Friedrich Hebbel
Der Rubin
Friedrich Hebbel

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Erster Akt.

(Großer Marktplatz zu Bagdad. Man sieht in mehrere Straßen hinein, die von Volk wimmeln.)

Erste Szene.

Assad und Hakam treten auf.

Assad. Welch eine Pracht! O Hakam, schau dich um!
Was das für Häuser sind und was für Gassen!
Kaum glauben kann ich's, daß die Wunderstadt
Von Menschenhand erbaut ward und noch minder,
Daß sie ein Menschenfuß betreten darf –

Hakam. Und stehst doch selbst darin, und obendrein
Mit Füßen, die nicht gar zu sauber sind!

Assad. Schau, dort das Minaret! Der Halbmond drauf,
Sieht er nicht ganz so aus, als hätt' man ihn
So von der Himmelsdecke weggerissen?
Und drüben der Palast! Ein Fenster ist
So groß, wie meiner Eltern Hütte war,
Und sieh! ein Blumengarten auf dem Dach!
Oft führte mich nach Bagdad schon der Traum,
Fast jedesmal, wenn ich vor Schlafenszeit
Ein Märchen hörte –

Hakam.                             Nun, dann weißt du hier
Gewiß Bescheid und kannst mir ohne Zweifel
Den Brunnen zeigen, der aus sieben Röhren
Statt Wassers Wein verspritzt und den ein Baum
Beschattet, der, sobald man ihm nur winkt,
Die Früchte fallen läßt, die man sich wünscht,
Heut Feigen, morgen Datteln oder Trauben.
Denn Märchen hörtest du ja alle Abend
Und gabst dem blinden Araber, wenn er
Nicht gleich von selbst begann, dein bißchen Brot,
Damit er nur erzählte und nicht schwieg!

Assad. Oft war ich hier im Traum, doch niemals sah
Ich's so! O nein, ich sah mein Dorf vergrößert,
Auch wohl verschönert, doch –

Hakam.                                             Ich hätte mir
Dies alles noch viel prächt'ger vorgestellt.
Die Häuser sind denn doch, soviel ich sehe,
Aus Steinen aufgebaut und nicht von Gold,
Das Straßenpflaster scheint mir nicht von Silber,
Und auch der Kot ist ganz gemeiner Kot.

Assad (in Gedanken versinkend).
Und dennoch! Einmal!

Hakam.                               Einmal? Was denn einmal?
Ein Pudel! Siehst du? Ganz so, wie bei uns!
Vier Beine! Keine sechs! Und Kopf und Schwanz!

Assad. Einmal sah ich's schon so! Das war ein Traum!
Gewiß gibt's keinen buntern!

Hakam.                                         Nun?

Assad.                                                     Ich ging
Durch eine Straße, breit, wie jene dort,
Und endlos, wie der Tigris. Staunend blickt' ich,
Wie jetzt, die wunderbaren Dinge an,
Die mir bei jedem Schritt entgegentraten,
Die Menschen aber, die mir auf der Straße
Begegneten, die blieben alle stehn
Und sahn auf mich!

Hakam.                         Auf dich? (Lacht.)

Assad.                                             Du lachst zu früh,
Das Beste kommt erst! Ja, sie drängten sich
Um mich herum, sie zeigten mit den Fingern
Auf mich und flüsterten, es ward zuletzt
Ein dichter Knäuel. Ich erschrak und dachte:
Du lagst zur Nacht in einem Ährenfeld
Und hast gewiß noch einen Halm im Haar,
Auf, säubre dich! Schnell trat ich an ein Fenster,
Das fast die halbe Straße spiegelte,
Und sah hinein. Da – Nun ist's Zeit, zu lachen!

Hakam. Worüber denn?

Assad.                             Weil ich – Ich schäme mich,
Es dir zu sagen, Hakam!

Hakam.                                   Sahst du aus,
Als ob du dich noch nie gewaschen hättest?

Assad. O nein! O nein! Ich trug ein Feierkleid
So schön, als wär' es aus der Morgenröte
Herausgeschnitten und besetzt mit Sternen –

Hakam. Das hast du wieder abgelegt!

Assad.                                                   Fast hätt' ich
Vor meinem eignen Bilde ehrfurchtsvoll
Mich in den Staub geworfen, doch – Genug!
Mehr sag' ich nicht!

