Friedrich Hebbel
Der Rubin
Friedrich Hebbel

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Zweiter Akt.

(Ein anderer Platz in Bagdad. Es ist Nacht.)

Irad. Du bist gerettet!

Assad.                         Und ich hab' den Stein!
(Er zieht den Rubin hervor.)
O, wie er strahlt! Ich glaube, wenn wir beide
Die Lichter alle löschten, die hier brennen,
Und wenn dann Allah auch mit seinen Händen
Die Sterne deckte, die am Himmel flammen,
Es würde doch nicht finster auf der Welt!

Irad. Meinst du?

Assad.                 Vergib, vergib, ehrwürd'ger Greis,
Daß ich dir noch die Füße nicht geküßt!
(Er tut's.)
Wer bist du? Doch, was frag' ich! Weiß ich's nicht?
Du kannst kein andrer sein als der Prophet,
Du sprachst ja auch in meiner Eltern Hütte
Schon einmal ein!

Irad.                             Wie war das?

Assad.                                                 Meinst du, daß ich's
Vergessen hab'? O nein! So klein ich war,
Ich hab's mir wohl gemerkt! Mein Vater lag
An schwerer Krankheit auf den Tod darnieder,
Und, wie er selbst, so konnte auch die Mutter
Nichts mehr verdienen, denn sie mußt' ihn pflegen
Und durft' ihn nicht verlassen! Was wir hatten,
War bald verzehrt, obgleich mein Mund allein
Den Vorrat schmälerte, da ihr so gut,
Wie ihm, die Eßlust fehlte. Was geschah,
Als sie zur Nacht das letzte Stücklein Brot
Mir weigerte, um für den nächsten Morgen
Nicht ganz mit leeren Händen dazustehn?
Die Tür ward aufgemacht, ein voller Beutel
Mit Geld flog in die Stube und zugleich
Rief eine Stimme: Allah leiht euch das,
Gebraucht's, solange ihr es nötig habt,
Und zahlt es, wenn ihr könnt, dereinst zurück
An einen, der so hilflos ist, wie ihr!

Irad. Und dieses, glaubst du –

Assad.                                     Glaubst du? Nein, ich weiß,
Daß der Prophet es war, daß – du es warst!
Wie solltest du im Paradiese auch
Dich freuen können, wenn die deinen unten
Im Elend schmachten!

Irad.                                   Assad, halte ein!
Ich bin nicht, was du meinst!

Assad.                                           Wer bist du denn?
Wer bist du, wenn du der Prophet nicht bist?
Wer bist du, daß vor deinem Wink die Erde
Sich spaltet, daß sich zum kristallnen Gang,
In dem man wandeln kann, ihr Innres wölbt,
Und daß –

Irad.                 Ich bin der, der dich retten konnte!
Das sei genug für dich! Und jetzt vernimm,
Warum ich's tat!

Assad.                       Laß erst noch einmal dir,
Auf meinen Knieen, danken für mein Leben!
Jetzt schaudert's mich! Zwar weiß ich es gewiß,
Daß ich ins Paradies gekommen wäre,
Denn einer Sünde, die mir seine Pforten
Verschließen könnte, zeiht mein Herz mich nicht.
Allein, wie hätt' ich dort erröten müssen!
Und nicht vor Omar bloß und Abubeker,
Die Mahomed am nächsten stehn und die
Wohl nie auf Erden ihresgleichen finden,
Ach nein, vor jedem, der die Hungernden
Gespeist, die Durstigen getränkt und nicht,
Wie ich, die Vögel bloß gefüttert hat.
Ja, selbst vor meinem Vater, denn ich trug
Die Schuld, die er zurückließ, noch nicht ab,
Und das gelobt' ich ihm, bevor er starb;
Sie war erst halb bezahlt, als er verschied!

Irad. Verkaufe jetzt den Stein, so kannst du's tun!

Assad. Den Stein?

