Friedrich Hebbel
Gyges und sein Ring
Friedrich Hebbel

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Zweiter Akt

Halle.

Früher Morgen. Thoas tritt auf.

Thoas.
Ich will und muß noch einmal mit ihm reden,
Was hab ich hören müssen diese Nacht!
Ich ging gewiß nicht um zu horchen aus,
Doch komm ich so beladen heim, als wär' ich
Ein wandelnd Ohr des blutigsten Tyrannen
Und traute mich nur kaum zum Herrn zurück.
Empörung! Naher Überfall von Feinden,
Ja, eine neue Königswahl! Ist's möglich!
Ich ahnte viel, doch so viel ahnt' ich nicht!
Still, still! Sind das nicht Schritte? Ja! Wer steht
Denn mit den Greisen schon vor Morgen auf?
Der junge Gyges! Ei, wenn du das wüßtest,
Was ich jetzt weiß, du gingest nicht gebückt.

(Er zieht sich zurück.)

Gyges (tritt auf).
Schon wieder bin ich hier! Was will ich hier?
Es duldet mich im Freien nicht, ein Duft
Liegt in der Luft, so schwer und so betäubend,
Als hätten alle Blumen sich zugleich
Geöffnet, um die Menschen zu ersticken,
Als atmete die Erde selbst sich aus.

Thoas (tritt hervor).
Schon munter, Karna? Herr, vergib, ich hielt dich
Für einen andern! Du noch nicht zu Bett?
Der Ehrgeiz läßt dich wohl nicht schlafen, wie?

Gyges.
Der Ehrgeiz!

Thoas.                   Nun, du hast so viele Kränze
Davongetragen –

Gyges.                       Daß der Lorbeer sich
Vor mir nicht mehr zu fürchten braucht! Ich wollte
Nur zeigen, daß man Knochen haben kann,
Und Mark in diesen Knochen, wenn man auch
Die Saiten einer Zither nicht zerreißt,
Sobald man sie berührt. Dies weiß nun jeder,
Der es bisher vielleicht bezweifelt hat,
Und so ist's gut.

Thoas.                       Doch, warum schläfst du nicht?

Gyges.
Ei, warum trinkst du nicht?

Thoas.                                         Du standest wohl
Schon wieder auf?
Gyges.                   Wenn ich schon lag: gewiß!

Thoas.
Das wüßt' ich eben gern! Denn, wenn er hörte,
Was ich gehört – Nun, nun, er wird wohl nicht!

(Langsam ab.)

Gyges.
Sie schlummert noch! Oh, wer sie wecken dürfte!
Das darf die Nachtigall, die eben jetzt
Noch halb im Traum ihr süßes Lied beginnt,
Das darf – – Er kommt! Was denkt er wohl von mir?

Kandaules (tritt auf).
Sie wacht und stellt sich doch, als ob sie schliefe! –
Du, Gyges? Schon? – Wie, oder sag ich. Noch?
Doch nein, ich hab dein Wort!

Gyges.                                             Hier ist der Ring!

Kandaules.
So früh? So schnell?

Gyges.                             Er ist dein Eigentum.

Kandaules.
Du traust dich nicht, ihn länger zu behalten?

Gyges.
Warum nicht? Doch wozu? So nimm ihn hin!

Kandaules.
Dies sagt mir mehr noch, als dein Seufzer mir
Schon in der Nacht gesagt.

Gyges.                                         Vergib ihn, Herr!

Kandaules.
Wie sprichst du nur? Er war ja mein Triumph.

Gyges.
Hast du ihn denn allein gehört?

Kandaules.                                         O nein!
Sie fuhr empor, sie schrie – Ist alles das
Dir ganz entgangen? Nun, da brauch ich dich
Nicht erst zu fragen, ob ich Sieger bin!

Gyges.
Es ist mir nicht entgangen!

Kandaules.                                   Leugne noch,
Daß du verwirrt gewesen bist! Ich habe
Noch einen besseren Beweis, du hast
Sogar den Ring gedreht und weißt es nicht.

Gyges.
Und weiß es nicht!

Kandaules.                       Sie zitterte, als sie
Den Laut vernahm, sie rief: steh auf, steh auf,
Im Winkel ist ein Mensch versteckt, er will
Dich morden oder mich! Wo ist dein Schwert?
Ich stellte mich erschreckt, wie sie, und tat's,
Und plötzlich standest du, vom hellsten Strahl
Der Ampel grell beleuchtet, vor mir da,
Ist das genug? Verstummst du nun vor mir?

Gyges.
Ich wollte sichtbar sein!

