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Zweiter Akt

Augsburg.

Erste Szene

Herberge. Früher Morgen.

Nothhafft von Wernberg. Die Sache wird ernst.

Törring. Sehr ernst! Die Linie steht auf zwei Augen –

Frauenhoven. Das doch nicht! Auch Herzog Wilhelm hat einen Sohn!

Törring. Der schwach und siech ist und kaum vier Jahre alt. Habt ihr das Jammerbild nie gesehen? Ich weiß, was ich sage. Die Münchner Linie steht so gut, wie auf zwei Augen, und wenn es uns nicht gelingt, Albrecht von seinem tollen Vorhaben abzubringen, so zeugt er Kinder, die nicht einmal den unsrigen ebenbürtig sind! Was wird dann? Schon jetzt ist Bayern in drei Teile zerrissen, wie ein Pfannkuchen, um den drei Hungrige sich schlugen, soll's ganz zugrunde gehen? Und das wird geschehen, wenn wir dies Unglück nicht verhindern können.

Nothhafft von Wernberg. Das ist wahr! Von allen Seiten würden sie heranrücken, vergilbte Pfandbriefe auf der Lanzenspitze und vermoderte Verträge auf der Fahnenstange, und wenn sie sich lange genug gezankt und gerauft hätten, würde nach seiner Weise der Kaiser zugreifen, denn während die Bären sich zerreißen, schnappt der Adler die Beute weg.

Törring. Also laßt uns vorbeugen!

Frauenhoven. Aber wie? Vergeßt nicht, daß er ebensoviel welsches Blut im Leibe hat, als deutsches, und vielleicht noch einige Tropfen mehr! Ich sage euch, wenn ihr's noch nicht wißt, die Mutter ist mächtig in ihm, und wenn ihr ihm nicht neue Augen einsetzen könnt, daß ihm das Schöne häßlich vorkommt und das Häßliche schön, so richtet ihr nichts bei ihm aus. Ihr hättet ihn diese Nacht auf dem Heimgang hören sollen! Und ist es denn nicht auch wahr? Wer kann sich rühmen, einen solchen Engel gesehen zu haben, eh' er nach Augsburg kam?

Törring. Glaubt ihr denn, ich bin der Narr, der das Feuer besprechen will? Das fällt mir nicht ein! Mag's brennen, bis er Asche ist, was kümmert's mich. Aber ich denke, die Nahrung wird diesem Feuer etwas billiger zu kaufen sein, als mit Thronen und Kronen! Zum Teufel, ist denn Albrecht nicht auch so ein Weib wert? Laßt mich nur machen! Ich sage euch, es sind wackre Menschen, vernünftige Leute! Stand der Alte nicht gestern abend da, als ob sich ihm der Erzengel Michael zum Eidam antrüge? Und das Mädchen – schaute sie nicht drein, als ob sie zum Fliegen aufgefordert würde, anstatt zum Tanzen? Gebt nur acht, ich bringe alles ins gleiche! (Ab.)

Frauenhoven. Der irrt sich! In Vater und Tochter, wie im Herzog!

Nothhafft von Wernberg. Aber ins Gewissen müssen wir ihm reden!

Frauenhoven. Warum? Um es getan zu haben, nicht wahr, wenn wir dereinst zur Rechenschaft gezogen werden! Borg dir die Posaune des Jüngsten Gerichts und versuch's, ob du Gehör bei ihm findest. Ich bin zufrieden, wenn's nur einstweilen geheimbleibt. Er ist beim faulen Wenzel in Prag auferzogen worden, und was der bei Geigen- und Flötenklang in ihn hineingesät hat, das bringt Gott selbst nicht wieder heraus!

Zweite Szene

Albrecht (tritt ein). Nun, Freunde? Was sagt ihr zu diesem Morgen, der die ganze Welt vergoldet? Nicht wahr, den hätt' man nicht schöner bestellen können? Aber, wie steht ihr denn da? Als ob ihr augenblicklich ins Gefecht solltet und euern Letzten Willen noch überdächtet!

Nothhafft von Wernberg. Da hoff ich anders auszusehen, obgleich ich keinen Vater mehr habe, der mich wieder heraushaut, wenn's zu arg wird, wie Ihr!

