Gerhart Hauptmann
Die Weber
Gerhart Hauptmann

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Vierter Akt

Peterswaldau. – Privatzimmer des Parchentfabrikanten Dreißiger. Ein im frostigen Geschmack der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts luxuriös ausgestatteter Raum. Die Decke, der Ofen, die Türen sind weiß; die Tapete gradlinig kleingeblümt und von einem kalten, bleigrauen Ton. Dazu kommen rotüberzogene Polstermöbel aus Mahagoniholz, reich geziert und geschnitzt, Schränke und Stühle von gleichem Material und wie folgt verteilt: rechts, zwischen zwei Fenstern mit kirschroten Damastgardinen, steht der Schreibsekretär, ein Schrank, dessen vordere Wand sich herabklappen läßt – ihm gerade gegenüber das Sofa, unweit davon ein eiserner Geldschrank, vor dem Sofa der Tisch, Sessel und Stühle – an der Hinterwand ein Gewehrschrank. Diese sowie die anderen Wände sind durch schlechte Bilder in Goldrahmen teilweise verdeckt. Über dem Sofa hängt ein Spiegel mit stark vergoldetem Rokokorahmen. Eine einfache Tür links führt in den Flur, eine offene Flügeltür der Hinterwand in einen mit dem gleichen ungemütlichen Prunk überladenen Salon. Im Salon bemerkt man zwei Damen, Frau Dreißiger und Frau Pastor Kittelhaus, damit beschäftigt, Bilder zu besehen – ferner den Pastor Kittelhaus im Gespräch mit dem Kandidaten und Hauslehrer Weinhold.

Kittelhaus, ein kleines, freundliches Männchen, tritt gemütlich plaudernd und rauchend mit dem ebenfalls rauchenden Kandidaten in das Vorderzimmer; dort sieht er sich um und schüttelt, da er niemand bemerkt, verwundert den Kopf. Es ist ja durchaus nicht zu verwundern, Herr Kandidat: Sie sind jung. In Ihrem Alter hatten wir Alten – ich will nicht sagen, dieselben Ansichten, aber doch ähnliche. Ähnliche jedenfalls. Und es ist ja auch was Schönes um die Jugend – um alle die schönen Ideale, Herr Kandidat. Leider nur sind sie flüchtig, flüchtig wie Aprilsonnenschein. Kommen Sie erst in meine Jahre. Wenn man erst mal dreißig Jahre, das Jahr zweiundfünfzigmal – ohne die Feiertage –, von der Kanzel herunter den Leuten sein Wort gesagt hat, dann ist man notwendigerweise ruhiger geworden. Denken Sie an mich, wenn es mit Ihnen so weit sein wird, Herr Kandidat.

Weinhold, neunzehnjährig, bleich, mager, hochaufgeschossen, mit schlichtem langen Blondhaar. Er ist sehr unruhig und nervös in seinen Bewegungen. Bei aller Ehrerbietung, Herr Pastor . . . Ich weiß doch nicht . . . Es existiert doch eine große Verschiedenheit in den Naturen.

Kittelhaus. Lieber Herr Kandidat, Sie mögen ein noch so unruhiger Geist sein, – im Tone eines Verweises – und das sind Sie –, Sie mögen noch so heftig und – ungebärdig gegen die bestehenden Verhältnisse angehen, das legt sich alles. Ja, ja, ich gebe ja zu, wir haben ja Amtsbrüder, die in ziemlich vorgeschrittenem Alter noch recht jugendliche Streiche machen. Der eine predigt gegen die Branntweinpest und gründet Mäßigkeitsvereine, der andere verfaßt Aufrufe, die sich unleugbar recht ergreifend lesen. Aber was erreicht er damit? Die Not unter den Webern wird, wo sie vorhanden ist, nicht gemildert. Der soziale Frieden dagegen wird untergraben. Nein, nein, da möchte man wirklich fast sagen: Schuster, bleib bei deinem Leisten! Seelsorger, werde kein Wanstsorger! Predige dein reines Gotteswort, und im übrigen laß den sorgen, der den Vögeln ihr Bett und ihr Futter bereitet hat und die Lilie auf dem Felde nicht läßt verderben. – Nun aber möcht' ich doch wirklich wissen, wo unser liebenswürdiger Wirt so plötzlich hingekommen ist.

Frau Dreißiger kommt, von der Pastorin gefolgt, nach vorn. Sie ist eine dreißigjährige, hübsche Frau von einem kernigen und robusten Schlage. Ein gewisses Mißverhältnis zwischen ihrer Art zu reden oder sich zu bewegen und ihrer vornehm reichen Toilette ist auffällig. Se haben ganz recht, Herr Paster. Wilhelm macht's immer so. Wenn 'n was einfällt, da rennt er fort und läßt mich sitzen. Da hab' ich schon so drüber gered't, aber da mag man sagen, was man will.

Kittelhaus. Liebe gnädige Frau, dafür ist er Geschäftsmann.

