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Tausend und eine Nacht. Band XIII
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Die Geschichte von der Heirat des Königs Bedr Bâsim, des Sohnes des Königs Schāhrimân, mit der Tochter des Königs Es-Samandal

Ferner erzählt man, o glückseliger König, daß einst in alten Zeiten und in längstentschwundenen Tagen in Persien ein König Namens Schāhrimân lebte, dessen Residenz sich zu Chorāsân befand, und der hundert Beischläferinnen hatte, ohne daß ihm von irgend einer derselben ein Knabe oder ein Mädchen geschenkt worden wäre. Eines Tages nun begab es sich, daß ihm dies in den Sinn kam, und daß er es beseufzte, daß der größte Teil seines Lebens verflossen war, ohne daß ihm ein Sohn geschenkt wäre, der nach seinem Tode das Reich hätte erben können, wie er es von seinen Vätern und Ahnen ererbt hatte. Aufs tiefste hierüber bekümmert und vergrämt, saß er da, als eines Tages einer seiner Mamluken zu ihm eintrat und sprach: »Mein Herr, an der Thür steht ein Kaufmann mit einem Mädchen, wie ich bisher kein schöneres sah.« Da versetzte der König: »Her zu mir mit dem Kaufmann und dem Mädchen!« Als nun der Kaufmann mit dem Mädchen eintrat, und er es sah, fand er, daß es der rudeinischen Lanze glich; da sie aber ganz in einen Frauenschleier aus goldgestickter Seide eingewickelt war, entblößte der Kaufmann ihr Gesicht, worauf der ganze Raum von ihrer Schönheit erstrahlte. Das Haar hing ihr in sieben Strähnen gleich Roßschweifen bis auf ihre Knöchelringe nieder, ihre Augen waren schwarz wie Antimonschminke, ihr Gesäß war schwer und ihre Taille schlank, so daß sie des Kranken Krankheit heilte und den Brand des Liebedürstenden löschte.

Der König verwunderte sich angesichts ihrer Schönheit und Anmut und ihres Wuchses und Ebenmaßes und fragte 6 den Kaufmann: »Scheich, wie teuer ist dieses Mädchen?« Der Kaufmann erwiderte: »Mein Herr, ich kaufte sie von dem Kaufmann, der sie vor mir besaß, für zweitausend Dinare und reiste mit ihr drei Jahre lang, bis ich sie hierherbrachte, während welcher Zeit ich dreitausend Dinare für sie ausgab; sie ist jedoch ein Geschenk von mir an dich.« Der König schenkte ihm ein kostbares Ehrenkleid und wies ihm zehntausend Dinare an, worauf der Kaufmann das Geld in Empfang nahm, dem König die Hände küßte und, ihm für seine Huld und Güte danksagend, fortging, während der König das Mädchen den Putzweibern übergab und ihnen befahl: »Macht dies Mädchen zurecht, schmückt sie und richtet ihr ein Zimmer ein.« Alsdann befahl er seinen Kämmerlingen alles, dessen sie bedurfte, zu ihr zu schaffen und die Thüren ihres Zimmers, dessen Gitterfenster aufs Meer hinausgingen, hinter ihr zu verriegeln; das Reich des Königs lag nämlich an der See, und seine Stadt hieß die weiße Stadt.

Siebenhundertundneununddreißigste Nacht.

Als der König sie nun besuchte, erhob sie sich weder vor ihm noch kehrte sie sich an ihn, so daß der König sprach: »Vielleicht war sie bei Leuten, die ihr kein Benehmen beibrachten.« Alsdann wendete er sich zu ihr und, da er sie in ihrer ausnehmenden Schönheit und Anmut und ihrem Wuchs und Ebenmaß erblickte und ihr Antlitz sah, das der Mondscheibe in ihrer vollen Rundung glich oder der leuchtenden Sonne am strahlenden Himmel, verwunderte er sich über sie und pries Gott den Schöpfer, – verherrlicht sei seine Allmacht! Dann aber schritt er auf sie zu und setzte sich an ihre Seite, worauf er sie an seine Brust drückte, sie auf seinen Schenkel setzte und den Speichel ihrer Lippen sog, der ihm süßer als Honig vorkam. Hierauf befahl er Tische mit den prächtigsten Speisen allerlei Art aufzutragen und aß und stopfte ihr Bissen in den Mund, bis sie gesättigt war, ohne daß sie auch nur ein einziges Wort geredet hätte; und 7 wiewohl der König in einem fort mit ihr plauderte und sie nach ihrem Namen fragte, schwieg sie und sprach weder ein Wort noch erteilte sie Antwort sondern saß fortwährend mit gesenktem Haupt da, und nur das Übermaß ihrer Schönheit, Anmut und Feinheit schirmte sie vor dem Zorne des Königs. Schließlich sprach der König bei sich: »Preis sei Gott, der dieses Mädchen erschaffen hat! Wie reizend ist sie doch, nur daß sie nicht spricht! Jedoch kommt Vollkommenheit allein Gott, dem Erhabenen, zu.« Alsdann fragte der König die Sklavinnen, ob sie gesprochen hätte, und sie erwiderten ihm: »Seit ihrer Ankunft bis zu dieser Stunde hat sie kein einziges Wort gesprochen und hörten wir sie nicht uns anreden.« Da ließ der König einige der Sklavinnen und Beischläferinnen kommen und befahl ihnen ihr etwas vorzusingen und mit ihr vergnügt zu sein, ob sie dann vielleicht reden würde; und die Sklavinnen und Beischläferinnen spielten vor ihr die verschiedensten Instrumente und Spiele und dergleichen und sangen, bis die ganze Gesellschaft in Entzücken geriet, während das Mädchen ihnen schweigend zuschaute und weder lachte noch ein Wort äußerte. Da ward dem König um die Brust beklommen und, die Sklavinnen wieder fortschickend, blieb er allein bei ihr und nahm ihr die Mädchenschaft; und er gewann sie so lieb, daß er sich ihr gänzlich zuneigte und um ihretwillen alle Beischläferinnen und Favoritinnen mied und ein volles Jahr bei ihr blieb, das ihm wie ein Tag vorkam, ohne daß sie gesprochen hätte. Da sprach er eines Tages in wachsender Liebe und Sehnsucht zu ihr: »O Wunsch der Seelen, siehe, du weißt, daß meine Liebe zu dir sehr groß ist, und daß ich um deinetwillen alle Sklavinnen, Beischläferinnen, Frauen und Favoritinnen gemieden und dich als mein Teil von der Welt erwählt und es ein ganzes Jahr mir dir ausgehalten habe. Nun aber bitte ich Gott, den Erhabenen, daß er in seiner Güte mir dein Herz erweicht, und du zu mir redest; solltest du jedoch stumm sein, so gieb mir ein Zeichen, so daß ich die Hoffnung, dich sprechen zu hören, 8 aufgebe. Und ich bete zu Gott, – Preis Ihm! – daß er mir von dir einen Knaben beschert, der das Reich nach meinem Tode erbt, denn ich bin einsam und allein und habe niemand, der mich beerbt, und bin hochbetagt; und so beschwöre ich dich bei Gott, wenn du mich liebst, so gieb mir Antwort.« Da ließ das Mädchen ihr Haupt nachdenklich zur Erde sinken; dann aber erhob sie es wieder und lächelte dem König ins Gesicht, dem es vorkam, als ob ein Blitz das ganze Zimmer erhellt hätte, worauf sie zu ihm sprach: »Hochherziger König und kraftvoller Löwe, Gott hat dein Gebet erhört, denn ich bin schwanger von dir, und die Zeit meiner Niederkunft ist genaht; jedoch weiß ich nicht ob das Kind in meinem Schoße ein Knabe oder ein Mädchen ist; und wäre ich nicht von dir schwanger geworden, so hätte ich kein einziges Wort zu dir gesprochen.« Als der König ihre Worte vernahm, strahlte sein Antlitz vor Freude und Fröhlichkeit und, in seiner mächtigen Freude ihr das Haupt und die Hände küssend, rief er: »Gelobt sei Gott, der mir beides, um was ich bat, gewährte: zum ersten deine Sprache und zum zweiten die Nachricht, daß du von mir schwanger bist!« Hierauf verließ sie der König und setzte sich in übermäßiger Freude auf den Thron seines Königreiches, worauf er dem Wesir befahl, unter den Bettlern, den Armen, den Witwen und dergleichen Volk hunderttausend Dinare aus Dank gegen Gott, den Erhabenen, und als Almosen zu verteilen. Der Wesir that nach seinem Geheiß, während der König nun wieder zu seinem Mädchen zurückkehrte, sich neben sie setzte und sie umarmte und an die Brust preßte, indem er dabei zu ihr sprach: »O meine Herrin und Königin, sei gütig und sag' mir die Ursache deines Schweigens; ein volles Jahr lang bist du Nacht und Tag und schlafend und wachend bei mir gewesen, und hast nicht eher als heute zu mir gesprochen. Was ist der Grund deines Schweigens?« Das Mädchen versetzte: »Höre, o König der Zeit, und wisse, daß ich ein elendes heimatloses Geschöpf bin, gebrochenen Herzens und getrennt von 9 meiner Mutter, meinem Bruder und meinen Angehörigen.« Als der König ihre Worte vernahm, verstand er ihren Wunsch und erwiderte ihr: »Was dein Wort anlangt, daß du elend seist, so hat es keine Berechtigung, da mein ganzes Reich und all mein Hab und Gut dir zu Diensten steht, und ich selber dein Mamluk geworden bin. Wenn du aber sagst, du seiest von deiner Mutter, deinem Bruder und deinen Angehörigen getrennt, so sag' mir, wo sie wohnen, daß ich nach ihnen schicke und sie zu dir bringen lasse.« Das Mädchen entgegnete: »Wisse, glückseliger König, mein Name ist DschullanârPersisch: Gul-i-anâr, Granatapfelblüte. die Meermaid, und mein Vater war einer der Meerkönige, der uns bei seinem Tode das Reich hinterließ; doch überfiel uns ein anderer König und entriß das Reich unseren Händen. Ich habe einen Bruder, Namens Sâlih, und meine Mutter ist ebenfalls ein Meerweib. Mein Bruder aber und ich gerieten in Streit, und ich schwur mich in die Hände eines Mannes von den Landbewohnern zu werfen, weshalb ich aus dem Meer stieg und mich auf den Rand einer Insel im Mondschein setzte, von wo mich ein des Weges kommender Mann mit nach Hause nahm. Als er mir hier zu nahe kam, versetzte ich ihm einen Schlag auf den Kopf, daß er beinahe daran gestorben wäre, worauf er mich jenem Mann verkaufte, von dem du mich kauftest, einem trefflichen, rechtschaffenen Mann voll Treue, Glauben und Großmut. Und hätte mich dein Herz nicht geliebt, so daß du mich allein deinen Beischläferinnen vorzogst, so wäre ich keine einzige Stunde bei dir verblieben, sondern hätte mich von diesem Fenster aus ins Meer gestürzt und wäre zu meiner Mutter und meinen Angehörigen zurückgekehrt; ich schämte mich jedoch wegen meiner Schwangerschaft dies zu thun, da sie Böses von mir gedacht und mir nicht geglaubt hätten, auch wenn ich ihnen geschworen und erzählt hätte, daß mich ein König für sein Geld gekauft und mich zu seinem Anteil von 10 der Welt erwählt und seinen Gattinnen und allem andern, das seine Rechte besaß, vorgezogen hätte. Das ist meine Geschichte, und der Frieden sei auf dir!«

Siebenhundertundvierzigste Nacht.

Als der König ihre Erzählung vernommen hatte, dankte er ihr, und sprach zu ihr, indem er sie zwischen die Augen küßte: »Bei Gott, meine Herrin und Licht meiner Augen, ich kann mich keine einzige Stunde von dir trennen und, so du mich verlässest, so sterbe ich auf der Stelle; was ist demnach zu thun?« Sie erwiderte: »Mein Herr, die Zeit meiner Niederkunft ist nahe herbeigekommen, und meine Angehörigen müssen unbedingt zugegen sein, um mich zu pflegen, da die Frauen vom Lande nicht wissen, wie die Meerestöchter niederkommen, ebensowenig wie die Meerestöchter die Art und Weise der Niederkunft der Töchter vom Lande kennen; und wenn meine Angehörigen kommen, söhnen wir uns wieder aus.« Der König fragte: »Wie können sie im Meer gehen, ohne naß zu werden?« Sie entgegnete: »Wir gehen im Meere gerade so wie ihr auf dem Lande durch den Segen der Namen, die auf dem Siegelring Salomos, des Sohnes Davids, – Frieden auf beide! – geschrieben stehen. Wenn jedoch meine Angehörigen und meine Brüder kommen, o König, so will ich ihnen sagen, daß du mich mit deinem Geld kauftest und dich gütig und freundlich gegen mich erwiesest; und du mußt ihnen meine Worte bestätigen, und sie müssen mit ihren eigenen Augen deine Herrlichkeit schauen, damit sie wissen, daß du ein König bist und eines Königs Sohn!« Der König versetzte unter solchen Umständen: »Meine Herrin, thue ganz nach deinem Belieben, ich gehorche dir in allem.« Nun sagte das Mädchen: »Wisse, o König, wir gehen im Meer mit offenen Augen und schauen alles, was sich darinnen befindet, wie auch die Sonne, den Mond, den Himmel und die Sterne, als befänden wir uns auf der Erdoberfläche, und es schadet uns nichts. Und wisse, es giebt 11 auch im Meere große Völker und mannigfache Gestalten allerlei Art, wie sie sich auf dem Lande befinden, und alles was sich auf dem Lande befindet ist nur geringfügig im Vergleich zu dem im Meere Vorhandenen.« Der König verwunderte sich über ihre Worte, das Mädchen aber zog nun aus ihrer Schulter zwei Stücke Komoriner Aloe und machte in einem Kohlenbecken Feuer an, in das sie ein Stück warf, worauf sie laut pfiff und unverständliche Worte sprach, während der König alledem zusah. Als nun aber ein starker Rauch aufstieg, sagte sie zum König: »Mein Herr, steh auf und verbirg dich in einer Kammer, daß ich dir meinen Bruder, meine Mutter und meine Angehörigen zeigen kann, ohne daß du von ihnen bemerkt wirst; ich will sie nämlich hierherkommen lassen, und du sollst hier zu dieser Stunde dein Wunder schauen und dich über die mannigfachen Gestalten und merkwürdigen Gebilde, die Gott, der Erhabene, erschaffen, verwundern.« Da erhob sich der König unverzüglich und begab sich in eine Kammer, von wo er ihrem Treiben zuschaute. Sie räucherte nun wieder weiter und sprach ihre Beschwörungen, bis das Meer schäumte und tobte und aus ihm ein hübscher Jüngling mit strahlendem Antlitz gleich dem Vollmond hervorkam, mit weißer Stirn, roten Wangen und Zähnen wie Perlen und Edelsteine, der von allen Geschöpfen seiner Schwester am ähnlichsten war, und auf den die Zunge der Sachlage folgende Verse sprach:

Der Mond wird nur einmal in jedem Monat voll,
Doch deines Angesichts Liebreiz ist alle Tage vollkommen.
Und der Vollmond kehrt nur im Herzen eines Zeichens ein,
Doch aller Herzen sind deine Wohnung.