Albrecht. Ja, das ist wahr, da hab ich einen Vorzug vor euch. Ich darf dem Tode keck in den Rachen springen, wie die Maus dem Löwen. Noch zwischen Kauen und Schlucken reißt mich der wieder heraus, der mich gemacht hat.

Nothhafft von Wernberg. Das habt Ihr bei Alling erfahren! Wäre er nicht gewesen –

Albrecht. So würde mein erster Kampf auch mein letzter geblieben sein, und ich hätte nie gehört, wie süß die Siegstrompete tönt; was red ich, ich hätte Agnes nie erblickt!

Nothhafft von Wernberg. Agnes!

Albrecht. Oh, ich bin ihm Dank schuldig, unendlichen Dank, mehr Dank, wie irgendein anderer Sohn dem seinigen!

Nothhafft von Wernberg. Fühlt Ihr's?

Albrecht. Erst seit gestern ganz! Dies Auge, das ich jetzt freiwillig schließen möchte, wie den Mund, wenn er seine Kirsche hat – – gebrochen und mit Sand verschüttet würde es ohne ihn ja längst daliegen, ein Spiegel, der zerschlagen ward, bevor er das Bild noch auffangen konnte, das er festhalten sollte, und dies Herz – – die Stunde wird kommen, wo ihr mich verstehen könnt, dann mehr! Seht, wenn euch auch einmal wird, als ob sich Millionen Lippen in euch auftäten, und alle saugen wollten – wenn ihr nicht mehr wißt, ob's Lust oder Schmerz ist, was euch die Seele im Wirbel herumjagt – wenn euch die Brust zerspringen will und ihr, von Frost und Hitze zugleich geschüttelt, zweifelnd ausruft: doch wohl Lust, ja, wohl Lust, Wollust! und dies dunkle Wort, wie ich, nun auf einmal begreift, indem ihr's, schwindelnd zwischen Leben und Tod, mit eurem letzten Atemzug nachschafft – dann – dann! Eher nicht!

Nothhafft von Wernberg. Gnädiger Herr – eine Bitte!

Albrecht. Was ist's?

Nothhafft von Wernberg. Stellt Euch Euren Vater einmal vor!

Albrecht. Nun?

Nothhafft von Wernberg. Aber recht deutlich, mit dem Gesicht, das er hat, wenn er einem einen Wunsch nicht bloß abschlagen, sondern in den Hals zurückjagen will, so daß man ihn, wenn man um Honigbirnen gekommen ist, um Stockprügel anspricht!

Albrecht. Gut!

Nothhafft von Wernberg. Seht Ihr ihn? So fragt Euch, ob Ihr das vom Spiegel und vom Wirbel und von Lust und Schmerz, und von Leben und Tod vor ihm wiederholen möchtet!

Albrecht. Vor ihm? Ja! Ich habe eine Mutter gehabt! Vor euch? Nicht um die Welt!

Nothhafft von Wernberg. Eure Mutter war eine Prinzessin von Mailand!

Albrecht. Und sollte sie meine Mutter nicht auch geworden sein, wenn sie keine Prinzessin von Mailand gewesen wäre? Sie war das Muster eines Weibes – hätte das nicht genügt?

Nothhafft von Wernberg. Ich zweifle! Wenn aber – so würde Euch jetzt nichts mehr hindern, Euch mit dem Engel von Augsburg zu verbinden, denn Ihr würdet Bayerns Thron nie besteigen!

Albrecht. Nicht, Herr Ritter? Wer weiß! Wer weiß, was geschähe, wenn ich mein Volk zum Spruch aufriefe, wenn ich sagte: Seht, ich soll nicht würdig sein, euch zu beherrschen, weil mein Vater eine eurer Töchter zu sich erhoben hat, eine, die ihm am besten ins Ohr sagen konnte, was euch fehlt! Ich soll nicht würdig sein, euch zu beherrschen, weil die Teilnahme für euch mir von der Mutter her angeboren ist, weil ich euch verstehe, ehe ihr noch den Mund auftut, weil mir's im Blut liegt, euch beizuspringen! Ich soll nicht würdig sein, euch zu beherrschen, weil ich euer Bruder bin! Wer weiß, was sie tun werden, die alten treuen Bavaren, wenn mein Sohn sie dereinst nach Urväter-Weise in einem Eichenhain zusammenruft und so zu ihnen spricht; wer weiß, ob sich dann nicht der letzte Bauer in einen Ritter verwandelt und ob die Sense nicht gegen das Schwert schlägt, daß das ganze deutsche Reich zu wackeln anfängt, und der große Karl zu Aachen in seinem Sarg erschrocken nach der Krone greift!