Weinhold. Wenn ich nicht irre, ist unten etwas vorgefallen.

Dreißiger kommt. Echauffiert, aufgeregt. Nun, Rosa, ist der Kaffee serviert?

Frau Dreißiger schmollt. Ach, daß du ooch immer fortlaufen mußt.

Dreißiger, leichthin. Ach, was weißt du!

Kittelhaus. Um Vergebung! Haben Sie Ärger gehabt, Herr Dreißiger?

Dreißiger. Den habe ich alle Tage, die Gott der Herr werden läßt, lieber Herr Pastor. Daran bin ich gewöhnt. Nun, Rosa?! Du sorgst wohl dafür.

Frau Dreißiger geht mißlaunig und zieht mehrmals heftig an dem breiten, gestickten Klingelzug.

Dreißiger. Jetzt eben, – nach einigen Umgängen – Herr Kandidat, hätte ich Ihnen gewünscht, dabeizusein. Da hätten Sie was erleben können. Übrigens . . . Kommen Sie, fangen wir unsern Whist an.

Kittelhaus. Ja, ja, ja und nochmals ja! Schütteln Sie des Tages Staub und Last von den Schultern und gehören Sie uns!

Dreißiger ist ans Fenster getreten, schiebt eine Gardine beiseite und blickt hinaus. Unwillkürlich. Bande!!! – komm doch mal her, Rosa! Sie kommt. Sag doch mal: dieser lange rothaarige Mensch dort! . . .

Kittelhaus. Das ist der sogenannte rote Bäcker.

Dreißiger. Nu sag mal, ist das vielleicht derselbe, der dich vor zwei Tagen insultiert hat? Du weißt ja, was du mir erzähltest, als dir Johann in den Wagen half.

Frau Dreißiger macht einen schiefen Mund, gedehnt. Ich wöß nich mehr.

Dreißiger. Aber so laß doch jetzt das Beleidigttun. Ich muß das nämlich wissen. Ich habe die Frechheiten nun nachgerade satt. Wenn es der ist, so zieh' ich ihn nämlich zur Verantwortung. Man hört das Weberlied singen. Nun hören Sie bloß, hören Sie bloß!

Kittelhaus, überaus entrüstet. Will denn dieser Unfug wirklich immer noch kein Ende nehmen? Nun muß ich aber wirklich auch sagen: es ist Zeit, daß die Polizei einschreitet. Gestatten Sie mir doch mal! Er tritt ans Fenster. Nun sehen Sie an, Herr Weinhold! Das sind nun nicht bloß junge Leute, da laufen auch alte, gesetzte Weber in Masse mit. Menschen, die ich lange Jahre für höchst ehrenwert und gottesfürchtig gehalten habe, sie laufen mit. Sie nehmen teil an diesem unerhörten Unfug. Sie treten Gottes Gesetz mit Füßen. Wollen Sie diese Leute vielleicht nun noch in Schutz nehmen?

Weinhold. Gewiß nicht, Herr Pastor. Das heißt, Herr Pastor . . . cum grano salis. Es sind eben hungrige, unwissende Menschen. Sie geben halt ihre Unzufriedenheit kund, wie sie's verstehen. Ich erwarte gar nicht, daß solche Leute . . .

Frau Kittelhaus, klein, mager, verblüht, gleicht mehr einer alten Jungfer als einer Frau. Herr Weinhold, Herr Weinhold! aber ich bitte Sie!

Dreißiger. Herr Kandidat, ich bedaure sehr . . . Ich habe Sie nicht in mein Haus genommen, damit Sie mir Vorlesungen über Humanität halten. Ich muß Sie ersuchen, sich auf die Erziehung meiner Knaben zu beschränken, im übrigen aber meine Angelegenheiten mir zu überlassen, mir ganz allein! Verstehen Sie mich?

Weinhold steht einen Augenblick starr und totenblaß und verbeugt sich dann mit einem fremden Lächeln. Leise. Gewiß, gewiß, ich habe Sie verstanden. Ich sah es kommen; es entspricht meinen Wünschen. Ab.

Dreißiger, brutal. Dann aber doch möglichst bald, wir brauchen das Zimmer.

Frau Dreißiger. Aber Wilhelm, Wilhelm!

Dreißiger. Bist du wohl bei Sinnen? Du willst einen Menschen in Schutz nehmen, der solche Pöbeleien und Schurkereien wie dieses Schmählied da verteidigt?!

Frau Dreißiger. Aber Männdel, Männdel, er hat's ja gar nicht . . .

Dreißiger. Herr Pastor, hat er's verteidigt, oder hat er's nicht verteidigt?

Kittelhaus. Herr Dreißiger, man muß es seiner Jugend zugute halten.

Frau Kittelhaus. Ich weiß nicht, der junge Mensch ist aus einer so guten und achtbaren Familie. Vierzig Jahr war sein Vater als Beamter tätig und hat sich nie auch nur das geringste zuschulden kommen lassen. Die Mutter war so überglücklich, daß er hier ein so schönes Unterkommen gefunden hatte. Und nun . . . nun weiß er sich das so wenig wahrzunehmen.