Hakam.                           So warst du Prinz im Traum!
Ich bin einmal geflogen! Beim Propheten,
Das möcht' ich auch mal träumen! Weißt du, Assad,
Was ich dann täte?

Assad.                           Ei, wie kann ich wissen,
Was du im Traume tun wirst!

Hakam.                                         Unsern Herrn
Würd' ich langsam zu Tode peitschen lassen,
Und während das geschähe, Feigen essen!
Nein, Datteln, denn die Datteln haben Steine,
Und diese spiee ich ihm ins Gesicht!

Assad. Pfui, schäme dich!

Hakam.                             Denkst du nicht mehr daran,
Wie gräßlich wir bei ihm gehungert haben?
Ein Schneider könnt' mich durch die Nadel fädeln,
So dünn bin ich geworden bei dem Filz!
Und du, du schwitztest ja noch heut für ihn,
Hätt' er dich auch nur Sonntags satt gemacht!

Assad. Ich hab's ihm schon vergeben!

Hakam.                                               Ja?

Assad.                                                         Mir deucht,
In Bagdad hab' ich keinen Magen mehr!
Ich aß noch nichts, und dennoch knurrt er nicht!

Hakam. Das freut mich sehr, dann brauch' ich nicht zu teilen!
Steh still!

Assad.             Was willst du?

Hakam.                                     Deine Tasche leeren,
Ich hab' mir etwas darin aufbewahrt!

(Er zieht Früchte aus Assads Tasche hervor.)

Assad. Woher hast du die Früchte?

Hakam.                                           Aus der Quelle,
Aus der ich alles hatte, was bisher
Uns noch das Leben fristete: ich nahm
Sie weg, wo ich sie fand! Die Hökerin
Am Tor war eingeschlafen, die den Wandrern
Das Obst verkauft. Hätt' ich sie wecken sollen?
Sie war vielleicht gerade Sultanin!
Ich griff in ihren Korb und steckte dir,
Was ich erwischte, in den Sack. Du hast
Es nicht bemerkt. Sie noch viel weniger!

Assad. Ich hoff', das ist nur Spaß!

Hakam.                                         Was wär' es sonst?
Es wächst ja gutes Obst in deiner Tasche!

(Assad greift selbst hinein und zieht einen Becher hervor.)

Hakam. Auch sitzt ein Goldschmied drin, der Becher macht!

Assad. Hakam!

Hakam.             Gib her!

Assad.                               Den Becher kenne ich!

Hakam. Wir haben gestern Morgen draus getrunken!

Assad. Und unser Wirt – hat er ihn dir geschenkt?

Hakam. Nein! Er vergaß es! Doch du siehst, ich machte
Den Fehler wieder gut!

Assad.                                   Du stahlst den Becher?

Hakam. Ich nahm ihn mit, als ich, um meinen Stock
Zu holen, noch einmal ins Zimmer ging.
Du weißt, ich hatt' den Stock da (lacht) stehen lassen!
Begreifst du nun, warum ich, statt mich rechts
Zu wenden, wie's der gute Mann uns riet,
Den Weg zur Linken einschlug?

Assad.                                               Schuft!

Hakam.                                                           Ei was!
Meinst du, ich bin mit dir geflohn, weil ich
Verhungern will? Dies ist der Ort für mich!
Mit jeder Straße eine neue Welt!
Wenn man in einer mit dem Bambusrohr
Als Dieb gebläut wird, kann man in der andern
Trotzdem für einen halben Heil'gen gelten!
Hier ist man, wenn man sich einmal versieht,
Und das, was einem Nachbar zugehört,
Als Eigentum behandelt, nicht sogleich
Ein Popanz für die Alten und die Jungen:
Das trieb mich her, wie dich die Träumerei!
Hier hat man Raum! (Assad wirft den Becher weg.)

Hakam.                           Was machst du da? Was machst du?

(Er will ihn aufheben.)

Assad (packt ihn). Nichts da! Wag' einen Schritt! Wag' einen Laut,
So sag' ich –

Zweite Szene.

Irad tritt auf, findet den Becher, hebt ihn auf.

Hakam (schreit).     Ihr da!

Irad (hält den Becher hin).     Hast du ihn verloren?

Assad (zu Hakam). Nimm dich in acht! (Zu Irad.) Ihr fragt wohl nur im Hohn,
Seht mich und meinen Kameraden an –

Hakam. Ich sah den Becher früher!