Nothhafft von Wernberg. Gnädiger Herr, verkennt mich nicht! Nothhafft von Wernberg kann Euch nicht raten, in den Abgrund zu springen, aber er springt nach, wenn Ihr's tut!

Albrecht. Das ist ein Wort! So kommt!

(Alle ab.)


Baderstube.

Dritte Szene

Agnes. Hier, mein Vater?

Caspar Bernauer. Hier, meine Tochter, hier erwarten wir ihn, nirgends sonst. Wie ist dir denn zumute? Etwas anders, wie gewöhnlich, wenn du die Augen aufmachst, nicht wahr? Nun ja, das ist natürlich. Die Mädchen zögern gern aus Angst oder Neckerei noch eine Weile vor der Tür, wenn sie auch wirklich schon hinein wollen und wissen, daß der Bräutigam ihnen längst die Arme entgegenstreckt. Du armes Ding hast nun nicht einmal Kranzwindens-Zeit.

Agnes. Also, Euer Entschluß ist gefaßt?

Caspar Bernauer. Es gibt nur ein Mittel! Und wenn du nur bereit bist: Für ihn möcht' ich stehen!

Agnes. Ja?

Caspar Bernauer. Ich kenn's, wenn's auch lange her ist, daß ich selbst an dem Fieber litt! Eine treue, redliche Seele! (Er zieht etwas aus der Tasche.) Was hab ich da?

Agnes. Mein Kettlein! Aber, das hab ich ja gestern abend gleich wieder weggelegt!

Caspar Bernauer. Kann doch wohl nicht sein, denn Theobald hat's auf der Straße gefunden, als er hinter uns herschritt!

Agnes. Theobald?

Caspar Bernauer. Ja, den hast du ebensowenig gesehen, wie ich! Was sagst du? Der närrische Junge ist uns, solange die Reichsknechte hier sind, jeden Abend heimlich gefolgt, wenn wir das Haus noch verließen, und hat auf uns gewartet, bis wir wieder heimgingen. Nie hat er sich etwas davon merken lassen, und wenn ich's jetzt weiß, so kommt das daher, daß er deine Kette fand! Ist das einer?

Agnes. Es freut mich, daß er so an Euch hängt!

Caspar Bernauer. Nun dächt' ich, es wär' die beste Antwort für den tollköpfigen Herzog, wenn du dem Theobald rasch, noch heute morgen, ja augenblicklich die Hand reichtest! Du bist ihm ja doch den Finderlohn schuldig!

Agnes. Wie?

Caspar Bernauer. Ihr beide trätet ihm dann Hand in Hand entgegen, ich aber stände segnend hinter euch und riefe ihm zu: So war's im Himmel beschlossen, und was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden!

Agnes. Vater!

Caspar Bernauer. Fürchte keine Gewalttat! Auch hier stehen wir auf roter Erde, auch in Augsburg ist Westfalen, ja – – doch, wozu das! Nun, Jungfer Tochter, was sagt Ihr? Der Bräutigam ist, wie ich hoffe, bereit und sogar der Priester nicht weit! Sprich, soll's so sein?

Agnes. Nie! In Ewigkeit nicht!

Caspar Bernauer. Das heißt: heute nicht!

Agnes (glühend). Es heißt –

Caspar Bernauer (unterbricht sie). Morgen! Morgen! Morgen!

Vierte Szene

Theobald (tritt hinter einem Schrank hervor). Wozu, Meister? Ich kann's auch heute hören!

Caspar Bernauer (zu Agnes). Da siehst du jetzt!

