich weigerte, erhob sich der verruchte Magier und, sich vor dem Feuer niederwerfend, befahl er seinen Burschen, Hasan aufs Gesicht zu werfen, worauf er ihn mit einer Geißel aus geflochtenen Riemen so lange schlug, bis seine Seiten wund waren, und er um Hilfe schrie, ohne daß ihm jemand zu Hilfe kam, und um Schutz flehte, ohne daß ihn jemand schützte. Da erhob er seinen Blick zum allmächtigen König und suchte durch den Namen des auserwählten Propheten von ihm Hilfe. Von seiner Geduld verlassen und Thränen in Regenströmen vergießend, sprach er die Verse:

»Ich will, o Gott, mich in Geduld deinem Beschlusse fügen
Und will's ertragen, wenn es so dein Wohlgefallen ist.
Mit maßloser Grausamkeit haben sie ihre Macht gegen uns ausgeübt,
Doch vielleicht verzeihst du gütig vergangene Sünden.«

Hierauf befahl der Magier seinen Sklaven ihn aufrecht hinzusetzen und ihm etwas zu essen und zu trinken zu bringen. Als sie ihm jedoch Speise und Trank vorsetzten, wies er beides zurück, worauf der Magier ihn während der ganzen Reise Tag und Nacht schlug, während er sich in Geduld fügte und vor Gott, dem Mächtigen und Herrlichen, demütigte, wodurch sich des Magiers Herz nur noch mehr gegen ihn verhärtete. Sie segelten ununterbrochen drei Monate lang, während welcher Zeit Hasan fortwährend gefoltert wurde, 142 bis Gott, der Erhabene, wider das Schiff einen Sturm sandte, daß sich das Meer verfinsterte und, vom Sturm aufgewühlt, das Schiff hin und her warf. Da sagten der Kapitän und die Matrosen: »Dies geschieht, bei Gott, wegen jenes Knaben, der drei Monate lang von dem Magier gefoltert ward; und das ist nicht erlaubt vor Gott, dem Erhabenen.« Alsdann erhoben sie sich wider den Magier und schlugen seine Burschen und alle seine Leute tot, worauf dieser, des Todes gewiß und um sein Leben besorgt, Hasan aus seinen Banden befreite und ihm an Stelle seiner zerlumpten Kleider andere anzog, indem er ihm gute Worte gab und ihm versprach, ihn die Kunst zu lehren und in sein Land zurückzuschicken, wobei er sprach: »Mein Sohn, trage mir nicht nach, was ich dir anthat.« Hasan erwiderte: »Wie soll ich dir noch Glauben schenken?« Da sagte der Magier: »Mein Sohn, gäbe es keine Sünde, so gäbe es auch keine Verzeihung. Ich habe dir alles dies nur angethan, um deine Standhaftigkeit zu erproben, und du weißt, daß alles in Gottes Hand ruht.« Der Kapitän und die Matrosen waren über Hasans Befreiung erfreut, und Hasan segnete sie, und lobte Gott, den Erhabenen, und dankte ihm. Die Winde aber legten sich nun wieder, das Dunkel hellte sich auf, und die Reise ging mit günstigem Wind weiter. Alsdann fragte Hasan den Magier: »Perser, wohin fährst du?« Der Magier versetzte: »Mein Sohn, ich fahre nach dem Wolkenberg, auf welchem sich das Elixir befindet, das wir in der Alchimie gebrauchen.« Dann schwor ihm der Magier bei dem Feuer und Licht, daß er keinen weitern Grund zur Furcht hätte, worauf Hasans Herz guter Dinge ward, und er, erfreut über seine Worte, mit dem Perser aß und trank und schlief, der ihn mit seinen Sachen kleidete. Nachdem sie noch drei weitere Monate gesegelt waren, legte das Schiff an einem langen Strand an, dessen Kies aus weißen, gelben, blauen, schwarzen, und sonstigen Steinen von allen möglichen Farben bestand. Alsdann erhob sich der Perser und sagte: »Hasan, 143 steh auf und komm ans Land, denn wir haben unser Ziel erreicht.« Da erhob sich Hasan und stieg mit dem Perser an den Strand, der dem Kapitän die Obhut seiner Sachen anempfahl. Dann marschierten beide ins Land, bis sie sich von dem Schiff entfernt hatten und außer Sehweite gekommen waren, worauf sich der Magier setzte und aus seiner Tasche eine kupferne Trommel und eine seidene, goldgestickte und mit Talismanen bedeckte Strippe holte, mit der er die Trommel schlug. Als er hiermit aufhörte, erhob sich in der Steppe eine Staubwolke, während Hasan sich über das ganze Thun des Magiers verwunderte und, sich vor ihm fürchtend, die Farbe wechselte und bereute, mit ihm ans Land gestiegen zu sein. Der Magier schaute ihn jedoch an und sprach zu ihm: »Was fehlt dir, mein Sohn? Beim Feuer und dem Licht, du hast nichts von mir zu fürchten; könnte ich nicht allein durch dich mein Geschäft erledigen, so wäre ich nie mit dir vom Schiff ans Land gestiegen. Erwarte nur fröhlich alles Gute, denn jene Staubwolke ist die Staubwolke von etwas, das wir besteigen wollen, und das uns helfen soll, diese Steppe zu durchmessen und ihre Beschwerden leicht zu überwinden.

Siebenhundertunddreiundachtzigste Nacht.

Bald darauf wurden unter der Staubwolke drei Dromedare sichtbar, von denen der Perser eins und Hasan das zweite bestieg, während sie ihre Zehrung auf das dritte luden. Dann ritten sie sieben Tage lang, bis sie zu einem weiten Gelände gelangten, mitten in demselben gewahrten sie eine auf vier Säulen von rotem Gold ruhende Kuppel. Da stiegen sie von den Dromedaren ab und kehrten unter jener Kuppel ein, wo sie aßen und tranken und sich ausruhten. Wie sich Hasan nun hier umblickte, gewahrte er einen hoben Gegenstand, weshalb er den Perser fragte: »Was ist das, Oheim?« Der Magier erwiderte: »Das ist ein Schloß.« Da versetzte Hasan: »Willst du nicht aufstehen, damit wir 144 dort hineingehen und es uns ansehen und in ihm ausruhen?« Da ging der Magier fort und sagte: »Sprich mir nicht von jenem Schloß, denn dort wohnt mein Feind, und zwischen uns beiden ist eine Geschichte vorgefallen, für deren Erzählung es jetzt keine Zeit ist.« Alsdann schlug er die Trommel, bis die Dromedare wieder ankamen, worauf sie sich aufsetzten und sieben Tage lang ritten. Am achten Tage fragte der Magier: »Hasan, was siehst du?« Hasan erwiderte: »Ich sehe Dunst und Wolken zwischen dem Morgen und Abend.« Da versetzte der Magier: »Das sind keine Wolken, sondern es ist ein hoher Berg, an dem sich die Wolken teilen, auf dem es aber wegen seiner gewaltigen Höhe keine Wolken giebt. Jener Berg ist mein Ziel, auf ihm befindet sich das, was wir suchen; seinetwegen bin ich mit dir hierhergekommen, und mein Vorhaben kann nur durch deine Hände bewerkstelligt werden.« Da verzweifelte Hasan am Leben und sprach zum Magier: »Bei dem, was du anbetest und bei deinem Glauben, um welcher Sache willen hast du mich hierher gebracht?« Der Magier versetzte: »Siehe, die Kunst der Alchimie kann nur vermittelst eines Krautes ausgeübt werden, das an jener Stelle wächst, wo die Wolken vorüberziehen und sich teilen. Solch ein Platz aber ist dieser Berg, und auf ihm wächst das Kraut. Wenn wir dasselbe haben, so will ich dir die Kunst der Alchimie zeigen.« In seiner Furcht antwortete Hasan: »Schön, mein Herr;« jedoch verzweifelte er am Leben und weinte über die Trennung von seiner Mutter, seinen Angehörigen und seiner Heimat; voll Reue, seiner Mutter nicht gefolgt zu sein, sprach er die beiden Verse:

Schau auf deines Herrn Walten, wie es dir
Freude bringt mit nahem Trost.
Verzweifle nicht, wenn dich Gefahr bedräut;
Wie viel wunderbare Huld zeigt sich in Gefahr!«

Alsdann zogen sie weiter, bis sie zu jenem Berg gelangten und unten an seinem Fuß standen. Da gewahrte Hasan auf dem Berge ein Schloß und fragte den Magier: »Was ist das für ein Schloß?« Der Magier versetzte: »Das ist die Wohnung der Dschânn, der Ghûle und Satane.« Dann stieg er ab und befahl Hasan ein Gleiches zu thun, worauf er sich vor ihm erhob und zu ihm sagte, indem er ihm sein Haupt küßte: »Trag' mir nicht nach, was ich dir angethan habe; ich will dich behüten, wenn du zum Schloß hinaufsteigst, und du darfst mich in nichts von dem, was du von dort zu holen hast, betrügen; wir wollen es beide unter uns teilen.« Hasan versetzte: »Ich höre und gehorche.« Alsdann öffnete der Perser seinen Ranzen und holte daraus eine Mühle und etwas Weizen hervor, den er in der Mühle mahlte. Dann knetete er aus dem Mehl drei runde Brotlaibe, worauf er ein Feuer anzündete und die drei Laibe backte. Hierauf holte er wieder die kupferne Trommel und die bestickte Strippe hervor und schlug sie damit, bis die Dromedare ankamen, von denen er eines schlachtete und abhäutete. Dann wendete er sich zu Hasan und sprach zu ihm: »Höre Hasan, mein Sohn, was ich dir jetzt sagen will.« Hasan versetzte: »Schön.« Da sagte der Perser: »Krieche in diese Haut, in die ich dich einnähen werde. Wenn du dann auf der Erde liegst, werden die GeierNach der Breslauer Ausgabe: die Rochvögel. kommen und dich auf den Gipfel jenes Berges tragen. Nimm dieses Messer an dich und, so du merkst, daß die Vögel nicht mehr fliegen und dich oben niedergelegt haben, zerschneide die Haut und kriech' heraus, worauf die Vögel erschreckt fortfliegen werden. Schau dann von oben zu mir herunter und sprich zu mir, und ich will dir dann sagen, was du thun sollst.« Alsdann packte er die drei Brote und eine Lederflasche mit Wasser zu ihm in die Haut und nähte sie zu, worauf er sich entfernte. Bald darauf kamen denn auch die Geier und flogen mit ihm auf den Berg, wo sie ihn niederlegten. Sobald er dies merkte, schnitt er die Haut auf und kroch aus 146 ihr heraus, worauf er dem Magier zurief, der vor Freude hierüber tanzte und ihm zuschrie: »Sieh zu, was du hinter dir schaust, und sag' es mir.« Da ging Hasan fort und gewahrte viel verfaulendes Gebein, neben dem eine Menge Holz lag. Er teilte dem Magier alles, was er gesehen hatte, mit, worauf dieser erwiderte: »Das ist das Gewünschte und Verlangte; nimm sechs Bündel Holz und wirf sie mir zu, denn wir brauchen das Holz zur Alchimie. Als ihm nun Hasan die sechs Bündel Holz zugeworfen hatte, und der Magier sich im Besitz derselben sah, rief er Hasan zu: »Du Galgenstrick, nun ist mein Geschäft durch dich besorgt; wenn du willst, so bleib' auf dem Berg oder stürz' dich hinunter auf die Erde und komm' um.« Alsdann zog er ab, während Hasan rief: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Dieser Hund hat mich betrogen!« Dann saß er weinend über sich da und sprach die Verse:

»Wenn Gott einem Manne ein Unheil verhängt hat,
Und dieser Verstand und Ohren und Augen besitzt,
So macht er seine Ohren taub und sein Herz blind
Und zieht ihm den Verstand wie ein Haar aus,
Bis er seinen Ratschluß zu Ende geführt hat;
Dann giebt er ihm den Verstand wieder, eine Lehre daraus zu ziehen.
Frag' darum nie, wie etwas geschah,
Sondern alles geschieht nach dem Schicksal und Verhängnis.«

Siebenhundertundvierundachtzigste Nacht.