Irad.                       Du zweifelst, ob in dieser Stadt
Des Glanzes und der Pracht auch ein Verlassner
Zu finden sei, der dein bedarf? Doch ich,
Vor dessen Blick die Erde selbst sich spaltet,
Ich schau von hier durch Mauern und durch Wände
Und kann dich gleich zu einem führen, der
Vor wüt'gem Hunger in sein eignes Fleisch
Hineinbeißt und in grimmiger Verzweiflung
Sich selbst und Allah mit verflucht. Den sollst
Du trösten und mit Gott und Welt versöhnen,
Deswegen ward dir der Rubin zuteil!
Drum gib ihn hin!

Assad.                         Ihn hin? Mein Blut viel lieber!

Irad. Assad!

Assad.           Da ist er! Mach' nun, was du willst!
Mir aber sage, wie ich den Kadi
Am schnellsten wiederfinde!

Irad.                                               Den Kadi?
Du Undankbarer! Allah hat die größte
Der ird'schen Freuden dir bestimmt und du –

Assad. Geht, geht! Ich fall' Euch an, wenn Ihr's nicht tut.
Hier ist mein Dolch! Nehmt ihn, damit ich ihn
Nicht brauche oder Ihr Euch wehren könnt!

Irad. Ich werd' den Stein verkaufen! Tröste dich,
Es bleibt, auch wenn du diese Schuld bezahlst,
Genug noch für dich übrig!

Assad.                                         O, zu viel!
Zu viel! Und wenn's auch nur ein Pfenning wäre,
Ich brauch' von jetzt an keinen Pfenning mehr!

Irad (schickt sich zum Abgehen an).
Begleite mich und sieh –

Assad                                       Wohin Ihr geht?
O nein! Ich mach' die Augen lieber zu,
Sonst könnte ich Euch folgen und den Mann
Ermorden, der – Ich bitt' Euch, zögert nicht!

Irad. Ich hab' dich nur geprüft! Nimm ihn zurück!
(Er reicht Assad den Stein.)
Auch diesen brauchst du noch! (Er reicht ihm den Dolch.)
                                                Ich wog die Krumen,
Die du den Vögeln vor dein Fenster streutest,
Und schwerer in die Wage fielen sie,
Als all die Schätze, welche der Kalif
Den Darbenden verteilen ließ, denn du
Gabst alles, was du übrig hattest, hin,
Er nicht, und das hat Mahomed befohlen!

Assad. Ehrwürd'ger Greis, mein Alles war ein Nichts!

Irad. Ich sah an deines Vaters Sterbebett
Dich sitzen, tief bekümmert, daß du nur
Die Fliegen ihm verjagen, nicht die Frucht
Ihm reichen konntest, die vielleicht die letzte
Equickung ihm geboten oder ihm
Das letzte Lächeln abgewonnen hätte –

Assad (hält die Hand vors Gesicht).
O Gott! Ich dachte –

Irad.                                 An des Nachbars Garten
Und an die Trauben, die darin gereift!
Allah verzieh es, ja auf seinen Wink
Trug der Prophet ins goldne Buch dich ein!
Und darum stehst du jetzt vor mir und hältst
In deiner Hand ein Kleinod, das, so köstlich
Es dir und aller Welt auch scheinen mag,
Doch noch viel mehr ist, als du ahnen kannst!

Assad. Was ist es denn?

Irad.                               Es ist ein Grab!

Assad.                                                       Ein Grab?

Irad. Es ist ein Grab für eine, die noch lebt!

Assad. Für eine, die – für eine! O, mein Herz,
So war es dies!

Irad.                         Die allerschönste Jungfrau,
Die aus der Erde jemals wandelte,
Ist durch die Tücke eines bösen Geistes
In diesen Stein hineingebannt und schläft
Den Schlaf des Todes, ehe sie noch starb!

Assad (schaudernd).
Den Schlaf des Todes!

Irad.                                     Rot ist der Rubin
Zwar immer, doch in einen Purpur, wie
Er diesen schmückt, war keiner noch getaucht.
Wie Feuer schimmert jeder Edelstein,
Denn tief in seinen Kern hat die Natur
Den Sonnenstrahl, den flücht'gen, eingeschlossen,
Doch einen Blitz, wie dieser deinem Blick
Entgegen sendet, wenn du ihn betrachtest,
Hat selbst der Diamant noch nie versprüht!

