Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierter Akt

Das Giebelzimmer in der Schmiede bei Langheinrich. Links zwei kleine Fenster mit Gardinen. An dem einen ein Lehnstuhl, auf dem Frau Fielitz sitzt. Sie hat das Aussehen einer Schwerkranken. – An dem zweiten Fenster eine Nähmaschine und ein Stuhl davor, über dem ein Kleiderrock hängt, an dem gearbeitet worden ist. Auf der Maschine selbst liegt eine Bluse. Eine Tür in der Hinterwand führt zur Dachkammer. Links von ihr brauner Kachelofen, rechts von ihr gelbpolierter Kleiderschrank. In der rechten Wand ist ebenfalls eine Tür; diese führt auf den Flur. An der gleichen Wand befindet sich ein gemachtes Bett und weiter vorn eine gelbe Kommode. Über der Kommode hängt ein Regulator. Schuster Fielitz, auf der Kommode stehend, und zwar in Strümpfen, zieht den Regulator auf. Der Schuster ist in Hemdsärmeln, sehr sauber geschniegelt, in Sonntagshose und Sonntagsweste. – In der Mitte des Zimmers ein Ausziehtisch. Eine Hängelampe darüber. Um den Tisch vier gelbe Stühle, ein fünfter Stuhl steht am Bett. Schmied Langheinrich und Ede, in Arbeitstracht, sind am Tische beschäftigt. Langheinrich hält einen eisernen Turmhahn, den Ede mit roter Ölfarbe anstreicht. Ede und Langheinrich brechen in ein lautes Gelächter aus.

Fielitz, der während des Lachens die Uhr aufgezogen hat. Hier hat wieder eener dran rumjepult.

Langheinrich. Jawoll ooch! Det wird ooch andersch nich sind. Paß du man 'n bißken besser uff! Erneutes Lachen.

Fielitz. Ick sage bloß, wenn ick een mal erwische! Mir kommt's uff 'ne Handvoll Noten nich an.

Langheinrich. Feste! Det is ooch! Is, wer't is! Ick jloobe, det is Leontine jewesen.

Frau Fielitz. Das Mädel kommt an die Uhr doch ni ran.

Langheinrich. Na, na!

Fielitz. Det jibt ma'n Unjlück, verstanden! Bei so wat bespaße ick mir nich mit.

Ede. Det muß doch ooch noch in den Laden rin.

Langheinrich. Immerzu doch! Det ha ick doch immer jesagt! Der Eckladen wird nu bald fertig sind, und denn hat er keen Rejulator zum Rinhäng'n. Und denn kann er nich uffmachen sein Jeschäft!

Fielitz. Schwefelbande! Verjaunertes Pack! Lacht man! Ihr kennt jejen mir nich uffkomm.

Langheinrich. I, keen Jedanke! Det jeht ooch nich. Wieviel haste denn Abschlüsse schon jemacht? Ick meene, von wejen de Lieferung. Et muß doch'n Ding wat uff Lager sind!

Frau Fielitz. Laßt Ihr ock da Mann zufrieden, Meester.

Fielitz. Jeh du man in meine Kammer rin, denn kannste sehn Briefe und Abschlüsse liejen. Janze Pakete und Stöße voll!

Ede guckt in die Kammer. Ick seh' nischt.

Langheinrich. Reiß man de Dielen uff: da liejen de Briefschaften rinjefuttert. Jeschäftsjeheimnis muß eenmal sind!

Fielitz. Ooch noch muß det sind! So'n Kiekindewelt! Lernt ihr erscht ma schreiben und lesen, verstanden, eh ihr euch mang meine Jeschäfte mischt.

Frau Fielitz. Nee, Fielitz, luß se doch! Ärger dich nich! Der Meester muß sich doch immer bespaßen. Ohne dem geht's bei dem Manne doch nich.

Langheinrich. Frau Meestern, ick bin ooch fidel heut, jawoll. Et is'n Stick Arbeet fertig jeworn. Und wenn ick nich von de Turmspitze falle, dann bejieß' ick mir heute noch schauderhaft.

Frau Fielitz. Wolln Se das Ding dorte selber nuffstecken?