Hierauf stand er wieder auf und, sich nach rechts und links wendend, wanderte er, des Todes gewiß, oben auf dem Berge, bis er zur anderen Seite gelangte und zu Füßen des Berges ein blaues wellenbrandendes und schäumendes Meer gewahrte, von dessen Wogen eine jede so hoch wie ein großer Berg war. Da setzte er sich hin und sagte etwas aus dem Koran her, worauf er zu Gott, dem Erhabenen, betete, ihn von diesen Drangsalen zu befreien, sei es im Tod oder im Leben. Dann betete er für sich selbst das Begräbnisgebet 147 und stürzte sich ins Meer, dessen Wogen ihn in Gottes Huld auffingen, so daß er durch Gottes, des Erhabenen, Allmacht unversehrt aus dem Meere stieg. Nachdem er in seiner Freude Gott, den Erhabenen, gelobt und ihm gedankt hatte, erhob er sich und suchte nach etwas Eßbarem, wobei er zu dem Platz gelangte, an dem er sich mit dem Magier Bahrâm befunden hatte. Dann wanderte er weiter, bis er nach einer Weile zu einem hohen, in den Himmel ragenden Schloß gelangte; und siehe, da war es dasselbe Schloß, nach dem er den Magier gefragt hatte, worauf ihm derselbe erwidert hatte, sein Feind wohne darin. Da sprach Hasan bei sich: »Bei Gott, ich muß in dies Schloß treten, vielleicht finde ich dort Trost.« Wie er nun an dasselbe herankam und sein Thor offen stehen sah, trat er ein und gewahrte in der Vorhalle eine Steinbank, auf welcher zwei Mädchen gleich Monden saßen, vor denen ein Schachbrett stand, auf dem sie spielten. Bei seinem Erscheinen hob die eine den Kopf und rief erfreut: »Bei Gott, das ist ein Mensch, und ich glaube, es ist derselbe, den der Magier Bahrâm in diesem Jahr hierher gebracht hat.« Als Hasan ihre Worte vernahm, warf er sich ihr bitterlich weinend vor die Füße und rief: »Ja, meine Herrin, ich bin der Unglückliche,« worauf das jüngere Mädchen zu seiner älteren Schwester sagte: »Sei Zeugin wider mich, daß dieser nach Bund und Eid vor Gott mein Bruder ist, dessen Tod mein Tod, dessen Leben mein Leben und dessen Freud und Leid meine Freude und mein Leid ist.« Hierauf erhob sie sich und, ihn umarmend und küssend, faßte sie ihn bei der Hand und führte ihn, begleitet von ihrer Schwester, ins Schloß, wo sie ihm seine zerlumpten Sachen auszog und ihm dafür einen königlichen Anzug brachte, in den sie ihn kleidete. Dann machte sie ihm ein Mahl aus allerlei Gerichten zurecht und setzte es ihm vor, worauf sie sich mit ihrer Schwester zu ihm setzte und mit ihm aß. Beim Essen sprachen sie zu ihm: »Erzähl' uns, wie es dir mit dem gemeinen Zauberer erging von der Zeit 148 an, daß du in seine Hände fielst, bis du von ihm freikamst; wir wollen dir dann auch unsere Geschichte mit ihm von Anfang bis zu Ende erzählen, daß du auf der Hut bist, wenn du ihn wieder siehst.« Als Hasan diese Worte von ihnen vernahm, und die Freundlichkeit sah, mit der sie ihn aufnahmen, beruhigte sich sein Herz und, wieder zu Sinnen kommend, erzählte er ihnen seine ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende, worauf sie ihn fragte: »Hast du ihn nach diesem Schloß gefragt?« Er antwortete: »Jawohl, ich fragte ihn danach, und er gab mir zur Antwort: »Ich liebe es nicht von ihm zu sprechen, denn das Schloß gehört den Satanen und Teufeln.« Da ergrimmten die beiden Mädchen gewaltig und riefen: »Wie? Dieser Kâfir hat uns zu Satanen und Teufeln gemacht?« Hasan versetzte: »Jawohl,« worauf die jüngere, Hasans Schwester, erwiderte: »Bei Gott, ich lasse ihn des schimpflichsten Todes sterben und nicht mehr atmen den Zephyr der Welt!« Hasan fragte sie darauf: »Und wie willst du zu ihm gelangen und ihn töten?« Sie versetzte: »Er befindet sich jetzt in einem Garten, genannt der Hochgebaute, und ich muß ihn in kürzester Frist umbringen.« Ihre Schwester aber sagte: »Hasan hat in allem, was er uns von diesem Hund erzählt hat, die Wahrheit gesprochen; jedoch erzähl' ihm jetzt unsere ganze Geschichte, daß sie in seinem Gedächtnis bleibt.« Hierauf erzählte die Jüngere: »Wisse, mein Bruder, wir sind Königstöchter, und unser Vater ist einer der mächtigen Dschânnkönige, der Mâride zu Truppen, Garden und Dienern hat, und Gott, der Erhabene, schenkte ihm sieben Töchter von einer Frau; jedoch ist er über die Maßen einfältig, eifersüchtig und hochmütig, daß er uns mit keinem Mann vermählen wollte, sondern seine Wesire und Gefährten versammelte und zu ihnen sprach: »Könnt ihr mir einen Ort nennen, zu dem kein Wanderer, sei es Mensch oder Dschinnī, gelangt, und der reich ist an Bäumen, Früchten und Bächen?« Sie versetzten: »Was willst du mit ihm thun, o König der Zeit?« Er erwiderte: »Ich 149 will dort meine sieben Töchter unterbringen.« Da entgegneten sie: »O König, für sie ist das Schloß des Wolkenbergs geeignet, das ein Ifrît von den abtrünnigen Mâriden, die sich wider den Bund mit Salomo – Frieden sei auf ihm! – empörten, erbaute. Seit seinem Untergang hat dort weder ein Dschinnī noch ein Mensch gehaust, da es abgeschnitten von aller Welt liegt, so daß niemand zu ihm gelangt; dasselbe ist von Bäumen, Früchten und Bächen umgeben und von Wasser umströmt, süßer als Honig und kälter als Schnee, und wer von ihm trinkt und mit Aussatz, Elefantiasis oder irgend einer anderen Krankheit behaftet ist, wird zur selbigen Zeit und Stunde gesund.« Als unser Vater dies vernahm, schickte er uns in Begleitung seiner Reisigen und Mannen hierher, indem er uns alles, dessen wir bedürfen, mitgab. Wenn er zu uns reiten will, so schlägt er die Trommel, worauf alle Reisigen vor ihm erscheinen, und sucht sich die, auf denen er reiten will, aus, den Rest zurückschickend. Will er aber, daß wir ihn besuchen, so befiehlt er den Zauberern, seinen Dienern, uns zu holen, worauf sie zu uns kommen und uns zu ihm bringen, damit wir ihm Gesellschaft leisten und unsere Sehnsucht an ihm stillen, bis er uns wieder zu unserm Wohnort zurückschickt. Unsere andern fünf Schwestern sind jetzt in diese Wüste hier auf Jagd ausgezogen, denn es giebt hier zahlloses Wild, und immer zwei von uns müssen abwechselnd zu Hause bleiben, das Mahl zurechtzumachen. Da diesmal die Reihe an meiner Schwester und mir war, blieben wir zu Hause und beteten zu Gott, – Preis Ihm, dem Erhabenen! – uns ein menschliches Wesen zur Gesellschaft zu schicken. Gelobt sei Gott, der dich zu uns gesandt hat, und du sei guten Mutes und kühlen Auges, denn es soll dir nichts geschehen.« Da sprach Hasan erfreut: »Gelobt sei Gott, der uns auf den Weg der Befreiung geführt und die Herzen geneigt gemacht hat!« Alsdann erhob sich die Jüngere, faßte ihn bei der Hand und führte ihn in ein Gemach, wo sie für ihn Linnen und Decken, 150 Teppiche und Kissen hervorholte, wie kein Mensch dergleichen beschaffen konnte. Nach einer Weile kehrten ihre Schwestern von der Jagd zurück, worauf sie ihnen Hasans Geschichte erzählten. Erfreut über ihn, besuchten sie ihn in seinem Zimmer, und begrüßten ihn, ihn zu seiner Rettung beglückwünschend.

Hierauf verweilte er bei ihnen und führte das angenehmste und fröhlichste Leben, indem er mit ihnen auf Jagd auszog und die Beute schlachtete, und in traulicher Geselligkeit mit ihnen die Zeit verbrachte, bis er wider genas und sein Kummer wich, und er von der guten Behandlung und dem Leben bei ihnen stark und dick und fett ward; indem er sich mit ihnen in dem glänzenden Schloß und den Blumengärten belustigte und ergötzte, während sie ihm stets freundliche und gütige Worte gaben, wich all seine Kümmernis, und er hatte noch größere Freude an ihnen, wie sie an ihm. Die jüngste aber der Schwestern erzählte den andern von dem Magier Bahrâm, wie er sie zu Satanen, Teufeln und Ghûlen gemacht hatte, und alle schwuren ihr ihn umzubringen.

Im folgenden Jahre nun kam der Verruchte mit einem hübschen Jüngling wieder, einem Moslem gleich dem Mond, den er gefesselt hatte und auf die grausamste Weise folterte. Er machte unter dem Schloß, in dem Hasan bei dem Mädchen weilte, Halt, als Hasan gerade am Fluß unter den Bäumen saß. Sobald Hasan seiner gewahr wurde, pochte sein Herz und er wechselte die Farbe. Die Hände zusammenschlagend, –

Siebenhundertundfünfundachtzigste Nacht.

