Heinrich Heine
Englische Fragmente
Heinrich Heine

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XI. Die Emanzipation der Katholiken

Wenn man mit dem dümmsten Engländer über Politik spricht, so wird er doch immer etwas Vernünftiges zu sagen wissen. Sobald man aber das Gespräch auf Religion lenkt, wird der gescheiteste Engländer nichts als Dummheiten zutage fördern. Daher entsteht wohl jene Verwirrung der Begriffe, jene Mischung von Weisheit und Unsinn, sobald im Parlamente die Emanzipation der Katholiken zur Sprache kommt, eine Streitfrage, worin Politik und Religion kollidieren. Selten in ihren parlamentarischen Verhandlungen ist es den Engländern möglich, ein Prinzip auszusprechen, sie diskutieren nur den Nutzen oder Schaden der Dinge, und bringen Fakta, die einen pro, die anderen contra, zum Vorschein.

Mit Faktis aber kann man zwar streiten, doch nicht siegen, da gibt es nichts als ein materielles Hin- und Herschlagen, und das Schauspiel eines solchen Streites gemahnt uns an wohlbekannte pro patria-Kämpfe deutscher Studenten, deren Resultat darauf hinausläuft, daß so und so viel' Gänge gemacht worden, so und so viel' Quarten und Terzen gefallen sind und nichts damit bewiesen worden.

Im Jahr 1827, wie sich von selbst versteht, haben wieder die Emanzipationisten gegen die Oranienmänner in Westminster gefochten, und, wie sich von selbst versteht, es ist nichts dabei herausgekommen. Die besten Schläger der Emanzipationisten waren Burdett, Plunkett, Brougham und Canning. Ihre Gegner, Herrn Peel ausgenommen, waren wieder die bekannten oder, besser gesagt, die unbekannten Fuchsjäger.

Von jeher stimmten die geistreichsten Staatsmänner Englands für die bürgerliche Gleichstellung der Katholiken, sowohl aus Gründen des innigsten Rechtsgefühls als auch der politischen Klugheit. Pitt selbst, der Erfinder des stabilen Systems, hielt die Partei der Katholiken. Gleichfalls Burke, der große Renegat der Freiheit, konnte nicht so weit die Stimme seines Herzens unterdrücken, daß er gegen Irland gewirkt hätte. Auch Canning, sogar damals, als er noch ein toryscher Knecht war, konnte nicht ungerührt das Elend Irlands betrachten, und wie teuer ihm dessen Sache war, hat er zu einer Zeit, als man ihn der Lauigkeit bezichtigte, gar rührend naiv ausgesprochen. Wahrlich, ein großer Mensch kann, um große Zwecke zu erreichen, oft gegen seine Überzeugung handeln und zweideutig oft von einer Partei zur andern übergehen; – man muß alsdann billig bedenken, daß derjenige, der sich auf einer gewissen Höhe behaupten will, ebenso den Umständen nachgeben muß, wie der Hahn auf dem Kirchturm, den, obgleich er von Eisen ist, jeder Sturmwind zerbrechen und herabschleudern würde, wenn er trotzig unbeweglich bliebe, und nicht die edle Kunst verstände, sich nach jedem Winde zu drehen. Aber nie wird ein großer Mensch so weit die Gefühle seiner Seele verleugnen können, daß er das Unglück seiner Landsleute mit indifferenter Ruhe ansehen und sogar vermehren könnte. Wie wir unsere Mutter lieben, so lieben wir auch den Boden, worauf wir geboren sind, so lieben wir die Blumen, den Duft, die Sprache und die Menschen, die aus diesem Boden hervorgeblüht sind, keine Religion ist so schlecht und keine Politik ist so gut, daß sie im Herzen ihrer Bekenner solche Liebe ersticken könnte; obgleich sie Protestanten und Tories waren, konnten Burke und Canning doch nimmermehr Partei nehmen gegen das arme, grüne Erin; Irländer, die schreckliches Elend und namenlosen Jammer über ihr Vaterland verbreiten, sind Menschen – wie der selige Castlereagh und der unselige Wellington.