Hierauf entstieg dem Meer eine Matrone mit ergreisendem Haar, begleitet von fünf Mädchen gleich Monden, die alle Dschullanâr ähnlich waren. Der König schaute dem Jüngling, der Matrone und den Mädchen zu, wie sie auf dem Meer wandelten, bis sie dem Mädchen nahe gekommen waren. Als sie aber dem Fenster genaht waren, und Dschullanâr sie 12 erblickte, erhob sie sich vor ihnen und schritt ihnen fröhlich und vergnügt zum Empfang entgegen, während ihre Verwandten sie beim ersten Blick erkannten. Alsdann folgten sie ihr ins Zimmer und sagten zu ihr, indem sie sie umarmten und bitterlich weinten: »Ach Dschullanâr, wie konntest du uns nur auf vier Jahre verlassen, ohne daß wir deinen Aufenthaltsort wußten? Bei Gott, die Welt wurde uns aus Kummer über die Trennung von dir eng, und Essen und Trinken schmeckte uns keinen einzigen Tag; vielmehr weinten wir im Übermaß unserer Sehnsucht nach dir Nacht und Tag.« Da küßte das Mädchen die Hände ihres jungen Bruders, ihrer Mutter und ihrer Basen, worauf sie eine Weile bei ihr saßen und sich nach ihrem Befinden erkundigten, nach ihren früheren Schicksalen und ihren jetzigen Verhältnissen. Da erzählte sie ihnen: »Wisset, als ich euch verließ und dem Meer entstieg, setzte ich mich auf den Rand einer Insel, von wo mich ein Mann nahm und an einen Kaufmann verkaufte, der mich zu dieser Stadt brachte und ihrem König für zehntausend Dinare verkaufte. Ihr König aber wendete mir alle Sorgfalt zu, so daß er alle seine Beischläferinnen, Frauen und Favoritinnen um meinetwillen mied und alles, was sich bei ihm und in der Stadt vorfand, um meinetwillen vernachlässigte.« Als ihr Bruder ihre Worte vernahm, sagte er: »Gelobt sei Gott, der uns wieder vereint hat, jedoch ist es mein Wunsch, daß du, meine Schwester, nun mit uns in unser Land und zu unserer Sippe zurückkehrst.« Als der König diese Worte ihres Bruders vernahm, flog ihm der Verstand vor Furcht fort, daß sie ihres Bruders Vorschlag annehmen könnte, wo er sie trotz seiner leidenschaftlichen Liebe nicht zurückhalten konnte, und er wurde in seiner großen Furcht vor der Trennung von ihr völlig niedergeschlagen. Dschullanâr entgegnete jedoch ihrem Bruder: »Bei Gott, mein Bruder, der Mann, der mich kaufte, ist der König dieser Stadt und ist nicht nur ein mächtiger König, sondern auch ein kluger, edler und äußerst freigebiger 13 Mann. Er ist voll Hochherzigkeit und sehr reich, doch hat er kein Kind, weder einen Knaben noch ein Mädchen; und er ist freundlich gegen mich gewesen und hat mir alles Gute angethan, und seit der Zeit, daß ich zu ihm kam, bis auf den heutigen Tag habe ich von ihm kein böses Wort gehört, das mein Herz verwundete; vielmehr ist er unablässig voll Güte zu mir gewesen und hat nichts ohne meinen Rat gethan, so daß ich bei ihm aufs beste aufgehoben bin und im vollkommensten Glück lebe. Ferner würde er, falls ich ihn verließe, sterben, denn er ist nicht imstande, sich auch nur auf eine Stunde von mir zu trennen; ebenso aber würde ich auch sterben, da ich ihn wegen seiner Güte, die er mir die ganze Zeit über, die ich bei ihm weilte, erwies, innig liebe; und lebte noch mein Vater, so würde ich bei ihm nicht in so hohem Ansehen stehen als bei diesem mächtigen und hochberühmten König. Und in der That seht ihr mich von ihm schwanger, und gelobt sei Gott, der mich zur Tochter eines Meerkönigs und meinen Gatten zum mächtigsten der Landkönige gemacht hat, und Gott, der Erhabene, hat mich nicht verlassen, sondern mir Gutes zum Ersatz gegeben.

Siebenhundertundeinundvierzigste Nacht.

Nun hat dieser König kein Kind, sei es ein Knabe oder ein Mädchen, und ich bitte deshalb Gott, den Erhabenen, daß er mir einen Knaben beschert, der von diesen mächtigen König alle die Gebäude, die Schlösser und Besitztümer erbt, die Gott, der Erhabene, ihm verliehen hat.« Als ihr Bruder und ihre Basen ihre Worte vernommen hatten, wurden ihre Augen hierdurch gekühlt, und sie sprachen zu ihr: »O Dschullanâr, du weißt, wie wert du uns bist, und wie sehr wir dich lieben, und weißt auch sehr wohl, daß du uns von allen Menschen am teuersten bist, und daß wir für dich Ruhe suchen und dich ohne Drangsal und Plackerei sehen möchten. Wenn du dich daher hier nicht wohlbefindest, so kehre mit uns heim in unser Land und zu unserer Sippe; lebst du 14 dagegen hier behaglich in Ehren und Freuden, so ist das gerade unser Wunsch und Begehr, denn wir wünschen nichts als dein Wohlergehen in jedem Fall.« Dschullanâr versetzte: »Bei Gott, ich führe hier das bequemste, angenehmste, ehrenvollste und glücklichste Leben.« Als der König diese Worte von ihr vernahm, freute er sich, und sein Herz beruhigte sich; indem er ihr hierfür innerlich Dank sagte, wuchs seine Liebe zu ihr und drang in sein innerstes Herz ein, da er nunmehr wußte, daß sie ihn ebenso liebte wie er sie, und daß sie bei ihm bleiben wollte, um ihr Kind, das sie von ihm erhalten hatte, zu schauen. Hierauf befahl Dschullanâr die Meermaid ihren Sklavinnen die Tische vorzusetzen und die mannigfaltigsten Gerichte aufzutragen, die sie selber in der Küche besorgt hatte, worauf die Sklavinnen ihnen die Speisen, die Süßigkeiten und das Obst auftrugen. Wie sie nun aber mit ihren Angehörigen beim Essen saß, sagten diese mit einem Male zu ihr: »Dschullanâr, dein Herr ist für uns ein Fremder, dessen Haus wir ohne seine Erlaubnis oder sein Wissen betreten haben; du hast uns seine Huld gerühmt und hast uns seine Speisen vorgesetzt, von denen wir aßen, ohne daß wir mit ihm zusammenkamen oder ihn sahen, ingleichen er auch uns nicht sah noch auch bei uns erschien und mit uns aß, auf daß Brot und Salz zwischen uns gewesen wäre.« Hierauf hörten alle auf zu essen und erzürnten sich so wider sie, daß Feuer wie von Fackeln aus ihrem Munde sprühte. Als der König dies gewahrte, flog ihm der Verstand aus Furcht vor ihnen fort, Dschullanâr aber erhob sich vor ihnen und besänftigte sie wieder, worauf sie sich zu der Kammer, in welcher der König, ihr Herr, steckte, begab und zu ihm sagte: »Hast du gesehen und gehört, wie ich dich vor meinen Angehörigen lobte und rühmte, und hörtest du auch, was sie zu mir sagten in betreff ihres Wunsches mich mit sich in unser Land und zu unserer Sippe zu nehmen?« Der König erwiderte: »Ich habe es gehört und gesehen, und Gott lohne es dir mit Gutem für mich! Bei Gott, ich kannte nicht 15 eher als in dieser gesegneten Stunde das Maß deiner Liebe zu mir, und nun zweifle ich nicht mehr daran, daß du mich liebst.« Dschullanâr versetzte: »O mein Herr, ist denn der Lohn der Güte ein anderer als Güte? Du warst gütig gegen mich und ehrtest mich hoch, du liebst mich aufs innigste, du erwiesest mir alle Huld und zogst mich allem, was du liebst und begehrst, vor, wie sollte da mein Herz dich wohlgemut verlassen und von dir scheiden können, und wie könnte ich dies thun, nach all deiner Güte und Huld gegen mich? Doch nun wünsche ich, du seiest so gütig und kämest mit mir, meine Angehörigen zu begrüßen und zu sehen, daß sie auch dich sehen, und daß treue Freundschaft und Liebe zwischen euch entsteht. Mein Bruder nämlich, o König der Zeit, meine Mutter und meine Basen lieben dich bereits sehr nach dem Lob, das sie von mir über dich vernommen haben, und sagten zu mir: »Wir kehren nicht eher von dir in unser Land zurück, als bis wir mit dem König zusammengekommen sind und ihm den Salâm geboten haben. Und in der That wünschen sie dich zu sehen und mit dir bekannt zu werden.« Der König entgegne ihr: »Ich höre und gehorche, das ist auch mein Wunsch.« Nach diesen Worten erhob er sich und begab sich zu ihnen, sie mit dem schönsten Salâm begrüßend. Sie aber sprangen vor ihm auf und eilten ihm entgegen, ihn aufs schönste empfangend, worauf er sich zu ihnen in den Palast setzte und mit ihnen speiste. Nachdem er dreißig Tage lang bei ihnen verweilt hatte, verlangten sie wieder nach ihrer Heimat zurückzukehren und verabschiedeten sich vom König und der Königin Dschullanâr der Meermaid, worauf sie, vom König mit den höchsten Ehren ausgezeichnet, abzogen. Dschullanâr aber erfüllte die Tage ihrer Schwangerschaft und, da die Zeit ihrer Niederkunft kam, gebar sie ein Knäblein gleich dem Vollmond in seiner Rundung, worüber der König aufs höchste erfreut war, da ihm in seinem ganzen Leben weder ein Knabe noch ein Mädchen beschert worden war. Infolge dessen feierten sie sieben Tage lang in höchster Freude 16 und Fröhlichkeit Feste und schmückten die Stadt; am siebenten Tage aber erschien Dschullanârs Mutter, ihr Bruder und ihre sämtlichen Basen, nachdem sie von Dschullanârs Niederkunft gehört hatten, –

Siebenhundertundzweiundvierzigste Nacht.

und der König empfing sie erfreut und sagte zu ihnen: »Ich sprach, ich wollte meinem Knaben nicht eher einen Namen geben, als bis ihr gekommen wäret und ihn nach eurer Kenntnis benannt hättet.« Da nannten sie ihn Bedr Bâsim,Lächelnder Vollmond. und alle hießen den Namen gut. Alsdann zeigten sie das Kind seinem Oheim Sâlih, der es auf seine Hände nahm, und, aus ihrer Mitte fortschreitend, mit ihm im Schlosse nach rechts und links auf und ab schritt. Dann verließ er mit ihm das Schloß und stieg mit ihm zum Salzmeer hinunter, worauf er mit ihm so lange wanderte, bis er dem Auge des Königs entschwand. Als dieser sah, daß er mit ihm im Meeresgrund verschwand, verzweifelte er ihn wiederzusehen und weinte und wehklagte. Als Dschullanâr dies jedoch sah, sprach sie zu ihm: »O König der Zeit, fürchte dich nicht und gräme dich nicht über deinen Sohn, denn siehe, ich liebe meinen Sohn mehr als du, und siehe, er ist bei meinem Bruder; kehre dich nicht an das Meer und fürchte nicht, er könnte ertrinken, denn wüßte mein Bruder, daß der Kleine irgendwie Schaden nehmen könnte, so hätte er dies nicht mit ihm gethan, und noch in dieser Stunde wird er ihn dir, so Gott, der Erhabene, es will, unversehrt wiederbringen.« Und ehe noch eine Stunde verstrichen war, fing das Meer an zu toben und Wellen zu schlagen, und es stieg der Oheim des Kleinen mit dem Söhnlein des Königs wohlbehalten daraus hervor und flog aus dem Meer zu ihnen, während der Kleine in seinen Händen ganz still war, und sein Angesicht gleich dem Mond in der Nacht seiner Rundung 17 leuchtete. Hierauf schaute der Oheim des Kleinen zum König und sprach zu ihm: »Hast du etwa gefürchtet, dein Knabe könnte einen Schaden nehmen, als ich mit ihm ins Meer stieg?« Der König versetzte: »Ja, mein Herr, ich fürchtete für ihn und glaubte nicht, daß er je wohlbehalten wieder herauskommen könnte.« Da entgegnete der Oheim des Kleinen: »O König vom Lande, siehe, wir bestrichen seine Augenlider mit einer Schminke, die wir kennen, und sagten über ihn die Namen her, die auf dem Siegelring Salomos des Sohnes Davids, – Frieden auf beide! – geschrieben stehen; denn solches thun wir mit unsern neugeborenen Kindern, und von nun an brauchst du nicht mehr zu fürchten, daß er ertrinken oder ersticken oder in irgend einem Meer der Welt zu Schaden kommen könnte, wenn er in dasselbe hinuntersteigt, da wir ebenso im Meere gehen wie ihr auf dem Lande.« Hierauf zog er aus seiner Tasche ein beschriebenes und versiegeltes Futteral hervor, das er entleerte, nachdem er sein Siegel erbrochen hatte. Da fielen aus ihm Schnüre von allerlei Sorten von Hyazinthen und anderen Juwelen heraus, dreihundert Smaragde in Stäbchenform und dreihundert große durchlochte Edelsteine von Straußeneigröße, deren Glanz die Sonne und den Mond überstrahlte, wobei er sprach: »O König der Zeit, diese Edelsteine und Hyazinthen sind ein Geschenk von mir an dich, da wir dir zuvor noch nie ein Geschenk überreichten, dieweil wir nicht Dschullanârs Aufenthalt kannten und weder eine Spur von ihr wußten noch irgend eine Nachricht von ihr erhielten. Nun aber, wo wir dich mit ihr verbunden sehen und alle zusammen ein Ding geworden sind, haben wir dir dies Geschenk gebracht, und in Zwischenräumen von wenig Tagen wollen wir dir, so Gott will, der Erhabene, ähnliche Geschenke bringen, da diese Hyazinthen und Edelsteine bei uns in größerer Menge als Kies auf dem Lande vorhanden sind, und wir die guten von den schlechten zu unterscheiden verstehen, die Wege zu ihnen und die Plätze, auf denen sie liegen, kennen, 18 und sie für uns leicht zu beschaffen sind.« Als nun der König jene Edelsteine und Hyazinthen sah, wurde er ganz verblüfft und verwirrt und rief: »Bei Gott, ein einziger dieser Edelsteine kommt meinem Königreich gleich!« Alsdann bedankte sich der König bei Sâlih dem Meermann für seine Huld und sagte zur Königin Dschullanâr, indem er sie anblickte: »Ich schäme mich vor deinem Bruder, daß er so huldvoll gegen mich gewesen ist und mir dieses kostbare Geschenk gemacht hat, das dem Volk der Erde nicht möglich gewesen wäre.« Da bedankte sich Dschullanâr bei ihrem Bruder für seine Gabe, worauf dieser zum König sagte: »O König der Zeit, du hast ältere Ansprüche an uns, und dir zu danken liegt uns ob, da du gegen meine Schwester gütig gewesen bist, und wir dein Haus betreten und von deinem Brot gegessen haben. Sagt doch auch der Dichter:

Hätt' ich vor ihr geweint in meiner Liebe zu Soodā,
Hätt' ich die Seele geheilt, bevor mir die Reue kam.
Sie aber weinte zuvor, und ihr Weinen nur weckte mir Thränen,
Und so sprech' ich: »Dem Frühern gebührt der Preis.