Theobald. Scheltet sie nicht! Ich selbst bin schuld! Ich hätte Euch nicht folgen sollen! Diesmal nicht!

Agnes. Theobald, es tut mir weh!

Theobald. Ich weiß, Jungfer, ich weiß! Und ich fühl's ja auch, daß ich – – Du mein Gott, ich darf ja nicht einmal von Unglück sprechen, Ihr könnt mir ja gar nicht beschieden sein, ich brauche Euch ja nur anzusehen, um das zu erkennen. Meister – darf ich ein wenig fortgehen? In einer Stunde bin ich wieder da, um diese Zeit kommen so nicht viele! (Er faßt Agnes Hand.) Agnes, ich wollte, ich könnt' einem andern meine Liebe zu Euch abtreten, nicht um mein Herz zu erleichtern, o Gott, nein, es wäre das größte Opfer, das ich bringen könnte, und ich brächte es nur, um Euch glücklich zu machen, aber glücklich würdet Ihr, das glaubt mir, wenn das, was (er schlägt sich auf die Brust) hier glüht, eine bessere Brust schwellte! (Ab.)

Fünfte Szene

Caspar Bernauer. Ich glaub's auch!

Agnes. Zürnt mir nicht, Vater! Hätt' ich geahnt –

Caspar Bernauer. Kein Wort mehr davon! Es ist nun, wie's ist! Wer kann gegen die Sterne! Aber mich graust, Agnes, wenn ich an deine Zukunft denke, denn (er zeigt auf ein Barbierbecken) so ein Ding und eine Krone – es geht nimmermehr gut!

Agnes. Ihr ließt mich vorhin nicht ausreden! Nicht Theobald, nicht irgendeinem könnt' ich meine Hand reichen –

Caspar Bernauer. Und warum nicht?

Agnes. Weil ich – – Ich dürfte nicht!

Caspar Bernauer. So sitzt er dir schon im Herzen? Verflucht sei dies Turnier!

Agnes. Aber – – Zu der Mutter aller Gnaden könnt' ich mich flüchten – ins Kloster könnt' ich gehen!

Caspar Bernauer. Und deinen Herzog draußen lassen?

Agnes. Nein!

Caspar Bernauer. Was hätt'st du dann im Kloster zu tun?

Sechste Szene

Törring (tritt ein). Guten Morgen, Meister! Auch schon da, Jungfer? Die Hand her, wackrer Alter! Ich hab Euch gestern abend liebgewonnen. Schöne Agnes, wäre des Törrings Schädel für die Honigreime und Schmeichelsprüche des Heinrichs von Ofterdingen und Wulframs von Eschenbach nicht immer zu hart gewesen: jetzt gäbe er alles wieder von sich, was er je verschluckt hätte! Aber der hat nichts behalten, als das Eia popeia von der Ammenstube her, darum kann ich Euch nur sagen: Ihr seid's wert, daß Ihr einem Herzog gefallt!

Agnes. Schon das ist zu viel, Herr Graf!

Törring. Bewahre! Wenn Kaiser Wenzels Bademädchen Euch geglichen hat, so will ich's ihm verzeihen, daß er eine Weile glaubte, er sei mit ihr allein auf der Welt. Nur das verzeih ich ihm nicht, daß er's zu weit trieb und sich gar nicht wieder zur Besinnung bringen ließ, denn sie mußt' es büßen, und das hätt' er vorher wissen können! (Er sieht Agnes scharf an.) Arme Susanna, junges, schönes Kind, wie bleich magst du gewesen sein, als die starren, grimmigen Böhmen dich verbrannten und von ihren eignen Bischöfen und Erzbischöfen dabei angeführt wurden, als ob's ein heilig Werk wäre! Du warst gewiß keine Zauberin, oder es steht auch hier eine vor mir!

Caspar Bernauer. Das geschah im fröhlichen Lande der Geigen?

Törring. Es sollte mich wundern, wenn man noch keinen Reim darauf gemacht hätte! So etwas singen die Leute gern, wenn sie lustig sind!

Caspar Bernauer. Was sagst du, meine Tochter?