sagte er zu den Prinzessinnen: »Bei Gott, meine Schwestern, helft mir jenen Verruchten umbringen, denn da ist er in eurer Hand, und er hat einen Jüngling von den Söhnen vornehmer Moslems bei sich und foltert ihn mit allerlei schmerzlichen Foltern. Ich will ihn erschlagen und mein Herz an ihm heilen; indem ich diesen moslemischen 151 Jüngling von seinen Foltern befreie und nach seiner Heimat zu seinen Brüdern, Angehörigen und Lieben zurückschicke, verdiene ich mir einen Lohn im Jenseits, und von euch ist's ein Almosen, und Gottes, des Erhabenen, Lohn wird euch zum Gewinn.« Die Mädchen versetzten: »Wir hören und gehorchen Gott und dir, o Hasan.« Alsdann schlugen sie sich den Lithâm vors Gesicht und wappneten sich und hängten sich die Schwerter um, worauf sie für Hasan eines der besten Prachtrosse holten und ihn wappneten und mit hübscher Wehr ausrüsteten. Dann brachen sie auf und trafen den Magier gerade an, wie er das Kamel abhäutete und den Jüngling züchtigte und ihm befahl: »Kriech' in diese Haut hinein.« Da kam Hasan von hinten auf den Magier los, ohne daß dieser eine Ahnung von ihm hatte und schrie ihn an, daß er verwirrt wurde und den Kopf verlor. Dann ritt er an ihn heran und rief: »Halt ein, du Verruchter! Du Feind Gottes und der Moslems! Du Hund! Du Verräter! Du Feueranbeter, der du auf der Missethäter Wegen wandelst! Dienst du dem Feuer und dem Licht und schwörst bei dem Schatten und der Hitze?« Als sich nun der Magier umwendete und Hasan erblickte, sprach er: »Mein Sohn, wie bist du entronnen, und wer hat dich zur Erde heruntergebracht?« Hasan erwiderte: »Mich hat Gott errettet, der dein Leben in die Hand deiner Feinde gegeben hat; und ich will dich foltern, wie du mich den ganzen Weg über gefoltert hast. Du Kâfir, du Manichäer, nun bist du in die Klemme geraten und vom Wege abgekommen, und weder Mutter noch Bruder noch heiliger Eid sollen dir helfen. Du sagtest: Wer Brot und Salz verrät, den soll Gott rächen; du selber aber verrietest Brot und Salz, und nun ließ dich Gott in meine Hand fallen, und dein Entkommen aus meiner Hand ist in weitem Feld.« Da sagte der Magier zu ihm: »Bei Gott, mein Sohn, du bist mir lieber als mein Leben und mein Augenlicht.« Hasan versetzte ihm jedoch schnell einen Schwertstreich auf die Schulter, daß das Schwert 152 blitzend aus seinen Halssehnen fuhr, und Gott jagte seine Seele ins höllische Feuer, – eine schlimme Behausung! Alsdann öffnete Hasan den Ranzen des Magiers und, die Trommel und Strippe daraus hervorholend, schlug er dieselbe mit der Strippe, worauf die Dromedare wie der Blitz hergelaufen kamen. Dann befreite er den Jüngling von seinen Fesseln und sprach zu ihm, nachdem er ihn auf eines derselben hatte steigen lassen und das andere mit Kost und Wasser beladen hatte: »Zieh hin, wo du willst.« Und so zog er ab, nachdem ihn Gott durch Hasans Hand aus seiner Gefahr befreit hatte. Als aber die Mädchen sahen, wie Hasan den Magier durch einen Nackenstreich niederschlug, freuten sie sich mächtig und, ihn von allen Seiten umringend und wegen seiner Tapferkeit und Kühnheit bewundernd, dankten sie ihm für seine Heldenthat und wünschten ihm Glück für sein heiles Davonkommen, indem sie zu ihm sprachen: »O Hasan, du hast eine That gethan, durch die du den Rachedurst gestillt und den hochherrlichen König zufriedengestellt hast.« Hierauf kehrte er mit den Mädchen ins Schloß zurück und verbrachte bei ihnen bei Speise und Trank und Spiel und Lachen die Zeit; und das Leben bei ihnen gefiel ihm so gut, daß er seine Mutter vergaß.

Während er aber bei ihnen das herrlichste Leben führte, erhob sich eines Tages in der Steppe eine große Staubwolke, welche die Luft verfinsterte, worauf die Mädchen zu ihm sagten: »Steh' auf, Hasan, begieb dich in dein Gemach und versteck' dich. Hast du Lust, so geh in den Garten und verbirg dich zwischen den Bäumen und Reben; und sei unbesorgt.« Da erhob er sich und begab sich in sein Gemach, das er hinter sich von innen verriegelte. Nach einer Weile zerteilte sich die Staubwolke, und es erschien unter ihr ein reisiges Heer gleich der brandenden Flut, das von dem König, dem Vater der Mädchen, kam. Als die Truppen anlangten, nahmen sie dieselben aufs beste auf und bewirteten sie drei Tage lang, worauf sie sie fragten, wie es ihnen erginge, und 153 was sie wollten. Sie erwiderten: »Wir sind vom König ausgeschickt euch zu holen.« Da fragten sie: »Was wünscht der König von uns?« Sie entgegneten: »Einer der Könige richtet ein Hochzeitsfest aus, und euer Vater wünscht, daß ihr an demselben teilnehmt und euch vergnügt.« Nun fragten die Mädchen: »Und wie lange werden wir von hier fortbleiben?« Sie antworteten: »Die Reise hin und zurück und der Aufenthalt werden zwei Monate in Anspruch nehmen.« Da erhoben sich die Mädchen und begaben sich zu Hasan ins Schloß; sie teilten ihm die Sache mit und sagten zu ihm: »Dieser Ort ist dein Ort, und unser Haus ist dein Haus; sei nur guten Mutes und kühlen Auges, fürchte dich nicht und sei ohne Kummer, denn niemand kann hierher zu uns gelangen. Sei ruhigen Herzens und frohen Gemüts, bis wir wieder zu dir zurückkehren, und nimm die Schlüssel für unsere Zimmer an dich; jedoch, o Bruder, bitten wir dich bei der Brüderschaft, daß du die Thür hier nicht öffnest, denn du hast keine Ursache dazu.« Hierauf verabschiedeten sie sich von ihm und zogen mit den Truppen ab, während Hasan allein im Schloß zurückblieb. Nach kurzer Zeit aber wurde ihm die Brust beklommen und seine Geduld ging ihm aus; sein Kummer und das Gefühl der Verlassenheit nahmen zu, tiefe Trauer erfaßte ihn über die Trennung von ihnen, das Schloß ward ihm bei aller seiner Geräumigkeit eng, und, sich allein und verlassen fühlend, sprach er in Erinnerung an sie die Verse:

»Das ganze Gefild ist eng in meinen Augen,
Und mein Gemüt wird ganz und gar von ihm getrübt.
Seitdem die Lieben fortzogen, ist meine Freude gestört,
Und meine Augen strömen von Thränen über.
Der Schlaf ist von meinen Augen seit der Trennung von ihnen gewichen,
Und mein ganzes Inneres ist verstört.
Ob wohl die Zeit uns wieder vereinen wird,
Und mir wieder bringt ihre Gesellschaft und nächtliche Unterhaltung?« 154

Siebenhundertundsechsundachtzigste Nacht.