Kandaules.                               Das sagst du jetzt,
Um meinen Sieg zu schmälern! Wäre ich
Nicht zwischen dich und ihren Blick getreten,
Bevor er dich noch traf, so hätte ich
Dich töten müssen!

Gyges.                           Herr, dies wußt' ich wohl,
Und nur, weil ich dich dazu zwingen wollte,
Dreht' ich den Ring in hast'gem Ruck herum.

Kandaules.
Wie, Gyges?

Gyges.                 Ja! – Denn frevelhaft erschien
Das Wagnis mir!

Kandaules.                   Ich hatt' es dir erlaubt.
Gyges.
Wohl! Doch mir war in jener schwülen Stunde,
Als hättst du nicht das Recht dazu gehabt,
Und strafen wollt' ich dich, wie mich, denn gern
Hättst du mich nicht getötet!

Kandaules.                                   Bösewicht!

Gyges.
Und jetzt noch schauert's durch die Seele mir,
Als hätt' ich eine Missetat begangen,
Für die der Lippe zwar ein Name fehlt,
Doch dem Gewissen die Empfindung nicht.
Ja, wenn ich dir den schnöden Totenring,
Den du mir wieder aufgesteckt, im Zorn
Nicht vor die Füße warf, anstatt mich seiner
Zur raschen Flucht noch einmal zu bedienen,
So unterließ ich's bloß aus Scheu vor ihr.
Ihr wollt' ich das Entsetzen sparen, ihr
Die ewige Umschattung ihres Seins,
Dir nicht – Verzeih's, mich fieberte – die Tat!

Kandaules.
Du bist ein Tor!

Gyges.                       Ein Tor! Es trieb mich fort,
Als müßte sich, wenn ich noch länger weilte,
Ein neuer reinrer Sinn in ihr erschließen,
Wie vor Aktäons Spähn in Artemis,
Und ihr, wie der, verraten, was geschehn.
So werd ich nicht nach einem Morde fliehn.

Kandaules.
Doch war's kein Mord!

Gyges.                                   Wer weiß! Die Götter wenden
Sich vom Befleckten ab! Wie, wenn sich jetzt
Die goldne Aphrodite, schwer beleidigt,
Von ihrer liebsten Tochter wenden müßte,
Weil sie ein Blick aus fremdem Aug' entweiht!
Sie tut's nicht gern, sie säumt noch, weil sie hofft,
Daß eine rasche Sühne folgen wird,
Oh, Göttin, lächle fort! Ich bringe sie!

Kandaules.
Das sprach der Grieche.

Gyges.                                     Herr, gewähre mir
Die letzte Bitte!

Kandaules.                 Tausend, wenn du willst,
Nur nicht die letzte! Diese kommt zu früh!

Gyges.
Nimm mich als Opfer an! Ich schenke dir
Mein junges Leben! Weis es nicht zurück!
Es sind noch viele schöne Jahre mein,
Und jedes wird dir zugelegt, wenn du
Sie am Altar des Zeus empfangen willst!
So folge mir, daß ich mit einer Hand
Dich fasse und mich mit der anderen
Durchstoße, wie der heil'ge Brauch es fordert:
Frohlockend, ja mit Lächeln, soll's geschehn.

Kandaules.
Fast reut mich, was ich tat! Hier Raserei
Und drinnen Argwohn – Ei!

Gyges.                                         Was zögerst du!
Wie oft ward solch ein Jünglingsopfer willig
Nicht einem Kriegesfürsten dargebracht,
Wenn ihn des Todes Schatten auch nur streifte,
Wie oft nicht einem bloßen Wüterich!
Warum nicht einmal einem Seligen,
Warum nicht dir, damit du lange noch
Beglücken und dich glücklich fühlen kannst!
Mir raubst du nichts! Was hab ich, und was kann ich
Erlangen, sprich? Doch dir gewinnst du viel,
Denn neidisch sind die Götter, und vielleicht
Zerschneidet dir die eifersücht'ge Parze
Nur allzu schnell den goldnen Lebensfaden,
Indes sie meinen tückisch weiterspinnt.
Komm ihr zuvor und gib der Lust die Dauer,
Die sie der Qual bestimmte! Tu's sogleich!

Kandaules.
Nichts mehr davon! Du weißt, was du mir bist!
Und würd' ich auf der Stelle auch ein Greis
Mit trocknen Lippen und mit welken Adern,
Ich borgte mir nicht neue Glut von dir!

Gyges.
Doch würdest du dabei auch jetzt nichts wagen,
Denn könnte ich mein Blut mit deinem mischen:
Wie heiß es sei, es bliebe, wie es ist!