Assad. Es ist ihr Blut und ihres Auges Glanz!

Irad. Das ist's! Jawohl! Denn beides sog er ein!

Assad. Und Allah ließ es zu?

Irad.                                       Die bösen Geister
Sind mächtig bis zum jüngsten Tag! Und doch
Nicht mächtig g'nug. Was half's, daß der Rubin
Schon, tief verscharrt, im Schoß der Erde lag?
Ich fand ihn dennoch!

Assad.                               Kannst du denn die Jungfrau
Nicht auch erlösen?

Irad.                                 Ich nicht! Nur ein Mensch!

Assad. Ein Mensch! Ich selbst bin ja ein Mensch! Doch wie?

Irad. Das weiß ich nicht! Der Zaubrer fiel in Schlaf,
Als ich erwachte, denn wir wechseln stets,
Wie Tag und Nacht, doch nur umsonst belauschte
Ich seine Träume, er verriet sich nicht!

Assad. Weh! Weh!

Irad.                       Verzweifle nicht zu früh! Er hält
Den Schlaf nicht ewig aus und dennoch weicht
Der Schlaf erst dann von ihm, wenn's mir gelang,
Das zu befrein, was er gefesselt hat.
Sobald der Traum in den verruchten Sinn
Ihm eine neue, größre Bosheit bringt,
Deckt er die alte selber auf! Das kann
Auch dieses Mal geschehn! Noch weiß ich nur,
Daß du die Jungfrau einmal wecken kannst!

Assad. Ich kann sie wecken?

Irad.                                       Ja! Um Mitternacht!
Wenn du auf den Rubin drei Küsse drückst,
Erscheint sie dir!

Assad.                         Ist es nicht Mitternacht?

Irad. Noch nicht! Doch bald! Vielleicht kann sie dir selbst
Das Mittel nennen, das den Zauber bricht,
Vielleicht entdecke ich's. Zwar blickte er
In jener Nebelhöhle, die ihn birgt,
So selbstzufrieden, tückisch-stolz darein,
Als hätte er sein Äußerstes vollbracht,
Und dieses deutet auf ein schweres Werk.
Doch über ihm ist Allah! Was ich nur
Zum Teil durchschaue, das durchschaut er ganz
Und gibt's dir wohl in Träumen ein! Leb' wohl!

(Er verschwindet.)

Zweite Szene.

Assad. Ich soll sie sehn! Und wenn's nur einmal wäre,
Ich soll sie sehn! O, daß die Mitternacht
Doch endlich käme! Daß der Tempelwächter
Doch endlich –

Eine Stimme (ruft von der Moschee herab).
                          Auf, ihr Gläub'gen, zum Gebet!

Assad. So ist sie da, die grause, grause Stunde,
In welcher, wie es heißt, die Toten leben
Und die Lebend'gen tot sind; wird denn nun
Geschehn, was mir der Greis –
(Er stürzt betend auf die Knie.)
                                                  Allah! Du weißt!
Ich finde keine Worte! Laß den Greis
Mich nicht betrogen haben! (Springt auf.) Pfui! Pfui!
Was sagt' ich da! Mein Herz weiß nichts davon!
(Er hebt den Rubin gegen den Mund.)
Ist's denn so kalt? Mich friert! In dieser Stunde
Schloß meines Vaters Auge sich auf ewig,
Wird sich das ihre öffnen? Fort, ihr Zweifel!
Es wird! Es muß! Es soll!
(Er küßt den Rubin dreimal. Dieser entfällt ihm.)
                                          Der Stein wird schwer
In meiner Hand, als ob –
(Eine Nebelwolke quillt aus der Erde.)
                                        In eine Wolke
Löst er sich auf – Ja, ja, in eine Wolke!
Und diese Wolke – sie verdichtet sich –
Ich seh' – ich seh' ein holdes Angesicht –
(Ausbrechend.)
Ich sehe sie!