Pfeifer reißt die Flurtür auf, schreit herein. Herr Dreißicher, Herr Dreißicher! se hab'n 'n feste. Se mechten kommen. Se haben een'n gefangen.

Dreißiger, hastig. Ist jemand zur Polizei gelaufen?

Pfeifer. D'r Herr Verwalter kommt schonn die Treppe ruf.

Dreißiger, in der Tür. Ergebener Diener, Herr Verwalter! Es freut mich, daß Sie gekommen sind.

Kittelhaus macht den Damen pantomimisch begreiflich, daß es besser sei, sich zurückzuziehen. Er, seine Frau und Frau Dreißiger verschwinden in den Salon.

Dreißiger, im höchsten Grade aufgebracht, zu dem inzwischen eingetretenen Polizeiverwalter. Herr Verwalter, ich habe nun endlich einen der Hauptsänger von meinen Färbereiarbeitern festnehmen lassen. Ich konnte das nicht mehr weiter mit ansehen. Die Frechheit geht einfach ins Grenzenlose. Es ist empörend. Ich habe Gäste, und diese Schufte erdreisten sich . . . sie insultieren meine Frau, wenn sie sich zeigt; meine Knaben sind ihres Lebens nicht sicher. Ich riskiere, daß sie meine Gäste mit Püffen traktieren. Ich gebe Ihnen die Versicherung, wenn es in einem geordneten Gemeinwesen ungestraft möglich sein sollte, unbescholtene Leute, wie ich und meine Familie, fortgesetzt öffentlich zu beschimpfen . . . ja dann . . . dann müßte ich bedauern, andere Begriffe von Recht und Gesittung zu haben.

Polizeiverwalter, etwa fünfzigjähriger Mann, mittelgroß, korpulent, vollblütig. Er trägt Kavallerieuniform mit Schleppsäbel und Sporen. Gewiß nicht . . . Nein . . . gewiß nicht, Herr Dreißiger! – Verfügen Sie über mich. Beruhigen Sie sich nur, ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung. Es ist ganz in der Ordnung . . . Es ist mir sogar sehr lieb, daß Sie einen der Hauptschreier haben festnehmen lassen. Es ist mir sehr recht, daß die Sache nun endlich mal zum Klappen kommt. Es sind so'n paar Friedensstörer hier, die ich schon lange auf der Pike habe.

Dreißiger. So'n paar grüne Burschen, ganz recht, arbeitsscheues Gesindel, faule Lümmels, die ein Luderleben führen, Tag für Tag in den Schenken rumhocken, bis der letzte Pfennig durch die Gurgel gejagt ist. Aber nun bin ich entschlossen, ich werde diesen berufsmäßigen Schandmäulern das Handwerk legen, gründlich. Es ist im allgemeinen Interesse, nicht nur im eigenen Interesse.

Polizeiverwalter. Unbedingt! ganz unbedingt, Herr Dreißiger. Das kann Ihnen kein Mensch verdenken. Und soviel in meinen Kräften steht . . .

Dreißiger. Mit dem Kantschu müßte man hineinfahren in das Lumpengesindel.

Polizeiverwalter. Ganz recht, ganz recht. Es muß ein Exempel statuiert werden.

Gendarm Kutsche kommt und nimmt Stellung. Man hört, da die Flurtür offen ist, das Geräusch von schweren Füßen, welche die Treppe heraufpoltern. Herr Verwalter, ich melde gehorsamst: m'r hab'n einen Menschen festgenommen.

Dreißiger. Wollen Sie den Menschen sehen, Herr Polizeiverwalter?

Polizeiverwalter. Ganz gewiß, ganz gewiß. Wir wollen ihn zuallererst mal aus nächster Nähe betrachten. Tun Sie mir den Gefallen, Herr Dreißiger, und bleiben Sie ganz ruhig. Ich verschaffe Ihnen Genugtuung, oder ich will nicht Heide heißen.

Dreißiger. Damit kann ich mich nicht zufriedengeben, der Mensch kommt unweigerlich vor den Staatsanwalt.

Jäger wird von fünf Färbearbeitern hereingeführt, die, an Gesicht, Händen und Kleidern mit Farbe befleckt, direkt von der Arbeit herkommen. Der Gefangene hat die Mütze schief sitzen, trägt eine freche Heiterkeit zur Schau und befindet sich infolge des vorherigen Branntweingenusses in gehobenem Zustand. O ihr älenden Kerle! – Arbeiter wollt'r sein? Kamraden wollt'r sein? Eh ich das machte – eh ich mich vergreifen tät' a mein'n Genossen, da tät' ich denken, de Hand mißt' m'r verfauln dahier!

Auf einen Wink des Verwalters hin veranlaßt Kutsche, daß die Färber ihre Hände von dem Opfer nehmen. Jäger steht nun frei und frech da, während um ihn alle Türen verstellt werden.