Und wenn wir, o König der Zeit, tausend Jahre in deinen Diensten auf unsern Angesichtern stünden, so könnten wir dir doch nicht hinreichend Genüge leisten und würde es, im Vergleich zu dem, was dir gebührt, wenig sein.« Der König dankte ihm aufs überschwänglichste, und Sâlih, seine Mutter und seine Basen verweilten vierzig Tage bei dem König; dann aber erhob sich Sâlih, Dschullanârs Bruder, und küßte die Erde vor dem König, dem Gemahl seiner Schwester, worauf dieser ihn fragte: »Was begehrst du, Sâlih?« Sâlih erwiderte: »O König der Zeit, du hast uns mit deiner Huld überhäuft, nun aber erbitten wir von deiner Güte uns gnädigsten Permiß zu gewähren, denn wir sehnen uns nach unserer Sippe, unserm Land, unsern Verwandten und Heimstätten; und wir werden von unsern Diensten dir, unserer Schwester und ihrem Söhnchen gegenüber nicht abstehen; fürwahr, o König der Zeit, meinem Herzen thut es nicht 19 wohl von euch zu scheiden; jedoch, was sollen wir thun, wo wir im Meer aufgewachsen sind, und wo uns das Land nicht behagt?« Als der König seine Worte vernahm, sprang er auf seine Füße und verabschiedete sich von Sâlih dem Meermann, seiner Mutter und seinen Basen, wobei allesamt über die Trennung weinten und zu ihm sprachen: »Nach kurzer Zeit werden wir wieder bei euch sein und werden euch nie vergessen, sondern wollen euch in Zwischenräumen von wenig Tagen fortwährend besuchen.« Alsdann flogen sie nach dem Meere fort, bis sie es erreicht hatten, worauf sie den Augen entschwanden.

Siebenhundertunddreiundvierzigste Nacht.

Von nun an behandelte der König Dschullanâr noch gütiger und zeichnete sie mit noch höheren Ehren aus; der Kleine aber wuchs prächtig heran, während sein Oheim, seine Großmutter, seine Tante und die Basen ihrer Mutter den König in kurzen Zwischenräumen besuchten und einen oder zwei Monate lang bei ihm verweilten, worauf sie wieder zu ihren Wohnorten zurückkehrten. Und der Knabe nahm mit seinen Jahren auch fortwährend an Schönheit und Anmut zu, bis er fünfzehn Jahre zählte und einzig war an Vollkommenheit, Wuchs und Ebenmaß. Außerdem hatte er Schreiben und Lesen, Geschichte, Syntax und Lexikographie, die Bogenkunst, das Lanzenspiel, die Reitkunst und was sonst für Königssöhne erforderlich ist, gelernt, und es gab niemand unter den Kindern des Stadtvolks, sei es Mann oder Weib, der nicht von den Reizen des Jünglings gesprochen hätte, da er von ausgezeichneter Anmut und Vollkommenheit war, wie er in dem Dichterwort beschrieben ist:

Sein Flaum schreibt zwei Zeilen mit Ambra auf Perlen,
Als wären sie mit Jet auf einen Apfel geschrieben.
Der Tod leuchtet aus seinen schmachtenden Augensternen,
Und Trunkenheit glüht aus seinen Wangen und nicht im Wein.

Der König, der ihn heiß liebte, ließ den Wesir, die Emire, die Staatshäupter und Großen des Reiches vor sich kommen 20 und sie unverbrüchliche Eide schwören, nach seinem Tode Bedr Bâsim zu ihrem König zu machen, und sie schworen ihm die Eide erfreut, da der König gütig zu seinen Unterthanen war, leutherzig in seinen Worten und ein Hort alles Guten, ohne je etwas anderes zu sprechen als was dem Volkswohl förderlich war. Am folgenden Tage saß der König mit den Großen des Reichs, den anderen Emiren und allen Truppen auf und ritt mit ihnen durch die Stadt, worauf sie wieder zum Palast zurückkehrten. Als sie sich jedoch dem Palast näherten, stieg der König zur Dienstleistung bei seinem Sohne ab, und er und die übrigen Emire und Großen des Reiches trugen die Schabracke der Reihe nach vor ihm, während er zu Pferd saß, bis sie zum Vestibül des Palastes gelangten, wo er abstieg und nun von seinem Vater und den Emiren umarmt und auf den Königsthron gesetzt wurde, worauf sich sein Vater und die Emire vor ihn aufstellten. Alsdann richtete Bedr Bâsim unter dem Volk, setzte die Ungerechten ab und die Gerechten ein und waltete seines Amtes bis nahe zur Mittagszeit, worauf er sich vom Königsthron erhob und sich zu seiner Mutter Dschullanâr begab, mit der Krone auf dem Haupt, so daß er dem Mond glich. Als die Mutter ihn sah und den König vor ihm gewahrte, erhob sie sich vor ihm, küßte ihn und beglückwünschte ihn zum Sultanat, auf ihn und seinen Vater langes Leben und Sieg wider seine Feinde erflehend. Alsdann setzte er sich neben seine Mutter und ruhte sich aus; als aber die Zeit des Nachmittagsgebets herangekommen war, saß er auf und ritt, die Emire ihm voran, zur Rennbahn, woselbst er mit seinem Vater und den Großen des Reiches turnierte, bis der Abend hereinbrach. Dann kehrte er, während alles Volk ihm voranzog, zum Palast zurück und ritt von nun an alltäglich auf die Rennbahn, um dann, wenn er von ihr zurückkehrte, sich hinzusetzen und dem Volk ohne Unterschied ob Emir oder FakirOb Fürst oder Bettler. 21 Recht zu sprechen. In dieser Weise verfuhr er ein volles Jahr, worauf er Pürschfahrten antrat und in den Städten und Ländern, die unter seiner Herrschaft standen, die Runde machte, indem er Schutz und Sicherheit verkündete und nach Königsbrauch verfuhr; und er war einzig unter dem Volk seiner Zeit an Ruhm, Tapferkeit und Gerechtigkeit unter den Leuten. Da traf es sich eines Tages, daß der Vater Bedr Bâsims krank wurde und aus seinem fiebernden Herzen sein Abscheiden zur ewigen Behausung erkannte. Die Krankheit nahm zu, so daß er dem Tode nahe kam, worauf er seinen Sohn zu sich kommen ließ und ihm seine Unterthanen, seine Mutter, und alle die Großen des Reiches und die gesamten Diener ans Herz legte, während er sie noch einmal seinem Sohne Gehorsam schwören ließ und sie darauf fest vereidigte. Hierauf währte es mit ihm noch einige Tage, bis er zur Barmherzigkeit Gottes, des Erhabenen, abschied. Sein Sohn Bedr Bâsim, seine Gattin Dschullanâr, die Emire, Wesire und Großen des Reiches betrauerten ihn und errichteten ihm eine Grabstätte, in der sie ihn bestatteten, worauf sie einen vollen Monat die Trauerceremonie für ihn abhielten, bis Sâlih, Dschullanârs Bruder, ihre Mutter und ihre Basen erschienen und ihnen zu dem Tod des Königs kondolierten, wobei sie zu Dschullanâr sprachen: »O Dschullanâr, der König ist zwar tot, jedoch hat er diesen wohlerfahrenen Jüngling hinterlassen; wer aber einen solchen Sohn hinterläßt, der ist nicht tot, denn dieser ist der Unvergleichliche, der reißende Löwe und der strahlende Mond.«

Siebenhundertundvierundvierzigste Nacht.

Alsdann traten die Reichswürdenträger und Großen zum König Bedr Bâsim ein und sprachen zu ihm: »O König, Trauer um den König schadet nichts, jedoch schickt sich die Trauer nur für die Weiber. Quäle deshalb dein und unser Gemüt nicht mit der Trauer um deinen Vater, denn er ist tot und hat dich hinterlassen; wer aber einen Sohn wie dich 22 hinterlassen hat, ist nicht tot.« Dann redeten sie ihm freundlich zu und trösteten ihn, worauf sie ihn ins Bad nahmen; und als er nun aus dem Bade herauskam, legte er ein prächtiges golddurchwirktes und mit Hyazinthen und Edelsteinen besetztes Gewand an, setzte sich die Königskrone aufs Haupt und ließ sich auf dem Thron seines Reiches nieder, worauf er die Anliegen des Volkes erledigte, indem er den Schwachen vor dem Starken mit Billigkeit schützte und dem Armen zu seinem Recht dem Fürsten gegenüber verhalf, weshalb das Volk ihm in inniger Liebe zugethan war. In dieser Weise brachte er ein volles Jahr zu, während ihn in kurzen Zwischenräumen seine Verwandten aus dem Meer besuchten, und sein Leben war angenehm und kühl seine Augen, bis nach langer Zeit einmal wieder sein Oheim wie gewöhnlich eines Nachts Dschullanâr besuchte und sie begrüßte. Sie erhob sich vor ihm, umarmte ihn und fragte ihn, nachdem sie ihn aufgefordert hatte, an ihrer Seite Platz zu nehmen: »Mein Bruder, wie geht es dir, und was machen meine Mutter und meine Basen?« Er versetzte: »Meine Schwester, sie sind gesund und wohl und sehr glücklich und es fehlt ihnen nichts als deines Gesichtes Anblick.« Darauf setzte sie ihm etwas zu essen vor, und er aß, worauf das Gespräch unter ihnen hin- und herging und sie auch auf den König Bedr Bâsim und seine Schönheit und Anmut, seinen Wuchs, sein Ebenmaß, seine Ritterschaft, seinen Verstand und seine Bildung zu sprechen kamen. Der König Bedr Bâsim aber saß auf seine Ellbogen gestützt da und that, als er seine Mutter und seinen Oheim seinen Namen erwähnen und von sich sprechen hörte, als ob er schliefe, wobei er ihr ganzes Gespräch belauschte. Da sprach Sâlih zu seiner Schwester Dschullanâr: »Dein Sohn zählt jetzt siebzehn Jahre und ist noch nicht verheiratet; und ich fürchte, es könnte ihm etwas zustoßen, ohne daß er einen Sohn hat; ich möchte ihn daher mit einer der Meerprinzessinnen verheiraten, die ebenso schön und anmutig wie er ist.« Seine Schwester erwiderte: »Nenne sie mir, 23 denn ich kenne sie.« Nun zählte er ihr eine nach der andern auf, während sie bei jeder sagte: »Sie paßt mir nicht für meinen Sohn, ich verheirate ihn nur mit einer, die ebenso schön und anmutig und ebenso verständig, fromm, gebildet und hochherzig und von gleicher Macht, gleichem Stand und Adel ist wie er.« Schließlich sagte er: »Ich weiß keine Meerprinzessin mehr, denn ich habe dir mehr als hundert aufgezählt, ohne daß dir eine von ihnen gefallen hätte; jedoch, meine Schwester, sieh zu, ob dein Sohn schläft oder nicht.« Da rührte sie ihn an und, als sie die Anzeichen von Schlaf an ihm sah, sagte sie zu ihrem Bruder: »Er schläft; was hast du zu sagen und weshalb fragtest du, ob er schliefe oder nicht?« Nun versetzte er: »Meine Schwester, wisse, mir ist noch eine Meerprinzessin eingefallen, die für deinen Sohn paßt, jedoch fürchte ich mich ihren Namen zu nennen, da er aufwachen und sich in sie verlieben könnte, während wir leichtlich nicht imstande sind zu ihr zu gelangen, so daß er, wir und die Großen des Reiches uns abplacken, und wir hierdurch viel Mühsal bekommen. Sagt doch auch der Dichter:

Liebe ist im Anbeginn nur ein fließendes Tröpflein Speichel,
Doch, wenn sie zur Herrschaft gekommen ist, eine weite See.«

Als seine Schwester seine Worte vernahm, sagte sie: »Sag mir, wer dieses Mädchen ist und wie sie heißt, denn ich kenne alle Meerprinzessinnen und Meermädchen; und wenn ich sehe, daß sie für ihn paßt, so bewerbe ich mich um sie bei ihrem Vater, und sollte ich auch alles, was meine Hand besitzt, für sie hingeben müssen. Gieb mir Auskunft über sie und fürchte nichts, denn mein Sohn schläft.« Er erwiderte jedoch: »Ich fürchte, er ist wach, und der Dichter sagt:

Ich liebte ihn, als man mir seine Schönheit rühmte,
Denn oft liebt das Ohr vor dem Aug'.«

Dschullanâr entgegnete: »Sprich nur und mach's kurz und ohne Furcht, mein Bruder.« Da sagte er: »Bei Gott, meine Schwester, niemand anders paßt für deinen Sohn als die 24 Prinzessin Dschauhare, die Tochter des Königs Es-Samandal,Salamander. denn sie kommt ihm gleich an Schönheit, Anmut, Glanz und Vollkommenheit, und es wird weder im Meer noch auf dem Lande ein Mädchen von zarterem und süßerem Wesen gefunden, da sie voll reichster Schönheit und Anmut ist und von ebenmäßigem Wuchs; ihre Wangen sind rot, ihre Stirn glänzt weiß, ihre Zähne blitzen wie Edelsteine, ihre Augen sind schwarz wie Huriaugen, ihr Gesäß ist schwer, ihre Taille schlank und ihr Gesicht holdselig. Wenn sie sich wendet, beschämt sie die Antilope und Gazelle, und wenn sie einherschreitet, erweckt sie Neid im Zweig des Bân; wenn sie strahlend erscheint, beschämt sie Sonne und Mond und jeden, der ihre süßen Lippen und ihre geschmeidigen Formen sieht, macht sie zu ihrem Sklaven.« Als sie ihres Bruders Worte vernommen hatte, erwiderte sie: »Du hast recht, mein Bruder, bei Gott, ich habe sie häufig gesehen, und sie war meine Jugendfreundin; jetzt jedoch wissen wir nichts voneinander infolge der Trennung, und es sind heute achtzehn Jahre, daß ich sie nicht gesehen habe; aber, bei Gott, keine andere als sie paßt für meinen Sohn!« Als Bedr Bâsim sie so miteinander reden hörte und von Anfang bis zu Ende seines Oheims Sâlih Schilderung von Dschauhare, der Tochter Es-Samandals, vernommen hatte, verliebte er sich in sie vom Hörensagen, doch stellte er sich schlafend vor ihnen; und es entbrannte in seinem Herzen um ihretwillen eine Feuerslohe, und er versank in ein ufer- und bodenloses Meer.

Siebenhundertundfünfundvierzigste Nacht.

Hierauf blickte Sâlih seine Schwester Dschullanâr an und sagte zu ihr: »Bei Gott, meine Schwester, es giebt unter den Meerkönigen keinen dümmeren und jähzornigeren als ihren Vater, sprich daher zu deinem Sohn nicht eher von jenem Mädchen als bis wir uns um sie bei ihrem Vater 25 für ihn beworben haben. Giebt er seine Zustimmung, so wollen wir Gott, den Erhabenen, loben, weist er uns aber ab und vermählt sie nicht mit deinem Sohn, so wollen wir uns damit zufrieden geben und ihm eine andere Frau aussuchen.« Als Dschullanâr ihres Bruders Worte vernahm, erwiderte sie: »Dein Rat ist trefflich.« Alsdann schwiegen sie und legten sich zur Ruhe, während die Liebe zur Prinzessin Dschauhare im Herzen des Königs Bedr Bâsim eine Feuerslohe entflammte. Jedoch verbarg er die Sache bei sich und sprach nicht zu seiner Mutter oder seinem Oheim darüber, wiewohl er in seiner Verliebtheit wie auf Bratpfannen saß.