Dritte Szene.

Fatime erscheint allmählich, die Wolke verschwindet nach und nach, ein rötliches Licht umfließt sie.

Fatime (wie träumend). Drei Tropfen meines Bluts?
Droht, wie ihr wollt, ich geb' sie nicht! Nicht näher!
Ich fürcht' Euch! Bin ich hier denn ganz allein?
Rührt mich nicht an! (Sie schreit.) Mein Vater!

Assad (nähert sich ihr ängstlich).                             Holdeste –

Fatime. Wer bist du? O, genug! Der Alte nicht!
Der grimme Alte nicht! So schütze mich!
Tritt her! Ganz nah! Weg, Mädchenscham und Sitte!
Hier gilt's den Tod, und mehr! Ganz nah! Ganz nah!

Assad (für sich). Sie weiß nicht, was mit ihr geschah!

Fatime.                                                                         Wo blieb er?
Steht er nicht hinter mir? Er tut's! Er tut's!
Ich fühle es! Nimm mich in deine Arme,
So lange, bis mein Vater kommt! Er kommt
Gewiß im Augenblick! Du hast
Doch einen Dolch?

Assad.                           Beruh'ge dich!

Fatime.                                                   Wie kann ich?
Noch eben war es Tag! Nun ist es Nacht!
Ich stand an einem Rosenbeet, und nun –
(Sie schaut sich um.)
Der Greis ist fürchterlich! Auf seinen Wink
Verkriecht die Sonne sich zur Mittagszeit,
Die Gärten sinken ein – Ein Menschenkind
Wird durch die Luft entführt und merkt es nicht!
(Stürzt auf ihre Knie.)
Allah, beschirme du mich!

Assad.                                       Bete lieber:
Allah, erlöse mich!

Fatime (springt auf).       Mich graust! Mich graust!
Sprich! Ist es schon geschehn? Bin ich verzaubert?
Hat er die Drohung schon erfüllt? Du schweigst?
Er hat! Er hat! O, ich erinnre mich!
»Sagst du noch einmal nein, so bist du Stein!«
Das rief er mir in grimm'gem Zorne zu
Und zog ein spitzes Instrument hervor
Und griff nach meiner Hand, als wollte er
Mir eine Ader öffnen, ehe ich
Das zweite Nein noch fände –

Assad.                                             Dennoch hast
Du es gefunden, denn –

Fatime.                                 Ich lebe ja,
Ich atme ja! (Sie faßt ihre Locken an.) Die sind ja weich, wie sonst,
Ich bin ja noch nicht Stein –

Assad.                                         Du warst es schon
Und mußt, o Allah! mußt es wieder werden,
Wenn du –

Fatime.             Mich fröstelt schon! O, es ist wahr!
Ist schrecklich wahr!

Assad (fährt fort).               Wenn du nicht weißt, wie du
Entzaubert werden kannst!

Fatime (greift sich an die Stirn).   Mir deucht, ich weiß es!

Assad. So sag's mir an!

Fatime.                         O, jetzt besinn' ich mich
Auf alles wieder!

Assad.                         Nun, so zögre nicht!

Fatime. Ich bin in einen Edelstein gebannt!

Assad. Nicht länger, als –

Fatime.                             Und du, du hast den Stein!

Assad. Laß das! Verkünde mir –

Fatime.                                       Du liebst den Stein!
O ganz gewiß, du liebst ihn!

Assad.                                           Mit dem Leben
Hab' ich ihn fast bezahlt! Und, sicher geb' ich
Mein Leben eher hin, als ihn!

Fatime (bricht aus).                       Entsetzlich!
Ich werde nie erlöst!

Assad.                               Ich fass' dich nicht!

Fatime. Nur deshalb wählte er den Edelstein
Und nicht den Kiesel!