Irad.                                                 Das kann jeder
Behaupten, dem's beliebt. Der Fund ist mein!
(Hält den Becher gegen die Sonne.)
Das feinste Silber! An der Ecke wohnt
Ein Juwelier, dem will ich ihn verhandeln,
(Zu Hakam.)
Und dir –

Hakam.           Die Halbscheid bringen?

Irad.                                                         Nein, mein Freund,
Ich will dir sagen, was er eingetragen,
Damit du schneller bist das nächste Mal!

(Geht in den Juwelierladen.)

Dritte Szene.

Hakam (greift Assad nach der Kehle).
Assad, ich bring' dich um!

Assad (wirft ihn zurück).             Wo willst du gehn?
Links oder rechts! Hier scheiden unsre Wege!
Pfui! Pfui! Nun glaub' ich's, was man immer sagte,
In deinen Adern fließt Zigeunerblut!

Hakam. Und du – du bist mit Eselmilch ernährt!

Assad. Den wackern Mann, der uns, noch eh' wir baten,
Sein Haus schon öffnete, zum Dank dafür
So schändlich zu bestehlen – Hakam, lauf,
Es geht dir schlecht, wenn du hier stehen bleibst!
Jetzt wird er seine Tür verschlossen halten,
Und ob ein Derwisch pocht. Fort, Bösewicht!
Welch Wunder, daß die Schlange dich nicht stach,
Bei deren Nest wir gestern mittag schliefen!

Hakam. Wenn wir uns wiedersehn, so sind wir Feinde!
(Er will fort.)
Doch halt! Dort trägt man Speisen auf, wie's scheint!

Vierte Szene.

Ein Aufseher der öffentlichen Hunde kommt. Ihm folgen Diener mit Schüsseln voll Brot und Fleisch.

Der Aufseher. Setzt hin!

(Die Diener setzen die Schüsseln nieder.)

Hakam (nähert sich).       Ist das für –

Der Aufseher.                                     Hand davon!

Hakam.                                                                     Für den
Kalifen?

Der Aufseher. Lästermaul!

Hakam.                               So sagt mir doch,
Für wen die Mahlzeit angerichtet wird,
Ich bin noch fremd in Bagdad.

Der Aufseher.                                 Für die Hunde!

Hakam. Die räud'gen Tiere, unrein, wie sie sind,
Die werden öffentlich gespeist?

Der Aufseher.                                   Ja wohl,
Und das von frommen Seelen, die schon längst,
Zum Teil seit mehr als hundert Jahren schon,
Im Paradiese beim Propheten wohnen.

Hakam. Und ich muß hungern?

Der Aufseher.                           Ich zum wenigsten
Hab' nicht für dich zu sorgen! (Zu den Dienern.) Fort die Schüsseln!
Sie sind noch satt!

(Ab mit den Dienern.)

Fünfte Szene.

Hakam.                         Die Herren kommen nicht!
Von jetzt an stoß' ich jeden Hund mit Füßen!
Sie haben es zu gut auf dieser Welt!
(Er tritt wieder zu Assad.)
Hast du's gehört?

(Assad antwortet ihm nicht und geht auf die Seite hinüber, wo der Juwelierladen ist.)

Irad (tritt heraus).         Wo ist dein Kamerad?

Assad. Der geht mich nichts mehr an!

Irad.                                                   Dort steht er ja!
(Geht zu Hakam.)
Fünfzig Denare!

Hakam.                     Ich erhalte?

Irad.                                               Nichts!

Hakam. Eine Wespe soll Euch in den Rachen fahren,
Wenn Ihr einmal zu einem Feigenbaum
Mit offnem Maul hinaufseht!

Irad.                                             Dank, mein Freund!

Hakam. Ein Bienenschwarm sich auf Euch niederlassen!

Siebente Szene.

Musik. Ein glänzender Zug. Zuerst viele Sklaven, die Kostbarkeiten tragen. Dann eine Menge Sklavinnen, die prächtig gekleidet sind. Zuletzt ein Wesir mit Gefolge. Viel Volk strömt zusammen.

Der Wesir (betritt, nachdem die Musik aufgehört hat, eine Tribüne).
Im Namen des Kalifen!

(Alle Versammelten werfen sich zu Boden.)