Polizeiverwalter schreit Jägern an. Mütze ab, Flegel! Jäger nimmt sie ab, aber sehr langsam, ohne sein ironisches Lächeln aufzugeben. Wie heißt du?

Jäger. Hab' ich mit dir schonn die Schweine gehitt? Unter dem Eindruck der Worte entsteht eine Bewegung unter den Anwesenden.

Dreißiger. Das ist stark.

Polizeiverwalter wechselt die Farbe, will aufbrausen, kämpft den Zorn nieder. Das übrige wird sich finden. – Wie du heißt, frage ich dich! Als keine Antwort erfolgt, rasend. Kerl, sprich, oder ich lasse dir fünfundzwanzig überreißen.

Jäger, mit vollkommener Heiterkeit und ohne auch nur durch ein Wimperzucken auf die wütende Einrede zu reagieren, über die Köpfe der Anwesenden hinweg zu einem hübschen Dienstmädchen, welches, im Begriff den Kaffee zu servieren, durch den unerwarteten Anblick betroffen, mit offenem Munde stehengeblieben ist. Nu sag m'r ock, Plättbrettl-Emilie, bist du jetzt bei der Gesellschaft?! Na da sieh ock, daß de hier nausfind'st. Hie kann amal d'r Wind gehn, und der bläst alles weg ieber Nacht. Das Mädchen starrt Jäger an, wird, als sie begreift, daß die Rede ihr gilt, rot vor Scham, schlägt sich die Hände vor die Augen und läuft hinaus, das Geschirr zurücklassend, wie es gerade steht und liegt. Wiederum entsteht eine Bewegung unter den Anwesenden.

Polizeiverwalter, nahezu fassungslos zu Dreißiger. So alt wie ich bin . . . eine solche unerhörte Frechheit ist mir doch . . .

Jäger spuckt aus.

Dreißiger. Kerl, du bist in keinem Viehstall, verstanden?!

Polizeiverwalter. Nun bin ich am Ende mit meiner Geduld. Zum letzten Mal: wie heißt du?

Kittelhaus, der während der letzten Szene hinter der ein wenig geöffneten Salontür hervorgeblickt und gehorcht hat, kommt nun, durch die Geschehnisse hingerissen, um, bebend vor Erregung, zu intervenieren. Er heißt Jäger, Herr Verwalter. Moritz . . . nicht? . . . Moritz Jäger. Zu Jäger. Nu sag bloß, Jäger – kennst du mich nich mehr?

Jäger, ernst. Sie sein Paster Kittelhaus.

Kittelhaus. Ja, dein Seelsorger, Jäger! Derselbe, der dich als kleines Wickelkind in die Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen hat. Derselbe, aus dessen Händen du zum erstenmal den Leib des Herrn empfangen hast. Erinnerst du dich noch? Da hab' ich mich nun gemüht und gemüht und dir das Wort Gottes ans Herz gelegt. Ist das nun die Dankbarkeit?

Jäger, finster, wie ein geduckter Schuljunge. Ich hab' ja een'n Taler Geld ufgelegt.

Kittelhaus. Geld, Geld . . . Glaubst du vielleicht, daß das schnöde, erbärmliche Geld . . . Behalt dir dein Geld . . . das ist mir viel lieber. Was das für ein Unsinn ist! Sei brav, sei ein Christ! Denk an das, was du gelobt hast. Halt Gottes Gebote, sei gut und sei fromm. Geld, Geld . . .

Jäger. Ich bin Quäker, Herr Paster, ich gloob' an nischt mehr.

Kittelhaus. Was, Quäker, ach rede doch nicht! Mach, daß du dich besserst, und laß unverdaute Worte aus dem Spiel! Das sind fromme Leute, nicht Heiden wie du. Quäker! was Quäker!

Polizeiverwalter. Mit Erlaubnis, Herr Pastor. Er tritt zwischen ihn und Jäger. Kutsche! binden Sie ihm die Hände!

Wüstes Gebrüll von draußen. Jäger! Jäger soll rauskommen!

Dreißiger, gelinde erschrocken wie die übrigen Anwesenden, ist unwillkürlich ans Fenster getreten. Was heißt denn das nun wieder?

Polizeiverwalter. Oh, das versteh' ich. Das heißt, daß sie den Lumpen wieder raushaben wollen. Den Gefallen werden wir ihnen nun aber mal nicht tun. Verstanden, Kutsche? Er kommt ins Stockhaus.

Kutsche, mit dem Strick in der Hand, zögernd. Mit Respekt zu vermelden, Herr Verwalter, mir werden woll unsere Not haben. Es is eine ganz verfluchte Hetze Menschen. De richt'ge Schwefelbande, Herr Verwalter. Da is der Bäcker, da is der Schmied . . .

Kittelhaus. Mit gütiger Erlaubnis – um nicht noch mehr böses Blut zu machen, würde es nicht angemessener sein, Herr Verwalter, wir versuchten es friedlich? Vielleicht verpflichtet sich der Jäger, gutwillig mitzugehen oder so . . .