Alsdann zog er allein in die Steppen auf die Jagd und brachte die Beute heim, sie allein schlachtend und essend. Da aber sein Gefühl der Verlassenheit und seine Unruhe über seine Einsamkeit immer mehr zunahmen, erhob er sich und durchwanderte das Schloß, wobei er alle Teile desselben durchsuchte und die Gemächer der Mädchen öffnete, in denen er soviel Schätze sah, daß sie den Verstand des Beschauers raubten; jedoch hatte er an alledem wegen ihrer Abwesenheit keine Freude, und in seinem Herzen entbrannte ein Feuer wegen der Thür, der zu nahen ihm seine Schwester verboten hatte, geschweige denn gar sie je zu öffnen. Und so sprach er bei sich: »Meine Schwester hat mir nur deshalb verboten die Thür zu öffnen, weil sich hinter ihr etwas befindet, das niemand sehen soll; aber, bei Gott, ich will mich aufmachen, sie öffnen und zuschauen, was darinnen ist, und wäre es mein Tod!« Hierauf nahm er den Schlüssel und öffnete die Thür; doch fand er in ihr kein Geld, sondern gewahrte nur im Hintergrund des Raumes eine von jemenischem Onyx überwölbte Treppe. Da stieg er die Treppe empor, bis er auf die Dachterrasse des Schlosses gelangte; auf derselben umhergehend, blickte er hinunter und sah zu Füßen des Schlosses Felder, Gärten, Blumen, Tiere und singende Vögel, die Gott, den Einigen, den Allbezwinger, lobpreisten. Indem er diesen Lustgarten betrachtete, sprach er bei sich: »Das also war's, was sie mir verbot.« Dann gewahrte er ein wogendes, wellenbrandendes Meer, und so durchforschte er das ganze Schloß nach rechts und links, bis er schließlich zu einem auf vier Säulen ruhenden Pavillon gelangte, der immer abwechselnd aus einem Stein von Gold, einem von Silber, einem von Hyazinth und einem von grünem Smaragd erbaut war. In dem Pavillon fand er ein Zimmer, das mit allerlei edeln Gesteinen, wie Hyazinthen, Smaragden, Ballasrubinen und andern Juwelen verziert war, und 155 mitten im Pavillon befand sich ein Teich voll Wasser, über dem sich ein Gitterwerk aus Sandelholz und Aloe erhob, mit Stäben von rotem Gold und grünem Smaragd und besetzt mit allerlei Juwelen und Perlen, von denen jedes Stück so groß wie ein Straußenei war. Über dem Teich stand ein Thron aus Aloeholz, der mit Perlen und Edelsteinen besetzt und mit Stäben von rotem Gold vergittert war; allerlei bunte Edelsteine und kostbare Mineralien waren in ihn eingelegt, und zwar in der Art, daß immer die gleichen Steine einander entsprachen. Rings um den Thron sangen die Vögel in allerlei Weisen und lobpreisten Gott, den Erhabenen, mit schönen Stimmen und in mannigfachen Melodien; kurz, kein Kisrā oder Kaiser besaß einen gleichen Pavillon, so daß sich Hasan, verwirrt von dem, was er sah, in den Pavillon setzte und seine Blicke voll Verwunderung über seine schöne Bauart und den Glanz der Perlen und Hyazinthen warf, und all die kunstvollen Sachen in ihm anstaunte, sowie die Felder und die Vögel, die Gott, den Einigen, den Allbezwinger, lobpreisten, wobei er die Spuren dessen, dem Gott, der Erhabene, zur Erbauung dieses prächtigen Pavillons Macht gegeben hatte, bewunderte, – denn in der That war es ein prächtiger Bau. – Da sah er mit einem Male von der Landseite her zehn Vögel auf den Pavillon und den Teich zugeflogen kommen. Als Hasan dies gewahrte und merkte, daß sie von dem Wasser des Teichs trinken wollten, verbarg er sich vor ihnen, damit sie ihn nicht sähen und vor ihm flöhen. Hierauf ließen sich die Vögel auf einen großen und hübschen Baum nieder und umkreisten ihn, und unter ihnen gewahrte er einen großen und hübschen Vogel, der der schönste von allen war, und den die andern dienstbar umgaben; und voll Verwunderung schaute Hasan aus der Ferne, wie er die andern mit seinem Schnabel pickte und sie tyrannisierte, daß sie vor ihm flohen. Alsdann setzten sie sich auf den Thron, und jeder Vogel zerriß mit seinen Krallen seine Haut und schlüpfte aus ihr hervor; und 156 siehe, da waren es Federkleider, aus denen zehn jungfräuliche Mädchen zum Vorschein kamen, die mit ihrer Schönheit den Glanz des Mondes beschämten. Als sie alle aus ihren Federkleidern geschlüpft waren, stiegen sie in den Teich und badeten sich, miteinander spielend und scherzend, wobei der oberste Vogel sie niederwarf und untertauchte, während sie vor ihm flohen und nicht wagten, die Hand nach ihm auszustrecken. Als Hasan dieses Mädchen sah, verlor er den Verstand und seine fünf Sinne und erkannte, daß die Mädchen ihm nur aus diesem Grunde die Öffnung der Thür verboten hatten; denn er verliebte sich leidenschaftlich in sie, als er sie in ihrer Schönheit und Anmut und ihrem ebenmäßigen Wuchs mit den andern spielen und scherzen und sie besprengen sah. Er stand da und schaute ihnen seufzend zu, daß er nicht bei ihnen sein konnte; sein Verstand verwirrte sich von der Schönheit des vornehmsten Mädchens, sein Herz ward in dem Netz der Liebe verstrickt und gefangen, sein Auge schaute nur, in seinem Herzen entbrannte ein Feuer, und seine Seele war bereit zum Bösen. Aus Sehnsucht nach ihrer Schönheit und Anmut weinte er, sein Herz verzehrte sich in Gluten nach ihr, und es entbrannte in ihm eine Flamme mit unauslöschlichen Funken und eine nicht zu verbergende Sehnsucht.

Hiernach stiegen die Mädchen wieder aus dem Teich, während Hasan ihnen unbemerkt zuschaute und sich über ihre Schönheit und Anmut und ihr holdes Wesen verwunderte. Eine jede von ihnen zog nun ihre Kleider und ihren Schmuck an, und das vornehmste Mädchen kleidete sich in ein grünes Gewand, in dem sie alle die Schönen der Welt an Anmut übertraf, während der Glanz ihres Angesichts die leuchtenden Vollmonde überstrahlte, und ihre Bewegungen das schwankende Reis beschämten. 157

Siebenhundertundsiebenundachtzigste Nacht.

Alsdann setzten sich die Mädchen und plauderten und lachten miteinander, während Hasan ihnen zuschaute, versunken im Meer der Liebe und verirrt im Wadi seiner Kümmernis, wobei er bei sich sprach: »Bei Gott, nur wegen dieser Mädchen verbot mir meine Schwester die Thür zu öffnen, aus Furcht, ich könnte mich ich eine derselben verlieben.« Hierauf betrachtete er wieder die Reize des Mädchens, das das schönste der Geschöpfe Gottes in seiner Zeit war und alle menschlichen Wesen mit seiner Schönheit übertraf. Sie hatte einen Mund gleich dem Siegelring Salomos, ihr Haar war schwärzer als die Nacht der Entfremdung von der Geliebten für den Bekümmerten, Liebeverstörten, ihre Stirn glich der Mondsichel am Fest des Ramadâns, ihre Augen waren wie Gazellenaugen, ihre Adlernase schimmerte hell, ihre Wangen waren rot wie Noomânsanemonen, ihre Lippen glichen Korallen, ihre Zähne schimmerten wie Perlen auf güldene Schnüre gereiht, ihr Hals war wie ein Silberbarren auf einer Statue gleich einem Bânzweig, ihr Leib war voll Falten, einen Liebeskranken zur Anbetung Gottes zu zwingen, ihr Nabel konnte eine Unze Moschus von süßem Wohlgeruch enthalten, ihre Schenkel waren dick und fett und glichen zwei marmornen Säulen oder zwei mit Straußenfedern gepolsterten Kissen; so übertraf sie an Schönheit und Wuchs das Reis des Bân und das Bambusrohr.

Die Mädchen hörten nicht eher auf zu spielen und zu lachen, während Hasan ihnen zuschaute und Speise und Trank vergaß, bis die Zeit des Nachmittagsgebets nahte, worauf das Mädchen zu ihren Gefährtinnen sagte: »Ihr Königstöchter, es wird spät, unser Land ist fern, und wir sind dieser Stätte überdrüssig. Kommt und laßt uns heimkehren.«

Alsdann erhoben sich alle und zogen wieder ihr Federkleid an, worauf sie wieder zu Vögeln wurden wie zuvor und mit ihrer Herrin in der Mitte fortflogen. Hasan, der an ihrer Wiederkehr verzweifelte, wollte nun aufstehen und 158 hinuntersteigen, doch vermochte er sich nicht zu erheben, und unter strömenden Thränen und übermannt von Sehnsucht klagte er sein Leid in Versen.In dieser Erzählung giebt die Übersetzung nur den kleineren Teil der eingelegten Verse wieder. Dann schritt er ganz langsam, ohne auf den Weg zu achten, von dem Schloß hinunter, bis er zur Thür seines Gemaches gelangte, die er hinter sich verschloß, worauf er sich krank niederlegte und, im Meer der Kümmernisse versunken, weder aß noch trank, sondern über sich bis zum Morgen weinte und jammerte und Verse sprach. Bei Sonnenaufgang öffnete er dann wieder die Thür seines Gemachs und stieg hinauf zu dem Platz, an dem er tags zuvor gewesen war, wo er sich gegenüber dem Belvedere niedersetzte und bis zur Nacht wartete, ohne daß einer der Vögel gekommen wäre. Hierbei weinte er bitterlich, bis er ohnmächtig zu Boden sank. Als er wieder zu sich kam, schleppte er sich von dem Schloß in der Nacht herunter, und die ganze Welt ward ihm eng, so daß er wieder die ganze Nacht über sich weinte und jammerte, bis der Morgen anbrach und die Sonne ihren Schein auf die Hügel und in die Gründe warf. Er aß und trank weder noch schlief er; am Tage fand er in seiner Verstörtheit keine Ruhe, und des Nachts lag er schlaflos, betäubt und trunken von Kümmernis und übermäßiger Sehnsucht da und sprach die Verse des liebeverstörten Dichters:

O du, die du die leuchtende Morgensonne verdunkelst
Und das Reis beschämst, ohne es zu wissen,
Werden die Tage dich noch einmal gütig herführen
Und die Flammen auslöschen, die in meinem Herzen brennen?
Und werden wir dann beim Wiedersehen Arm in Arm ruhen,
Und Wange an Wange und Brust an Brust?
Wer sagt, daß in der Liebe Süßigkeit sei?
Die Liebe hat Tage, die bitterer sind als Aloe.«

Siebenhundertundachtundachtzigste Nacht.

