Friedrich Hebbel
Michel Angelo
Friedrich Hebbel

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Erster Akt.

Atelier. Michel Angelo steht vor seiner Statue des Jupiter, den Meißel in der Hand.

Michel Angelo. Nun bist du vollendet, mein Meisterstück,
Und ich genieße mein höchstes Glück,
Das Glück, zu wissen, warum ich geschlitzt
Und mich so viele Tage erhitzt!
Wie lange wohl? Nun, bis der Nächste kommt!
Ich weiß ja längst, wie dies mir frommt.
Wenn das ein Freund, ein Bewunderer ist,
So glotzt er, wie gen Himmel der Christ,
Er wagt um Gottes willen kein Wort,
Er nickt und nickt und schleicht sich fort.
Da denk' ich: dem fällt ja gar nichts ein,
So blieb dein Jupiter wohl ein Stein!
Ist's aber der Herr Gevattersmann,
Der alles weiß, weil er gar nichts kann,
So bin ich gewiß, daß der entdeckt,
Ein Cupido habe im Block gesteckt.
Da wünsch' ich: wär' der eitle Gauch
Doch kritisch beim Essen und Trinken auch,
Dann stürbe er sicher den Hungertod,
Bevor er noch rezensiert das Brot!
Und wer von den beiden der erste sei:
Mit meinem Spaß ist's stets vorbei!
Drum riegle ich die Türe zu,
    (Er tut's.)
Für heute brauch' ich etwas Ruh'!
Was will der verfluchte Meißel noch!
    (Er wirft ihn weg.)
Es ist genug! Mit dir zu Loch!
Ich darf mir selbst nicht zu viel traun,
Ich könnte einmal um mich haun,
Und hätt' ich dich dann in der Faust,
So gäb's, wovor der Themis graust,
Ja, weil ich einen Floh geknickt,
Würd' ich wohl gar von ihr erstickt.
Das ist doch ein besondres Ding!
Jüngst, wie ich in der Nacht so ging,
Ich kam von einem lust'gen Schmaus
Und paßte noch nicht ganz fürs Haus,
Da setzte ich am Tiberstrom
Die Kuppel auf Sankt Peters Dom,
Es wurde mir auf einmal klar,
Was mir so dunkel gewesen war,
Ich rief: Ja wohl, so muß es gehn,
Aus diesen Füßen wird sie stehn!
Und was geschah? Ein feiger Molch
Kam währenddem mit seinem Dolch
Und stieß nach mir, er traf mich nicht,
Ich aber packte den schnöden Wicht.
Hund – rief ich – niederträchtig Tier,
Jetzt räch' ich nicht mich allein an dir,
Du fielst ein ganzes Heer hier an
Und ich bin leicht der schlechteste Mann!
Ich dachte an das, was noch in mir steckt
Und schon zum Teil die Glieder reckt.
Nun gab ich ihm denn Schlag für Schlag,
So gut mein Arm nur dreschen mag:
Der kommt von Christus – rief ich dabei –
Und Moses schickt dir diese zwei;
Die Tritte sind für's Jüngste Gericht,
Herr Adam spuckt dir ins Angesicht,
Die Ohren reißt die Sibylle dir ab,
Und ich, ich werf' dich ins Wassergrab!
Ich tat's, und lachte hinterher,
Doch, wenn's nun anders gekommen wär'?
Mir geht mein größter Gedanke auf,
Doch eh' er noch Tat wird, vertritt mir den Lauf
Der niedrigste Bube, stößt herzhaft zu
Und schickt ihn mit mir in die ewige Ruh'.
Zwar packt man ihn später – wie lächerlich!
Ich für den Hund, der Hund für mich!
    (Er tritt wieder vor die Statue.)
Zurück zu dir, du Schmerzenssohn!
Ich will gar keinen andern Lohn,
Als dir ins Angesicht zu sehn,
Auch das wird nur noch heut geschehn!
Denn morgen fang' ich wieder an,
Und wenn ich erst was Neues begann,
So ist das Alte nicht mehr da,
Wie's mir ja auch bei dir geschah.
Der Künstler, auf der Wallfahrt, gleicht
Dem Mann, der einen Berg ersteigt.
Er ruht sich wohl zuweilen aus
Und gönnt den Augen ihren Schmaus,
Das gibt denn jedesmal ein Bild,
Schön, wie die Aussicht, oder wild,
Gleich aber heißt es: weiter fort,
Zum Weilen ist hier nicht der Ort,
Und was ihm auch ein Gott verlieh,
Den Gipfel, den erklimmt er nie,
Er weicht, wie der Himmel, vor seinem Blick,
Je höher er dringt, je weiter zurück.
Selbst Phidias sah ihn sicherlich
So endlos weit noch über sich,
Wie ich den Phidias über mir,
Obgleich er droben steht, ich hier.
Er hat sich ganz gewiß geplagt
Und selbst vorm Zeus zu sich gesagt:
So blickt er, wenn er sinnt und sitzt,
Doch wie wohl, wenn er steht und blitzt?
Ich ließ den meinigen dafür stehn,
Nun möchte ich ihn sitzen sehn,
Und weil sich beides nie vereint,
So hat ein leichtes Spiel der Feind,
Er fragt nach dem, was eben fehlt,
Und das, was da ist, wird verhehlt!