Agnes. Pfui über den Kaiser, daß er's geschehen ließ!

Törring. Er lag im Turm, und sein Adel stand zornig mit blankem Schwert vor der Pforte, er wußte nicht, wer zunächst bei ihm anpochen würde, ob der Henker oder der Befreier!

Agnes. So war's ihr Schicksal, und sie wird schon einmal erfahren, warum.

Törring. Bernauer, ein Wort mit Euch!

Caspar Bernauer. Geh, Agnes, und lege dein Kettlein weg!

Agnes (ab).

Siebente Szene

Caspar Bernauer. Wir sind allein!

Törring. Nun, Alter, was denkt Ihr eigentlich? Sagt an!

Caspar Bernauer. Ich weiß nicht, was Ihr meint!

Törring. Nun, ich glaube, der Herzog wird heute morgen geradeso aufgestanden sein, wie er sich gestern abend niedergelegt hat.

Caspar Bernauer. Acht Stunden sind allerdings nur acht Stunden!

Törring. Der Meinung bin ich auch, darum müssen wir beizeiten einig werden! Also – (nimmt ein Rasiermesser, wie spielend) Euer Schwert, nicht wahr?

Caspar Bernauer. Wie es Euch gefällt!

Törring. Meins ist etwas länger! (Schlägt an sein Schwert.) Ja, was ich sagen wollte! Der Herzog liebt Eure Tochter – er liebt sie – wenn jedes Eheweib so geliebt würde, sie hätten den Himmel auf Erden!

Caspar Bernauer. Vor dem Trunk und nach dem Trunk, es ist ein Unterschied und muß auch sein!

Törring. Ihr seid verheiratet gewesen oder noch, und wollt Euch entschuldigen! Ja, ja, das kann ich Euch beteuern, er brennt, wie ein Johannisfeuer, wenn der Wind gut bläst, aber (Nimmt das Barbierbecken.) Euer Helm?

Caspar Bernauer. Ist man in Bayern so spaßig?

Törring. Nein, nein, es ginge, seht! (Er macht, als ob er Caspar Bernauer das Becken aufsetzen wollte.) Habt Ihr das noch nicht versucht? Ich versichre Euch, der Herzog lodert, daß die Kastanien gar werden, wenn er sie nur ansieht, doch was das Werben betrifft, das Heimführen – – (Er nimmt den Schnepper.) Dies Ding da, Zick Zack, Trick Track, führt Ihr wohl im Wappen, oder ist's ein nackter Arm mit einer sprudelnden Ader, wie ich's draußen an der Tür gemalt sah?

Caspar Bernauer. Keins von beidem, Herr Graf!

Törring. Nicht? Nun also, kurz weg, wenn's überhaupt noch nötig ist! Die Liebe des Herzogs stammt aus dem Herzen, die Werbung nun, das war, Ihr habt's ja selbst gesehen, ein Rausch vielleicht sogar, was weiß ich's, ein Weinrausch!

Caspar Bernauer. Das freut mich! Aber, diese Botschaft ist nicht für mich allein! (Ruft.) Agnes!

Törring. Freut Euch? Ich hab mich nicht in Euch geirrt, als ich Euch für verständig hielt! Gebt mir noch einmal die Hand!

Caspar Bernauer (hält seine Hand zurück). Ihr habt mich schon geadelt!

Achte Szene

Agnes (tritt ein).

Törring. Nicht wahr, ein mäßiges Glück, aber gesichert für immer – unter uns – – der Herzog hat schöne Güter von seiner Mutter her!

Caspar Bernauer. Merk wohl auf, mein Kind! (Zu Törring.) Nun?

Törring. Ei, da Ihr sie rieft, so sprecht selbst weiter!

Caspar Bernauer. Wohl! (Zu Agnes.) Der Herzog nimmt seine Bewerbung zurück!

Törring. Nicht doch!

Caspar Bernauer. Er nimmt seine Bewerbung um deine Hand zurück, die läßt er dir, er ist nicht unverschämt! Das übrige, nun ja, das möcht' er, ich weiß nicht, ob für immer oder auch nur für einige Zeit!

Agnes (setzt sich nieder).