Assad.                                 Selbst den Kiesel hättest
Du in den herrlichsten Rubin verwandelt,
Mit Purpurrot hätt' ihn dein Blut durchhaucht,
Mit Feuer dies dein Auge ihn getränkt!
Wer weiß denn, ob's vorher kein Kiesel war.

Fatime. Du liebst auch mich!

Assad.                                   Dich liebt' ich stets in ihm!

Fatime. Weh' dir und mir!

Assad.                               Wohl bin ich zu gering,
Doch wahrlich auch nicht kühn genug, zu dir
Den Blick emporzuheben!

Fatime.                                     Du verstehst
Mich nicht!

Assad.               Du bist bestimmt, den Mann zu lohnen,
Der auf der Welt die größte Tat vollbringt,
Du schwebst ihm vor, das spornt ihn an, nun stürzt
Er freud'gen Mutes sich in Not und Tod,
Und wenn er dann als Sieger wiederkehrt
Und dich erblickt, wenn du dich huldvoll ihm
Entgegenneigst, dann tritt er noch in Demut
Zurück und sagt: auch ich bin dein nicht wert!
Ja, tut er's nicht, so rufe ich's ihm zu.

Fatime (mit einem Blick auf Assad).
Ich möchte leben, leben!

Assad.                                     Doch das gibt
Mir eben Kraft, das Äußerste für dich
Zu wagen und mein alles einzusetzen!
Wer deiner würdig ist, der schone sich,
Und wär's auch nur, weil du vielleicht im Herzen
Sein Bild schon trägst und ihn nicht missen kannst!
Ich bin es nicht und werde mich nicht schonen,
Drum sag' mir, wie du zu erlösen bist!
Und wär' es dadurch, daß ich diesen Dolch
Ins Herz mir stoße: schneller werd' ich's tun,
Als du es fordern kannst!

Fatime.                                     Das würde ich
Gewiß nicht fordern!

Assad.                               Tu' es ohne Scheu!
Denn ohne dich vermag ich nicht zu leben,
Seit ich mit diesen Augen dich gesehn,
Und –

Fatime.       Edler Jüngling! Oft schon warf der Baum
Die goldne Frucht von selbst auf den herab,
Den heil'ge Scheu zurückhielt, ihn zu schütteln!

Assad. Was sagst du da? O, wiederhol' es mir!

Fatime (für sich).
Er rührt mein Herz! (Laut.) Wie gerne würd' ich dir
Mein Leben danken! Aber nimmer wirst
Du mich erlösen!

Assad.                         Dennoch hörte ich,
Es steh' in Menschenmacht!

Fatime.                                       In Menschenmacht?
Ach, es ist leicht, es ist unendlich leicht!

Assad. Und doch –

Fatime.                   So leicht, daß du's an jedem Ort
Vollbringen könntest und zu jeder Zeit!

Assad. Und doch – O, gib mir keine Rätsel auf!

Fatime. Doch würdest du mich eher einem Drachen
Abkämpfen, eher aus dem Grund des Meers
Herauf mich holen, wenn mich eine Muschel
Umschlösse, eher Salomonis Siegel
Zerbrechen, wenn es in ein Grab mich bannte,
Als dieses Leichteste des Leichten tun!

Assad. So nenn' es mir!

Fatime.                           Ach, dürft' ich dir es nennen,
So war' es schnell vollbracht! Du mußt darauf
Von selber kommen! Doch du wirst es nicht!
Denn es ist schwer, es steht im Widerspruch
Mit allem, was du denkst und fühlst. Und wenn
Ich dir entdecken wollte, was es ist,
Gleich würde eine andere Bedingung,
Und eine noch viel schlimmere, gesetzt;
Ich weiß es nur, damit ich doppelt leide.
Du wirst auf jedem Stern den Schlüssel suchen,
Der meinen Kerker öffnet, wirst den Abgrund
Darnach durchspähn und hast ihn in der Hand.

Assad. Ich werde alles tun –

Fatime.                                 Bis auf das rechte!
Ja, wenn du mich nicht – Unglücksel'ge, schweig!

Assad. Du nimmst mir selbst die Hoffnung?