Daß die große Masse des englischen Volkes gegen die Katholiken gestimmt ist und täglich das Parlament bestürmt, ihnen nicht mehr Recht einzuräumen, ist ganz in der Ordnung. Es liegt in der menschlichen Natur eine solche Unterdrückungssucht, und wenn wir auch, was jetzt beständig geschieht, über bürgerliche Ungleichheit klagen, so sind alsdann unsere Augen nach oben gerichtet, wir sehen nur diejenigen, die über uns stehen, und deren Vorrechte uns beleidigen; abwärts sehen wir nie bei solchen Klagen, es kommt uns nie in den Sinn, diejenigen, welche durch Gewohnheitsunrecht noch unter uns gestellt sind, zu uns heraufzuziehen, ja uns verdrießt es sogar, wenn diese ebenfalls in die Höhe streben, und wir schlagen ihnen auf die Köpfe. Der Kreole verlangt die Rechte des Europäers, spreizt sich aber gegen den Mulatten, und sprüht Zorn, wenn dieser sich ihm gleichstellen will. Ebenso handelt der Mulatte gegen den Mestizen, und dieser wieder gegen den Neger. Der Frankfurter Spießbürger ärgert sich über Vorrechte des Adels; aber er ärgert sich noch mehr, wenn man ihm zumutet, seine Juden zu emanzipieren. Ich habe einen Freund in Polen, der für Freiheit und Gleichheit schwärmt, aber bis auf diese Stunde seine Bauern noch nicht aus ihrer Leibeigenschaft entlassen hat.

Was den englischen Klerus betrifft, so bedarf es keiner Erörterung, weshalb von dieser Seite die Katholiken verfolgt werden. Verfolgung des Andersdenkenden ist überall das Monopol der Geistlichkeit, und auch die anglikanische Kirche behauptet streng ihre Rechte. Freilich, die Zehnten sind ihr die Hauptsache, sie würde durch die Emanzipation der Katholiken einen großen Teil ihres Einkommens verlieren, und Aufopferung eigener Interessen ist ein Talent, das den Priestern der Liebe ebensosehr abgeht wie den sündigen Laien. Dazu kommt noch, daß jene glorreiche Revolution, welcher England die meisten seiner jetzigen Freiheiten verdankt, aus religiösem, protestantischen Eifer hervorgegangen; ein Umstand, der den Engländern gleichsam noch besondere Pflichten der Dankbarkeit gegen die herrschende protestantische Kirche auferlegt, und sie diese als das Hauptbollwerk ihrer Freiheit betrachten läßt. Manche ängstliche Seelen unter ihnen mögen wirklich den Katholizismus und dessen Wiedereinführung fürchten, und an die Scheiterhaufen vom Smithfield denken – und ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Auch gibt es ängstliche Parlamentsglieder, die ein neues Pulverkomplott befürchten – diejenigen fürchten das Pulver am meisten, die es nicht erfunden haben – und da wird es ihnen oft, als fühlten sie, wie die grünen Bänke, worauf sie in der St. Stephanskapelle sitzen, allmählich warm und wärmer werden, und wenn irgendein Redner, wie oft geschieht, den Namen Guy Fawkes erwähnt, rufen sie ängstlich: Hear him! hear him! Was endlich den Rektor von Göttingen betrifft, der in London eine Anstellung als König von England hat, so kennt jeder seine Mäßigkeitspolitik; er klärt sich für keine von beiden Parteien, er sieht gern, daß sie sich bei ihren Kämpfen wechselseitig schwächen, er lächelt nach herkömmlicher Weise, wenn sie friedlich bei ihm kuren, er weiß alles und tut nichts, und verläßt sich im schlimmsten Falle auf seinen Oberschnurren Wellington.

Man verzeihe mir, daß ich in flipprigem Tone eine Streitfrage behandle, von deren Lösung das Wohl Englands und daher vielleicht mittelbar das Wohl der Welt abhängt. Aber eben je wichtiger ein Gegenstand ist, desto lustiger muß man ihn behandeln; das blutige Gemetzel der Schlachten, das schaurige Sichelwetzen des Todes wäre nicht zu ertragen, erklänge nicht dabei die betäubende türkische Musik mit ihren freudigen Pauken und Trompeten. Das wissen die Engländer, und daher bietet ihr Parlament auch ein heiteres Schauspiel des unbefangensten Witzes und der witzigsten Unbefangenheit; bei den ernsthaftesten Debatten, wo das Leben von Tausenden und das Heil ganzer Länder auf dem Spiel steht, kommt doch keiner von ihnen auf den Einfall, ein deutsch-steifes Landständegesicht zu schneiden, oder französisch-pathetisch zu deklamieren, und wie ihr Leib, so gebärdet sich alsdann auch ihr Geist ganz zwanglos, Scherz, Selbstpersiflage, Sarkasmen, Gemüt und Weisheit, Malice und Güte, Logik und Verse sprudeln hervor im blühendsten Farbenspiel, so daß die Annalen des Parlaments uns noch nach Jahren die geistreiche Unterhaltung gewähren. Wie sehr kontrastieren dagegen die öden, ausgestopften, löschpapiernen Reden unserer süddeutschen Kammern, deren Langweiligkeit auch der geduldigste Zeitungsleser nicht zu überwinden vermag, ja deren Duft schon einen lebendigen Leser verscheuchen kann, so daß wir glauben müssen, jene Langweiligkeit sei geheime Absicht, um das große Publikum von der Lektüre jener Verhandlungen abzuschrecken und sie dadurch trotz ihrer Öffentlichkeit dennoch im Grunde ganz geheim zu halten.