Der Wesir.                           Trauernd sitzt
Er im Palast, die Fenster hat er sich
Ringsum mit schwarzem Tuch verhängen lassen,
Weil er das goldne Licht der Sonne haßt;
Zwei Tage halten ihm die Sklaven schon,
Auf Knien vor ihm liegend, Trank und Speise
Vergebens vor, er ißt und trinkt nicht mehr;
Und heute morgen hat er mir geboten,
Was mich mit Grauen und Entsetzen füllt!
Steht alle auf!

(Die Versammelten erheben sich.)

Der Wesir.             Und Mustafa, herauf!

(Mustafa, ein Sklave, der auf rotem Sammetkissen eine Krone trägt, ersteigt die Tribüne.)

Der Wesir (erhebt die Krone).
Ihr seht, dies ist die Krone Mahomeds,
Der Himmel hat den Stern nicht, welcher ihr
Nicht einen Strahl lieh, und die Erde nicht
Den Edelstein, der sie nicht funkelnd schmückt!
Vernehmt! Die Krone Mahomeds ist feil!
Ihr staunt? Hört weiter! Eben heute hat's
Gejährt, daß die Prinzessin, daß Fatime,
Die heißgeliebte Tochter des Kalifen,
Aus ihrem Garten, als sie Rosen pflückte,
Auf eine Art, die keiner faßt, verschwand.
Ihr wißt, der tiefbetrübte Vater hat
Dem, der sie wiederbrächte, längst sein Alles,
Bis auf die Krone selbst, als Lohn verheißen.
Wohlan, er fügt die Krone jetzt hinzu.
Der soll sie tragen, der das einz'ge Kind
Zurück in seine Arme führt, und jeder,
Der auch nur eine Spur von ihr entdeckt,
Soll selbst bestimmen, ob er seine Perlen,
(Er deutet hiebei auf diejenigen Sklaven, die Perlen tragen.)
Ob er sein Gold und Silber
(Er deutet hiebei auf diejenigen Sklaven, die mit Gold und Silber beladen sind.)
                                            lieber will,
Und obendrein die Sklavin sich erwählen,
Die ihm von allen, welche noch im Lenz
(Er deutet auf die verschleiert dastehenden Sklavinnen.)
Der Jugend stehn, am meisten einer Houri
Zu gleichen scheint, wie sie sein Herz begehrt!
Dies ist es, was ich euch verkünden soll:
Es ist geschehn. Nun aber hört noch eins:
Wer glaubt, daß er sich einen dieser Preise
Verdienen kann, der gehe schnell ans Werk!
Die Hoffnung war es nicht, die den Kalifen
Bewog, auch noch sein letztes einzusetzen,
Nur die Verzweiflung trieb ihn dazu an,
Und er erwartet nichts davon, er läßt,
Indem ich rede, in der Stille schon
Aus seinem Paschalik am fernen Nil
Den Bruder rufen und – ich darf nicht sagen,
Was ich befürchte, doch ich fürchte viel!

(Er steigt von der Tribüne herunter. Der Zug entfernt sich, mit Musik, auf dieselbe Weise, wie er kam.)

Achte Szene.

Hakam (tritt wieder zu Assad).
Nun, Assad, das ist was für dich! Du träumtest
Ja stets von solchen Dingen! Ei, der Tausend,
So hat sogar auch der Kalif noch Sorgen?
Ich dachte mir ihn immer ohne Zahnweh!

Assad. Willst du durchaus, daß ich dich prügeln soll?
Ich tu's nicht gern, denn als mein armer Vater
Im Sterben lag, hast du mir frisches Wasser
Ins Haus gebracht, und das gedenk' ich dir.
Jetzt aber mach! Ich kenne dich nicht mehr!
Ich will nicht bei dir hängen.

(Er dringt auf ihn ein.)

Hakam (entspringend).                   Aber ich,
Ich möchte gern zu deinen Füßen sitzen,
Wenn du Kalif bist!

Neunte Szene.

Soliman (tritt aus seiner Tür). Heda! Junger Bursch!

Assad. Kann ich Euch dienen, Herr?

Soliman.                                             Euch dienen, Herr?
Sprachst du: Euch dienen, Herr?

Assad.                                                 Das tat ich, Herr!

Soliman. Das tat ich, Herr, nicht so?

Assad.                                               Ei, allerdings!