Kandaules.
Du bist in dieser Stunde noch verwirrt,
Und weißt nicht, was du sprichst und was du tust.

Gyges.
Vergib's mir, Herr!

Kandaules.                     Ich schelte dich ja nicht!
Das ist ein Rausch, wie der vom Duft der Reben,
Ein kühler Hauch des Morgens bläst ihn fort.

(Indem er geht.)

Ich hoff's zum mindesten und werd es sehn! (Ab.)

Gyges.
Warum gab ich den Ring zurück! Ich hätte
Verschwinden, nie mehr sichtbar werden sollen,
Dann könnt' ich ewig um sie sein, dann würd' ich
Sie sehen, wie sie nur die Götter sehn!
Denn irgend etwas sparen die sich auf:
Ein Reiz der Schönheit, den sie selbst nicht kennt,
Ein Blitzen in der tiefsten Einsamkeit,
Ein letzter, ganz geheimnisvoller Zauber,
Das ist für sie und wär' jetzt auch für mich!
Zwar würd' ich ihrer Rache nicht entgehn,
Wenn ich verstohlen aus dem Kelche nippte,
Der einzig für sie selber quillt und schäumt.
Es würde plötzlich in den Lüften klingen,
Und Helios, durch einen Flammenwink
Der zorn'gen Aphrodite angefeuert,
Den sichersten von all den sichren Pfeilen
Versenden, welche er im Köcher trägt.
Dann stürzt' ich hin, allein das täte nichts,
Denn im Verröcheln würde ich den Ring
Noch einmal drehen und zu ihren Füßen,
Mein Auge zu dem ihrigen erhebend
Und ihre Seele, wie die meine wiche,
Aus ihren Blicken durstig in mich saugend,
Verhaucht' ich meines Odems letzten Rest!

(Thoas kommt mit der verschleierten Lesbia.)

Thoas.
Der König schenkt dem Gyges, seinem Günstling,
Die schöne Sklavin, die ihm wohlgefällt!

Gyges.
Der König will mich höhnen, und das habe
Ich nicht um ihn verdient, auch duld ich's nicht!

Thoas.
Die Gabe ist zwar reich und auserlesen,
Doch zweifle nicht, es ist des Königs Ernst.

Gyges.
Schweig, Unverständigster der Unverständ'gen,
Der Ernst des Königs ist der ärgste Spott!

Thoas.
Tu du den Mund auf, Mägdlein, sag's ihm selber,
Wenn er's dem meinigen nicht glauben kann!

Gyges.
Kein Wort!

Thoas.               Verschmähst du das Geschenk des Königs?

Gyges.
Ja!

Thoas.   Gyges! Doch, du weißt ja, was du tust!

Gyges.
Der König schlug mich tot und drückt der Leiche
Jetzt ein Juwel für's Leben in die Hand.

Thoas.
Ich kann dich nicht verstehn und werde melden,
Was ich gehört! – So komm mit mir zurück!

Lesbia.
Du siehst mich nicht zum zweiten Mal! Vergib,
Daß ich gesprochen, klingt es doch gewiß
In deinen Ohren rauh!

Gyges.                               Nein, holdes Kind!
Stell dich nur hinter den Platanenbaum,
Und sprich, wie jetzt. Dann ruft ein heißer Jüngling:
Die erste Nachtigall, die nicht bloß singt!

Lesbia.
Du bist kein Jüngling!

Gyges.                                 Ich bin weniger!
Das siehst du ja! Zwar kam es mir schon vor,
Als sei ich nicht der Letzte in den Waffen,
Als hätt' ich dies und das getan, als zupfe
Mich keiner ungestraft mehr bei den Ohren,
Als rufe man mich gar, wenn just kein beßrer
Zu Haus sei, in der Stunde der Gefahr;
Doch das sind Knabenträume! Peitscht den Buben,
Er trank wohl Wein zur Nacht!

Lesbia.                                             Erst bringe mir
Ein Reis vom Lorbeerbaum, dann peitsch ich dich
Und winde dir nachher den Kranz!

Gyges.                                                     So hast
Du's mit geträumt? So wär's vielleicht gar wahr?,
Und doch den Hohn?

Lesbia.                               Den Hohn? Wo ist denn Hohn?

Gyges.
Stehst du nicht da?

Lesbia.                         Das schmerzt!

Gyges.                                                 Nicht so! Nicht so!
Gewiß, nicht so!

Lesbia.                       Du tötetest schon manchen,
Hast du je einen wieder aufgeweckt?