Während nun Hasan in dieser Weise einsam und ohne Gesellschafter im Schloß saß und von übermäßigen 159 Liebesqualen gefoltert ward, erhob sich mit einem Male von der Steppe her eine Staubwolke, worauf er vom Dach herunterlief und sich versteckte, da er erkannte, daß die Herrinnen des Schlosses nunmehr zurückgekehrt waren. In kürzester Frist rückten denn auch die Truppen an und lagerten sich rings um das Schloß, worauf die sieben Mädchen abstiegen und ins Schloß gingen, wo sie Wehr und Waffen ablegten. Das jüngste Mädchen aber, Hasans Schwester, ging, ohne ihre Wehr abzulegen, nach Hasans Gemach und suchte nach ihm, als sie ihn dort nicht fand, bis sie ihn in einem der Zimmer des Schlosses krank, abgemagert, verzehrten Leibes, mit gelber Farbe und eingesunkenen Augen vorfand, da er in seiner Liebeskrankheit weder gegessen noch getrunken, sondern fortwährend geweint hatte. Als ihn seine Schwester die Dschinnîje in diesem Zustand gewahrte, fragte sie ihn bestürzt und verstört, wie es ihm ginge, was ihm fehle, und was ihm widerfahren sei, indem sie zu ihm sprach: »O mein Bruder, sag' es mir an, damit ich Mittel und Wege ersinne, dein Leid zu verscheuchen, und sollte ich mich auch für dich opfern.« Da weinte Hasan bitterlich und sprach die Verse:

»Einem Liebenden, der von seiner Geliebten getrennt ist,
Verblieb nichts als Kümmernis und Leid.
Innen verzehrt ihn Krankheit und außen steht er in Glut;
Sein Anbeginn ist Erinnerung und sein Ende Gram.«

Als seine Schwester dies vernahm, verwunderte sie sich über seine beredten und gewandten und schönen Worte und über seine Antwort in Versen; dann aber fragte sie ihn: »Mein Bruder, wann betraf dich dieser Zustand, daß ich dich in Versen sprechen und Thränen in Strömen vergießen sehe? Um Gott, mein Bruder, und bei der heiligen Liebe, die zwischen uns besteht, sag' mir, wie es um dich steht, teile mir dein Geheimnis mit und verbirg mir nichts von dem, was dir während unserer Abwesenheit zustieß; denn meine Brust ist beklommen, und mein Leben ist um deinetwillen verdüstert.« Da seufzte Hasan und antwortete unter Thränen, 160 die ihm wie Regengüsse entströmten: »Ich fürchte, meine Schwester, wenn ich dir's sage, hilfst du mir nicht zu meinem Wunsch, sondern lässest mich in meinen Ängsten elendiglich sterben.« Da versetzte sie: »Nein, bei Gott, mein Bruder, ich verlasse dich nicht, und sollte es mein Leben kosten!« Hierauf erzählte Hasan ihr, wie es ihm ergangen war, und was er nach dem Öffnen der Thür gesehen hatte; er teilte ihr mit, daß die Ursache seines Kummers und Leids seine Liebe zu dem Mädchen wäre, in der er seit zehn Tagen weder Speise noch Trank zu sich genommen hätte. Dann weinte er bitterlich und sprach die beiden Verse:

»Gebt mir mein Herz wieder, wie es war in meiner Brust,
Lasset meine Augen wieder schlafen und verlasset mich dann;
Glaubt ihr, die Nächte hätten den Bund der Liebe verändert?
Ach, wer sich ändert, der sei nicht mehr!«

Da weinte seine Schwester über seine Thränen und sprach zu ihm, gerührt von seinem Zustand und von Mitleid erfaßt für seine Fremdlingschaft: »Mein Bruder, sei guten Mutes und kühlen Auges; ich will mein Leben für dich wagen und mich selber für dich opfern, um dich zufrieden zu stellen und ein Mittel für dich ausfindig zu machen, durch das du deinen Wunsch erreichst, sofern es Gott will, der Erhabene. Jedoch rate ich dir, mein Bruder, das Geheimnis vor meinen Schwestern zu hüten und keiner deinen Zustand merken zu lassen, da es sonst dein und mein Leben kosten könnte. Wenn sie dich also fragen, ob du die Thür geöffnet hast, so sprich zu ihnen: »Nein, durchaus nicht; mein Herz war zu bekümmert wegen eurer Abwesenheit und meiner Verlassenheit hier im Schloß und der Sehnsucht nach euch.« Hasan erwiderte: »Schön; das ist das Rechte.« Alsdann küßte er ihr leichten Herzens und frei um die Brust das Haupt, da er halbtot aus Furcht vor ihr gewesen war, daß er die Thür geöffnet hatte, und nun wieder neues Leben in sich verspürte. Er bat seine Schwester um etwas Essen, worauf sie ihn verließ und betrübt und weinend über ihn 161 zu ihren Schwestern zurückkehrte, die sie fragten, was ihr fehlte. Sie antwortete ihnen, ihr Gemüt sei über ihren Bruder bekümmert, der krank sei und seit zehn Tagen keine Speise zu sich genommen habe. Als sie sie nun nach der Ursache seiner Krankheit fragten, sagte sie: »Unsere Abwesenheit ist schuld daran, da wir ihn vereinsamt machten; die Tage unserer Abwesenheit sind ihm länger als tausend Jahre vorgekommen, und er ist zu entschuldigen, da er fremd ist, und wir ihn allein ließen, ohne jemand, der ihm Gesellschaft leistete oder ihm Trost zusprach. Überdies ist er noch sehr jung, und vielleicht gedachte er auch seiner Angehörigen und seiner alten Mutter, und glaubte, sie weine Tag und Nacht über ihn und gräme sich über ihn; und wir trösteten ihn durch unsere Gesellschaft, daß er ihrer vergaß.« Als ihre Schwestern ihre Worte vernahmen, weinten sie aus Mitgefühl für ihn und sagten: »Bei Gott, er ist zu entschuldigen.« Nachdem sie dann zu den Truppen herausgegangen waren und sie entlassen hatten, begaben sie sich zu Hasan und begrüßten ihn; als sie aber sahen, daß seine Schönheit gewichen, seine Farbe gelb geworden war und sein Leib sich verzehrt hatte, weinten sie aus Mitleid über ihn und, sich zu ihm setzend, leisteten sie ihm Gesellschaft und trösteten sein Herz mit ihrem Geplauder, indem sie ihm alle die Wunderdinge und Merkwürdigkeiten und alles, was sich zwischen dem Bräutigam und der Braut zugetragen hatte, erzählten. Sie blieben einen ganzen Monat lang bei ihm und gaben ihm liebe Worte, während seine Krankheit von Tag zu Tag wuchs; so oft sie ihn aber in seinem Zustand sahen, weinten sie bitterlich über ihn, und am bitterlichsten die jüngste von ihnen. Nach Verlauf des Monats bekamen die Mädchen wieder Verlangen nach der Jagd und fragten deshalb die Jüngste, ob sie mit ihnen ausreiten wolle; sie erwiderte ihnen jedoch: »Bei Gott, meine Schwestern, ich vermag nicht eher mit euch auszuziehen, wo es meinem Bruder so elend ergeht, als bis er wieder gesund ist, und die Schmerzen ihn verlassen 162 haben. Ich will bei ihm bleiben und ihn pflegen.« Als sie ihre Worte vernahmen, lobten sie sie für ihre Hochherzigkeit und sprachen zu ihr: »Für alles, was du diesem Fremdling anthust, wirst du deinen Lohn erhalten.« Alsdann ließen sie ihre Schwester im Schloß zurück und ritten fort, nachdem sie sich mit Proviant für zehn Tage versorgt hatten.