Caspar Bernauer (zeigt auf sie). Da habt Ihr ihre Antwort! Jetzt die meinige! Zuerst! (Mit gefaltnen Händen gen Himmel.) Ich danke Dir, Vater im Himmel, daß es so kam! Schick mir nun, welches Leid Du willst, es kann mich nicht ärger treffen, als dies Glück mit seinem schrecklichen doppelten Gesicht mich traf! (Zu Törring.) Ihr seht, wie mir ist, damit erklärt's Euch, daß ich Euch so ruhig anhörte! Ihr wart mir ein Freudenbote, denn daß meine Tochter in keine Schmach willigen würde, wußt' ich, also gab Euer Antrag mir sie wieder, sonst war sie für mich verloren. Nun aber zur Abrechnung! Ihr erkundigtet Euch nach meinem Schwerte, wir Reichsbürger führen wirklich eins, wenn's auch gewöhnlich hinterm Schornstein hängt, und mit dem meinigen habe ich früher manchen Rücken ausgeklopft, der dem Eurigen, das glaubt nur, völlig glich.

Törring. Bernauer!

Agnes (springt auf und stellt sich neben Caspar). Recht, Vater, redet!

Caspar Bernauer. Den Helm mit dem bunten Federbusch habt Ihr vor mir voraus, ich begnügte mich immer, wie wir alle, die wir nicht furnieren, nur streiten, wenn es gilt, unser Hab und Gut zu verteidigen, mit einer simpeln Sturmhaube. Doch auch die genügte zuweilen, aus einer guten Klinge eine noch beßre Säge zu machen, wenn sie sich daran versuchte. Was aber mein Wappen betrifft, so werdet Ihr's schon hie und da früh morgens an Burgtoren gesehen haben, einige aus meiner Familie führen einen Strick und einen Dolch im roten Felde, und sie wissen sich Respekt zu verschaffen, selbst bei Kaiser und Reich.

Törring. Das ist das Zeichen der Feme!

Caspar Bernauer. Kennt Ihr sie? Auch Jungfrauen stehen unter ihrem Schutz, und wenn die Gerechtigkeit ihren Weg auch in diesen betrübten Zeiten, wie ein Maulwurf, unter der Erde suchen muß: sie ist immer zur rechten Stunde da!

Agnes. Ich kann mich selbst schützen, mein Vater! Was mir gestern abend widerfuhr, das raubte mir Sprache und Besinnung; was mir jetzt widerfährt, gibt mir beides wieder! Das eine hätt' ich nicht für möglich gehalten, aber, bei Gott! das andere noch viel weniger! (Zu Törring.) Dies sagt dem Herzog von mir!

Caspar Bernauer. Da ist er selbst!

Neunte Szene

Albrecht (tritt ein). Ja, da ist er! (Zu Agnes.) Ward er erwartet?

Agnes (wendet sich ab).

Albrecht. Agnes – wenn auf dem Wege zu dir ein Himmelswagen flammend vor mir niedergefahren wäre, jeder Radnagel ein Stern, ich wäre nicht eingestiegen, und du –

Agnes. Gnädiger Herr – gestern fehlte mir der Mut Euch anzusehen, heute, dächt' ich, sollte er Euch fehlen!

Albrecht. Was hab ich dir denn getan?

Agnes. Nichts? Also das wäre nichts? Gnädiger Herr, so viel Ehre könnt Ihr mir gar nicht bieten, und wenn Ihr mir die Krone aufsetztet, daß sie diese Schmach wiederaufwöge!

Albrecht. Schmach?

Agnes. Wär's keine? Wär' das an mir keine Schmach, was, einem Fräulein zugefügt, die Klingen aller ihrer Verwandten, bis zum zehnten Glied herab, aus der Scheide reißen und gegen Euch kehren würde? Gnädiger Herr, auch mich hat Gott gemacht!

Albrecht. Törring! Ihr da? Was heißt das?