Gyges.
Du bist sehr schön! Ei freilich! Ein Gemisch
Von Lilien und Rosen, die im Beet
Bunt durcheinander stehn, und die der Wind
In gauklerischem Spiel so neckisch schaukelt,
Daß man sie nicht mehr unterscheiden kann!
Jetzt bist du rot, jetzt blaß! Und nicht einmal!
Du bist's zugleich!

Lesbia.                         Was weißt denn du von mir?
Das träumtest du! Ich seh ganz anders aus!
Erschrick! (Sie will sich entschleiern.)

Gyges.               Nein, nein! (Hält sie ab.)

Lesbia.                                 Zur Königin zurück!
Sie gab mich nicht mit Freuden her, sie nimmt
Mich willig wieder auf!

Gyges.                                   Dann sage ihr,
Der Gyges hätt' dich gar nicht angesehn!

Lesbia.
O Schmach!

Gyges.                 Nicht doch! Du weißt, wie oft ich gestern,
Und früher hab ich dich ja nie erblickt,
Nach dir gespäht!

Lesbia.                         Ich habe dann wohl immer
Was Albernes getan! Wie schäm ich mich,
Daß ich das jetzt erst merke! Doch die andern
Sind schuld daran mit ihrer Neckerei!

Gyges.
Ich sah nur, was mich reizte!

Lesbia.                                         O gewiß,
Denn, was uns reizt, das lieben wir verhüllt!
Komm, Alter!

Gyges.                   Warum eilst du so?
Ich bin dein Herr! Doch zittre nicht vor mir,
Ich will von dir nur einen einz'gen Dienst,
Dann magst du wieder ziehn!

Lesbia (zu Thoas).                         So geh allein!

Gyges.
Bleib, bleib! – Doch nein! – Dem König meinen Dank!
Ich nehme sein Geschenk, und wie ich's ehre,
Werd ich ihm zeigen!

Thoas.                                 Wohl! (Ab.)

Lesbia.                                           Und nun der Dienst?

Gyges.
Du sollst so lange weilen, bis das Lächeln
Dir wiederkehrt!

Lesbia.                       Das wird nicht schnell geschehn!

Gyges.
Und in der Zwischenzeit ein wenig plaudern!
Du bist ja um die Königin, ihr schmeckt
Der Pfirsich sicher nur, wenn du ihn brachst:
Sprich mir von ihr!

Lesbia.                           Von ihr!

Gyges.                                           Ich meine nur! –
Von etwas andrem, wenn du willst! Vom Garten,
In dem sie wandelt, oder von den Blumen,
Die sie am liebsten pflückt! Auch von dir selbst!
Ich hör es gern! Worin seid ihr euch gleich?
Sag's rasch, damit du rasch mir teuer wirst!
An Wuchs? Nicht ganz! Noch minder an Gestalt!
Doch dafür ist das Haar dir schwarz, wie ihr,
Nur nicht so voll – ihr kriecht es ums Gesicht
Herum, wie um den Abendstern die Nacht! –
Was hast du sonst von ihr?

Lesbia (macht eine unwillkürliche Bewegung).

Gyges.                                       Nein, bleibe stehn!
Im Gange ist sie einzig! Wenn du schreitest,
So sieht man, du willst dahin oder dorthin,
Dich reizt die Dattel, oder auch der Quell,
Doch wenn sie sich bewegt, so blicken wir
Empor zum Himmel, ob nicht Helios
Den goldnen Sonnenwagen eilig senke,
Um sie hineinzuheben und mit ihr
Dahinzuziehn in alle Ewigkeit!

Lesbia.
Ja, sie ist schön!

Gyges.                       Du schlägst die Augen nieder?
Ei, Mägdlein, die erhebe, denn mir deucht,
Die sprühen, wie die ihrigen!

Lesbia (lacht krampfhaft).             Vielleicht
In dieser Stunde!

Gyges.                         Tat mein Wort dir weh?

Lesbia.
Ich glaub, ich lachte, und nun darf ich gehn!

Gyges.
Nicht ohne ein Geschenk! Ja, holdes Kind,
Du sollst an Gyges noch mit Liebe denken!
Er ist zwar rauh und schlägt oft eine Wunde,
Eh' er es ahnt, besonders mit der Zunge,
Doch ließ er nie noch eine ungeheilt.

Kandaules (tritt auf).
Nun?

Gyges.       Herr, du kommst im rechten Augenblick!

Kandaules.
Dann müßte ich zwei Glückliche hier finden!

