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Die Verständigung mit England über die afrikanischen Kolonialfragen

Die Abmachungen über die afrikanischen Kolonialfragen sind mir, da ich bei den Verhandlungen selbst nicht beteiligt war, nur in großen Umrissen bekanntgeworden. Es handelte sich namentlich um eine Verständigung über die Liquidation des portugiesischen Kolonialbesitzes, die angesichts des politischen, militärischen, wirtschaftlichen und finanziellen Unvermögens des portugiesischen Stammlandes.

 

Die portugiesischen Kolonien

einen großen Kolonialbesitz zu halten und zu entwickeln, in naher Zeit sich als notwendig herausstellen mußte, sobald England davon Abstand nahm, die portugiesische Kolonialherrlichkeit künstlich zu stützen. In Wirklichkeit war die portugiesische Kolonialherrschaft kaum mehr als eine Scheinherrschaft. Weite Gebiete waren nur auf der Karte portugiesisch, in Wirklichkeit aber weder unterworfen noch erschlossen. Wo eine wirkliche Herrschaft ausgeübt wurde, da war es zumeist das britische Kapital, das unter dem durchsichtigen Deckmantel der portugiesischen Flagge die Macht in der Hand hatte.

Schon im Jahre 1898, in jener früheren Zeit der deutschenglischen Annäherungsversuche, war zwischen den beiderseitigen Regierungen ein Geheimabkommen über die portugiesischen Kolonien für den infolge der portugiesischen Finanznot als nahe bevorstehend erachteten Fall der Liquidation des portugiesischen Kolonialreichs abgeschlossen worden. Dieses Abkommen war niemals wirksam geworden, weil England, das in der Lage war, Portugal bei der Erhaltung seines Kolonialreichs wirksam zu helfen, den Eintritt der Eventualität, für die es abgeschlossen war, verhinderte. England hatte sogar im Jahre 1899 mit Portugal einen Geheimvertrag, den sogenannten Windsor-Vertrag, abgeschlossen, in dem sich die beiden Mächte gegenseitig die Erhaltung ihres Besitzstandes zusagten. Der Windsor-Vertrag wurde der deutschen Regierung erst dreizehn Jahre nach seinem Abschluß mitgeteilt, als nach den Haidaneschen Besprechungen die kolonialen Verhandlungen wiederaufgenommen wurden. König Edward VII. hat gleich nach seiner Thronbesteigung einen sichtbaren Strich durch jenes vor seiner Zeit abgeschlossene Abkommen von 1898 gemacht. Seinen ersten Besuch nach seiner Thronbesteigung stattete er dem portugiesischen Hofe ab, und bei dieser Gelegenheit hielt er eine Ansprache, in der er die »unangetastete Aufrechterhaltung« der beiderseitigen Kolonien als den Gegenstand seiner teuersten Wünsche und Bestrebungen bezeichnete.

Inzwischen war König Edward VII. gestorben, und Portugal war Republik geworden. Durch die Vertreibung des portugiesischen Königshauses waren für die englische Politik gewisse Rücksichten persönlicher Natur in Wegfall gekommen. Die revolutionären Wirren hatten die Fähigkeit Portugals, auch nur eine Scheinherrschaft über seine Kolonien zu erhalten, noch stärker in Frage gestellt. Es schien also die Möglichkeit gegeben, jetzt zu einer wirksamen Verständigung zu kommen.

 

Verhandlungen 1913/14

Die britische Regierung erkannte das Bedürfnis nach kolonialer Ausdehnung und Betätigung für Deutschland an. Sie zeigte sich bereit, im wesentlichen das portugiesische Ostafrika von der Grenze des deutsch-ostafrikanischen Schutzgebiets bis zum Sambesi und in Westafrika den größeren Teil des portugiesischen Angola als deutsches Interessengebiet anzuerkennen. Eine wirtschaftliche Betätigung Deutschlands in jenen Gebieten sollte deren späteren förmlichen Übergang in deutschen Besitz vorbereiten. Die britische Regierung wollte also einer solchen wirtschaftlichen Durchdringung durch deutsche Unternehmungen nicht entgegen sein, sondern sie in freundschaftlicher Weise fördern.

Auf Grund dieses Einverständnisses haben in den Jahren 1913/14 Verhandlungen stattgefunden, die wichtige Unternehmungen in den Deutschland zugedachten Gebieten in deutsche Hand überführen sollten. So habe ich für ein Konsortium deutscher Banken und Überseehäuser mit einer englischen Gruppe Abmachungen getroffen, durch die wir eine kontrollierende Beteiligung an der Nyassa-Kompagnie, einer mit wichtigen Hoheitsrechten über das südlich an Deutsch-Ostafrika angrenzende Gebiet ausgestatteten Gesellschaft, erwarben. Die Verhandlungen haben mit Wissen und unter Förderung der britischen Regierung stattgefunden. Ähnliche Verhandlungen waren, als der Weltkrieg ausbrach, im Zug hinsichtlich der Benguella-Eisenbahn, der kürzesten Verbindung zwischen der afrikanischen Westküste und dem wichtigen Minengebiet von Katanga im belgischen Kongostaat; desgleichen hinsichtlich der Eisenbahnen, die von den portugiesischen Häfen von Port Alexander und der Tigerbai aus den nördlichen Teil unseres südwestafrikanischen Schutzgebiets zu erschließen geeignet sind. Auch diese Verhandlungen, die beim Ausbruch des Weltkriegs noch nicht zum Abschluß gekommen waren, wurden von der britischen Regierung auf Grund des mit der deutschen Regierung erzielten kolonialen Einverständnisses unterstützt. Mr. Robert Williams, der von englischer Seite die Verhandlungen über die deutsche Beteiligung an der Benguellabahn führte, sagte darüber am 2. Februar 1915 in einer Generalversammlung der Tanganyika Concessions Ltd., die bis dahin die Kontrolle über die Benguella-Eisenbahn besaß: »Sir Edward Grey, der im Jahre 1912 hierüber befragt wurde, antwortete, daß die Frage der Heranziehung fremden Kapitals eine solche sei, in der die Gesellschaft die Freiheit der Entscheidung habe; aber falls sie sich zur Heranziehung fremden Kapitals entscheiden sollte, dann gebe er den Rat, daß sie sich an deutsches Kapital wenden möchte.«


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