Polizeiverwalter. Wo denken Sie hin!! Meine Verantwortung! Auf so etwas kann ich mich unmöglich einlassen. Vorwärts, Kutsche! nich lange gefackelt!

Jäger, die Hände zusammenlegend und lachend hinhaltend. Immer feste, feste, aso fest, wie't er kennt, 's is ja doch nich uf lange. Er wird gebunden von Kutsche mit Hilfe der Kameraden.

Polizeiverwalter. Nu vorwärts, marsch! Zu Dreißiger. Wenn Sie Sorge haben, dann lassen Sie sechs Mann von den Färbern mitgehen. Die können ihn in die Mitte nehmen. Ich reite voran, Kutsche folgt. Wer sich entgegenstellt, wird niedergehauen.

Geschrei von unten. Kikeriki–i!! Wau, wau, wau!

Polizeiverwalter, nach dem Fenster drohend. Kanaillen! ich werde euch bekikerikien und bewauwauen. Marsch, vorwärts! Er schreitet voran hinaus mit gezogenem Säbel, die andern folgen mit Jäger.

Jäger schreit im Abgehen. Und wenn sich de gnäd'ge Frau Dreißichern o noch aso stolz macht, die is deshalb ni mehr wie unsereens. Die hat mein Vater vielhundertmal fer drei Fennige Schnaps vorgesetzt. Schwadron links' schwenkt, marsch, ma–rsch! Ab mit Gelächter.

Dreißiger, nach einer Pause, scheinbar gelassen. Wie denken Sie, Herr Paster? Wollen wir nun nicht unsern Whist machen? Ich denke, der Sache steht nun nichts mehr im Wege. Er zündet sich eine Zigarre an, dabei lacht er mehrmals kurz, sobald sie brennt, laut heraus. Nu fang' ich an, die Geschichte komisch zu finden. Dieser Kerl! In einem nervösen Lachausbruch. Es ist aber auch unbeschreiblich lächerlich. Erst der Krakeel bei Tisch mit dem Kandidaten. Fünf Minuten darauf empfiehlt er sich. Fort über alle Berge! Dann diese Geschichte. Und nun spielen wir unsern Whist weiter.

Kittelhaus. Ja aber . . . Gebrüll von unten. Ja, aber . . . Wissen Sie: die Leute machen einen so schrecklichen Skandal.

Dreißiger. Ziehen wir uns einfach in das andere Zimmer zurück. Da sind wir ganz ungestört.

Kittelhaus, unter Kopfschütteln. Wenn ich nur wüßte, was in diese Menschen gefahren ist. Ich muß dem Kandidaten darin recht geben, wenigstens war ich bis vor kurzem auch der Ansicht, die Webersleute wären ein demütiger, geduldiger und lenksamer Menschenschlag. Geht es Ihnen nicht auch so, Herr Dreißiger?

Dreißiger. Freilich waren sie geduldig und lenksam, freilich waren es früher gesittete und ordentliche Leute. Solange nämlich die Humanitätsdusler ihre Hand aus dem Spiele ließen. Da ist ja den Leuten lange genug klargemacht worden, in welchem entsetzlichen Elend sie drinstecken. Bedenken Sie doch: all die Vereine und Komitees zur Abhilfe der Webernot. Schließlich glaubt es der Weber, und nun hat er den Vogel. Nun komme einer her und rücke ihnen den Kopf wieder zurecht. Jetzt ist er im Zuge. Jetzt murrt er ohne Aufhören. Jetzt paßt ihm das nicht und jen's nicht. Jetzt möchte alles gemalt und gebraten sein.

Plötzlich ein vielstimmiges, aufschwellendes Hurragebrüll.

Kittelhaus. So haben sie denn mit all ihrer Humanität nichts weiter zuwege gebracht, als daß aus Lämmern über Nacht buchstäblich Wölfe geworden sind.

Dreißiger. Ach was! bei kühlem Verstande, Herr Paster, kann man der Sache vielleicht sogar noch 'ne gute Seite abgewinnen. Solche Vorkommnisse werden vielleicht in den leitenden Kreisen nicht unbemerkt bleiben. Möglicherweise kommt man dort doch mal zu der Überzeugung, daß es so nicht mehr lange weitergehen kann, daß etwas geschehen muß, wenn unsre heimische Industrie nicht völlig zugrunde gehen soll.

Kittelhaus. Ja, woran liegt aber dieser enorme Rückgang, sagen Sie bloß?

Dreißiger. Das Ausland hat sich gegen uns durch Zölle verbarrikadiert. Dort sind uns die besten Märkte abgeschnitten, und im Inland müssen wir ebenfalls auf Tod und Leben konkurrieren, denn wir sind preisgegeben, völlig preisgegeben.

Pfeifer kommt atemlos und blaß hereingewankt. Herr Dreißicher, Herr Dreißicher!