Als am andern Morgen der König und sein Oheim ins Bad gegangen waren und sich gewaschen hatten, tranken sie Wein, worauf man ihnen Speisen vorsetzte, und der König Bedr Bâsim, seine Mutter und sein Oheim sich satt aßen. Alsdann wuschen sie sich die Hände, und nun erhob sich Sâlih auf seine Füße und sprach zum König Bedr Bâsim und seiner Mutter: »Mit eurer Erlaubnis möchte ich nun zu meiner Mutter heimkehren, denn ich habe mich lange bei euch verweilt, und sie sind besorgt um mich und erwarten mich.« Der König Bedr Bâsim entgegnete jedoch seinem Oheim: »Bleibe noch heute bei uns,« worauf derselbe seinem Worte gehorchte. Hierauf sagte Bedr Bâsim: »Komm hinaus in den Garten, mein Oheim.« Da begaben sie sich in den Garten und lustwandelten eine Weile in ihm, bis sich der König Bedr Bâsim unter einen schattigen Baum setzte, um sich auszuruhen und zu schlafen; die Worte seines Oheims, mit denen er das Mädchen beschrieben hatte, und ihre Schönheit und Anmut kamen ihm jedoch wieder in den Sinn, so daß die Thränen seinen Augen entströmten, und er die Verse sprach:

Spräche man zu mir, während in mir die Feuerslohe flammt,
Und das Feuer in meinem Herzen und meinen Eingeweiden lodert:
Was ist dir lieber, daß dein Auge sie schaut
Oder ein Trunk reinen Wassers? Sie zu schauen, spräch ich.« 26

Hierauf klagte, stöhnte und weinte er und sprach die Verse:

»Wer schützt mich vor der Liebe zu einer trauten Gazelle,
Mit einem Angesicht strahlender als die Sonne?
Mein Herz hatte Ruhe vor der Liebe zu ihr,
Doch nun brennt es in Höllenpein für Es-Samandals Tochter.«

Als sein Oheim Sâlih seine Worte vernahm, schlug er die Hände zusammen und rief: »Es giebt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist der Gesandte Gottes! Und es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Alsdann fragte er ihn: »Mein Sohn, hast du etwa gehört, was ich mit deiner Mutter über die Prinzessin Dschauhare sprach, und wie wir sie rühmten?« Bedr Bâsim erwiderte: »Ja, mein Oheim, und ich verliebte mich in sie durch Hörensagen, als ich die Worte, die ihr sprachet, vernahm; und nun hängt mein Herz an ihr, und ich kann es nicht ohne sie aushalten.« Da sagte sein Oheim: »O König, laß uns zu deiner Mutter zurückkehren und ihr die Sache mitteilen, damit ich sie um Erlaubnis bitte, dich mitzunehmen und mich für dich um die Prinzessin Dschauhare zu bewerben. Hernach wollen wir ihr Lebewohl sagen und zurückkehren. Denn ich fürchte mich, dich ohne ihre Erlaubnis mitzunehmen, da sie mit vollstem Recht auf mich böse werden könnte, weil ich die Ursache eurer Trennung wäre, wie ich ebenfalls die Veranlassung zu ihrer Trennung von uns war. Überdies würde die Stadt ohne König sein, da sie niemand haben, der sie regieren und ihre Geschäfte besorgen könnte, und so würde das Königreich zu deinem Nachteil in Unordnung geraten und das Reich aus deiner Hand fallen.« Als Bedr Bâsim seines Oheims Sâlih Worte vernahm, sagte er zu ihm: »Wisse, mein Oheim, wenn ich zu meiner Mutter zurückkehre und sie hierüber um Rat frage, so wird sie mir es nicht erlauben; ich will deshalb nicht zu ihr zurückkehren und sie nimmerdar um Rat fragen.« Dann weinte er vor seinem Oheim und sagte zu ihm: »Ich will mit dir fort, ohne es ihr mitzuteilen, und dann wieder 27 heimkehren.« Als nun Sâlih seines Schwestersohnes Worte vernahm, wußte er in seiner Sache nicht aus noch ein und rief: »Ich flehe zu Gott, dem Erhabenen, um Hilfe auf jeden Fall.« Alsdann zog er, als er seinen Neffen in solchem Zustande gewahrte und sah, daß er keine Lust hatte zu seiner Mutter zurückzukehren, sondern mit ihm fortziehen wollte, einen Siegelring von seinem Finger, in den gewisse Namen Gottes, des Erhabenen, eingegraben waren, und überreichte ihn dem König Bedr Bâsim mit den Worten: »Steck' diesen Ring an deinen Finger, und du bist sicher vor dem Ertrinken und andern Fährlichkeiten, sowie vor dem Übel der Meerestiere und der Raubfische.« Da nahm der König Bedr Bâsim den Ring von seinem Oheim Sâlih und steckte ihn an seinen Finger, worauf sie ins Meer untertauchten –

Siebenhundertundsechsundvierzigste Nacht.

und weiterzogen, bis sie bei Sâlihs Schloß angelangt waren, in dem sie Bedr Bâsims Großmutter, die Mutter seiner Mutter, umgeben von ihren Verwandten antrafen und ihnen die Hände küßten. Als seine Großmutter ihn erblickte, erhob sie sich vor ihm, umarmte ihn, küßte ihn zwischen die Augen und sprach zu ihm: »Gesegnete Ankunft, mein Sohn, wie hast du deine Mutter Dschullanâr verlassen?« Er versetzte: »Sehr wohl und gesund, und sie läßt dich und ihre Basen grüßen.« Alsdann erzählte Sâlih seiner Mutter, was sich zwischen ihm und seiner Schwester Dschullanâr zugetragen hatte, und daß sich der König Bedr Bâsim in die Prinzessin Dschauhare, die Tochter des Königs Es-Samandal, von Hörensagen verliebt hätte; kurz, er erzählte ihr die Geschichte von Anfang bis zu Ende und sagte zu ihr: »Ich bin aus keinem andern Grunde gekommen als um sie anzuhalten.« Als Bedr Bâsims Großmutter Sâlihs Worte vernommen hatte, erzürnte sie sich gewaltig wider ihn und sagte, schwer beunruhigt und bekümmert, zu ihm: »Mein Sohn, du fehltest darin, daß du den Namen der Prinzessin 28 Dschauhare, der Tochter des Königs Es-Samandal, vor dem Sohn deiner Schwester erwähntest, da du weißt, daß der König Es-Samandal dumm und gewaltthätig, beschränkt und jähzornig ist und mit seiner Tochter Dschauhare gegen ihre Bewerber sehr knauserig ist, da alle Meerkönige um sie bei ihm angehalten haben, er sie jedoch abwies und mit keinem zufrieden war, sondern sie mit den Worten heimschickte: »Ihr seid kein Widerpart für sie an Schönheit, Anmut und andern Vorzügen.« Wir fürchten uns deshalb bei ihrem Vater um sie anzuhalten, da er uns ebenso wie die andern abweisen könnte, und wir dann gebrochenen Herzens heimkehren, dieweil wir ein hochsinnig Geschlecht sind.« Als Sâlih seiner Mutter Worte vernommen hatte, versetzte er: »O Mutter, was soll denn geschehen? Denn siehe, der König Bedr Bâsim verliebte sich in dieses Mädchen, als ich von ihr zu meiner Schwester Dschullanâr sprach, und erklärte: »Ich muß mich um sie bei ihrem Vater bewerben und sollte es mich auch mein ganzes Königreich kosten.« Er behauptete auch, wenn er sie nicht heiraten könnte, so würde er aus Liebe und Sehnsucht nach ihr sterben.« Dann setzte er noch hinzu: »Und wisse, Mutter, mein Neffe ist noch schöner und anmutiger als sie; sein Vater war der König vom ganzen Perservolk, dessen König er jetzt ist. Dschauhare paßt für ihn allein, und deshalb bin ich entschlossen, Hyazinthen und andere Edelsteine, wie sie sich für ihn geziemen, für ihn als Geschenk mitzunehmen und mich bei ihm um sie zu bewerben. Wenn er uns vorhält, daß er ein König ist, nun, so ist Bedr Bâsim ebenfalls ein König und eines Königs Sohn; und wenn er uns ihre Anmut vorhält, so ist er noch anmutiger als sie, und wenn er die Größe seines Reiches nennt, so ist sein Königreich größer als ihr und ihres Vaters Reich, und seine Truppen und Garden sind zahlreicher, weil eben sein Reich größer als das ihres Vaters ist. Ich muß mein Bestes thun, um meines Neffen Anliegen zu erfüllen, sollte ich auch mein Leben darüber verlieren da ich die Schuld an dieser 29 Geschichte trage und, wie ich ihn in das Meer der Liebe stürzte, so will ich mir auch Mühe geben ihn mit ihr zu verheiraten, und Gott, der Erhabene, wird mir hierin beistehen.« Da sagte seine Mutter zu ihm: »Thue, was dir beliebt, hüte dich jedoch ihrem Vater mit groben Worten zu kommen, wenn du mit ihm sprichst, denn du weißt, wie dumm und jähzornig er ist, und ich fürchte, er könnte dir Gewalt anthun, da er niemandes Wort achtet.« Sâlih erwiderte ihr: »Ich höre und gehorche;« alsdann erhob er sich und nahm zwei Mantelsäcke voll Juwelen, Hyazinthen, Smaragdstäbchen und Edelsteinen allerlei Art mit sich, die er seinen Burschen zu tragen gab, worauf er sich mit ihnen und seinem Neffen zum Schloß des Königs Es-Samandal aufmachte und ihn um Audienz ersuchte. Nach erhaltener Erlaubnis trat er ein, küßte die Erde vor ihm und bot ihm den Salâm in schönster Form, während sich der König Es-Samandal, sobald er ihn erblickte, vor ihm erhob, ihn aufs ehrenvollste aufnahm und ihm befahl Platz zu nehmen. Nachdem er sich dann gesetzt hatte, sprach der König zu ihm: »Eine gesegnete Ankunft! Du hattest uns einsam gemacht, Sâlih; welches Anliegen führt dich zu uns her? Teil' es mir mit, damit ich es dir erfüllen kann.« Da erhob er sich, küßte zum zweitenmal die Erde vor ihm und sprach: »O König der Zeit, mein Anliegen ist zu Gott und zu dem hochsinnigen König und kraftvollen Löwen, dessen preisliche Tugenden die Reisenden verkündet haben, und von dessen Freigebigkeit, Güte, Huld, Gnade und Gunst sich der Ruhm in alle Länder und Städte verbreitet hat.« Hierauf öffnete er die beiden Mantelsäcke, holte aus ihnen die Juwelen und Edelsteine hervor und sagte zu dem König Es-Samandal, sie vor ihm ausstreuend: »O König der Zeit, vielleicht nimmst du mein Geschenk an und heilst mein Herz durch huldvolle Annahme derselben.« 30

Siebenhundertundsiebenundvierzigste Nacht.

Da fragte ihn der König Es-Samandal: »Weshalb machst du mir dieses Geschenk? Erzähl' mir deine Geschichte und trag' mir dein Anliegen vor; wenn ich imstande bin es zu erfüllen, so will ich es augenblicklich thun und dir Plackereien ersparen; bin ich aber dazu nicht imstande, so legt Gott keiner Seele mehr auf als sie leisten kann.« Nun erhob sich Sâlih, küßte dreimal die Erde vor ihm und sprach: »O König der Zeit, du bist imstande mein Anliegen zu erledigen; es ist in deinem Bereich und du hast die Macht darüber; ich verlange auch nichts schwieriges vom Könige und bin nicht so verrückt den König wegen einer Sache anzusprechen, die er nicht imstande ist mir zu gewähren; sagt doch auch einer der Weisen: Wenn du willst, daß man dir gehorche, so fordere was man leisten kann. Deshalb ist der König, den Gott hüten möge, imstande das Anliegen, um dessentwillen ich gekommen bin, zu erfüllen.« Der König versetzte: »Frag, was du begehrst, erläutere deinen Fall und fordere, was du wünschest.« Da versetzte er: »O König der Zeit, wisse ich bin als Brautwerber zu dir gekommen und heische die kostbare Perle und das wohlverwahrte Juwel, die Prinzessin Dschauhare, die Tochter unseres Herrn; und so enttäusche den Bittsteller nicht.« Als der König seine Worte vernahm, lachte er, ihn verspottend, bis er auf den Rücken fiel und sagte: »O Sâlih, ich hielt dich für einen verständigen Mann und für einen trefflichen jungen Menschen, der nur das Rechte suchte und das Vernünftige spräche; was ist mit deinem Verstand vorgefallen, und was hat dich zu dieser wichtigen Sache und ernsten Angelegenheit getrieben, daß du dich um Töchter von Königen, den Herren von Städten und Ländern bewirbst? Überhebst du dich bis zu dieser hohen Stufe oder hat dein Verstand so sehr gelitten, daß du mir mit diesen Worten vors Gesicht trittst?« Sâlih versetzte: »Gott fördere den König! Ich bewerbe mich nicht für mich um sie, wiewohl ich ihr 31 über und über ebenbürtig wäre, wenn ich es thäte, da du weißt, daß mein Vater auch ein Meerkönig war, wenn schon du heute unser König bist. Vielmehr bewerbe ich mich um sie für keinen andern als für den König Bedr Bâsim, den Herrn der persischen Lande, dessen Vater König Schahrimân war, und dessen Macht du kennst. Wenn du behauptest, du wärest ein großer König, so ist der König Bedr Bâsim noch größer, und wenn du meinst, deine Tochter sei anmutig, so ist der König Bedr Bâsim noch anmutiger und schöner als sie und auch von höherem Rang und Adel, da er der Ritter seiner Zeit ist. Wenn du meine Bitte gewährst, o König der Zeit, so hast du die Sache in Ordnung gebracht, wenn du dich aber gegen uns überhebst, so behandelst du uns nicht nach Billigkeit und ziehst nicht in Rücksicht auf uns die rechte Straße. Ferner weißt du, o König, daß die Prinzessin Dschauhare, die Tochter unseres Herrn Königs, sich verheiraten muß, denn der Weise sagt: Die Tochter muß entweder ins Ehebett oder ins Grab. Hast du daher die Absicht sie zu verheiraten, so verdient sie der Sohn meiner Schwester eher als alle andern Menschen.«

Als der König Es-Samandal Sâlihs Worte vernahm, ergrimmte er gewaltig, daß er beinahe von Sinnen kam und seinen Geist aufgab, und schrie: »Du Hund, erdreistet sich einer wie du solche Worte zu mir zu sprechen, meine Tochter in den Versammlungen zu nennen und zu sagen: Der Sohn meiner Schwester Dschullanâr ist ihr ebenbürtig? Wer bist du denn, wer ist deine Schwester, wer ist ihr Sohn und wer sein Vater, daß du solche Worte zu mir sprichst und solche Reden zu mir führst? Was seid ihr denn samt und sonders anderes im Vergleich zu ihr als Hunde?« Hierauf schrie er nach seinen Pagen und befahl ihnen: »Ihr Burschen, herunter mit dem Haupt jenes Galgenstricks!« Da faßten sie ihre Schwerter und, sie zückend, drangen sie auf ihn ein, während er vor ihnen floh und nach dem Palastthor lief. Als er dort anlangte, gewahrte er vor dem Thor seine 32 Vettern, Blutsverwandten und Stammesgenossen mit ihren Mannen, die ihm seine Mutter zu Hilfe geschickt hatte, mehr als tausend von Eisen starrende Ritter in engmaschigen Panzern und mit Lanzen und hellblitzenden Schwertern in der Hand, die ihn, sobald sie ihn in solchem Zustande gewahrten, fragten, was es gäbe, worauf er ihnen die Sache erzählte. Als sie seinen Bericht vernommen hatten, erkannten sie, daß der König ein Dummkopf und Heißsporn war und, von ihren Rossen abspringend, zückten sie ihre Schwerter und drangen bei dem König Es-Samandal ein, den sie auf dem Thron seines Königreiches sitzend antrafen, im höchsten Zorn auf Sâlih und ohne ihrer gewahr zu werden, umgeben von seinen unvorbereiteten Dienern, Pagen und Garden. Als er sie nun mit gezückten Schwertern in der Hand gewahrte, schrie er seinem Volk zu und rief: »Weh euch, holt dieser Hunde Häupter herunter!« In kurzer Frist waren jedoch König Es-Samandals Leute geschlagen und suchten ihr Heil in der Flucht, worauf Sâlih und seine Verwandten den König Es-Samandal ergriffen und ihm die Hände auf dem Rücken fesselten.