Ist also die Art, wie die Engländer im Parlamente die katholische Streitfrage abhandeln, wenig geeignet, ein Resultat hervorzubringen, so ist doch die Lektüre dieser Debatten um so interessanter, weil Fakta mehr ergötzen als Abstraktionen, und gar besonders amüsant ist es, wenn fabelgleich irgendeine Parallelgeschichte erzählt wird, die den gegenwärtigen, bestimmten Fall witzig persifliert, und dadurch vielleicht am glücklichsten illustriert. Schon bei den Debatten über die Thronrede, am 3. Februar 1825, vernahmen wir im Oberhause eine jener Parallelgeschichten, wie ich sie oben bezeichnet, und die ich wörtlich hierhersetze: (vid. parliamentary history and review during the session of 1825-26. Pag. 31.)

»Lord King bemerkte, daß, wenn auch England blühend und glücklich genannt werden könne, so befänden sich doch sechs Millionen Katholiken in einem ganz andern Zustande jenseits des irländischen Kanals, und die dortige schlechte Regierung sei eine Schande für unser Zeitalter und für alle Briten. Die ganze Welt, sagt er, ist jetzt zu vernünftig, um Regierungen zu entschuldigen, welche ihre Untertanen wegen Religionsdifferenzen bedrücken oder irgendeines Rechtes berauben. Irland und die Türkei könnte man als die einzigen Länder Europa's bezeichnen, wo ganze Menschenklassen ihres Glaubens wegen unterdrückt und gekränkt werden. Der Großsultan hat sich bemüht, die Griechen zu bekehren, in derselben Weise wie das englische Gouvernement die Bekehrung der irländischen Katholiken betrieben, aber ohne Erfolg. Wenn die unglücklichen Griechen über ihre Leiden klagten und demütigst baten, ein bißchen besser als mohamedanische Hunde behandelt zu werden, ließ der Sultan seinen Großvesir holen, um Rat zu schaffen. Dieser Großvesier war früherhin ein Freund und späterhin ein Feind der Sultanin gewesen. Er hatte dadurch in der Gunst seines Herrn ziemlich gelitten, und in seinem eigenen Divan von seinen eigenen Beamten und Dienern manchen Widerspruch ertragen müssen (Gelächter). Er war ein Feind der Griechen. Dem Einfluß nach die zweite Person im Divan war der Reis Effendi, welcher den gerechten Forderungen jenes unglücklichen Volkes freundlich geneigt war. Dieser Beamte, wie man wußte, war Minister der äußern Angelegenheiten, und seine Politik verdiente und erhielt allgemeinen Beifall. Er zeigte in diesem Felde außerordentliche Liberalität und Talente, er tat viel Gutes, verschaffte der Regierung des Sultans viel Popularität, und würde noch mehr ausgerichtet haben, hätten ihn nicht seine minder erleuchteten Kollegen in allen seinen Maßregeln gehemmt. Er war in der Tat der einzige Mann von wahrem Genie im ganzen Divan (Gelächter), und man achtete ihn als eine Zierde türkischer Staatsleute, da er auch mit poetischen Talenten begabt war. Der Kiaya-Bei und Minister des Innern und der Kapudan Pascha waren wiederum Gegner der Griechen; aber der Chorführer der ganzen Opposition gegen die Rechtsansprüche dieses Volks war der Obermufti oder das Haupt des mahomedanischen Glaubens (Gelächter). Dieser Beamte war ein Feind jeder Veränderung. Er hatte sich regelmäßig widersetzt bei allen Verbesserungen im Handel, bei allen Verbesserungen in der Justiz, bei jeder Verbesserung in der ausländischen Politik (Gelächter). Er zeigte und erklärte sich jedesmal als der größte Verfechter der bestehenden Mißbräuche. Er war der vollendetste Intrigant im ganzen Divan (Gelächter). In früherer Zeit hatte er sich für die Sultanin erklärt, aber er wandte sich gegen sie, sobald er befürchtete, daß er dadurch seine Stelle im Divan verlieren könne, er nahm sogar die Partei ihrer Feinde. Einst wurde der Vorschlag gemacht, einige Griechen in das Korps der regulären Truppen oder Janitscharen aufzunehmen; aber der Obermufti erhob dagegen ein so heilloses Zetergeschrei – ähnlich unserem No popery-Geschrei – daß diejenigen, welche jene Maßregel genehmigt, aus dem Divan scheiden mußten. Er gewann selbst die Oberhand, und sobald dies geschah, erklärte er sich für eben dieselbe Sache, wogegen er vorhin am meisten geeifert hatte (Gelächter). Er sorgte für des Sultans Gewissen und für sein eigenes; doch will man bemerkt haben, daß sein Gewissen niemals mit seinen Interessen in Opposition war (Gelächter). Da er aufs genaueste die türkische Konstitution studiert, hatte er ausgefunden, daß sie wesentlich mahomedanisch sei (Gelächter), und folglich allen Vorrechten der Griechen feindselig sein müsse. Er hatte deshalb beschlossen, der Sache der Intoleranz fest ergeben zu bleiben, und war bald umringt von Mollahs, Imams und Derwischen, welche ihn in seinen edeln Vorsätzen bestärkten. Um das Bild dieser Spaltung im Divan zu vollenden, sei noch erwähnt, daß dessen Mitglieder übereinkamen, sie wollten bei gewissen Streitfragen einig und bei andern wieder entgegengesetzter Meinung sein, ohne ihre Vereinbarung zu brechen. Nachdem man nun die Übel, die durch solch einen Divan entstanden, gesehen hat, nachdem man gesehen, wie das Reich der Muselmänner zerrissen worden durch eben ihre Intoleranz gegen die Griechen und ihre Uneinigkeit unter sich selbst, so sollte man doch den Himmel bitten, das Vaterland vor einer solchen Kabinettsspaltung zu bewahren.«