Gyges.
Noch nicht, doch gleich! (Zu Lesbia.) Gib deine Hand einmal!
Wie zart ist sie! Wie hart die meinige,
Wie schwielenreich von Schwert und Spieß! Das paßte
Doch gar zu schlecht! Die muß ein Rosenblatt,
Das sich zusammenrollt, schon schmerzlich spüren,
An meiner stumpft der schärfste Dorn sich ab!
Sie zuckt, als ob sie eingeschmiedet wäre,
Kind, fürchte nichts! Ich fasse dich nicht an,
Weil ich dich halten will! Der König weiß
Daß ich nicht bloß sein klares Wort verstehe,
Daß ich auch seinen Wink mir deuten kann.
Er sah mit Schmerz, daß die Natur für dich
So viel getan und nichts das arge Glück,
Er will, daß ich das Glück bei dir vertrete:
Ich tu es (läßt sie los) und erkläre dich für frei!

Lesbia.
Die Freiheit, sagt man, ist ein hohes Gut,
Ich kenn sie nicht, ich ward als Kind geraubt,
Allein für hohe Güter muß man danken,
So danke ich für meine Freiheit dir!

Gyges.
Bist du zufrieden, Herr?

Kandaules.                               Ich bin erstaunt!

Gyges.
Und da du denn nicht weißt, wo dir die Mutter
Nachweint, und wo das Haus des Vaters steht,
So geh, bis du es findest, in das meine,
Ich schenke dir's und hol nur noch mein Schwert!

Lesbia (Ab).

Kandaules.
Was machst du, Gyges?

Gyges.                                 Herr, ich danke dir,
Daß du dies Werk durch mich vollbringen wolltest:
Es bleibt das Deinige!

Kandaules.                           Du willst, wie's scheint,
Den Enkel des Herakles einmal sehn,
Nimm dich in acht, er schläft nicht gar zu fest!

Gyges.
Konnt' ich dich heute kränken?

Kandaules.                                       Nein! Vergib!
Doch geh sogleich und nimm dir aus dem Schatz
Das Doppelte von dem, was du verschenktest,
Dein Tun verdroß mich, und es schmerzt mich noch!

Gyges.
Verzeih mir, wenn ich nicht gehorchen kann!
Das alles ward auf einmal mir zur Last,
Und da sich jetzt zu Gold und Edelstein
Die schöne Sklavin noch hinzugesellte,
So nutzt' ich ihren schlanken weißen Nacken
Und hing die Kostbarkeiten daran auf.
Ich kann nichts weiter brauchen, als mein Schwert,
Doch, wenn du dich mir gnädig zeigen willst,
So schenke mir die Köpfe deiner Feinde,
Ich sammle sie bis auf den letzten ein.

Kandaules.
Du bist ein andrer, Gyges, als du warst.

Gyges.
Ich bin es, Herr.

Kandaules.                 Du liebst!

Gyges.                                       Ich hätt' das Mägdlein
Zusammenhauen können: liebe ich?

Kandaules.
Du liebst Rhodopen!

Gyges.                               Herr, ich kann dir bloß
Nicht länger dienen.

Kandaules.                       Scheide, wenn du mußt!
Es tut mir weh, doch darf ich's dir nicht wehren!
Und da du nichts von mir empfangen willst,
So kann ich auch von dir nichts mehr behalten:
Hier ist dein Ring!

Gyges.                           Gib mir dein Schwert dafür!

Kandaules.
Ich danke dir, daß du so edel bist!

(Will ab.)

Gyges.
Noch etwas! (Er zieht von seiner Brust einen Stein hervor.)
                    Nimm!

Kandaules.                       Das ist?

Gyges.                                           Du kennst ihn wohl!

Kandaules.
Rhodopens Diamant!

Gyges.                               Ich nahm ihn mit,
Weil er an ihrem Hals – Erlaß' es mir,
Es ist gebüßt!

Kandaules.             Erinnyen, seid ihr's?
Oh, es ist wahr, ihr habt den leichtsten Schlaf!

Gyges.
Du grollst mir?

Kandaules.                 Nein! Nicht dir! Leb wohl, leb wohl!
Doch niemals dürfen wir uns wiedersehn! (Ab.)

Gyges.
Niemals! Ich geh sogleich! Wohin denn nur?
Was wollt' ich doch, eh ich mit diesem Lyder
Zusammentraf? Vergaß ich's schon? Ei nein!
Mich trieb's hinunter an den alten Nil,
Wo gelbe Menschen mit geschlitzten Augen
Für tote Kön'ge ew'ge Häuser baun.
Nun, meine Straße setz ich fort und löse
Dort unten einen ab, der müde ist! (Ab.)


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