Der Diener (klopft). He, Meister Michel, kommt heraus!

Michel Angelo. Was gibt's denn draußen? Brennt das Haus?

Der Diener. Nicht doch! Nicht doch! Ihr habt Besuch!
Der Herzog selbst!

Michel Angelo.               Da ist der Fluch!
    (Gegen die Statue.)
Gute Nacht! (Er zieht einen Vorhang vor.)
                    Und Moses, guten Tag!

Der Diener. Macht auf!

Michel Angelo (noch immer mit dem Vorhang beschäftigt).
                                So schnell man eben mag !
Gar wüst und grauslich ist es hier.

Der Herzog (von außen). Wär' mir's nicht recht, käm' ich zu dir?

Michel Angelo (prüfend, ob die Statue auch ganz bedeckt ist.)
So, Herr Patron? Dies büßest du! –
Doch wie? Ich bringe ihn dazu,
Den da zu kaufen! Aber – ich weiß,
Daß er nur kauft, was sein Geheiß
Ins Leben rief! Ei nun, so soll
Er ihn bestellen! Klingt's auch toll:
Ich kenne den Weg zu diesem Ziel
Und habe nicht einmal ein schweres Spiel.
Er will ja stets das Gegenteil
Von dem, was ich, und mir zum Heil
Hat sich's auch glücklich so geschickt,
Daß keiner noch meinen Zeus erblickt!
    (Er öffnet mit tiefer Reverenz.)
Verzeiht mir, Herr, daß ich gesäumt!

Der Herzog (tritt ein und sieht sich spöttisch um).
Hier also ward erst aufgeräumt?
Ei, Michel, Michel, sag' mir an,
Wie beides sich nur vertragen kann:
In deinem Kopf ist alles rund,
In deiner Werkstatt kunterbunt!
Stört das dich nicht in deiner Kunst?

Michel Angelo. Ich denk' darüber, mit Vergunst:
Die Sterne haben zwar ihre Bahn,
Der schnöde Sand rollt ohne Plan,
Drum frage ich nicht viel darnach,
Wie's bei mir stehen und liegen mag,
Die Ordnung, mein' ich und bleibe dabei,
Beginnt erst an der Staffelei!

Der Herzog. Dem Raphael machte das sicher Qual!

Michel Angelo. Ich weiß, der braucht das Lineal
Sogar, wenn er beim Essen sitzt
Und an der Käserinde schnitzt,
Er legt sein Brot nach einem Riß,
Und mathematisch ist selbst sein Biß!

Der Herzog. Der Raphael rühmt und preist dich oft!

Michel Angelo. So? Ei, das hätt' ich kaum gehofft!
Nun ja, auch ich bin da, es geht,
Solange nur er nicht neben mir steht!

Der Herzog. O nein . Ganz anders! Ich hätt' es gern,
Daß er dich zauste, denn wenn ihr Herrn
Einander tadelt, so lernt man was,
Er aber sagt –

Michel Angelo.       Erlaßt mir das!
Ich kann nun einmal, vernehmt's mit Huld,
Ich kann sie nicht zahlen, diese Schuld!

Der Herzog. Doch wie – Ich seh' ja nichts bei dir?