Es bedarf keines sonderlichen Scharfsinns, um die Personen zu erraten, die hier in türkische Namen vermummt sind; noch weniger ist es vonnöten, die Moral der Geschichte in trocknen Worten herzusetzen. Die Kanonen von Navarino haben sie laut genug ausgesprochen, und wenn einst die hohe Pforte zusammenbricht – und brechen wird sie trotz Pera's bevollmächtigten Laien, die sich dem Unwillen der Völker entgegenstemmen –, dann mag John Bull in seinem Herzen bedenken: mit verändertem Namen spricht von dir die Fabel. Etwas der Art mag England schon jetzt ahnen, indem seine besten Publizisten sich gegen den Interventionskrieg erklären und ganz naiv darauf hindeuten, daß die Völker Europa's mit gleichem Rechte sich der irländischen Katholiken annehmen und der englischen Regierung eine bessere Behandlung derselben abzwingen könnten. Sie glauben hiermit das Interventionsrecht widerlegt zu haben, und haben es nur noch deutlicher illustriert. Freilich hätten Europa's Völker das heiligste Recht, sich für die Leiden Irlands mit gewaffneter Hand zu verwenden, und dieses Recht würde auch ausgeübt werden, wenn nicht das Unrecht stärker wäre. Nicht mehr die gekrönten Häuptlinge, sondern die Völker selbst sind die Helden der neuern Zeit, auch diese Helden haben eine heilige Alliance geschlossen, sie halten zusammen, wo es gilt für das gemeinsame Recht, für das Völkerrecht der religiösen und politischen Freiheit, sie sind verbunden durch die Idee, sie haben sie beschworen und dafür geblutet, ja sie sind selbst zur Idee geworden – und deshalb zuckt es gleich schmerzhaft durch alle Völkerherzen, wenn irgendwo, sei es auch im äußersten Winkel der Erde, die Idee beleidigt wird.