Siebenhundertundachtundvierzigste Nacht.

Die Prinzessin Dschauhare erwachte hiervon und floh, als sie sah, daß ihr Vater gefangen genommen und seine Garden erschlagen waren, aus dem Schloß zu einer Insel, wo sie einen hohen Baum aufsuchte, in dessen Gipfel sie sich verbarg. Wie nun aber die beiden Parteien miteinander handgemein geworden waren und einige der Pagen des Königs Es-Samandal flohen, gewahrte sie Bedr Bâsim und fragte sie, was es gäbe, worauf sie ihm den Vorfall erzählten. Sobald er vernahm, daß man an den König Es-Samandal Hand gelegt hatte, lief er, besorgt um sein Leben, fort und sprach bei sich: »Dieser Aufruhr ist um meinetwillen, und mich allein sucht man.« So kehrte er den Rücken und suchte sein Heil in der Flucht, ohne zu wissen, wohin er sich wenden sollte. 33 Das von Ewigkeit her verhängte Geschick trieb ihn aber gerade nach jener Insel, auf welcher sich Dschauhare, die Tochter des Königs Es-Samandal befand, und wie er zu jenem Baum gelangte, auf dem sie saß, warf er sich wie ein Toter nieder, um sich auszuruhen, ohne zu wissen, daß kein Verfolgter Ruhe findet, und daß niemand sein verborgenes Geschick kennt. Als er nun dalag und sein Auge zum Baum emporhob, fiel sein Blick in Dschauhares Auge, worauf er sie anschaute und gewahrte, daß sie dem aufgehenden Mond glich. Da rief er: »Preis sei dem Schöpfer dieser wunderbaren Gestalt, Ihm, dem Schöpfer aller Dinge, der über alle Dinge mächtig ist! Preis dem großen Gott, dem Schöpfer, dem Hervorbringer und Bildner! Bei Gott, wenn meine Ahnung richtig ist, so ist dies Dschauhare, Es-Samandals Tochter, die, wie ich glaube, auf die Nachricht von dem Kampf zwischen den beiden geflohen und zu dieser Insel gelangt ist, wo sie sich auf diesen Baum versteckt hat. Ist es aber nicht die Prinzessin Dschauhare, so ist dies Mädchen schöner als sie.« Hierauf versank er in Gedanken über diesen Fall und sprach bei sich: »Ich will aufstehen, will sie packen und fragen wer sie ist; ist es wirklich die Prinzessin, so halte ich bei ihr selber an, was gerade mein Wunsch ist.« Hierauf richtete er sich völlig auf und sprach zu ihr: »O du höchster Wunsch, wer bist du, und wer hat dich hierher gebracht?« Da schaute Dschauhare nach Bedr Bâsim und, als sie nun sah, daß er wie der unter schwarzem Gewölk hervorleuchtende Vollmond aussah, und von schlanker Gestalt war und hold lächelte, erwiderte sie: »O du Holdseliger, ich bin die Prinzessin Dschauhare, die Tochter des Königs Es-Samandal, und bin an diesen Ort geflohen, weil Sâlih mit seinen Truppen wider meinen Vater stritt und seine Truppen erschlug, während er ihn nebst wenigen seiner Mannschaft gefangen nahm; da floh ich aus Furcht für mein Leben, ohne zu wissen, was die Zeit mit meinem Vater gethan hat.« Als der König Bedr Bâsim diese Worte von ihr vernahm, 34 verwunderte er sich höchlichst über dieses sonderbare Zusammentreffen und sprach bei sich: »Kein Zweifel, ich habe durch die Gefangennahme ihres Vaters meinen Wunsch erreicht.« Alsdann schaute er zu ihr auf und sagte zu ihr: »Steig herunter, meine Herrin, denn ich bin deiner Liebe Erschlagener und deiner Augen Gefangener; nur um meinet- und deinetwillen hat dieser Aufruhr und Kampf stattgefunden, denn wisse, ich bin der König Bedr Bâsim der König von Persien, und Sâlih ist mein Oheim, der mich zu deinem Vater mitgenommen und bei ihm um dich angehalten hat. Um deinetwillen habe ich mein Reich verlassen, und unser Zusammentreffen zu dieser Stunde ist einer der merkwürdigsten Zufälle. So mach dich auf und steig herunter, daß wir beide zu deines Vaters Schloß zurückkehren, und ich meinen Oheim Sâlih bitte ihn loszulassen und dich rechtmäßig heirate.«

Als Dschauhare Bedr Bâsims Worte vernahm, sprach sie bei sich: »Um dieses gemeinen Galgenstricks wegen ist diese Geschichte vorgefallen, mein Vater gefangen genommen, seine Kämmerlinge und Diener erschlagen und ich von meinem Schloß zu dieser Insel vertrieben? Wenn ich jedoch nicht irgend eine List gegen ihn anwende, um mich vor ihm zu schützen, so packt er mich und erreicht seinen Wunsch, da er verliebt ist, und da, was ein Verliebter thut, nicht zu tadeln ist.« Alsdann redete sie ihn mit trügerischen sanften Worten an, ohne daß er wußte, was für Listen sie wider ihn plante, und sprach zu ihm: »O mein Herr und mein Augenlicht, bist du wirklich der König Bedr Bâsim, der Sohn der Königin Dschullanâr?« Er versetzte: »Jawohl, meine Herrin.«

Siebenhundertundneunundvierzigste Nacht.

Hierauf erwiderte sie: »Gott vernichte meinen Vater, er nehme ihm sein Reich und heile nicht sein Herz noch wehre er Fremdlingschaft von ihm ab, wenn er einen Schöneren als dich oder schönere als diese feinen Eigenschaften begehrte! Bei Gott, er hat wenig Verstand und Überlegung! Jedoch, 35 o König der Zeit, nimm's meinem Vater nicht übel; und so du mich eine Spanne liebst, so liebe ich dich eine Elle, da ich in das Netz der Liebe zu dir gefallen bin und unter die Zahl der von dir Getöteten gehöre. Die Liebe, die du empfandest, ist nun in mich versetzt, und nur ein Zehntel von dem, was ich empfinde, ist bei dir verblieben.« Hierauf stieg sie von dem Baum herunter und, an ihn nahe herantretend, umarmte sie ihn, preßte ihn an ihre Brust und küßte ihn in einem fort, so daß der König Bedr Bâsim, angesichts dessen, was sie mit ihm that, noch verliebter in sie wurde und in überhandnehmender Sehnsucht glaubte, sie liebte ihn. Voll Vertrauen auf sie preßte er sie ebenfalls an die Brust und küßte sie einmal ums andere, worauf er zu ihr sagte: »O Prinzessin, bei Gott, mein Oheim Sâlih hat mir nicht den vierzigsten Teil deiner Anmut geschildert, ja nicht den vierten Teil eines Karats von den vierundzwanzig.« Dschauhare aber preßte ihn nun von neuem an ihre Brust und sprach unverständliche Worte, worauf sie ihm ins Gesicht spie und zu ihm sprach: »Verlaß diese deine menschliche Gestalt und nimm die Gestalt des schönsten Vogels an, mit weißem Gefieder, rotem Schnabel und roten Beinen.« Und kaum hatte sie ihre Worte beendet, da verwandelte sich der König Bedr Bâsim in den schönsten Vogel, der sich schüttelte und, auf seinen Beinen stehend, nach ihr schaute. Die Prinzessin Dschauhare hatte aber unter ihren Sklavinnen eine, Namens Marsîne;Myrte. zu dieser sprach sie, indem sie sie anschaute: »Bei Gott, wenn ich nicht für meinen Vater fürchtete, der von seinem Oheim gefangen genommen ist, so tötete ich ihn! Gott lohne es ihm nie mit Gutem, wie unselig ist doch sein Kommen zu uns gewesen! Denn all dieser Aufruhr ist nur durch ihn verschuldet. Jedoch, Sklavin, bring ihn nach der Durstinsel und laß ihn dort, bis er vor Durst stirbt.« Da nahm ihn das Mädchen nach jener Insel und wollte schon 36 wieder zurückkehren, als sie bei sich sprach: »Bei Gott, der Herr solcher Schönheit und Anmut verdient es nicht, daß er vor Durst stirbt!« Alsdann nahm sie ihn wieder von der Durstinsel fort und führte ihn zu einer Insel, die reich an Bäumen, Früchten und Bächen war, worauf sie wieder zu ihrer Herrin zurückkehrte und zu ihr sprach: »Ich habe ihn nach der Durstinsel gebracht.«

Soviel mit Bezug auf Bedr Bâsim; inzwischen aber hatte sein Oheim Sâlih nach der Gefangennahme des Königs Es-Samandal und der Ermordung seiner Garden und Diener nach der Prinzessin Dschauhare gesucht, ohne sie finden zu können, weshalb er in sein Schloß zu seiner Mutter zurückkehrte und sie fragte: »Meine Mutter, wo ist mein Schwestersohn der König Bedr Bâsim?« Sie versetzte: »Bei Gott, mein Sohn, ich weiß nichts von ihm und habe keine Ahnung, wohin er gegangen ist; als er vernahm, daß du mit dem König Es-Samandal kämpftest, und daß zwischen euch gestritten und gefochten wurde, da bekam er Angst und lief fort.« Als Sâlih die Worte seiner Mutter vernahm, betrübte er sich über seinen Neffen und sprach: »Meine Mutter, bei Gott, wir haben uns gegen den König Bedr Bâsim nachlässig benommen, und ich fürchte, daß er umkommt oder daß einer der Krieger König Es-Samandals oder die Prinzessin Dschauhare auf ihn stößt, so daß wir vor seiner Mutter beschämt dastehen und nichts Gutes von ihr empfangen, da ich ihn ohne ihre Erlaubnis mitnahm.« Hierauf sandte er die Garden und Späher ins Meer und anderswohin aus, ohne daß sie eine Kunde von ihm vernahmen, worauf sie wieder zurückkehrten und es Sâlih vermeldeten. Da wuchs seine Sorge und sein Kummer, und seine Brust ward um den König Bedr Bâsim beklommen.

Soviel in Bezug auf den König Bedr Bâsim und seinen Oheim Sâlih. Was nun aber seine Mutter Dschullanâr die Meermaid anlangte, so wartete sie, nachdem ihr Sohn Bedr Bâsim mit seinem Oheim Sâlih hinuntergestiegen war, auf 37 ihn mehrere Tage lang. Als sie jedoch nichts mehr von ihm vernahm, und er auch nicht zurückkehrte, erhob sie sich und stieg zu ihrer Mutter ins Meer hinunter, die sich bei ihrem Anblick vor ihr erhob und sie küßte und umarmte, wie ihre Basen ingleichen. Alsdann fragte sie ihre Mutter nach dem König Bedr Bâsim, worauf diese ihr erwiderte: »Meine Tochter, er kam hierher mit seinem Oheim, der dann Hyazinthen und Edelsteine zu sich nahm und sich mit ihm zum König Es-Samandal begab, um sich um seine Tochter zu bewerben; er wies ihn jedoch ab und bediente sich heftiger Worte gegen ihn. Da ich aber Sâlih gegen tausend Reitersleute geschickt hatte, entbrannte zwischen ihnen und dem König Es-Samandal ein Kampf, und Gott half deinem Bruder wider ihn, so daß er seine Garden und Truppen erschlug und den König Es-Samandal gefangen nahm. Als nun dein Sohn hiervon Kunde bekam, schien es als ob er für sich selber fürchtete, weshalb er wider unseren Willen von uns fortlief und nicht mehr zu uns zurückkehrte; und seitdem vernahmen wir nichts mehr von ihm.« Hierauf fragte Dschullanâr ihre Mutter nach ihrem Bruder Sâlih und vernahm von ihr, daß er an Stelle des Königs Es-Samandal auf dem Thron des Königreiches säße und nach allen Richtungen Boten auf die Suche nach ihrem Sohn und der Prinzessin Dschauhare ausgeschickt hätte. Als Dschullanâr dies von ihrer Mutter vernahm, betrübte sie sich schwer über ihren Sohn, und ihr Zorn gegen ihren Bruder Sâlih wuchs, daß er ohne ihre Erlaubnis mit ihrem Sohn ins Meer hinuntergestiegen war. Alsdann sprach sie zu ihrer Mutter: »Meine Mutter, ich bin für unser Reich in Sorgen, da ich zu euch gekommen bin, ohne etwas hiervon verlauten zu lassen, und ich fürchte, wenn ich zu lange fortbleibe, könnte es in Unordnung geraten, und das Königreich könnte aus unsern Händen gleiten. Ich halte es deshalb für das Richtige, daß ich zurückkehre und so lange das Reich verwalte, bis Gott meines Sohnes Sache für uns zum Besten 38 lenkt. Vergesset jedoch meinen Sohn nicht und vernachlässigt seinen Fall nicht, denn, so ihm ein Leid geschieht, sterbe ich ganz gewiß, da ich die Welt nur in ihm sehe und nur an seinem Leben Freude habe.« Ihre Mutter erwiderte ihr: »Recht gern, meine Tochter; frag nicht, was wir durch die Trennung von ihm und sein Verschwinden erleiden.« Hierauf schickte ihre Mutter Leute nach ihrem Sohn aus, während sie betrübten Herzens und weinenden Auges in ihr Reich zurückkehrte; und die Welt ward ihr eng.

Siebenhundertundfünfzigste Nacht.