Agnes. Auch mich hat Gott gemacht, auch aus mir kann er mehr machen, wenn es sein heiliger Wille ist, auch aus Euch weniger, denn alles auf Erden ist nur zur Probe, und Hoch und Niedrig müssen einmal wechseln, wenn sie nicht vor ihm bestehen! Gnädiger Herr, tut keinem wieder so weh, wie mir, man erwartet's nicht von Euch, darum ist's doppelt bitter! (Zu Caspar Bernauer.) Mein Vater, jetzt ins Kloster! Nun nehme ich von der Welt nichts mehr mit über die Schwelle, als einen ewigen Schauder!

Albrecht. Mädchen, gestern warb ich um dich, heute komm ich um die Antwort, während meine Freunde schon den Priester suchen, der uns verbinden soll: ist das Schmach?

Törring (tritt vor). Der Herzog weiß von nichts, auf Ritterwort, ich sprach nur aus mir selbst! Ich glaubte – nun, Irren soll menschlich sein!

Albrecht. Du beschimpftest sie? Du beschimpftest meine Braut? Dafür – (Er will ziehen.)

Törring. Nein! Dafür – (Er tritt zu Agnes heran und küßt ihr ritterlich die Hand.) Ihr wißt, ich bin nicht feig, aber es wäre nicht wohlgetan, die Zahl ihrer Freunde zu mindern, und nun ich sie kenne, bin ich ihr Freund, ja, ich werde ihr dienen bis zum letzten Atemzug, und mir ist, glaubt's mir und denkt darüber nach, als faßte der Tod mich schon jetzt bei der Hand! (Zu Agnes.) Das sprach ein Edler von Bayern, der nicht der Geringste ist, und nennt mich einen ehrvergessenen Mann, wenn Euch nun etwas widerfährt, solange ich's hindern kann. (Zu Albrecht.) Ihr aber, gnädiger Herr, grollt nicht länger, daß ich ihr den Schleier etwas unsanft abnahm, es gereicht Euch, wie ihr, zum Vorteil, daß ich ihr ins Gesicht sah! (Tritt zurück.)

Albrecht. Sie schweigt! Das Vergeben ist an ihr, nicht an mir! Folgt mir! Wenn sie sieht, wie ich sie räche, wird sie wissen, wie ich sie liebe!

Agnes. Um Gott nicht! Nur von Euch war's mir, wie Todesstich! Jetzt – jetzt – Vater!

Caspar Bernauer. Ihre harten Worte tun ihr leid, gnädiger Herr, sie hätte sie gern zurück, Ihr seht's wohl, sie erstickt ja fast!

Albrecht. Und nicht um die Welt möcht' ich sie missen! Alter, zwei Kinder sind ausgewechselt worden, die Tochter des Kaisers wurde in deine Wiege gelegt, und der Kaiser zieht die deinige auf! Schau hin, erkennst du sie noch? Agnes, davon hat dir in früher Jugendzeit schon ein Märchen erzählt, doch damals ahntest du's noch nicht, daß du über deine eigne Geschichte weintest, erst in dieser Stunde hast du dich wieder auf dich selbst besonnen! Aber nun weißt du endlich, wer du bist, das zeigt die edle Glut, die dir aus dem Auge blitzt und von der Wange flammt, nun denkst du nicht mehr daran, daß du bisher nicht im Purpur gingst und nicht aus goldenem Becher trankst; so komm denn auch zu mir herüber, eh' dir das wieder einfällt!

Caspar Bernauer. Agnes!

Agnes. Vater, kein Wort von Gefahr! Erinnert mich nicht, daß Mut dazu gehört! Sonst könnt' ich – –

Albrecht (breitet die Arme gegen sie aus). Was? Was?

Agnes (sinkt hinein). Und müßt' ich's mit dem Tode bezahlen – das täte nichts!

Albrecht (umschließt sie). Agnes!

Agnes (macht sich wieder los). Aber dazu berechtigt mich kein Mut! – Ihr seid ein Fürst –

Albrecht. Und darf als solcher von vorn anfangen, so gut wie irgendeiner meiner Vorgänger!

Agnes. Ihr habt einen Vater –

Albrecht. Und bin sein Sohn, nicht sein Knecht!

Agnes. Und wenn Euer Volk murrt?