Soliman. Ei, allerdings! Es ist so! In der Tat!
Die Wolle, nicht das Ohr, war Schuld daran!
Allah sei Dank dafür! Allein ich sage
Es keinem! Wenn sie für stocktaub mich halten,
So kann ich leichter lauschen und erfahren,
Was sie im stillen treiben! (Zu Assad.). Noch einmal!

Assad. Herr, foppt Ihr mich?

Soliman.                               Ich bitte, etwas leiser,
Dies hätte ich auch gestern hören können?

Assad. Ich lasse mich nicht foppen und Ihr seid
Zu alt, als daß ich's Euch (Er ballt die Hand.) beweisen dürfte!
Drum geh' ich!

(Will gehen.)

Soliman.                 Nicht doch! Bleib! Ich mein' es gut!
Ich rief dich, um mein Ohr zu prüfen! Sieh –
Doch, das nachher! Erst weiter!

Assad (kehrt sich wieder um).             Alter Narr!

Soliman. Ja! – Alter Narr! Ich schenk' dir was! Ganz deutlich!
Und diesmal sprach er leise! Komm!
(Er geht zu dem Auslagekasten vor seinem Fenster.)
                                                          Such' aus!
Was dir gefällt! Das heißt natürlich hier,
Wo alles unecht ist!

Assad (tritt heran).           O, welche Pracht!

Soliman. Nicht wahr, mein lieber, guter, junger Mensch,
Wer so viel hat, der ist ein reicher Mann?
Und doch hab' ich noch mehr! Du schaust darein,
Als ob das gar nicht möglich wär'? Doch! Doch!
Und weil du mir gefällst, so will ich dir
Auch das noch zeigen, was ich keinem zeige,
Der nicht zum wenigsten ein Emir ist!
(Er öffnet ein Schubfach.)
Was sagst du dazu, he? Die liebe Sonne
Meint's gleichfalls gut mit dir! Sie scheint auf einmal
So hell, wie sie den ganzen Tag nicht schien.
Nun sieh dich satt! Doch greife mir nichts an,
Denn – deine Finger scheinen zwar nicht klebrigt,
Allein –

Assad.           Das sind wohl echte Edelsteine?

Soliman. Verlaß dich drauf! Wer bessre zeigen kann,
Dem schenk' ich meine Augen!

Assad.                                               Also seh' ich
Das Herrlichste und Köstlichste der Welt!

Soliman. Das tust du, Freund, das tust du! (Beiseite.) Wie ich höre!
Ein wunderlicher, guter junger Mensch!
Er freut sich über meine Edelsteine,
Wie kleine Kinder übern Mond sich freun!

Assad (zeigt auf einige Steine).
Die sehn wie Wasser aus! Sind grün, wie das!

Soliman. Smaragde nennt man sie! Wie Wasser? (schüttelt den Kopf.) Himmel!

Assad. Die kommen auch wohl aus dem Wasser?

Soliman.                                                                 Nein!
Doch, doch! Man pflegt sie in dem Schlamm zu finden,
Der sich in Fischernetzen setzt.

Assad.                                               Mein Vater
War selbst ein Fischer, aber niemals fand
Ich einen solchen Stein in seinem Netz!

Soliman (für sich). Der glaubt mir! (Laut.) Nun, in jedem Flusse trifft
Man sie nicht an!

Assad (zeigt auf andere Steine). Die sind so blau, wie Luft!

Soliman. Saphire find's! Sie fallen aus den Wolken!

Assad. Was tun sie?

Soliman.                     Wußtest du das nicht? Ei, freilich!
Wir tragen ja bei uns den Turban bloß,
Damit sie uns den Schädel nicht zerschmettern!

Assad. Ich merk's! Ich habe dumm gefragt!

Soliman.                                                     Jawohl!
Und weil du mir die erste Lüge glaubtest,
Ließ ich die zweite zur Enttäuschung folgen!
Die Edelsteine kommen aus der Erde,
Sie wachsen da, wo alles wächst!

Assad (erblickt den Rubin und streckt die Hand aus). O, Allah!

Soliman. Dies Feuer brennt dich, wie es scheint!

Assad.                                                                   Das ist –

Soliman. Nun, was wohl? he?

Assad.                                     Das übrige ist nichts,
Ist alles nichts! Weg, weg damit! Ich könnt' es
Mit Füßen treten!

Soliman.                       Wird er mir verrückt?