Siebenhundertundneunundachtzigste Nacht.

Als nun die Jüngste wußte, daß ihre Schwestern einen weiten Weg vom Schloß durchmessen hatten, suchte sie ihren Bruder auf und sprach zu ihm: »Mein Bruder steh' auf und zeig' mir den Ort, wo du die Mädchen sahst.« Da sagte er: »Im Namen Gottes, auf mein Haupt!« und freute sich über ihre Worte, indem er nunmehr feste Zuversicht für die Erlangung seines Wunsches hegte. Als er sich aber erheben wollte, um mit ihr fortzugehen und ihr den Ort zu zeigen, vermochte er nicht zu gehen, so daß sie ihn an ihre Brust nahm und auf das Schloß trug, von wo er ihr den Pavillon, das Gemach und den Teich zeigte. Darauf sagte sie zu ihm: »Mein Bruder, beschreib' mir, wie sie herkamen.« Da beschrieb er ihr alles, was er von ihnen erschaut hatte, besonders aber das Mädchen, in das er sich verliebt hatte. Als sie seine Worte vernommen hatte, erkannte sie sie an der Beschreibung, worauf ihr Gesicht gelb ward, und ihr ganzer Zustand sich veränderte, so daß Hasan zu ihr sagte: »Meine Schwester, weshalb ist dein Gesicht so gelb geworden, und was verändert dich so gänzlich?« Sie erwiderte: »O mein Bruder, wisse, jenes Mädchen ist die Tochter eines der mächtigsten Könige der Dschânn, deren Vater über Menschen und Dschânn, Zauberer und Wahrsager, Dschinnstämme und Aune und Länder und Städte in Menge waltet. und reich ist an Geld und Gut. Unser Vater ist nur einer seiner Vicekönige, und niemand vermag etwas wider ihn wegen der Anzahl seiner Truppen und wegen der Größe seines Reiches und der Menge seines Geldes und Guts. Seinen 163 Kindern, den Mädchen, die du sahst, hat er ein Gebiet von der Länge und Breite einer vollen Jahresreise gegeben, das von einem großen Strom umgeben ist, so daß niemand, sei es Mensch oder Dschinnī, zu ihnen gelangen kann. Er hat fünfundzwanzigtausend Töchter, alles schwert- und lanzenkundige Mädchen, von denen jedes zu Roß und in Wehr und Waffen tausend tapfere Degen besteht. Sieben aber unter seinen Töchtern übertreffen noch alle andern an Tapferkeit und Ritterschaft, von denen er die älteste, die du sahst, zur Herrin über das Land einsetzte, die an Tapferkeit, Ritterschaft, an Trug, List und Zauberei alles Volk ihres Königreiches übertrifft. Die andern Mädchen, die du bei ihr sahst, sind die Großen ihres Reiches, ihre Garden und Vertrauten, und die Federkleider, mit denen sie fliegen, sind das Werk der Zauberer unter den Dschânn. Wenn du nun dieses Mädchen in deinen Besitz bekommen und heiraten willst, so sitz' hier und warte auf sie, da sie am ersten jedes Monats hierher kommen. Wenn du sie kommen siehst, so verbirg dich und gieb ja acht, daß du nicht gesehen wirst, da wir sonst allesamt unser Leben verlieren. Noch einmal, achte ja auf meine Worte und bewahr' sie in deinem Herzen: verbirg dich in ihrer Nähe, wo du sie ungesehen von ihnen sehen kannst, und, so sie ihre Kleider ausgezogen haben, so wirf deinen Blick auf das Federkleid der ältesten, die dein Begehr ist, und nimm dieses ganz allein, da sie allein in ihm in ihr Land heimkehrt. Hast du ihr Federkleid in Besitz, so hast du sie selber in deiner Hand. Hüte dich jedoch, dich von ihr betrügen zu lassen, wenn sie zu dir sagt: »O du, der du mein Kleid gestohlen hast, gieb es mir wieder, denn siehe, ich bin in deiner Hand und in deinem Besitz.« Giebst du ihr das Federkleid zurück, so tötet sie dich und zertrümmert den ganzen Palast über uns und bringt unsern Vater um. Beherzige also, wie es mit dir steht, und was du zu thun hast. Wenn nun ihre Schwestern sehen, daß ihr Federkleid gestohlen ist, werden sie fortfliegen und sie allein 164 zurücklassen; geh' dann zu ihr hinein, pack' sie an ihren Haaren und reiß' sie an dich; und so hast du sie in deinem Besitz und in deiner Gewalt. Gieb aber auch nachher wohl acht auf das Federkleid, denn so lange du es bei dir hast, ist sie in deiner Hand und deine Gefangene, da sie nur vermittelst des Federkleides in ihr Land zurückfliegen kann. Und, so du sie gefangen genommen hast, lad' sie auf und trag' sie in dein Gemach, ohne ihr mitzuteilen, daß du ihr Federkleid nahmst.«

Als Hasan die Worte seiner Schwester vernommen hatte, ward sein Herz guter Dinge, und sein Gemüt beruhigte sich, daß alle seine Schmerzen wichen. Er erhob sich und küßte seiner Schwester das Haupt, worauf beide vom Schloß herunterstiegen und zur Ruhe gingen. Die Nacht über pflegte er sich, sobald aber der Morgen anbrach und die Sonne aufging, erhob er sich und stieg, die Thür öffnend, aufs Dach, wo er bis zum Abend saß, als seine Schwester ihm etwas zu essen und trinken und andere Sachen brachte. Dann legte er sich schlafen und verbrachte in dieser Weise Tag für Tag, bis der Neumond kam. Als er nun den Neumond gewahrte und wieder den Vögeln auflauerte, kamen sie mit einem Male wie der Blitz heran, worauf er sich an einem Ort verbarg, von wo er sie ungesehen beobachten konnte. Die Vögel aber ließen sich jeder an einem besonderen Platz nieder und zogen unfern von Hasans Versteck ihre Kleider aus. Als nun das Mädchen, das er liebte, mit ihren Schwestern in den Teich gestiegen war, erhob sich Hasan und schritt sacht, sich versteckend und von Gott beschützt, zu den Kleidern, von denen er das Federkleid seiner Geliebten an sich nahm, ohne daß ihn irgend eine bemerkt hätte, da sie miteinander spielten. Nach beendetem Spiel stiegen sie dann wieder aus dem Wasser, und jede von ihnen zog ihr Federkleid an, während Hasans Geliebte ihr Kleid nicht finden konnte, so daß sie schrie und, sich vors Gesicht schlagend, ihre Kleider zerriß. Da eilten ihre Schwestern zu ihr und fragten sie, 165 was ihr zugestoßen sei, worauf sie ihnen mitteilte, daß ihr Federkleid abhanden gekommen sei. Infolge dessen weinten alle und schrieen und schlugen sich vors Gesicht; als aber die Nacht über sie hereinbrach, und sie nicht mehr bei ihr zu bleiben vermochten, ließen sie sie auf dem Schloßdach zurück und flogen fort.

Siebenhundertundneunzigste Nacht.