Soviel mit Bezug auf sie; inzwischen hatte nun der König Bedr Bâsim auf der Insel von den Früchten gegessen und aus den Bächen getrunken und in dieser Weise Tage und Nächte als Vogel zugebracht, ohne zu wissen, wohin er sich wenden und wie er fliegen sollte, bis eines Tages ein Vogelsteller nach jener Insel kam, um sich etwas zu seinem Lebensunterhalt zu fangen. Als er hier den König Bedr Bâsim als Vogel mit weißem Gefieder, rotem Schnabel und roten Beinen gewahrte, den Blick gefangennehmend und die Sinne verwirrend, sprach er, entzückt über ihn, bei sich, ihn anblickend: »Fürwahr, dieser Vogel ist hübsch und nie sah ich einen ihm gleich an Schönheit und Gestalt.« Alsdann warf er das Netz über ihn und fing ihn, worauf er mit ihm in die Stadt ging, indem er bei sich sprach: »Ich will ihn verkaufen und das Geld für ihn nehmen.« Unterwegs traf er einen der Stadtbewohner, der ihn fragte: »Wie teuer ist dieser Vogel, Finkler?« Der Vogelsteller versetzte: »Was willst du mit ihm thun, wenn du ihn gekauft hast?« Der andere versetzte: »Ich will ihn schlachten und essen.« Der Vogelsteller erwiderte: »Wer könnte so herzlos sein und diesen Vogel schlachten und essen? Ich habe vor, ihn dem König zu schenken, daß er mir mehr für ihn giebt als du mir bezahlen würdest; und der König würde ihn nicht schlachten, sondern würde an ihm und seiner Schönheit und Anmut 39 seine Lust schauen, da ich, wiewohl ich ein Finkler bin, in meinem ganzen Leben nicht etwas ihm Gleiches unter dem Getier zu Land und Meer gesehen habe. Wenn du auch noch so sehr nach ihm verlangtest, so würdest du mir doch höchstens einen Dirhem für ihn bezahlen, und, beim großen Gott, ich verkaufe ihn nicht.« Alsdann begab sich der Finkler mit ihm in den Palast des Königs, dem der Vogel beim ersten Blick wegen seiner Schönheit und Anmut und wegen seines roten Schnabels und der roten Beine gefiel, so daß er einen Eunuchen zu dem Vogelsteller schickte, um ihn zu kaufen. Als nun der Eunuch an ihn herantrat und ihn fragte, ob er den Vogel verkaufen wolle, erwiderte er: »Nein, er ist ein Geschenk von mir an den König.« Da nahm ihn der Eunuch mit sich zum König und erzählte ihm, was der Vogelsteller zu ihm gesagt hatte, worauf der König den Vogel nahm und dem Vogelsteller zehn Dinare schenkte. Der Vogelsteller nahm sie, küßte die Erde und ging fort, während der Eunuch den Vogel in den Palast des Königs nahm, ihn in einen hübschen Käfig setzte, etwas zum Essen und Trinken für ihn hineinthat und ihn aufhängte. Als der König herunterkam, fragte er den Eunuchen. »Wo ist der Vogel? Bring ihn her, damit ich ihn mir anschaue, denn, bei Gott, er ist hübsch.« Da brachte der Eunuch den Vogel und stellte ihn vor den König, welcher sagte, als er sah, daß der Vogel nichts von dem Futter gefressen hatte: »Bei Gott, ich weiß nicht, was er frißt, daß ich ihn damit füttern kann.« Alsdann befahl er das Essen zu bringen und aß, als die Speisetische aufgetragen waren. Als nun aber der Vogel das Fleisch, die Gerichte, Süßigkeiten und Früchte sah, aß er von allem, was auf dem Tisch vor dem König stand, so daß der König und die Anwesenden sich über ihn verwunderten und staunten, und der König sagte zu den Eunuchen und Mamluken, die ihn umgaben: »In meinem Leben sah ich noch keinen Vogel wie diesen essen.« Alsdann befahl er seine Frau zu rufen, damit sie ihre Lust an dem Vogel schauen könnte, und 40 ein Eunuch ging fort sie zu holen und sagte zu ihr: »Meine Herrin, der König verlangt nach dir, daß du dich an einem Vogel, den er gekauft hat, ergötzest. Als wir nämlich das Essen auftrugen, flog er aus dem Käfig auf den Tisch herunter und aß von allen Sachen, die sich darauf befanden. Steh deshalb auf, meine Herrin, und schau deine Lust an ihm, denn er ist hübsch anzuschauen und eins der Wunder der Zeit.« Als die Königin des Eunuchen Worte vernahm, machte sie sich eilig auf, doch verhüllte sie ihr Gesicht, sobald sie den Vogel anschaute und scharf ins Auge faßte, und kehrte wieder um. Da eilte der König ihr nach und fragte sie: »Weshalb verhüllst du dein Gesicht, es sind doch nur die Sklavinnen, die dich bedienenden Eunuchen und dein Gemahl anwesend?« Sie versetzte darauf: »O König, siehe, dies ist kein wirklicher Vogel, sondern ein Mann wie du.« Als der König die Worte seiner Gattin vernahm, sagte er zu ihr: »Du lügst; dies ist zu viel für einen Scherz. Wie sollte er etwas anderes als ein Vogel sein?« Die Königin erwiderte ihm jedoch: »Bei Gott, ich treibe keinen Scherz mit dir, und nur die Wahrheit habe ich zu dir gesprochen. Siehe, dieser Vogel ist der König Bedr Bâsim, der Sohn des Königs Schahrimân, der Herr des Perserlandes, und seine Mutter ist Dschullanâr die Meermaid.«

Siebenhundertundeinundfünfzigste Nacht.

Da fragte sie der König: »Und wie kam er zu dieser Gestalt?« Sie versetzte: »Er wurde von der Prinzessin Dschauhare, der Tochter des Königs Es-Samandal, verzaubert.« Und nun erzählte sie ihm die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende, wie er sich um Dschauhare bei ihrem Vater beworben und ihr Vater ihn abgewiesen hätte, und wie dann sein Oheim Sâlih mit dem König Es-Samandal gekämpft und ihn besiegt und gefangen genommen hätte. Als der König die Erzählung seiner Frau vernahm, verwunderte er sich aufs äußerste; da aber seine Gattin, die Königin, 41 die größte Zauberin ihrer Zeit war, sprach der König zu ihr: »Bei meinem Leben, befreie ihn von seinem Zauber und erlöse ihn von seiner Qual; Gott aber, der Erhabene, schneide Dschauhares Hand ab, der Ruchlosen! Wie gering ist doch ihr Glauben und wie groß ihre Arglist und Tücke!« Da sagte seine Gattin: »Sprich zu ihm: O Bedr Bâsim, tritt in jene Kammer ein!« Der König befahl es ihm, worauf Bedr Bâsim, sobald er des Königs Worte vernahm, in die Kammer trat. Alsdann erhob sich die Königin, verhüllte ihr Antlitz, nahm eine Schale mit Wasser und ging in die Kammer, wo sie das Wasser mit unverständlichen Worten besprach; dann sagte sie zu ihm: »Bei diesen großen Namen und hohen Versen und bei Gott, dem Erhabenen, dem Schöpfer der Himmel und der Erde, dem Erwecker der Toten und Verteiler des täglichen Brotes und der Endtermine, verlaß diese deine Gestalt und nimm wieder die Gestalt an, in welcher dich Gott erschaffen hat!« Und kaum hatte sie ihre Worte beendet, da schüttelte er sich einmal und nahm wieder seine alte Gestalt an, und der König gewahrte in ihm einen hübschen Jüngling, wie es auf der ganzen Erde keinen schöneren gab. Als nun aber der König Bedr Bâsim sah, daß er seine frühere Gestalt wieder erlangt hatte, rief er: »Es giebt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist der Gesandte Gottes! Preis sei dem Schöpfer der Geschöpfe und dem Verordner ihres täglichen Brotes und Endtermins!« Alsdann küßte er dem König die Hand und wünschte ihm langes Leben, während ihm der König das Haupt küßte und zu ihm sprach: »O Bedr Bâsim, erzähle mir deine Geschichte von Anfang bis zu Ende.« Da erzählte er ihm alles, ohne ihm das Geringste zu verbergen, worauf der König verwundert zu ihm sagte: »O Bedr Bâsim, Gott hat dich von dem Zauberer löst; was aber hat nun dein Urteil beschlossen, und was beabsichtigst du zu thun?« Er erwiderte: »O König der Zeit, ich erbitte mir von deiner Güte, daß du mir ein Schiff ausrüstest sowie eine Anzahl deiner Diener und alles, 42 was sonst erforderlich ist; denn seit langer Zeit bin ich von meinem Lande abwesend, und ich fürchte den Verlust meines Königreiches und glaube auch, meine Mutter ist infolge der Trennung von mir nicht mehr am Leben, sondern um so mehr aus Trauer über mich gestorben, als sie nicht weiß, was mir widerfahren ist und keine Nachricht hat, ob ich lebe oder tot bin. Ich bitte dich deshalb, o König, das Maß deiner Güte voll zu machen, indem du meine Bitte erfüllst.« Der König, der seine Schönheit und Anmut betrachtete und seine beredte Sprache vernahm, willigte ein und sagte: »Ich höre und gehorche,« und rüstete ihm ein Schiff aus, indem er alles Erforderliche hineinschaffte und ihm eine Anzahl seiner Diener mitgab. Alsdann verabschiedete er sich vom König und ging an Bord, worauf sie mit günstigem Wind zehn Tage hintereinander segelten. Am elften Tage aber wurde das Meer sehr stürmisch, und das Schiff hob und senkte sich, ohne daß die Matrosen imstande gewesen wären es in der Gewalt zu halten. Die Wogen spielten in dieser Weise mit ihnen, bis sie sich einer Klippe näherten, und das Schiff stieß an die Klippe und zerbrach, so daß alles, was sich auf ihm befand, im Wasser versank, bis auf den König Bedr Bâsim, der sich, nachdem er bereits dem Tode nahe gewesen war, auf eine der Planken schwang; und die Planke trieb mit ihm auf dem Meer einher, ohne daß er wußte, wohin er getrieben wurde, und ohne ein Mittel zu finden, dieselbe anzuhalten. Nachdem er auf ihr vom Meer und Sturm drei Tage lang einhergetrieben war, landete sie mit ihm am vierten Tage am Meeresstrand, wo er eine Stadt gewahrte, weiß wie die weißeste Taube, die auf einer Insel am Strand erbaut war, von hübscher Bauart mit hohen Fundamenten und ragenden Mauern, an deren Wälle das Meer schlug. Als der König Bedr Bâsim die Insel, auf der sich die Stadt befand, erblickte, freute er sich mächtig, da er vor Hunger und Durst bereits dem Tode nahe gewesen war, und wollte von der Planke absteigen, um zur 43 Stadt hinaufzusteigen, als mit einem Male Maultiere, Esel und Pferde, so zahlreich wie der Sand am Meer, auf ihn zukamen und nach ihm ausschlugen und ihn am Absteigen verhinderten, so daß er nun hinter die Stadt schwamm und hier ans Land stieg, ohne daß er jemand in der Stadt fand. Da sprach er verwundert: »Wem mag nur diese Stadt gehören, die weder einen König noch Bewohner hat, und woher kamen die Maultiere, Esel und Pferde, die mich am Landen verhinderten?« Dann schritt er, nachdenklich über diese Geschichte, aufs Geratewohl los, bis er einen Scheich, einen Grünzeughändler, gewahrte, worauf er ihm den Salâm bot. Der Scheich erwiderte ihm den Gruß und blickte ihn an; da er aber in ihm einen hübschen Jüngling sah, sagte er zu ihm: »Bursche, woher kommst du, und was hat dich zu dieser Stadt geführt?« Da erzählte er ihm seine ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende, worauf der Scheich ihn verwundert fragte: »Mein Sohn, hast du niemand auf deinem Wege gesehen?« Er entgegnete: »Mein Vater, ich verwunderte mich in der That über diese menschenleere Stadt.« Da versetzte der Scheich: »O mein Sohn, tritt in den Laden ein, damit du nicht umkommst.« Bedr Bâsim that es und setzte sich in den Laden, worauf sich der Scheich erhob und ihm etwas zu essen brachte, indem er zu ihm sagte: »Mein Sohn, komm in das Innere des Ladens, und Preis sei Ihm, der dich vor jener Satanin errettet hat!« Der König Bedr Bâsim geriet über diese Worte in große Furcht, doch aß er von den Speisen des Scheichs, bis er genug hatte, worauf er sich die Hände wusch und, den Scheich anblickend, fragte: »Mein Herr, was ist die Ursache dieser Worte? In der That, du hast mir mit dieser Stadt und ihren Bewohnern einen großen Schrecken eingejagt.« Der Scheich versetzte: »Wisse, mein Sohn, dies ist die Stadt der Zauberer und wird von einer Königin beherrscht, einer Zauberin gleich einer Satanin, voll Trug und Tücke. Alle die Pferde, Maultiere und Esel, die du sahst, waren wie du und ich Menschenkinder, die aus der 44 Fremde kamen; denn jeder, der diese Stadt betritt und ein Jüngling gleich dir ist, den nimmt diese Heidin und Zauberin und sitzt vierzig Tage mit ihm zusammen, worauf sie ihn in ein Pferd, ein Maultier oder einen Esel verzaubert, wie du solche Tiere an den Meeresstrand sahst.

Siebenhundertundzweiundfünfzigste Nacht.

Als sie gewahrten, daß du ans Land steigen wolltest, fürchteten sie, du könntest von ihr gerade so wie sie verzaubert werden und gaben dir aus Mitleid mit dir durch Zeichen zu verstehen, nicht ans Land zu steigen, damit dich die Zauberin nicht sähe und dir das gleiche wie ihnen anthäte. Sie entriß den Leuten die Stadt durch Zauberei, und ihr Name ist Königin Lâb, was auf Arabisch Sonne bedeutet.« Als der König Bedr Bâsim diese Worte vom Scheich vernahm, sprach er, wie ein Rohr im Winde zitternd: »Ich glaubte mich kaum der Heimsuchung meiner Verzauberung entronnen, als mich das Schicksal in eine noch schlimmere Lage wirft.« Alsdann versank er in Gedanken über seine Lage und seine Widerfahrnisse, während der Scheich, der seine wachsende Angst bemerkte, zu ihm sagte: »Mein Sohn, steh auf, setz' dich auf die Ladenschwelle und sieh dir jene Geschöpfe und ihre Trachten, Farbe und Gestalten an, in die sie verzaubert sind, und fürchte dich nicht, denn die Königin und alle Leute in der Stadt lieben und hüten mich und würden weder mein Herz erregen noch mein Gemüt bekümmern.« Als Bedr Bâsim von dem Scheich diese Worte vernahm, ging er hinaus und setzte sich an die Ladenthür, um sich die Leute anzusehen, die in zahlloser Menge an ihm vorüberzogen. Als diese ihn aber gewahrten, traten sie an den Scheich heran und fragten ihn: »Scheich, ist dies dein Gefangener und dein Fang dieser Tage?« worauf er versetzte: »Es ist meines Bruders Sohn; ich hörte, daß sein Vater gestorben war, und schickte deshalb nach ihm und ließ ihn zu mir kommen, um das Feuer meiner Sehnsucht an ihm 45 zu löschen.« Da erwiderten sie: »Er ist fürwahr ein hübscher Jüngling, jedoch fürchten wir, daß die Königin Lâb ihn dir durch Verräterei rauben könnte, da sie die hübschen Jünglinge liebt.« Der Scheich versetzte ihnen: »Die Königin wird sich meinem Befehle nicht widersetzen, denn sie ist mir wohlgesinnt und liebt mich und, wenn sie weiß, daß es meines Bruders Sohn ist, so wird sie ihm nicht in den Weg treten und mir in ihm nicht Böses zufügen und mein Gemüt in ihm betrüben.« Und so blieb denn der König Bedr Bâsim einen Monat lang bei dem Scheich und aß und trank, und der Scheich gewann ihn sehr lieb. Nach dieser Zeit nun saß Bedr Bâsim eines Tages wie gewöhnlich neben dem Laden des Scheichs, als mit einem Male tausend Eunuchen mit gezückten Schwertern in der Hand und in verschiedene Trachten gekleidet, mit edelsteinbesetzten Gürteln angethan auf arabischen Rossen herbeigeritten kamen, mit indischen Schwertern im Wehrgehenk. Sie begrüßten den Scheich beim Vorüberziehen, und nun folgten ihnen tausend Sklavinnen gleich Monden, mit Lanzen im Wehrgehenk und ebenfalls in mannigfachen Trachten von goldgesticktem und mit allerlei Edelsteinen besetztem Atlas, in deren Mitte ein Mädchen auf einer Araberstute, die einen goldenen mit allerlei Edelsteinen und Hyazinthen besetzten Sattel trug, ritt. Als sie bei dem Laden des Scheichs angelangt waren, begrüßten sie ihn und zogen dann wieder weiter, bis die Königin Lâb in stolzem Aufzuge herankam und bei dem Laden des Scheichs anlangte. Als sie dort den König Bedr Bâsim gleich dem Vollmond sitzen sah, wurde sie von seiner Schönheit und Anmut ganz verwirrt und bezaubert und verliebte sich leidenschaftlich in ihn. An den Laden heranreitend, stieg sie ab und setzte sich an seine Seite, worauf sie den Scheich fragte: »Woher hast du diesen Hübschen?« Er erwiderte: »Es ist meines Bruders Sohn, der vor kurzem zu mir gekommen ist.« Da sagte sie: »Laß ihn heute Nacht bei mir zubringen, damit ich mit ihm plaudern kann.« Der Scheich versetzte: »Wirst du ihn 46 mir nehmen, ohne ihn zu verzaubern?« Sie entgegnete: »Ja.« Da sagte er: »Schwöre es mir,« und so schwur sie ihm, ihm weder etwas zuleide zu thun, noch ihn zu verzaubern. Alsdann befahl sie, ihm ein hübsches Pferd, gesattelt, mit goldenem Zaum gezäumt und nur mit Gold und Edelsteinen bedeckt, vorzuführen und schenkte dem Scheich tausend Dinare mit den Worten: »Bediene dich ihrer.« Hierauf zog die Königin Lâb mit dem König Bedr Bâsim ab, der dem Vollmond in der vierzehnten Nacht glich, während alle Leute beim Anblick seiner Schönheit sich über ihn betrübten und sprachen: »Bei Gott, dieser Jüngling verdient es nicht von dieser Verruchten verzaubert zu werden.« Bedr Bâsim aber vernahm die Worte der Leute, jedoch schwieg er, indem er seine Sache Gott, dem Erhabenen, überließ.