Assad. Das waren Edelsteine? Alter Mann,
Ihr seid betrogen! (Er zeigt wieder auf den Rubin.)
                              Das –

Soliman.                                   Ist ein Rubin,
Rot, wie die andern grün und blau, nun gibt
Es auch noch weiße!

Assad.                               Schweigt! O schweigt davon!
Hier sehe ich den Mittelpunkt der Welt!
Wer diesen Stein ergreift und dann ins Meer
Hinab sich stürzt, der zieht die Könige
Sich wie die Bettler nach! Die ganze Erde
Wird menschenleer in einem Augenblick.

Soliman. Und dennoch ist der Diamant noch edler!

Assad. Noch edler? Reizt mich nicht!

Soliman.                                               Ich mache jetzt
Ein Ende! (Er nimmt einen Ring.) Gib mir deine Hand einmal!

(Assad gibt ihm, aber fast bewußtlos, die Hand.)

Soliman (steckt ihm den Ring an).
Da hast du was! Nun denk' an mich und geh!

Assad (streift den Ring wieder ab).
Pfui! Pfui! Ein Regenwurm, mir um den Finger
Gewickelt, wär' mir ganz so lieb!

Soliman (legt den Ring wieder hin).       Auch gut!
Ich hab' noch Platz für ihn!

Assad.                                       Gebt den Rubin.

Soliman. Ha! Ha!

Assad.                   Ich muß ihn haben!

Soliman.                                                 In der Tat?

Assad. Wollt Ihr ihn geben?

Soliman.                               Wenn dir der Kalif
Die Krone aufgesetzt hat! Eher nicht!

Assad. Ich fleh' Euch an –

Soliman.                             Beim Barte des Propheten,
Jetzt ist's genug!

(Er will den Kasten schließen.)

Assad (stößt ihn vor die Brust). Was untersteht Ihr Euch?

Soliman (schreit). He! Hilfe!

Assad.                                     Der Rubin ist mein!

(Er ergreift ihn und stürzt fort.)

Soliman (hinterdrein).                                               Ein Dieb!
Ein Räuber! Haltet auf! Ein Mörder! Greift ihn!

Volk (rennt durcheinander).
Wen denn?

Soliman.           Den da! Den Burschen!

Hakam (packt Assad).                             Diesen hier? –

Soliman. Wen sonst?
(Er tritt zu Assad.) Du Bösewicht! (Zu Hakam.) Ich dank' dir, Freund!

Khalf (herzutretend).
Was ist's mit dem?

Soliman.                         Erst laßt mich Atem schöpfen!

Hakam. Ich kenn' den Menschen!

Khalf.                                           Nun?

Hakam (zu Assad).                                 Dieb! Räuber! Mörder!
Das ist genug für einmal, Kamerad!
Jetzt bist du's ja wohl wieder?

Assad.                                             O, der Schmach,
Daß Schelme mich für ihresgleichen halten,
Weil ich – (Zu Hakam.) Ich habe nichts mit dir gemein!
Prüft mich, ob ich ein Dieb und Räuber bin,
Werft, was Ihr habt an Gold und an Juwelen,
Werft's auf das Pflaster hin, laßt mich allein
Und seht in einer Stunde nach, ob ich –

Hakam. Noch da bin, he?

(Volk lacht.)

Assad.                               Allah, steh du mir bei!
Du hast dies Herz in meine Brust gesetzt,
Nimm es heraus und zeig', wie rein es ist!

Soliman. Der freche Bube denkt gewiß zu leugnen,
Daß er so spricht! Vielleicht hat er mein Kleinod
Im Laufen weggeworfen!

Assad.                                     Blöder Tor!
So wenig, wie den Kopf!

Soliman.                                   Dann her damit!

Assad. So lang' ich lebe, nicht!

Soliman (dringt auf ihn ein).       Wir werden sehn!

Assad. Jawohl! (Er entreißt Soliman den Dolch, den er trägt.)
                  Nun kommt nur! (Er sticht nach Soliman.)

Volk.                                             Der Kadi! Macht Platz!

Zehnte Szene.

Der Kadi (tritt mit Gefolge auf).
Was gibt's hier?

Soliman.                   Alles, was nur möglich ist!
Raub! Überfall! Was nicht? Der Bösewicht
Ist gar nicht zu bezeichnen! Eh' man ihn
Noch Räuber oder so was nennen kann,
Ist er schon Mörder, und es paßt nicht mehr!
Er stach nach mir! Ich weiß nicht, blute ich?