Fatime.                                                         Nehme ich
Sie dir allein? Ich nehm' sie mir zugleich!
Du durftest mich nur darum einmal sehn,
Damit du elend würdest! Elend bist
Du jetzt! Ich fühl's! Nun siehst du mich nicht mehr!
Ich werde niemals wieder aus dem Stein
Zu neuem Sein hervorgehn, oder erst,
Wenn alles, was mir lieb und teuer war,
In Staub zerfallen und die schöne Welt
Mir völlig fremd geworden ist. Wer weiß,
Ob das nicht schon geschah, ob ich nicht schon
Jahrhunderte – Wer herrscht in Bagdad?

Assad.                                                             Harun!

Fatime. So ist's noch Zeit! Wie wird mir! Allah! Hilfe!
Ich möcht' ihm noch was sagen! – Was denn? – (Zu Assad, verwirrt.) Frag' doch!

(Ein Wolke umfliegt sie, sie verschwindet. Es wird dunkel.)

Assad. Weh, weh! Ich seh' nichts mehr von ihr! Und dort,
Dort funkelt der Rubin schon wieder hell!

(Er hebt ihn auf.)

Vierte Szene.

Hakam (tritt im Hintergrund auf).
So groß die Stadt ist, überall gibt's Augen,
Die einen hindern, in der Nacht sogar!
Wie oft bin ich nun schon gestört! Die Assads
Sind selten in der Welt! Dem wollte ich
Den Turban stehlen, während er ihn trägt,
Und gleich darauf ihn an ihn selbst verkaufen.
Wo mag er nur geblieben sein! Ich wette:
Wenn ihn der Greis nicht überwacht, wie'n Kind,
So liegt er irgendwo jetzt auf der Straße,
Die Augen zu, die Hand halb offen
Und in der Hand den Stein!

Assad (nachsinnend).                   Auch das ist nichts!

Hakam. Dort redet einer! Sprach ich nicht von Stehlen?
Es wäre dumm, wenn der –Ei was, ei was!
Er spricht ja selbst! Ich will ihn doch belauschen,
Wer weiß, was man erfährt!

(Er nähert sich Assad.)

Assad.                                           Wie schön sie war!

Hakam. So, war sie schön? Nun, das ist ein Geheimnis,
Wofür mir höchstens der was gibt, der sie
Zum Weibe nehmen soll! Allein die Stimme
Kommt mir bekannt vor! Das – Ja, das ist Assad! –
Das alte Kleid! Der Greis hat nichts für ihn
Getan! (Ruft.) As– (unterbricht sich.)
                              Still! Ich will erst sehn, wie's steht!

Assad. Dahin! Dahin!

Hakam.                       Das heißt: er ist schon fort!
Ein solcher Stein! Du Tor! Nun wundre dich,
Wie schlecht die Menschen sind! Nun klag' und seufze!
Gleich könnt' ich dir von hinten eines geben
Für diese grobe Unvorsichtigkeit!

Assad (sieht auf den Rubin).
Das ist sie jetzt!

Hakam.                     Nein, nein, er hat ihn noch!
Nun, so gewiß ich morgen essen will,
Rubin, vor Tag noch wechselst du den Herrn.
Er ist mir zwar an Kräften überlegen,
Allein im Laufen kam er stets zu kurz
Und obendrein hat er noch wunde Füße!

Assad. Wüßt' ich nur ihren Namen! Doch ich war
So ganz verwirrt, daß ich vergaß, zu fragen!
Nun tut's mir weh, daß ich sie nicht einmal
Zu nennen weiß!

Hakam.                     Er ist verliebt, wie's scheint!
Tat dir ein schadenfroher Wind den Dienst?
Hat er den Schleier eines schönen Weibes
Gelüftet, das ins Bad getragen ward?
Ei, freilich, nach dem Namen hättest du
Den obersten Eunuchen fragen sollen,
Dann wüßtest du es jetzt schon ganz genau,
Wie gut zum Bambusrohr dein Schädel paßt!