Siebenhundertunddreiundfünfzigste Nacht.

So ritt er mir der Königin Lâb und ihrem Gefolge, bis sie zum Schloßthor gelangten, wo die Emire, Eunuchen und Großen des Reiches abstiegen; alsdann befahl sie den Kämmerlingen alle Staatshäupter zu entlassen, worauf sie die Erde vor ihr küßten und fortgingen, während die Königin mit den Eunuchen und Sklavinnen das Schloß betrat. Als der König Bedr Bâsim dasselbe betrachtete, fand er, daß er solch ein Schloß noch nie zuvor geschaut hatte; seine Mauern waren aus Gold erbaut, und mitten in demselben befand sich in einem ausgedehnten Garten ein großes Becken mir viel Wasser. Im Garten erblickte er Vögel von allerlei Gestalt und Farbe, die in den mannigfachsten Stimmen und Tönen fröhlich und traurig zwitscherten. Überall gewahrte er große Pracht, so daß er sprach: »Preis sei Gott, der in seiner Güte und Milde die Diener anderer Götter versorgt!« Die Königin setzte sich nun an ein Fenster, das auf den Garten hinausging, auf einen Thron von Elfenbein, auf dem ein hohes seidenes Polster lag, und der König Bedr Bâsim setzte sich an ihre Seite, worauf sie ihn küßte und an ihre Brust 47 preßte. Dann befahl sie den Sklavinnen den Speisetisch aufzutragen, worauf sie einen Tisch aus rotem, mit Perlen und Edelsteinen besetztem Gold auftrugen, auf dem sich allerlei Gerichte befanden. Nachdem sie sich satt gegessen und sich die Hände gewaschen hatten, brachten die Sklavinnen goldene, silberne und krystallene Gefäße sowie allerlei Arten Blumen und Platten mit getrockneten Früchten. Alsdann befahl sie die Sängerinnen zu rufen, worauf zehn Mädchen gleich Monden mit den mannigfachsten Musikinstrumenten in der Hand erschienen. Dann füllte die Königin einen Becher und trank ihn, worauf sie einen andern füllte und dem König Bedr Bâsim reichte, der ihn nahm und leerte. In dieser Weise tranken sie, bis sie genug hatten, worauf sie den Mädchen zu singen befahl. Da sangen sie allerlei Weisen, daß dem König Bedr Bâsim das ganze Schloß vor Lust zu tanzen schien, und er ganz verzückt wurde und mit lustgeschwellter Brust seine Fremdlingschaft vergaß und bei sich sprach: »Diese Königin ist jung und hübsch, und ich will sie nie mehr verlassen, weil ihr Reich größer als das meinige und sie auch schöner als die Prinzessin Dschauhare ist.« Und so trank er mit ihr, bis der Abend hereinbrach und die Lampen und Kerzen angesteckt und das Räucherwerk angezündet wurde; und nicht eher hörten sie auf mit Trinken, bis sie des süßen Weines voll waren, während die Sängerinnen ihnen zum Trinken sangen. Als aber die Königin Lâb berauscht war, erhob sie sich von ihrem Sitz und entließ die Mädchen; dann legte sie sich auf ein Bett und befahl dem König Bedr Bâsim sich an ihre Seite zu legen, worauf er mit ihr in süßester Lebenswonne bis zum Morgen ruhte.

Siebenhundertundvierundfünfzigste Nacht.

Als die Königin ans dem Schlaf erwachte, stand sie auf und begab sich mit Bedr Bâsim in das Bad, das sich im Schloß befand, wo sich beide badeten; als sie dann wieder das Bad verließen, kleidete sie ihn in die feinsten Sachen 48 und befahl den Mädchen wieder das Trinkgeschirr zu bringen, worauf sie von neuem tranken. Dann erhob sie sich, faßte den König Bedr Bâsim bei der Hand, setzte sich mit ihm auf den Thron und befahl das Essen aufzutragen. Nachdem sie dann gegessen und sich die Hände gewaschen hatten, brachten die Mädchen ihnen das Trinkgeschirr, Obst, Blumen und getrocknete Früchte, worauf sie ohne Unterlaß bis zum Abend aßen, während die Sängerinnen ihnen verschiedene Weisen vortrugen. In dieser Weise aßen, tranken und vergnügten sie sich vierzig Tage lang, als die Königin ihn fragte: »Bedr Bâsim, ist dieser Ort oder der Laden deines Oheims, des Grünzeughändlers, schöner.« Er versetzte: »Bei Gott, o Königin, hier ist es schöner, weil mein Oheim ein Bettler ist, der Bohnen verkauft.« Da lachte sie über seine Worte, und nun verbrachten sie wieder die Nacht aufs angenehmste bis zum nächsten Morgen, an welchem der König Bedr Bâsim beim Erwachen die Königin Lâb nicht an seiner Seite fand, so daß er sich fragte: »Wo mag sie nur hingegangen sein?« Bekümmert über ihre Abwesenheit und ratlos in seiner Lage, sprach er bei sich, als sie nach geraumer Zeit noch nicht zurückgekehrt war: »Wohin mag sie nur gegangen sein?« und, sich anziehend, suchte er nach ihr, ohne sie zu finden. Da sprach er bei sich: »Vielleicht ist sie in den Garten gegangen,« und ging in den Garten, wo er einen strömenden Bach erblickte, neben dem er einen weißen Vogel sah. Am Ufer jenes Baches stand ein Baum, auf dem Vögel von verschiedener Farbe saßen, die ihn nicht sehen konnten, während er sie betrachtete. Da sah er, wie mit einem Male ein schwarzer Vogel zu dem weißen hinunterflog und ihn atzte, wie Tauben einander zu atzen pflegen. Nach einer Weile verwandelte sich der weiße Vogel in einen Menschen, und wie er genau zusah, war es die Königin Lâb, worauf er entnahm, daß der schwarze Vogel ein verzauberter Mensch war, den sie liebte, weshalb sie sich selber in einen Vogel verwandelt hatte, um seine Liebe zu genießen. Da packte ihn 49 die Eifersucht und ergrimmt über die Königin Lâb wegen des schwarzen Vogels, kehrte er zurück und legte sich wieder auf sein Bett. Nach einer Weile kehrte die Königin Lâb wieder zu ihm zurück und begann ihn zu küssen und mit ihm zu scherzen, während er kein Wort zu ihr sprach, so daß sie merkte, was mit ihm los war, und überzeugt war, daß er sie mit dem schwarzen Vogel zusammen gesehen hatte. Sie ließ ihn jedoch nichts davon merken, sondern verbarg es bei sich. Hernach sagte er zu ihr: »O Königin, ich wünschte wohl, du erlaubtest mir den Laden meines Oheims aufzusuchen, denn ich sehne mich nach ihm, da ich ihn seit vierzig Tagen nicht gesehen habe.« Sie versetzte: »Geh fort, aber bleib' nicht zu lange aus, denn ich kann mich nicht von dir trennen und kann es ohne dich nicht eine einzige Stunde aushalten.« Er entgegnete: »Ich höre und gehorche,« worauf er sich aufsetzte und zu dem Laden des Scheichs ritt, der ihn willkommen hieß und, sich vor ihm erhebend, ihn umarmte und ihn fragte: »Wie ist es dir mit der Heidin ergangen?« Er erwiderte: »Ich war wohl und munter, doch trug sich das und das heute Morgen zu.« Als der Scheich seine Erzählung vernommen hatte, sagte er zu ihm: »Hüte dich vor ihr, denn wisse, alle die Vögel, die du auf dem Baum sahst, sind Jünglinge aus der Fremde, die sie heiß liebte und in Vögel verwandelte. Der schwarze Vogel aber, den du sahst, war einer ihrer Mamluken, den sie heiß liebte, der aber sein Auge auf eine ihrer Sklavinnen warf, weshalb sie ihn in einen schwarzen Vogel verzauberte.

Siebenhundertundfünfundfünfzigste Nacht.

So oft sie nach ihm Verlangen trägt, verwandelt sie sich selber in einen Vogel, um seine Liebe zu genießen, da sie ihn leidenschaftlich liebt. Als sie sah, daß du dies gemerkt hattest, plante sie Böses wider dich, denn sie liebt dich nicht aufrichtig. So lange ich dich jedoch hüte, wird dir nichts Schlimmes von ihr widerfahren; fürchte dich deshalb nicht, 50 denn ich bin ein Moslem, mein Name ist Abdallāh, und es giebt in meiner Zeit keinen größeren Zauberer als mich, doch bediene ich mich der Zauberei nur, wenn ich dazu gezwungen bin. Schon oftmals habe ich den Zauber dieser Ruchlosen vereitelt und die Leute von ihr befreit, und ich kehre mich nicht an sie, da sie mir nicht beikommen kann, vielmehr große Furcht vor mir hat; und ebenso fürchten sich alle in der Stadt vor mir, die gleich ihr ZaubererZauberer ist hier gleich Magier. sind und wie sie dem Feuer dienen und nicht dem allmächtigen König. Komm morgen wieder zu mir und teile mir mit, was sie mit dir gemacht hat, denn heute Nacht wird sie deinen Untergang betreiben, und ich will dir dann sagen, was du thun sollst, um ihrer List zu entgehen.« Hierauf verabschiedete sich der König Bedr Bâsim von dem Scheich und kehrte zu ihr zurück. Er traf sie auf ihn wartend an und, als sie ihn sah, erhob sie sich und hieß ihn willkommen, worauf sie ihn sich setzen hieß und ihm zu essen und trinken brachte. Als sie dann sich satt gegessen und die Hände gewaschen hatten, befahl sie den Wein zu bringen, und nun tranken sie bis Mitternacht, worauf sie sich zu ihm neigte und ihm einen Becher nach dem andern reichte, bis er trunken geworden war und die Herrschaft über seine Sinne und seinen Verstand verloren hatte. Als sie dies sah, sagte sie zu ihm: »Ich beschwöre dich bei Gott und dem, was du anbetest, wirst du mir meine Frage beantworten und mir die Wahrheit sagen?« In seiner Trunkenheit erwiderte er ihr: »Ja, meine Herrin.« Nun sagte sie: »Mein Herr und Licht meiner Augen, als du erwachtest und mich nicht an deiner Seite fandest, suchtest du mich im Garten und sahst einen schwarzen Vogel, der mit mir schön that. Ich will dir sagen, wie es sich mit diesem Vogel verhält; es ist einer meiner Eunuchen, den ich leidenschaftlich liebte, der jedoch sein Auge auf eine meiner Sklavinnen warf, weshalb ich auf ihn 51 eifersüchtig wurde und ihn in die Gestalt eines schwarzen Vogels verzauberte, während ich das Mädchen tötete; bis auf den heutigen Tag kann ich es jedoch ohne ihn keine einzige Stunde aushalten und, so oft ich nach ihm Verlangen trage, verwandle ich mich in einen Vogel und suche ihn auf, damit er mit mir thut, wie du es sahst. Nun aber, bist du nicht deshalb erzürnt auf mich, wiewohl ich dich, bei dem Feuer und dem Licht, beim Schatten und der Hitze, von Tag zu Tag heißer liebe und dich zu meinem Teil von der Welt gemacht habe?« In seiner Trunkenheit antwortete er ihr: »Du hast die wahre Ursache meines Zornes erkannt, denn ich habe keinen anderen Grund dir zu zürnen als diesen.« Da preßte sie ihn an die Brust und küßte ihn, indem sie ihm Liebe heuchelte, worauf sie schlafen ging und er sich an ihre Seite legte. Um Mitternacht aber erhob sie sich vom Bett, während der König Bedr Bâsim, der ebenfalls wach war, sich stellte als ob er schliefe und dabei verstohlene Blicke um sich warf, um zu schauen, was sie thun würde. Da sah er, wie sie aus einem roten Beutel etwas rotes zog und es mitten in den Palast pflanzte, worauf es plötzlich zu einem Fluß wurde, der wie das Meer strömte. Alsdann nahm die Königin eine Handvoll Gerste, streute sie auf den Boden und wässerte sie mit dem Wasser jenes Flusses, worauf sie in Ähren schoß, deren Körner sie nahm und zu Mehl zermahlte. Nachdem sie dieses an einen besonderen Platz gethan hatte, legte sie sich wieder an Bedr Bâsims Seite und schlief bis zum Morgen. Bei Tagesanbruch erhob sich der König Bedr Bâsim, wusch sich das Gesicht und bat die Königin wieder um Erlaubnis zum Scheich fortzugehen. Nachdem sie es ihm erlaubt hatte, begab er sich zum Scheich und teilte ihm mit, was er gesehen hatte, worauf der Scheich lachend versetzte: »Bei Gott, diese Heidin und Zauberin führt eine Arglist wider dich im Schilde, kehre dich jedoch nicht an sie.« Alsdann holte er ihm ein Pfund zerstoßenes Korn hervor und sagte zu ihm: »Nimm dies mit, und wenn sie es bei die 52 sieht und dich fragt, was das ist und wozu du es gebrauchen willst, so antworte ihr: »Überfluß an Gutem ist gut, iß von ihm.« Wenn sie dann ihr zerstoßenes Korn hervorholt und zu dir sagt: »Iß von diesem« – so thue so, als ob du davon äßest, iß jedoch von diesem hier und hüte dich von ihrem zu essen, sei es auch nur ein einziges Körnchen, denn so du auch nur ein einziges Korn davon gegessen hättest, so würde ihr Zauber Macht über dich haben und sie würde dich verzaubern, indem sie zu dir spricht: »Verlaß diese deine menschliche Gestalt,« so daß du in irgend welche von ihr gewünschte Gestalt verwandelt wirst. Issest du jedoch nichts von ihrem Korn, so ist ihr Zauber vereitelt, und kein Schaden kann dir von ihr widerfahren. In tiefster Beschämung wird sie dann zu dir sagen: »Ich scherzte nur mit dir,« und wird schön und lieb mit dir thun, was jedoch alles nur Heuchelei und List von ihr ist. Sei du ebenfalls lieb zu ihr und sprich: »Meine Herrin und Licht meiner Augen, iß von diesem zerstoßenen Korn und schau, wie köstlich es ist.« Wenn sie dann auch nur ein Körnchen von ihm gegessen hat, so nimm Wasser in deine Hand, schleudere es ihr ins Gesicht und sprich zu ihr: »Verlaß diese deine menschliche Gestalt und nimm die und die Gestalt an.« Laß sie dann allein und komm zu mir, damit ich dich weiter berate.« Hierauf verabschiedete sich Bedr Bâsim von ihm und kehrte zu ihr ins Schloß zurück. Als sie ihn erblickte, sagte sie: »Willkommen, willkommen von Herzen!« Alsdann erhob sie sich und sprach, ihn küssend: »Du bist lange ausgeblieben, mein Herr.« Er erwiderte: »Ich war bei meinem Oheim;« und setzte hinzu, als er bei ihr gestoßenes KornArabisch: Sawîk, gestoßenes Korn als Kloß oder in Brühe. – Nach Burton: Grünes Korn (weiße Gerste) geröstet, zerstoßen, mit Datteln oder Zucker vermischt. sah: »Er gab mir auch gestoßenes Korn zu essen, denn wir haben besseres als dies.« Da that sie ihr Korn in eine Schüssel und das seinige in eine andere und sprach zu ihm: »Iß von diesem, denn es 53 ist besser als deines.« Er that, als ob er davon aß, und als sie es sah, nahm sie Wasser in die Hand, besprengte ihn damit und sprach dabei: »Verlaß diese deine Gestalt, du Galgenstrick, du gemeiner Wicht, und nimm die Gestalt eines einäugigen schäbigen Maultiers an.« Als sie jedoch sah, daß er sich nicht verwandelte, erhob sie sich, küßte ihn zwischen die Augen und sagte: »Ach, mein Geliebter, ich scherzte nur mit dir; sei deshalb nicht böse auf mich.« Er versetzte: »Bei Gott, meine Herrin, ich bin nicht im geringsten böse auf dich, ich vertraue fest auf deine Liebe; iß nun von diesem Korn.« Da nahm sie einen Bissen davon und aß ihn, sobald sie ihn aber verschluckt hatte, bekam sie Krämpfe, worauf der König Bedr Bâsim Wasser in seine Hand nahm und es ihr mit den Worten ins Gesicht spritzte: »Verlaß diese deine menschliche Gestalt und nimm die Gestalt eines stargrauen Maultiers an;« und ehe sie sich's versah, war sie auch schon in ein Maultier verwandelt, und die Thränen liefen ihr über die Wangen und sie rieb ihr Gesicht an seinen Füßen. Er aber erhob sich, um sie zu zäumen; da sie sich jedoch nicht zäumen ließ, verließ er sie und begab sich zu dem Scheich, dem er das Vorgefallene mitteilte. Da erhob sich der Scheich, holte einen Zaum hervor und überreichte ihm denselben mit den Worten: »Nimm diesen Zaum und zäume sie damit;« worauf er ihn nahm und wieder zu ihr zurückkehrte. Als sie ihn sah, kam sie auf ihn zu, während er ihr den Zaum ins Gebiß legte und auf ihr aus dem Schloß zum Scheich Abdallāh ritt. Als dieser sie sah, erhob er sich und sagte zu ihr: »Gott, der Erhabene, verdamm' dich, du Verruchte!« Dann wendete er sich zu Bedr Bâsim und sprach zu ihm: »Mein Sohn, du hast in dieser Stadt nicht mehr länger zu bleiben; setz' dich auf und reite auf ihr, wohin du willst; hüte dich jedoch den Zügel irgend jemand anzuvertrauen.« Der König Bedr Bâsim dankte ihm und, sich von ihm verabschiedend, ritt er fort und reiste drei Tage lang, bis er sich einer Stadt näherte, wo er einem grauen hübschen Scheich 54 begegnete, der ihn fragte: »Mein Sohn, woher kommst du?« Er erwiderte: »Aus der Stadt dieser Zauberin.« Da sagte er zu ihm: »Du bist heute Nacht mein Gast.« Bedr Bâsim willigte ein und folgte ihm; unterwegs aber stieß er auf ein altes Weib, das beim Anblick des Maultiers weinte und rief: »Es giebt keinen Gott außer Gott! Dieses Maultier sieht gerade so aus wie meines Sohnes verstorbenes Maultier, um das sich mein Herz bekümmert; um Gott, mein Herr, verkaufe es mir.« Er erwiderte ihr: »Bei Gott, meine Mutter, ich kann es nicht verkaufen.« Sie versetzte jedoch: »Um Gott, weise meine Bitte nicht ab, denn mein Sohn stirbt ganz gewiß, wenn ich ihm dieses Maultier nicht kaufe.« Und nun bedrängte sie ihn so lange mit Bitten, bis er zu ihr sagte: »Ich verkaufe es nicht, es sei denn für tausend Dinare,« indem er bei sich sprach: »Wie könnte diese Alte wohl zu tausend Dinaren kommen?« Doch da holte sie aus ihrem Gürtel tausend Dinare hervor, so daß der König Bedr Bâsim angesichts dessen zu ihr sagte: »Meine Mutter, ich scherzte nur mit dir, ich kann dir das Maultier wirklich nicht verkaufen.« Da aber sah ihn der Scheich an und sprach zu ihm: »Mein Sohn, in diesem Lande lügt man nicht, denn jeder, der hier lügt, wird umgebracht.« Infolge dessen stieg der König Bedr Bâsim vom Maultier ab –