Der Kadi. Raub! Mord! Man hätt' den Mord verhindern sollen!
Sein Leben war schon durch den Raub verfallen,
Er hat kein zweites, auch den Mord zu büßen,
Der Mord war hier von Überfluß! Ja, könnte
Man diese Frevler einmal hängen lassen,
Dann köpfen und zum dritten Male sacken,
So möchten sie die Missetaten häufen
Und die Gesetze zehnmal übertreten,
Allein es geht nicht an. Wer ist es denn?

Soliman. Du wirst es nicht erraten!

Der Kadi (deutet auf Hakam).           Der gewiß!

Hakam. Herr – ich vergeb' Euch! Ich war's, der ihn griff,
Als er entfloh!

Soliman (deutet auf Assad). Der da! Nicht wahr, man sieht
Es ihm nicht an? Den mußt du zweimal strafen,
Erst für die Tat und dann für sein Gesicht!

Der Kadi. Ich hätt' erwägen sollen, daß die Äpfel
Gewöhnlich rot sind, wenn der Wurm sie stach!
Rustan!

Rustan tritt hervor und hält ein Beil in die Höhe.
(Der Kadi gibt kein Zeichen.)
(Rustan senkt das Beil und hält einen Strick empor.)
(Der Kadi nickt.)

Rustan.         Vorher? (Er macht die Bewegung des Hauens).

Der Kadi.                   Vorher die Bastonade,
Was fragst du erst, und eine, die er fühlt,
Damit der Eindruck vorhält nach dem Tode,
Und er uns nicht zu zeitig wiederkommt!

Hakam (für sich). Mich freut's, daß ich den Becher nicht mehr habe!
So hätt' ich den Kadi mir nicht gedacht!

Soliman. Herr!

Der Kadi.         Nun? Hast du ihn fälschlich angeklagt?
Dann trittst du selbst in seine Stelle ein!

Soliman. Das nicht – Jedoch – Du siehst, ich lebe noch,
Der Mord –

Der Kadi.           Ward nicht vollbracht! Das ist mir lieb!
Ich hab's ja schon gesagt, warum!

Soliman.                                               Und dann –
Verzeih' mir, Herr, der Bursche dauert mich,
Ich bin doch schuld an seinem frühen Tode!

Der Kadi. Wie das?

Soliman.                   Erlaubst du, daß ich weiter rede?

Der Kadi. Du sprachst von Schuld, Freund, ich befehl' es dir!

Soliman. Sieh, Herr, ich litt drei Jahre fort und fort
An Taubheit, nein, ich glaubte dran zu leiden,
Weil ich's vergessen hatte, daß ich Pfropfen
Von Wolle trug in meinen beiden Ohren,
Die ich bei Zahnweh einst hineingesteckt.

Der Kadi. Was geht mich das an?

Soliman.                                       Nur Geduld! Ein wenig!
Heut nachmittag fahr' ich von ungefähr
Mit einer Nadel mir ins Ohr und merke,
Daß was darin sitzt, ziehe es heraus
Und hör' auf einmal wieder, hör' die Katze
Im Hof miaun und hör' vom Minaret
Auch zum Gebete rufen. Ich frohlocke,
Und tret' aus meiner Tür, da steht der Bursche
Vor meinem Hause –

Der Kadi.                           Die Gelegenheit
Zu Dieberei und Raub erspähend –

Soliman.                                                   Möglich!
Doch sah er mir nicht darnach aus! Ich rief ihn,
Um im Gespräch mit ihm mein Ohr zu prüfen,
Er kam –

Der Kadi.       Und raubte –

Soliman.                               Ja! Doch nicht sogleich!
Erst, wie ich ihm die Edelsteine zeigte,
Und da nicht einmal, nein, erst ganz zuletzt,
Als der Rubin ihm in die Augen strahlte,
Der ihn nicht, wie es menschlich ist, zu reizen,
Nein, der ihn schier verrückt zu machen schien,
So daß er zugriff, wie'n verzognes Kind!

Der Kadi. Mich kümmert nur das Ob und nicht das Wie!
(Zu Assad freundlich.)
Du leugnest?

Assad.                   Nein!