Als nun Hasan sah, daß ihre Schwestern auf und davon geflogen waren, lauschte er und hörte sie sagen: »O du, der du mein Kleid genommen und mich nackend gemacht hast, ich bitte dich, gieb es mir wieder und bedecke meine Blöße, auf daß Gott dich nicht meine Qual schmecken läßt.« Bei diesen Worten verdoppelte sich seine Liebe, die Leidenschaft raubte ihm den Verstand, und, unfähig noch weiter an sich zu halten, stürzte er sich auf sie und packte sie, sie an sich zerrend; dann stieg er mit ihr vom Schloß hinunter und trug sie in sein Gemach, wo er ihr einen Mantel umwarf, während sie weinte und sich die Hände biß. Hierauf verriegelte er hinter ihr die Thür und suchte seine Schwester auf, der er mitteilte, daß er sich ihrer bemächtigt und sie in sein Gemach getragen hätte, wo sie jetzt weinend und sich die Hände beißend dasäße. Als seine Schwester seine Worte vernahm, erhob sie sich und begab sich zu ihr ins Gemach, wo sie sie vor Kummer weinen sah. Da küßte sie die Erde vor ihr und begrüßte sie, worauf das Mädchen zu ihr sagte: »O Königstochter, thun Leute wie ihr Königstöchtern solchen Schimpf an, wo du doch weißt, daß mein Vater ein großer König ist, und daß alle Könige der Dschânn sich vor ihm fürchten und vor seiner Macht beben, da er Zauberer und Weise, Wahrsager, Satane und Mâride bei sich hat, gegen die niemand etwas auszurichten vermag, und unter seiner Hand unzähliges Volk hat, deren Zahl Gott allein weiß? Und wie paßt es sich für euch, ihr Königstöchter, irdische Männer bei euch aufzunehmen und ihnen in unsere und eure 166 Verhältnisse Einsicht zu gewähren? Denn von woher sollte sonst jener Mann zu uns kommen?« Hasans Schwester erwiderte ihr: »O Königstochter, dieser Mensch ist von vollkommener Hochherzigkeit, der nichts Arges im Sinn hat; er liebt dich jedoch, und die Frauen sind nur für die Männer geschaffen. Liebte er dich nicht, so wäre er nicht um deinetwillen krank geworden, daß er beinahe sein Leben gelassen hätte;« und so erzählte sie ihr alles, was ihr Hasan von seiner Liebe mitgeteilt hatte, wie sie angeflogen gekommen wären und sich gebadet hätten, wie sie ihm aber allein von allen Mädchen nur gefallen hätte, da sie sie in den Teich untergetaucht hätte, ohne daß eine von ihnen ihre Hand wider sie auszustrecken gewagt hätte. Als sie ihre Worte vernahm, verzweifelte sie an ihrem Entkommen; Hasans Schwester aber erhob sich und holte ihr einen prächtigen Anzug, in den sie sie kleidete, und etwas zum Essen und Trinken, worauf beide zusammen aßen, und ihr Herz sich beruhigte und ihre Angst sich legte. Hasans Schwester sprach ihr fortwährend sanft und freundlich zu, und sagte zu ihr: »Hab' Mitleid mit ihm, der nur einen Blick auf dich warf und von Liebe zu dir getötet ward.« Trotz all ihres freundlichen Zuspruchs, ihrer Tröstungen und schönen Worte und Reden weinte sie jedoch bis zur Morgenröte, worauf sie ihr Weinen aufgab und sich faßte, da sie sah, daß sie gefangen war und nicht wieder loskommen konnte. Alsdann sprach sie zu Hasans Schwester: »O Königstochter, Gott hat diese Fremdlingschaft und Trennung von meinem Land, meinen Angehörigen und Schwestern über meine Stirnlocke verhängt, und in meines Herrn Ratschluß hab' ich mich ergeben.« Da ließ die Prinzessin das schönste Gemach im Schloß für sie räumen und sprach ihr fortwährend freundlich und trostreich zu, bis sie sich zufrieden gab und leichten Herzens lachte und frei ward von jeder Kümmernis und Beklommenheit, die ihre Brust wegen der Trennung von ihren Angehörigen, ihrer Heimat, ihren Schwestern, Eltern und ihrem Reich bedrückte. 167 Hierauf begab sich Hasans Schwester zu Hasan und sagte zu ihm: »Steh auf, besuch' sie in ihrem Gemach und küsse ihr die Hände und Füße.« Da ging Hasan hinein zu ihr und that nach seiner Schwester Geheiß, worauf er sie zwischen die Augen küßte und zu ihr sprach: »O Herrin der Schönen, du Leben der Seelen und Wonne der Beschauer, sei getrosten Herzens, denn ich habe dich nur geraubt, um dein Sklave bis zum Tag der Auferstehung zu sein, und meine Schwester hier ist deine Sklavin. Meine Absicht ist es, o meine Herrin, dich nach Gottes und seines Gesandten Verordnung zum Ehegemahl zu nehmen und mit dir in mein Land zu ziehen und vereint mit dir in der Stadt Bagdad zu leben, wo ich dir Sklavinnen und Sklaven kaufen will. Und ich hab' auch eine Mutter, der Frauen beste eine, die dich bedienen soll, und es giebt hier kein schöneres Land als das unsrige, und alles, was es in ihm giebt, ist schöner als irgendwo in einem andern Lande, sowie auch die Leute und das Volk dort trefflich sind und von lichtem Antlitz.«

Wie er aber noch mit ihr redete und ihr freundlich zusprach, während sie ihm kein einziges Wort erwiderte, da pochte es mit einem Male an das Schloßthor, worauf Hasan hinausging, um zuzusehen, wer an dem Thor wäre; und siehe, da waren es die andern Mädchen, die von der Jagd zurückgekehrt waren. Erfreut über ihre Rückkehr, empfing er sie und begrüßte sie, worauf sie einander Gesundheit und Wohlbefinden wünschten. Dann stiegen sie von ihren Rossen ab und gingen eine jede in ihr Gemach, wo sie ihre zerrissenen Sachen auszogen und sich in hübsches Zeug kleideten. Sie hatten aber auf der Jagd viele Gazellen, Wildkühe, Hasen, Löwen, Hyänen und anderes Wild erlegt und ließen sich nun einen Teil der Beute zum Schlachten holen, während der Rest im Schloß blieb. Da trat Hasan gegürteten Leibes unter sie und schlachtete das Wild für sie, während sie scherzten und fröhlich waren und sich mächtig hierüber freuten. Als sie mit dem Schlachten fertig waren, setzten sie sich und 168 machten etwas zum Frühstück zurecht, während Hasan an die Mädchen trat und, bei der Ältesten anfangend, ihnen der Reihe nach das Haupt küßte. Da sprachen sie zu ihm: »O Bruder, du hast dich sehr zu uns herabgelassen, und wir bewundern das Übermaß deiner Liebe zu uns, wo du ein Mensch bist und wir nur Dschinn.« Bei diesen Worten schwammen Hasans Augen in Thränen, und er weinte bitterlich, so daß sie ihn fragten: »Was macht dich weinen? Du verdüsterst heute unser Leben durch dein Weinen. Sehnst du dich etwa nach deiner Mutter und deiner Heimat? Wenn die Sache sich so verhält, so wollen wir dich ausrüsten und mit dir nach deiner Heimat und zu deinen Lieben ziehen.« Hasan erwiderte ihnen jedoch: »Bei Gott, ich hege nicht den Wunsch mich von euch zu trennen.« Nun sagten sie: »Wer von uns hat dich denn verletzt, daß du so traurig bist?« Da schämte er sich ihnen einzugestehen, daß ihn nur die Liebe so traurig stimmte, aus Furcht, sie könnten es ihm übelnehmen. Er schwieg daher und teilte ihnen nichts von seinem Zustand mit. Da aber erhob sich seine Schwester und sagte: »Er hat einen Vogel aus der Luft gefangen und wünscht von euch, daß ihr ihm helft ihn zu zähmen.« Hierauf kehrten sich alle zu ihm und sprachen: »Wir alle stehen dir zu Diensten und, was du nur von uns begehren magst, das wollen wir thun. Erzähl' uns nur deine Geschichte und verbirg uns nichts.« Da sagte er zu seiner Schwester: »Erzähle du ihnen meine Geschichte, denn ich schäme mich vor ihnen und mag ihnen nicht mit diesen Worten entgegentreten.«

 


 

Ende des dreizehnten Bandes.

 


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