Heinrich Heine
Zeitgedichte
Heinrich Heine

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11.

Das neue israelitische Hospital zu Hamburg.

    Ein Hospital für arme, kranke Juden,
Für Menschenkinder, welche dreifach elend,
Behaftet mit den bösen drei Gebresten,
Mit Armuth, Körperschmerz und Judenthume.

    Das schlimmste von den dreien ist das letzte,
Das tausendjährige Familienübel,
Die aus dem Nilthal mitgeschleppte Plage,
Der altägyptisch ungesunde Glauben.

    Unheilbar tiefes Leid! Dagegen helfen
Nicht Dampfbad, Douche, nicht die Apparate
Der Chirurgie, noch all' die Arzeneien,
Die dieses Haus den siechen Gästen bietet.

    Wird einst die Zeit, die ew'ge Göttin, tilgen
Das dunkle Weh, das sich vererbt vom Vater
Herunter auf den Sohn, – wird einst der Enkel
Genesen und vernünftig sein und glücklich?

    Ich weiß es nicht! Doch mittlerweile wollen
Wir preisen jenes Herz, das klug und liebreich
Zu lindern suchte, was der Lindrung fähig,
Zeitlichen Balsam träufelnd in die Wunden.

    Der theure Mann! Er baute hier ein Obdach
Für Leiden, welche heilbar durch die Künste
Des Arztes (oder auch des Todes!), sorgte
Für Polster, Labetrank, Wartung und Pflege –

    Ein Mann der That, that er, was eben thunlich;
Für gute Werke gab er hin den Taglohn
Am Abend seines Lebens, menschenfreundlich
Durch Wohlthun sich erholend von der Arbeit.

    Er gab mit reicher Hand – doch reichre Spende
Entrollte manchmal seinem Aug', die Thräne,
Die kostbar schöne Thräne, die er weinte
Ob der unheilbar großen Brüderkrankheit.

 


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