Doch ich komme ab von meinem Thema. Ich wollte alte Parlamentsspäße erzählen, und, sieh da! die Zeitgeschichte macht jetzt aus jedem Spaße gleich Ernst. Ich will ein noch lustigeres Stückchen wählen, nämlich eine Rede, die Spring Rice den 26. Mai desselben Jahrs im Unterhause hielt, und worin er die protestantische Angst wegen etwaiger Übermacht der Katholiken auf die ergötzliche Weise persifliert: (vid. Parliamentary history and review etc. Pag. 252.)

»Anno 1753, sagte er, brachte man ins Parlament eine Bill für die Naturalisierung der Juden, – eine Maßregel, wogegen heutzutage in diesem Lande nicht einmal irgendein altes Weib etwas einwenden würde, die aber doch zu ihrer Zeit den heftigsten Widerspruch fand, und eine Menge von Bittschriften aus London und andern Plätzen, von ähnlicher Art, wie wir sie jetzt bei der Bill für die Katholiken vorbringen sehen, zur Folge hatte. In der Bittschrift der Londoner Bürger hieß es: »Sollte die besagte Bill für die Juden gesetzliche Sanktion erhalten, so würde sie die christliche Religion erschrecklich gefährden, sie würde die Konstitution des Staates und unserer heiligen Kirche untergraben (Man lacht) und würde den Interessen des Handels im allgemeinen und der Stadt London insbesondere außerordentlich schaden (Gelächter).« Indessen, ungeachtet dieser strengen Denunziation fand der nachfolgende Kanzler des Exchequer, daß die bedrohten, erschrecklichen Folgen ausblieben, als man die Juden in die City von London und selbst in Downingstreet aufnahm (Gelächter). Damals hatte das Journal »Der Kraftsmann« bei der Denunziation der unzähligen Unglücke, welche jene Maßregel hervorbringen würde, in folgenden Worten sich ausgelassen: »Ich muß um Erlaubnis bitten, die Folgen dieser Bill auseinander zu setzen. Bei Gott ist Gnade, aber bei den Juden ist keine Gnade, und sie haben 1700 Jahre der Züchtigung an uns abzurächen. Wenn diese Bill durchgeht, werden wir alle Sklaven der Juden, und ohne Hoffnung irgendeiner Rettung durch die Güte Gottes. Der Monarch würde den Juden untertan werden, und der freien Landbesitzer nicht mehr achten. Er würde unsere britischen Soldaten abschaffen und eine größere Armee von lauter Juden errichten, die uns zwingen würde, unsere königliche Familie abzuschwören, und gleichfalls unter einem jüdischen König naturalisiert zu werden. Erwacht daher, meine christlichen und protestantischen Brüder! Nicht Hannibal ist vor euren Pforten, sondern die Juden, und sie verlangen die Schlüssel eurer Kirchtüren!« (Lautes anhaltendes Gelächter). Bei den Debatten, welche über jene Bill im Unterhause stattfanden, erklärte ein Baron aus dem Westen (Man lacht), daß, wenn man die Naturalisierung der Juden zugestehe, so gerate man in Gefahr, bald von ihnen im Parlamente überstimmt zu werden. »Sie werden unsere Grafschaften«, sagte er, »unter ihre Stämme verteilen, und unsere Landgüter den Meistbietenden verkaufen.« (Man lacht). Ein anderes Parlamentsglied war der Meinung; »wenn die Bill durchgehe, würden sich die Juden so schnell vermehren, daß sie sich über den größten Teil Englands verbreiten, und dem Volke sein Land ebenso wie seine Macht abringen würden. Das Parlamentsglied für London, Sir John Bernard, betrachtete den Gegenstand aus einem tiefern theologischen Gesichtspunkte, einem Gesichtspunkt, den man ganz wiederfindet in der neulichen Petition aus Leicester, deren Unterzeichner den Katholiken vorwerfen, sie seien Abkömmlinge derer, die ihre Vorfahren verbrannt haben – und in solcher Art rief er, »die Juden seien die Nachkommen derjenigen, welche den Heiland gekreuzigt haben, und deshalb bis auf die spätesten Enkel von Gott verflucht worden.