Michel Angelo. An der Bestellung fehlt es mir!
Mit Pinseln hätt' ich genug zu tun,
Mich aber zieht's zum Marmor nun,
Und eh' ich den Christus beginnen kann,
Frag' ich natürlich: bringst du ihn an?

Der Herzog. Du einen Christus?

Michel Angelo.                             Warum denn nicht?
Was stiert Ihr mir so ins Gesicht?

Der Herzog. Dann ward die Absolution
Dir wohl versagt? Ich ahn' es schon!
Ja, weil du den Silen gemacht,
Ward dir die Strafe zugedacht,
Auch dem Gekreuzigten im Stein
Ein Opfer deiner Kunst zu weihn!
Das ist der Kirche erster Scherz.

Michel Angelo. Ihr irrt, mich treibt allein mein Herz!
Mir ekelt's jetzt vorm Heidentum,
Ich werb' um einen höhern Ruhm,
Ich möchte, daß der Herr der Welt
Am jüngsten Tag, wenn's ihm gefällt,
Mir auch ein wenig freundlich sei,
Drum mache ich sein Konterfei.
Ich zeig' den Menschen sein bittres Leid,
Das macht sie vielleicht zur Buße bereit,
Und bring' ich ihm irre Lämmer zurück,
So gönnt er mir wohl einen Blick.
Hatt' ich den Jupiter aufgestutzt,
Die Venus neu herausgeputzt,
Was hülf es mir? Das Volk ist tot
Und zieht mich nimmer aus der Not.
Nein, an den Heiland halt' ich mich!

Der Herzog. Du sprichst ja fast, als wärst du ich.

Michel Angelo. Wieso?

Der Herzog.                   Als hätt'st du den Beutel voll
Und ich die Werkstatt! Bist du toll?
Ich dachte bisher, ich sei der Mann,
Der wählen und bestellen kann!

Michel Angelo. Ei, freilich!

Der Herzog.                         Nun, so sag' ich dir:
Dein christlich Wesen widert mir,
Dein Heiland wäre nie mein Kauf,
Dir trüg' ich höchstens den Satan auf!

Michel Angel. Viel Ehre!

Der Herzog.                     Nur dem Raphael
Zeigt sich der Himmel klar und hell,
Du weißt nur in der Hölle Bescheid,
Dort ist dein Platz in Ewigkeit!
Und kurz, ich will, daß du mir machst,
Was dir so ekelt, damit du erwachst
Aus deinem trüben, kranken Wahn
Der dich verstört auf deiner Bahn!

Michel Angelo. Was denn?

Der Herzog.                         Was Heidnisches, du hörst!

Michel Angelo. Nicht gern!

Der Herzog.                         Je mehr du dich empörst,
Je fester richt' ich drauf den Sinn!

Michel Angelo. Ihr wißt, daß ich kein Krösus bin.

Der Herzog. Wohl dir! Du gingest sonst zugrund,
Ich aber mach' dich wieder gesund.

Michel Angelo. Ich werde tun nach Eurem Gebot,
Doch beuge ich mich nur aus Not.
Sagt mir denn näher, was Ihr wollt:
Die Venus?

Der Herzog.       Sind dir die Weiber hold?
Nein, du bist viel zu reckenhaft,
So sieht nicht aus, wer Schönes schafft!

Michel Angelo. Ich beug' mich nochmals in Geduld,
Doch bitt' ich Euch um eine Huld:
Bestellt, was Euch beliebt, nur nicht
Den Jupiter, der Euch gebricht!

Der Herzog. Den will ich just! Der muß es sein!
Das ist doch natürlich! was fällt dir ein?
Von allem, was den Olymp bewohnt,
Fehlt mir nur der, der droben thront!
Ich habe die ganze Götterschar,
Ich habe die arme Juno gar,
Die sieht in ihrer Witwen-Qual
Schon längst sich um nach dem Gemahl –

Michel Angelo. Ich weiß!

Der Herzog.                     Und dennoch weigerst du
Mir deinen Dienst?

Michel Angelo.             Jetzt laßt mir Ruh'!
Mich schreckt der Zeus des Phidias.

Der Herzog. Für diesen hätt' ich kein Gelaß.
Ich hab' zwar manch geräumig Schloß,
Doch wo wär' Platz für den Koloß?
Nun, willst du? Schaffst du mir den Zeus?
Ich zahle dir jedweden Preis!