Albrecht. So murrt es, bis es wieder jubelt. Ja, wenn sie sich zusammenrotteten und sich offen wider mich empörten: ich schickte dein Bild, statt eines Heers, und sie kehrten schamrot zum Pfluge zurück!

Agnes. Und wenn Euer Vater flucht?

Albrecht. So segnet Gott!

Agnes. Und wenn er das Schwert zieht?

Albrecht. So gibt er mir das Recht, auch nach dem meinigen zu greifen!

Agnes. Und dabei sollten wir – dabei könntet Ihr glücklich sein?

Albrecht. Viel glücklicher, als wenn ich dir entsagen müßte! Das eine wär' Kampf, und zum Kampf gehört's, daß man den Ausgang nicht vorher weiß; das andere wäre Tod, Tod ohne Wunde und Ehre, feiger Erstickungstod durch eigne Hand, und den sollt' ich wählen? Nach der Kehle greifen, statt nach dem Schwert? O pfui! Da wär' ich doch gewiß der Erste und der Letzte! Mädchen, ich kenne jetzt dein Herz, her zu mir, (er drückt sie an sich) so, nun hast du alles getan, das übrige ist meine Sache! Worauf sollte Gott die Welt gebaut haben, wenn nicht auf das Gefühl, was mich zu dir zieht und dich zu mir? Die Württembergerin, die man zwischen dich und mich gestellt hatte, würde in diesem Augenblick tot umfallen, wenn sie nicht geflohen wäre! Das fühl ich! Darum zittre nicht!

Zehnte Szene

Frauenhoven und Nothhafft von Wernberg (treten ein).

Albrecht. Ist alles bereit?

Frauenhoven. Ein Priester ist gefunden, der's mit dem jungen Herzog gegen den alten wagen will!

Nothhafft von Wernberg. Aber nur unter der Bedingung, daß es so lange als möglich Geheimnis bleibt!

Albrecht. Was sagst du dazu, Agnes?

Agnes. So lange nur Gott es weiß, wird keine meiner Ahnungen in Erfüllung gehen!

Albrecht. Also! Wo und wann?

Frauenhoven. Heut abend, Schlag zehn, in der Kapelle der heiligen Maria Magdalena. Aber wir müssen alle vermummt kommen, wie zum Totendienst!

Albrecht. Gut! Und morgen nach Vohburg! Agnes, das ist ein rotes Schloß an der grünen Donau, womit meine Mutter – sie ruhe sanft und stehe fröhlich auf – mich für meine erste Schlacht belohnte! Gib acht, dort wirst du über dich selbst lachen, sooft du an diesen Morgen zurückdenkst, da gibt's mehr Lerchen, wie anderswo Spatzen, und in jedem Baum fast sitzt eine Nachtigall. Ich schenk es dir zum Leibgeding, nimm den lustigen Vogelkäfig unbesehens an, ich bitte dich, er wird dir gefallen, der Himmel schaut immer blau auf ihn herab, und wenn du dich über eine Gabe, die du noch nicht kennst, auf alle Gefahr hin dankbar bezeigen willst, so nenne mich zum ersten Mal du!

Agnes. Mein Albrecht!

Albrecht (sie in den Armen haltend). Du weinst dabei?

Agnes. Sollte es nicht nachbrennen? Euch – – dir konnt' ich – – Aber es schmerzte mich mehr um deinet-, als um meinetwillen, mir war, als wäre der funkelndste Stern über meinem Haupt auf einmal aus seiner Bahn gewichen, und ich hätte ihn in der Schaudergestalt, in der man sie hier unten zuweilen verlöschen sieht, zu meinen Füßen wieder getroffen! Nun ist mir dafür zumut', als hätt' ich schon jetzt mehr vom Leben, als mir gebührt! – Mein Vater!

Caspar Bernauer (tritt hervor). Sie sollen Vater und Mutter verlassen und aneinanderhangen! Mein Kind, ich muß dich segnen, du tust nach Gottes Gebot! So sei er mit dir! (Er legt ihr die Hände aufs Haupt.)

Albrecht. Auch mich!

Caspar Bernauer. Ihr fürchtet, daß Ihr sonst nicht dazu kommt! (Er legt auch ihm die Hände aufs Haupt.)


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