Siebenhundertundsechsundfünfzigste Nacht.

und übergab es der Alten, welche ihm den Zaum aus dem Gebiß nahm und dann Wasser mit ihrer Hand schöpfte und, es damit besprengend, sprach: »Meine Tochter, verlaß diese Gestalt und nimm wieder deine frühere Gestalt an,« worauf sie sich sogleich verwandelte und wieder ward wie zuvor. Alsdann warfen sich beide Frauen in die Arme, worauf der König Bedr Bâsim ersah, daß die Alte ihre Mutter war und ihn überlistet hatte. Er versuchte zu fliehen, doch da that die Alte einen Pfiff, worauf ein Ifrît gleich einem gewaltigen Berge vor ihr erschien, so daß der König 55 Bedr Bâsim vor Furcht stehen blieb. Alsdann setzte sich die Alte auf den Rücken des Ifrîts, nahm ihre Tochter hinter sich und den König Bedr Bâsim vor sich, worauf der Ifrît mit ihnen auf und davon flog; und ehe noch eine Stunde vergangen war, waren sie im Schloß der Königin Lâb angelangt. Nachdem sich die Königin dort auf den Thron des Königreiches gesetzt hatte, wendete sie sich zum König Bedr Bâsim und sprach zu ihm: »Du Galgenstrick, nun bin ich hierher gekommen und habe meinen Wunsch erreicht. Ich will dir jetzt zeigen, was ich mit dir und dem alten Bohnenkrämer thun will. Wie viel Gutes habe ich ihm erwiesen, und er vergalt es mir mit Bösem! Ohne seine Hilfe hättest du deine Absicht nicht erreicht.« Alsdann nahm sie Wasser und besprengte ihn, indem sie dabei sprach: »Verlaß diese deine Gestalt und nimm dafür die Gestalt eines Vogels an, des häßlichsten, den es unter den Vögeln giebt.« Da verwandelte er sich sofort in einen häßlichen Vogel, den sie in einen Käfig sperrte, ohne ihm etwas zu fressen oder zu trinken zu geben. Eine Sklavin, die ihn sah, erbarmte sich jedoch seiner und fütterte und tränkte ihn ohne Wissen der Königin, und eines Tages, als sie bemerkte, daß ihre Herrin achtlos war, begab sie sich zu dem alten Grünzeughändler, teilte ihm die Geschichte mit und sagte ihm, daß die Königin Lâb den Untergang seines Brudersohnes beschlossen habe. Der Scheich dankte ihr und sagte zu ihr: »Es geht nicht anders, ich muß ihr die Stadt entreißen und dich an ihrer Stelle zur Königin machen.« Dann that er einen lauten Pfiff, worauf ein Ifrît mit vier Flügeln vor ihm erschien, zu dem er sagte: »Nimm dieses Mädchen und trag es zur Stadt Dschullanârs der Meermaid und ihrer Mutter Farâsche,Motte. die beide die größten Zauberinnen auf dem Angesicht der Erde sind.« Alsdann sagte er zu dem Mädchen: »Wenn du dort angelangt bist, so teile ihnen mit, daß der 56 König Bedr Bâsim der Gefangene der Königin Lâb ist.« Hierauf lud der Ifrît sie auf und flog mit ihr fort, und ehe noch eine Stunde verstrichen war, ließ er sich bereits mit ihr auf dem Schloß der Königin Dschullanâr der Meermaid nieder, worauf das Mädchen von dem Dach des Schlosses zur Königin Dschullanâr hinunterstieg, die Erde vor ihr küßte und ihr ihres Sohnes Widerfahrnisse von Anfang bis zu Ende mitteilte. Da erhob sich Dschullanâr vor ihr und dankte ihr unter Ehrenbezeugungen; dann ließ sie die frohe Botschaft in der Stadt austrommeln und teilte ihrem Volk und den Großen des Reiches mit, daß König Bedr Bâsim aufgefunden sei. Hierauf versammelten Dschullanâr die Meermaid, ihre Mutter Farâsche und ihr Bruder Sâlih alle Stämme der Dschânn und die Heerscharen des Meeres, da ihnen die Könige der Dschânn nach König Es-Samandals Gefangennahme gehorchten, und flogen empor in die Luft und ließen sich nieder auf die Stadt der Zauberin, die sie samt dem Schloß plünderten, während sie alle die Heiden in der Stadt und alle Schloßbewohner in einem Augenblick erschlugen. Dann fragte Dschullanâr das Mädchen: »Wo ist mein Sohn?« worauf das Mädchen den Käfig holte, ihn vor sie hinstellte und, indem sie auf den Vogel im Käfig wies, sagte: »Dies ist dein Sohn.« Da holte ihn die Königin Dschullanâr aus dem Käfig heraus und, Wasser mit ihrer Hand schöpfend, besprengte sie ihn mit den Worten: »Verlaß diese deine Gestalt;« und ehe sie noch ihre Worte beendet hatte, schüttelte er sich und ward wieder ein Mensch wie zuvor. Als ihn seine Mutter in seiner ursprünglichen Gestalt wieder erblickte, warf sie sich in seine Arme und weinte bitterlich; das gleiche thaten sein Oheim Sâlih, seine Großmutter Farâsche und seine Basen und bedeckten ihm die Hände und Füße mit Küssen. Hierauf ließ die Königin Dschullanâr den Scheich Abdallāh holen, dankte ihm für die ihrem Sohne bewiesene Güte und verheiratete ihn mit der Sklavin, die er zu ihr mit der Nachricht von ihrem Sohn 57 geschickt hatte, worauf sie ihn zum König jener Stadt einsetzte, indem sie den Überrest der Bewohner der Stadt, welche Moslems waren, berief und dem Scheich Abdallāh huldigen und den Treueid schwören ließ, ihm gehorsam und zu Diensten zu sein; und sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen.« Alsdann verabschiedeten sie sich vom Scheich Abdallāh und kehrten nach ihrer Stadt zurück. Als sie in ihren Palast einzogen, empfingen sie die Stadtbewohner mit Pauken und in Freuden und schmückten im Übermaß ihrer Freude die Stadt drei Tage lang, beglückt durch die Wiederkunft ihres Königs Bedr Bâsim. Nach diesem sagte der König Bedr Bâsim zu seiner Mutter: »Nun bleibt nichts mehr übrig, als daß ich mich verheirate, damit wir alle vereinigt sind.« Seine Mutter versetzte: »Mein Sohn, dein Vorschlag ist trefflich, warte jedoch, bis wir gefragt haben, wer von den Königstöchtern am besten für dich paßt;« und seine Großmutter und seine Basen von väterlicher und mütterlicher Seite her sagten: »O Bedr Bâsim, wir wollen dir unverzüglich zu deinem Wunsch verhelfen.« Hierauf erhoben sich eine wie die andere von ihnen und machten sich auf in den Ländern Umschau zu halten; ebenso schickte Dschullanâr die Meermaid ihre Sklavinnen auf den Nacken von Ifrîten aus und sprach zu ihnen: »Übergehet keine Stadt und keinen Königspalast, ehe ihr euch nicht alle hübschen Töchter in ihnen besehen habt.« Als aber der König Bedr Bâsim die Mühe sah, mit der sie sich dieser Sache unterzogen, sagte er zu seiner Mutter Dschullanâr: »Meine Mutter, laß dies, denn ich gebe mich allein mit Dschauhare, der Tochter des Königs Es-Samandal, zufrieden, die, wie ihr Name besagt, ein wahres Juwel ist.« Da entgegnete seine Mutter: »Ich kenne deinen Wunsch,« und ließ sofort den König Es-Samandal vor sich bringen. Sobald er vor ihr stand, schickte sie nach Bedr Bâsim und teilte ihm des Königs Anwesenheit mit, worauf er zu ihm eintrat. Als der König Es-Samandal ihn herankommen sah, erhob er sich vor ihm, begrüßte ihn 58 und hieß ihn willkommen, worauf der König Bedr Bâsim sich um seine Tochter Dschauhare bewarb. Der König Es-Samandal erwiderte ihm: »Sie steht zu deinen Diensten und ist deine Sklavin, die deines Befehles gewärtig vor dir steht.« Alsdann schickte er einige seiner Leute in sein Land und befahl ihnen seine Tochter Dschauhare zu holen und ihr mitzuteilen, daß ihr Vater bei dem König Bedr Bâsim dem Sohne Dschullanârs der Meermaid sei.« Da flogen sie in die Luft empor und verschwanden für eine Weile, worauf sie mit der Prinzessin Dschauhare wieder zurückkehrten, welche beim Anblick ihres Vaters auf ihn zuging und ihn umarmte. Er aber sprach zu ihr: »Meine Tochter, wisse, ich habe dich mit diesem hochherzigen König und kraftvollen Löwen, dem König Bedr Bâsim, dem Sohn der Königin Dschullanâr, vermählt, denn er ist der schönste, anmutigste, vornehmste und erlauchteste Mann seiner Zeit, und paßt nur für dich, wie du nur für ihn.« Da versetzte sie: »Mein Vater, ich kann dir nicht widersprechen, thue deshalb nach deinem Belieben; so hört denn wirklich Sorge und Kummer auf, und ich bin eine seiner Mägde.« Infolge dessen holten sie die Kadis und die Zeugen und schrieben den Ehekontrakt des Königs Bedr Bâsim, des Sohnes der Königin Dschullanâr der Meermaid, lautend auf die Prinzessin Dschauhare, und das Stadtvolk schmückte die Stadt und trommelte die Freudenbotschaft aus. Die Gefangenen wurden aus den Kerkern entlassen, der König kleidete die Witwen und Waisen und legte den Staatshäuptern, den Emiren und Großen Ehrenkleider an. Dann hielten sie hohes Fest und richteten Bankette an, und die Festerei dauerte Abend und Morgen zehn Tage lang, worauf sie die Braut dem König Bedr Bâsim in neun Gewändern entschleierten, während er dem König Es-Samandal ein Ehrenkleid verlieh und ihn wieder seinem Lande, seinem Volk und seinen Verwandten zurückgab. Und von nun an führten sie schmausend, zechend und in allen Wonnen das angenehmste Leben und die bekömmlichsten Tage, bis daß der Zerstörer 59 der Freuden und der Trenner der Vereinigungen sie heimsuchte; und dies ist das Ende ihrer Geschichte. Gott hab' sie alle selig!

 


 


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