Michel Angelo. Muß ich nicht? Ist zu kühn die Tat:
Ihr seid's, der mich gezwungen hat!

Der Herzog. Dies Zeugnis geb' ich willig dir!

Michel Angelo. So sei denn Phidias über mir!
Ihr wollt doch einen, welcher sitzt?

Der Herzog. Nein, einen, welcher steht und blitzt!
Zum Stehen bedarf's des Mannes bloß,
Zum Sitzen des Riesen, der bergegroß
Gleich aus dem Felsen gehauen ist;
Wie nur ein Künstler das vergißt!

Michel Angelo (für sich). Das hab' ich ihm einst selbst gesagt!
Wie ihm das Widerkäuen behagt!
Er hetzt mich mit dem eignen Hund. –
    (Laut.)
Was Ihr bemerkt, hat wirklich Grund,
Ich stimme bei, wir sind am Ziel!

Der Herzog. Nie hatte ich noch ein bessres Spiel
Mit deinem Brausen, trotzigen Sinn.

Michel Angelo. Ihr seht, wie ich herunter bin!
Doch so sehr bin ich es noch nicht,
Daß mir's schon ganz an Stolz gebricht:
In meine Werkstatt tretet Ihr
Erst, wenn ich rufe!

Der Herzog.                   Du herrschest hier,
Wie ich da draußen, und in dein Reich
Fall' ich nicht ein, rebellengleich!

Michel Angelo (für sich). So arbeite ich am Moses jetzt
Und zeige ihm den Zeus zuletzt!

Der Herzog. So fange denn beizeiten an!

Michel Angelo. Ich werd' mich beeilen, so sehr ich kann,
Denn nach dem Christus sehn' ich mich!

Der Herzog. Für viele Jahre brauch' ich dich!
Mit dem ist's nichts! – Du kommst ja wohl?

Michel Angelo. Wohin?

Der Herzog.                   Ei, morgen! Aufs Kapitol!
Ich lasse graben!

Michel Angelo.           Da wünsch' ich Glück!

Der Herzog. Die Erde birgt noch manches Stück!
Sie schickt euch Lehrer von Zeit zu Zeit,
Wärt ihr nur auch zum Lernen bereit!
Ach, die Antiken stehn so nur auf!

Michel Angelo. Es liegt nicht in der Dinge Lauf,
Daß etwas heut erst geschaffen sei
Und tausend Jahre alt dabei!

Der Herzog. Was meinst du? Wenn mein Jupiter dort
Gefunden würde?

Michel Angelo.             Nehmt mein Wort:
Dann führ' ich meinen gar nicht aus!

Der Herzog. Ich glaub's! Du fürchtetest den Strauß!
Doch das ist Spaß! (Er geht.)

Michel Angelo (ihn begleitend). Wer weiß, wer weiß!
    (Er kehrt zurück.)
Verfluchtes, windiges Geschmeiß,
Das uns mit der Antike quält,
Bloß, weil sie viele Jahre zählt,
Das gar nicht ahnt, worin es steckt,
Daß sie den Größten am meisten schreckt,
Verdientest du nicht – – – Ha, es sei!
Man kommt ja leicht von eins auf zwei,
Und da mir das erste so gut gelang,
Ist mir auch nicht ums andre bang!
Oft hab' ich mir's schon ausgedacht,
Jetzt sei der Anfang gleich gemacht!
    (Er zieht den Vorhang von der Statue wieder zurück.)
Du sollst heut nacht zu Grabe gehn
Und morgen wieder auferstehn!
Doch richten wir dich erst würdig zu,
Bevor du eingehst in die Ruh!
Wir bräunen dir zunächst die Haut,
Weil's Archäologen vorm Weißen graut!
Die Kunst ist Gott sei Dank nicht schwer,
Die Farbe gibt der Schornstein her.
Dann schlagen wir noch den Arm dir ab.
Denn einen Torso will das Grab,
Auch brauch' ich den zu guter Letzt.
    (Er ruft.)
Pietro! – Das tut der Diener jetzt,
Und so gewiß es irgend ist,
Daß du kein Werk der Griechen bist,
So sicher erklären sie dich dafür
Und weisen mir durch dich die Tür!
Dann aber – doch, das findet sich!
Ja, ja, Herr Herzog, Sie sehen mich! (Ab.)


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