Dreißiger, bereits in der Salontür, im Begriff zu gehen, wendet sich geärgert. Nu, Pfeifer, was gibt's schon wieder?

Pfeifer. Nee . . . nee . . . nu laßt mich zufriede!

Dreißiger. Was ist denn nu los?

Kittelhaus. Sie machen ein ja Angst, reden Sie doch.

Pfeifer, immer noch nicht bei sich. Na, da laßt mich zufriede! nee so was! nee so was aber ooch! Die Obrigkeit . . . na, den wird's gutt gehn.

Dreißiger. Ins Teufels Namen, was is Ihnen denn so in die Glieder geschlagen? Hat jemand den Hals gebrochen?

Pfeifer, fast weinend vor Angst, schreit heraus. Se hab'n a Jäger Moritz befreit, a Verwalter gepriegelt und fortgejagt, a Schandarm gepriegelt und fortgejagt. Ohne Helm . . . a Säbel zerbrochen . . . nee, nee!

Dreißiger. Pfeifer, Sie sind wohl übergeschnappt.

Kittelhaus. Das wäre ja Revolution.

Pfeifer, auf einem Stuhl sitzend, am ganzen Leibe zitternd, wimmernd. Herr Dreißicher, 's wird Ernst! Herr Dreißicher, 's wird Ernst!

Dreißiger. Na, dann kann mir aber die ganze Polizei . . .

Pfeifer. Herr Dreißicher, 's wird Ernst!

Dreißiger. Ach, halten Sie's Maul, Pfeifer! Zum Donnerwetter!

Frau Dreißiger, mit der Pastorin aus dem Salon. Ach, das ist aber wirklich empörend, Wilhelm. Der ganze schöne Abend wird uns verdorben. Nu hast du's, nu will de Frau Pastern am liebsten zu Hause gehn.

Kittelhaus. Liebe gnädige Frau Dreißiger, es ist doch vielleicht heute wirklich das beste . . .

Frau Dreißiger. Aber Wilhelm, du solltest doch auch mal gründlich dazwischenfahren.

Dreißiger. Geh du doch und sag's 'n! Geh du doch! Geh du doch! Vor dem Pastor stillstehend, unvermittelt. Bin ich denn ein Tyrann? Bin ich denn ein Menschenschinder?

Kutscher Johann kommt. Gnäd'ge Frau, ich hab' de Pferde d'rweile angeschirrt. A Jorgel und 's Karlchen hat d'r Herr Kandedate schon in a Wagen gesetzt. Kommt's gar schlimm, da fahr m'r los.

Frau Dreißiger. Ja, was soll denn schlimm kommen?

Johann. Nu ich weeß halt au ni. Ich meen' halt aso! 's wern halt immer mehr Leute. Se hab'n halt doch a Verwalter mitsamst'n Schandarme fortgejagt.

Pfeifer. 's wird Ernst, Herr Dreißiger! 's wird Ernst!

Frau Dreißiger, mit steigender Angst. Ja, was soll denn werden? – Was wollen die Leute? – Se könn uns doch nich ieberfallen, Johann?

Johann. Frau Madame, 's sein riede Hunde drunter.

Pfeifer. 's wird Ernst, bittrer Ernst.

Dreißiger. Maul halten, Esel! Sind die Türen verrammelt?

Kittelhaus. Tun Sie mir den Gefallen . . . Tun Sie mir den Gefallen . . . Ich habe einen Entschluß gefaßt . . . Tun Sie mir den Gefallen . . . Zu Johann. Was verlangen denn die Leute?

Johann, verlegen. Mehr Lohn wolln se halt hab'n, die tummen Luder.

Kittelhaus. Gut, schön! – Ich werde hinausgehen und meine Pflicht tun. Ich werde mit den Leuten mal ernstlich reden.

Johann. Herr Paster, Herr Paster! das lassen Se ock unterwegens. Hie is jedes Wort umsonste.

Kittelhaus. Lieber Herr Dreißiger, noch ein Wörtchen. Ich möchte Sie bitten: stellen Sie Leute hinter die Tür und lassen Sie sogleich hinter mir abschließen.

Frau Kittelhaus. Ach, willst du das wirklich, Joseph?

Kittelhaus. Ich will es. Ich will es. Ich weiß, was ich tue. Hab keine Sorge, der Herr wird mich schützen.

Frau Kittelhaus drückt ihm die Hand, tritt zurück und wischt sich Tränen aus den Augen.

Kittelhaus, indes von unten herauf ununterbrochen das dumpfe Geräusch einer großen, versammelten Menschenmenge heraufdringt. Ich werde mich stellen . . . Ich werde mich stellen, als ob ich ruhig nach Hause ginge. Ich will doch sehen, ob mein geistliches Amt . . . ob ich nicht mehr so viel Respekt genieße bei diesen Leuten . . . Ich will doch sehen . . . Er nimmt Hut und Stock. Vorwärts also, in Gottes Namen. Ab, begleitet von Dreißiger, Pfeifer und Johann.