Assad. Ich soll's an jedem Ort vollbringen können
Und auch zu jeder Zeit!

Hakam.                               Jetzt faselt er!
Ei, denk sie dir mit einem starken Schnupfen,
Sieh ihrer Mutter ins Gesicht und sag' dir:
So sieht sie selbst in zwanzig Jahren aus,
Dann nimmt dein Fieber ab!

Assad.                                         Was ist es nur?
Ein altes Märchen klingt mir in den Ohren,
Ein schauerliches, wie kein zweites mehr!

Hakam. Erzähl's! Erweiche dich! Vergieße Tränen
Und laß den Stein, wenn du dir mit der Hand
Die Augen trocknest, fallen! Ich erspare
Dir gern die Müh', ihn wieder aufzuheben!

Assad. Ein wunderschönes Mädchen war verzaubert,
Nicht an Gestalt, allein in ihrem Sinn.
Sie haßte, was sie sonst geliebt und wurde
Nur dadurch, daß ihr der Geliebte selbst
Den Dolch ins Herz stieß, was er tat im Zorn
Und in der Wut der Eifersucht, erlöst!

Hakam. Das hört' ich schon vom alten Araber!
Ich schob ihm, als er grade dies erzählte,
Den Igel untern Burnus, der ihn stach!

Assad. Hätt' ich vielleicht, als sie in Fleisch und Blut
Hier vor mir stand, mit meinem Dolch das gleiche
An ihr – Mich schaudert! Aber das war sicher
Im Widerspruch mit allem, was ich dachte
Und was ich fühlte! Doch, das kann's nicht sein,
Denn das vermöcht' ich jetzt ja schon nicht mehr!

Hakam. Er träumt im Stehn. Gleich fällt er um. Dann geh' ich
Ans Werk! (Er tritt dicht hinter Assad.)

Assad (tritt lebhaft vorwärts).
                    Ich will mich heut nicht länger quälen,
Ich will mich freun und dem mit Zuversicht
Vertraun, der über mir und ihr ist. Ist's
Für heut nicht schon genug, daß ich sie sah,
Und daß sie freundlich mit mir sprach? Ihr Auge
War aus der Wolke noch auf mich gerichtet,
Ja, selbst aus dem Rubin heraus noch scheint
Sein Strahl mich anzublicken. Leuchtet er
Nicht wie ein Stern?

(Hält den Rubin in die Höhe.)

Hakam (der ihm gefolgt ist, greift nach dem Stein, und ruft mit verstellter Stimme).
                                  Ja! Er gefällt auch mir!
Triumph! Ich hab' ihn! (Er läuft fort.)

Assad (eilt ihm mit gezücktem Dolche nach).
                                      Stirb für diesen Raub! (Er sticht ihn.)

Hakam. Mord!

Assad.               Raub! (Er überwältigt Hakam.)
                            Ich hab' ihn wieder! Büß' es jetzt,
Daß du ihn angefaßt! Und mit dem Tode!

Hakam. Ich hab' genug! (Stürzt um.)

Fünfte Szene.

Der Kadi. Nachtwache mit Fackeln erscheint.

Der Kadi.                         Greift jeden, den ihr trefft!
Hier wurde Mord geschrien!

Assad (ist, gleich wie Hakam stürzte, neben ihm niedergekniet).
                                              Ist das wahr?
Traf ich dich tödlich? Sprich! Er kann nicht mehr!
So wäre ich ja – Wo ist deine Wunde?
(Er ruft.)
O, helft, helft!

Selim.                     Hieher!

Der Kadi.                           Nun, was gibt es hier?

Selim. Hier liegen zwei am Boden!

Der Kadi.                                       Mit den Fackeln
Herbei!

(Die Nachtwache umzingelt Hakam und Assad.)

Selim (zu Assad). Wer bist du?
(Er erkennt ihn.)             Ha! (Er springt zurück.)

Der Kadi.                                         Du schrickst zurück?
Ist er bewaffnet? Stach er dich?