« – Er (Spring Rice) bringe jene Auszüge zum Vorschein, um zu zeigen, daß jenes alte Lärmgeschrei ebenso begründet gewesen sei, wie der jetzige neue Lärm in Betreff der Katholiken (Hört! hört!) Zur Zeit der Judenbill ward auch eine scherzhafte »Judenzeitung« ausgegeben, worin man die folgende Ankündigung las: »Seit unserer letzten Nummer ist der Postwagen von Jerusalem angekommen. Vergangene Woche wurden im Entbindungshospital, Brownlow-Street, fünfundzwanzig Knaben öffentlich beschnitten. Gestern abend wurde im Sanhedrin durch Stimmenmehrheit die Naturalisierung der Christen verworfen. Das Gerücht eines Aufruhrs der Christen in Nord-Wales erfand sich als ganz unbegründet. Letzten Freitag wurde die Jahrfeier der Kreuzigung im ganzen Königreiche sehr vergnüglich begangen.« – In dieser Art und zu allen Zeiten, bei der Judenbill sowohl als bei der Bill für die Katholiken, wurde der lächerlichste Widersetzungslärm durch die geistlosen Mittel erregt, und wenn wir den Ursachen eines solchen Lärms nachforschen, finden wir, daß sie sich immer ähnlich waren. Wenn wir den Ursachen der Opposition gegen die Judenbill im Jahre 1753 nachforschen, finden wir als erste Autorität den Lord Chatham, der im Parlamente aussprach, »er sowohl als die meisten andern Gentlemen seien überzeugt, daß die Religion selbst mit dieser Streitfrage nichts zu schaffen habe und es nur dem Verfolgungsgeiste der alten erhabenen Kirche (the old high church's persecuting spirit) gelungen sei, dem Volke das Gegenteil weiß zu machen.« (Hört! hört!) So ist es auch in diesem Falle, und es ist wieder ihre Liebe für ausschließliche Macht und Bevorrechtung, was jetzt die alte erhabene Kirche antreibt, das Volk gegen die Katholiken zu bearbeiten; und er (Spring Rice) sei überzeugt, daß viele, welche solche Künste anwenden, ebenfalls sehr gut wüßten, wie wenig die Religion bei der letzten Katholikenbill in Betrachtung kommen konnte, gewiß ebensowenig, wie bei einer Bill für Regulierung der Maße und Gewichte oder für Bestimmung der Länge des Pendels nach der Anzahl seiner Schwingungen. Ebenfalls in Betreff der Judenbill befindet sich in der damaligen Hardwicke-Zeitung ein Brief des Doktor Birch an Herrn Philipp York, worin jener sich äußerte, daß all dieser Lärm wegen der Judenbill nur einen Einfluß auf die nächstjährigen Wahlen beabsichtigt.« (Hört! Man lacht.) Es geschah damals, wie dergleichen auch in unserer Zeit geschieht, daß ein vernünftiger Bischof von Norwich zu Gunsten der Judenbill aufgetreten. Dr. Birch erzählt, daß dieser bei seiner Zurückkunft in seinen Kirchsprengel jener Handlung wegen insultiert worden; »als er nach Ipswich ging, um dort einige Knaben zu konfirmieren, ward er unterwegs verspottet und man verlangte von ihm beschnitten zu werden;« auch annoncierte man, »daß der Herr Bischof nächsten Samstag die Juden konfirmieren und tags darauf die Christen beschneiden würde.« (Man lacht.) So war das Geschrei gegen liberale Maßregeln in allen Zeitaltern gleichartig unvernünftig und brutal. (Hört ihn! hört ihn!) Jene Besorgnisse in Hinsicht der Juden vergleiche man mit dem Alarm, der in gewissen Orten durch die Bill für die Katholiken erregt wurde. Die Gefahr, welche man befürchtete, wenn den Katholiken mehr Macht eingeräumt würde, war ebenso absurd; die Macht Unheil anzurichten, wenn sie dazu geneigt waren, konnte ihnen durch das Gesetz in keinem so hohen Grade verliehen werden, wie sie jetzt solche eben durch ihre Bedrückung selbst erlangt haben. Diese Bedrückung ist es, wodurch Leute wie Herr O'Connell und Herr Sheil so einflußreich geworden sind. Die Nennung dieser Herren geschehe nicht, um sie verdächtig zu machen; im Gegenteil, man muß ihnen Achtung zollen, und sie haben sich um das Vaterland Verdienste erworben; dennoch wäre es besser, wenn die Macht vielmehr in den Gesetzen als in den Händen der Individuen, seien diese auch noch so achtungswert, beruhen möchte. Die Zeit wird kommen, wo man den Widerstand des Parlaments gegen jene Rechtseinräumung nicht bloß mit Verwunderung, sondern auch mit Verachtung ansehen wird. Die religiöse Weisheit eines frühern Zeitalters war oft Gegenstand der Verachtung bei den nachfolgenden Generationen. (Hört! hört!) – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –«


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