Frau Kittelhaus. Liebe Frau Dreißiger, – sie bricht in Tränen aus und umhalst sie – wenn ihm nur nicht ein Unglück zustößt!

Frau Dreißiger, wie abwesend. Ich weeß gar nich, Frau Pastern, mir is aso . . . Ich weeß gar nich, wie mir zumute is. So was kann doch reen gar nich menschenmeeglich sein. Wenn das aso is . . . das is ja grade, als wie wenn's Reichtum a Verbrechen wär'. Sehn S' ock, wenn mir das hätte jemand gesagt, ich weeß gar nich, Frau Pastern, am Ende wär' ich lieber in mein kleenlichen Verhältnissen drinnegeblieben.

Frau Kittelhaus. Liebe Frau Dreißiger, es gibt in allen Verhältnissen Enttäuschungen und Ärger genug.

Frau Dreißiger. Nu freilich, nu freilich, das denk' ich mir doch ooch eben. Und daß mir mehr haben als andere Leute . . . nu Jes's, mir haben's doch ooch nich gestohlen, 's is doch Heller fer Fennig uf rechtlichem Wege erworben. So was kann doch reen gar nich meeglich sein, daß die Leute ieber een herfallen. Is denn mein Mann schuld, wenn's Geschäfte schlecht geht?

Von unten herauf dringt tumultuarisches Gebrüll. Während die beiden Frauen noch bleich und erschrocken einander anblicken, stürzt Dreißiger herein.

Dreißiger. Rosa, wirf dir was über und spring in den Wagen, ich komme gleich nach! Er stürzt nach dem Geldschrank, schließt ihn auf und entnimmt ihm verschiedene Wertsachen.

Johann kommt. Alles bereit! Aber nu schnell, eh's Hintertor noch besetzt is!

Frau Dreißiger, in panischem Schrecken den Kutscher umhalsend. Johann, liebster, bester Johann! Rett uns, allerallerallerbester Johann! Rette meine Jungen, ach, ach . . .

Dreißiger. Sei doch vernünftig! Laß doch den Johann los!

Johann. Madam, Madam! Sein S' ock ganz geruhig. Unse Rappen sein gutt imstande. Die holt keener ein. Wer de ni beiseite geht, wird iebergefahrn. Ab.

Frau Kittelhaus, in ratloser Angst. Aber mein Mann? Aber . . . aber mein Mann? Aber, Herr Dreißiger, mein Mann?

Dreißiger. Frau Paster, Frau Paster, er is ja gesund. Beruhigen Sie sich doch nur, er is ja gesund.

Frau Kittelhaus. Es ist ihm was Schlimmes zugestoßen. Sie sagen's bloß nich, Sie sagen's bloß nich.

Dreißiger. O lassen Sie's gut sein, die werden's bereun. Ich weiß ganz genau, wessen Hände dabei waren. Eine so namenlose, schamlose Frechheit bleibt nich ungerochen. Eine Gemeinde, die ihren Seelsorger mißhandelt, pfui Teufel! Tolle Hunde, nichts weiter, tollgewordene Bestien, die man demgemäß behandeln wird. Zu Frau Dreißiger, die wie betäubt dasteht. Nu so geh doch und rühr dich! Man hört gegen die Haustür schlagen. Hörst du denn nich? Das Gesindel ist wahnsinnig geworden. Man hört Klimpern von zerbrechenden Scheiben, die im Parterre eingeworfen werden. Das Gesindel hat den Sonnenkoller. Da bleibt nichts übrig, wir müssen machen, daß wir fortkommen.

Man hört vereint rufen. Expedient Feifer soll rauskommen! – Expedient Feifer soll rauskommen!

Frau Dreißiger. Feifer, Feifer, sie wollen Feifer raushaben.

Pfeifer stürzt herein. Herr Dreißicher, am Hintertor stehn o schonn Leute. De Haustier hält keene drei Minuten mehr. D'r Wittig Schmied haut mit an Ferdeeimer drauf nei wie a Unsinniger.

Von unten Gebrüll lauter und deutlicher. Expedient Feifer soll rauskommen! – Expedient Feifer soll rauskommen! Frau Dreißiger rennt davon wie gejagt; ihr nach Frau Kittelhaus. Beide ab.

Pfeifer horcht auf, wechselt die Farbe, versteht den Ruf und ist im nächsten Moment von wahnsinniger Angst erfaßt. Das Folgende weint, wimmert, bettelt, winselt er in rasender Schnelligkeit durcheinander. Dabei überhäuft er Dreißiger mit kindischen Liebkosungen, streichelt ihm Wangen und Arme, küßt seine Hände und umklammert ihn schließlich wie ein Ertrinkender, ihn dadurch hemmend und fesselnd und nicht von ihm loslassend. Ach liebster, scheenster, allergnädigster Herr Dreißicher, lassen Se mich nich zuricke, ich hab' Ihn immer treu gedient; ich hab' ooch de Leute immer gutt behandelt. Mehr Lohn, wie festgesetzt war, könnt' ich'n doch nich geben. Verlassen Se mich nich, se machen mich kalt. Wenn se mich finden, schlagen se mich tot. Ach Gott im Himmel, ach Gott im Himmel! Meine Frau, meine Kinder . . .