Selim.                                                 Verzeih!
Das ist –

Der Kadi.       Wer denn! Doch nicht –
(Er ergreift selbst eine Fackel und beleuchtet Assad.)
                                                        Ei freilich, freilich,
Das ist der Bube, den die Erde heut
Verschlungen haben soll! Dank, Allah, Dank!
So wird's mir doch belohnt, daß ich mich selbst
Für diese Nacht der Wache beigesellt.
Ich hab' den Flüchtling!

Assad.                                   Steht doch diesem bei!
Weswegen kamt Ihr, wenn Ihr das nicht wollt!

Der Kadi. Der Bursch verspricht das Mögliche! Er hat,
Man sieht's, hier einen mördrisch angefallen
Und ruft, nun er den Richter kommen hört,
Mit eigner Kehle nach Verband und Ärzten!
Es hilft nur leider nichts! Mich täuscht das nicht!
Packt ihn und hebt den andern auf!

Hakam.                                                 Ich glaube,
Ich brauche keine Hilfe, wenn ich auch
Verwundet bin! (Er steht auf.) Doch, doch! Mir schwindelt jetzt!

(Die Umstehenden unterstützen ihn, Selim untersucht ihn.)

Selim. Es ist nicht viel! Ein Schlitz im linken Arm!
(Bindet ihm ein Tuch um den Arm.)
Pfui, schäme dich, daß du von Schwindel sprichst!

Hakam. Gewiß nicht mehr? Ich glaubte –

Selim.                                                         Halt doch still!
Was sonst?

Der Kadi (zu Hakam). Bist du nicht der, der diesen fing,
Als er entlief? Ich soll dich an der Stimme
Erkennen!

Hakam.           Hätt' ich diese Wunde wohl,
Wenn ich's nicht wäre? Nur aus Rache fiel
Er mich hier an.

Der Kadi.                 Das paßt zum übrigen!

Assad. Elender, hast du mich nicht erst beraubt
Und wußte ich auch nur, daß du es warst?

Hakam. Ich bin zum Schwur bereit!

Der Kadi.                                           Des braucht es nicht!
Ich kenne ihn, wie dich! Der Bube da
Ist schuld dran, daß mein Rustan sich erhing,
Und du bist, wenn auch ohne dein Verdienst,
Jetzt Ursach, daß ich ihm das lohnen kann.
Ihm wird der schnellste Galgentod zuteil,
Du sollst den Preis, den ich im ersten Grimm
Auf seinen schlechten Kopf gesetzt, erhalten,
Wenn du nicht eine andre Bitte hast!

Hakam. Herr, gebt mir Rustans Amt! Laßt mich dies Amt
Zum wenigsten an dem vollziehn!

Der Kadi.                                             Du bist
Ein wenig keck! Und doch – Mir mißfällt's nicht!
Es sei!

Hakam.       Mißlingt mein Probestück an ihm,
So laßt ihn seins an mir versuchen!

Der Kadi.                                               Mach dich
Bereit, es gleich beim ersten Morgengraun
Vor meinen eignen Augen abzulegen!

Hakam. Ich bin's! (Für sich.) Ich kenn' das Knotenknüpfen längst.
(Zu Assad.)
Du stachest mich und ich, ich hänge dich!
Siehst du, wie alles sich auf Erden dreht?

Der Kadi (zu Assad).
Nun? – Es wird Ernst! Verschwinde noch einmal!
Du zögerst? Fehlt der schurkische Genoß
Jetzt mit dem Räucherpulver? Denn der Dampf
Von Räucherpulver war's, der dich verhüllte,
Nicht eine Wolke, wie die Toren glaubten,
Ich hätt' den Kniff im Augenblick durchschaut!
(Zu Selim.)
Siehst du hier noch ein Wunder?

Selim.                                                 Herr, vergib!

Der Kadi. Nun rasch zum Markt, wo er den Raub beging!
Denn, wo er sündigte, da soll er büßen!

(Ab mit Allen.)

Assad (indem er abgeführt wird).
Ehrwürd'ger Greis, verließest du mich auch?


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