Der Kadi.                         Es hälfe auch zu nichts.
Rustan, vollzieh den Spruch! Und auf der Stelle,
Wo dieser freche Raub begangen ward!

(Ab mit Gefolge. Rustan mit seinen Knechten bleibt zurück und bereitet die Hinrichtung vor.)

Elfte Szene.

Khalf (dem Kadi nachsehend).
Der ändert keinen Spruch! Allein mich freut's!
Das (mit einem Blick auf Soliman)
        ist ein altes Weib!

Soliman.                                 Was sagtet Ihr?

Khalf. Ich pries Eu'r weiches Herz.

Soliman.                                           Wagt nicht zu viel,
Ich hör' jetzt wieder gut!

Hakam (zu Assad).                 Du hattest recht!
Wir werden nicht zusammen hängen. Schenkst
Du mir die Kleider?

Assad.                             Ja!

Irad (tritt zu Assad).               Du bist ein Räuber?

Assad. Es muß ja wohl so sein. Du siehst, ich sterbe
Des Räubers Tod!

Irad.                             Bereust du deine Tat?

Assad. Nein!

Irad.               Nicht?

Assad.                         Es mag wohl gut sein, daß ich sterbe,
Denn – (zu Soliman) Herr, es tut mir leid, daß ich den Dolch
Auf Euch gezückt, Ihr seid ein alter Mann,
Der's gut mit mir gemeint, ich weiß das wohl,
Und wahrlich, wenn ich Euch getroffen hätte,
Wenn Ihr in Eurem Blute vor mir läget,
Mir würde sein, als hätt' ich meinen Vater
Getötet, denn Ihr seid so weiß, wie er,
Und selber stellt' ich jetzt mich dem Kadi!
Das glaubt mir!

Soliman.                   Sohn, ich glaub's dir!

Assad (zu Irad).                                           Dennoch fühl' ich's,
Ich hatt' ihn eher zehnmal töten können,
Als den Rubin in seinen Händen lassen!
(Zu Soliman.)
Vergebt mir, doch ich muß es leider sagen,
Es ist so, mag's begreifen, wer da kann!
Lag' hier mein Kopf, und dort der Edelstein,
Ich griffe erst nach dem –

Soliman.                                   Höchst sonderbar!
Höchst sonderbar! Ja, ja! Auch ich, ich habe
Den Stein vor allen andern Steinen lieb!
Es hat ihn mir einmal ein Greis gebracht,
Der sprach zu mir: verkauft ihn, wie Ihr könnt,
Und gebt mir dann die Hälfte, doch er kam
Bis heute noch nicht wieder – (Sieht Irad an.) Seid Ihr nicht
Der Greis? (Irad schweigt.) Ich kann mich täuschen, und Ihr würdet
Euch, wenn Ihr's wärt, ja sicher nicht verleugnen!
Gleichviel, er kam nicht wieder und der Stein
Tat mir es an, ich forderte für ihn
Mit jedem Tage mehr und legte ihn
Am Ende ganz zurück –

Assad.                                   Laßt mir ihn denn,
(deutet auf Rustan)
Bis dieser fertig ist –

Soliman.                             Ich lass' ihn dir!

Rustan. Ich bin's! Drum fort! Es gibt noch mehr zu tun!

Assad (küßt den Rubin und will ihn Soliman reichen, zieht die Hand aber wieder zurück).
Nicht wahr, es ist ja gleich? Nehmt ihn nachher!

(Rustan will Assad anfassen.)

Irad (für sich). Nun ist es Zeit!
(Er tritt zwischen Rustan und Assad.)
                                          Reich mir die Hand zum Abschied!

Assad. So alt Ihr seid, ich komme noch vor Euch
Ins Paradies! (Reicht Irad die Hand.)

Irad.                     Du irrst!

(Assad und Irad verschwinden.)

Rustan.                                 Wo sind sie hin?

Soliman. Es war der Greis!

Hakam.                                 Hier darf man doch was wagen!
Am Fuß des Galgens wird man noch gerettet!
Wer hätte in dem Alten das gesucht!

Rustan. Ich häng' mich selbst, bevor mich der Kadi
Dazu verdammt! Der wird's mir nimmer glauben,
Daß dieser ohne meine Schuld entkam!
(Er stampft die Erde.)
Pfui, Erde, pfui!

Soliman.                     Mir wird's wieder leicht.


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