Dreißiger, indem er abgeht, vergeblich bemüht, sich von Pfeifer loszumachen. Lassen Sie mich doch wenigstens los, Mensch! Das wird sich ja finden; das wird sich ja alles finden. Ab mit Pfeifer.

Einige Sekunden bleibt der Raum leer. Im Salon zerklirren Fenster. Ein starker Krach durchschallt das Haus, hierauf brausendes Hurra, danach Stille. Einige Sekunden vergehen, dann hört man leises und vorsichtiges Trappen die Stufen zum ersten Stock empor, dazu nüchterne und schüchterne Ausrufe. Links! – Oben nuf! – Pscht! – Langsam! langsam! – Schipp ock nich! – Hilf schirjen! – Praatz, hab' ich a Ding! – Macht fort, ihr Wirgebänder! – Mir gehn zur Hochzeit! – Geh du nei! – O geh du!

Es erscheinen nun junge Weber und Webermädchen in der Flurtür, die nicht wagen einzutreten und eines das andere hereinzustoßen suchen, Nach einigen Sekunden ist die Schüchternheit überwunden, und die ärmlichen, mageren, teils kränklichen, zerlumpten oder geflickten Gestalten verteilen sich in Dreißigers Zimmer und im Salon, alles zunächst neugierig und scheu betrachtend, dann betastend. Mädchen versuchen die Sofas; es bilden sich Gruppen, die ihr Bild im Spiegel bewundern. Es steigen einzelne auf Stühle, um die Bilder zu betrachten und herabzunehmen, und inzwischen strömen immer neue Jammergestalten vom Flur herein.

Ein alter Weber kommt. Nee, nee, da laßt mich aber doch zufriede! Unten da fangen se gar schonn an und richten an Sache zugrunde. Nu die Tollheet! Da is doch kee Sinn und kee Verstand o nich drinne. Ums Ende wird das noch gar sehr a beese Ding. Wer hie an hellen Kopp behält, der macht ni mit. Ich wer mich in Obacht nehmen und wer mich an solchen Untaten beteiligen!

Jäger, Bäcker, Wittig mit einem hölzernen Eimer, Baumert und eine Anzahl junger und alter Weber kommen wie auf der Jagd nach etwas hereingestürmt, mit heiseren Stimmen durcheinanderrufend.

Jäger. Wo is a hin?

Bäcker. Wo is der Menschenschinder?

Der alte Baumert. Kenn mir Gras fressen, friß du Sägespäne.

Wittig. Wenn m'r 'n kriegen, knippen mer'n uf.

Erster junger Weber. Mir nehmen 'n bei a Been'n und schmeißen 'n zum Fenster naus, uf de Steene, daß a bald fer immer liegenbleibt.

Zweiter junger Weber kommt. A is fort ieber alle Berge.

Alle. Wer denn?

Zweiter junger Weber. Dreißicher.

Bäcker. Feifer o?

Stimmen. Sucht Feifern! sucht Feifern!

Der alte Baumert. Such, such, Feiferla, 's is a Weberschmann auszuhungern. Gelächter.

Jäger. Wenn mersch o ni kriegen, das Dreißicherviech . . . arm soll a wern.

Der alte Baumert. Arm soll a wern wie 'ne Kirchenmaus. Arm soll a wern.

Alle stürmen in der Absicht zu demolieren auf die Salontür zu.

Bäcker, der voraneilt, macht eine Wendung und hält die andern auf. Halt, heert uf mich! Sei mer hier fertig, da fang m'r erscht recht an. Von hier aus geh mer nach Bielau nieber, zu Dittrichen, der de die mechan'schen Webstiehle hat. Das ganze Elend kommt von a Fabriken.

Ansorge kommt vom Flur herein. Nachdem er einige Schritte gemacht, bleibt er stehen, sieht sich ungläubig um, schüttelt den Kopf, schlägt sich vor die Stirn und sagt. Wer bin ich? D'r Weber Anton Ansorge. Is a verruckt geworn, Ansorge? 's is wahr, mit mir dreht sich's ums Kreisel rum wie 'ne Bremse. Was macht a hier? Was a lustig is, wird a woll machen. Wo is a hier, Ansorge? Er schlägt sich wiederholt vor den Kopf. Ich bin ni gescheut! Ich steh' fer nischt. Ich bin ni recht richtig. Geht weg, geht weg! Geht weg, ihr Rebeller! Kopp weg, Beene weg, Hände weg! Nimmst du m'r mei Häusl, nehm' ich d'r dei Häusl. Immer druf! Mit Geheul ab in den Salon. Die Anwesenden folgen ihm mit Gejohl und Gelächter.

 


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