Langheinrich. I, janz natierlich! Warum denn nich? Schmarowski hat ihm jezeechnet, Mutter, ick ha ihm jeschmiedet und bring' ihm ooch ruff.

Leontine kommt herein.

Leontine. Det laß man Schmarowskin alleene machen.

Ede. Vor wat Kippliges furcht sich Schmarowski doch nich.

Langheinrich. Nee! Det wird woll wirklich uff Ehre ooch wahr sind. Der furcht sich vor Jott und vorm Deiwel nich. Det kleene Männeken, kann ick Ihn sagen ... dajegen is Blücher 'n Waisenkind.

Fielitz. Ick will mir ma wat erkundigen, Meester: wer hat denn dem neuen Hause jebaut?

Langheinrich. Na, wer denn?

Fielitz. Ick! Und Schmarowski nich.

Ede. Na, jewiß doch! Natierlich, Meester Fielitz.

Fielitz. Vom Jrundsteen bis oben! Ick, immer ick. Mein Jrund, mein Sand, meine Steene, mein Jeld! De janze Versicherung rinjebuttert. Fragt Muttern, ob det nich so richtig is.

Lachen.

Frau Fielitz. Na Jes's, Fielitz, luß doch das ale Gemurkse. Uf solche Geschichten kommt's doch nich an.

Fielitz. Jrade! Ick wer det beweisen, Mutter. Ick will die det klarmachen, wer ick bin. Paßt ma uff, wo ick wer meine Rede halten!

Frau Fielitz. Schmarowski sagt, es wird ni gered't.

Fielitz. Ick lasse mir aber det Maul nich verbieten, von dir nich und von Schmarowski nich. Fielitz ab in die Kammer.

Langheinrich. Mutter, passen Se man eens uff, det nich noch een Radau eens beim Essen wird. Et heeßt so schon, et wolln welche Skandal machen! Besser, 'n bißken vorsichtig sind.

Frau Fielitz. Ihr braucht bloß a bissel uf'n ufpassen. Glei tüchtig zu trinken vo Anfang an. Ich kann da Mann heut ni zurickehalt'n. Beim Richtfest will a nu eemal sein.

Langheinrich. Schmarowski hat jestern Kloppe jekriegt.

Ede. Jestern abend, jawoll, nach de Volksversammlung.

Frau Fielitz. A wird a wing haben zu hitzig gered't.

Langheinrich. Wenn Se wieder wat brauchen! Det wird ooch so sind. Det kleene Aas hat jered't, Mutter Fielitz: de janze Versammlung hat bravo jeschrien. 'n Blatt hat der nich vor'n Mund nich jenomm.

Frau Fielitz. A mißte ni gar aso hitzig sein, denk' ich.

Langheinrich. Feste! Jrade! Warum ooch nich? Wat haste, wat kannste! Man immer druff! Die janze Jesellschaft verdient det nich besser. Wehrhahn nich und Friderici nich. Und ieberhaupt: det is jut, Mutter Fielitzen. Det war jrade der richtige Momangaugenblick! Nu hat er eens janz mit die Brüder jebrochen. Nu weeß et'n jeder. Nu jibt's keen Zurück. Nu is er janz unser Mann, Mutter Fielitz! Ick hätte det dem jar nich zujetraut.

Frau Fielitz. Ihr könnt woll o mit'n zufrieden sein, Meester, wo jetzt so a Sums ei d'r Werkstelle is. Vier Gesellen ...

Langheinrich. Det is ooch! Det streit' ick ooch nich. Er hat wat Jeld mang de Leute jebracht. Mit Paster Friderici sein Klingelbeutel, da wußt' ick mir nich zu stelln all. Et jing nich! Nu jeht et uff eemal. Jewiß. – Nu paßt mal Achtung zum Fenster raus, Mutter, wenn ick wer janz oben droben sein. Ick winke und schrei', und denn – spring' ick ab!

Langheinrich und Ede ab mit dem Turmhahn. Kurzes Stillschweigen.

Frau Fielitz. Ob Rauchhaupt heute o wieder kommt?

Leontine. Nee, Mutter, ick weeß nich, wat ängst d'r denn immer? So'n oller Dämel, wie Rauchhaupt is. Denn laß er doch kommen, soviel er will, und quasseln! Wenn der ooch quasselt, Mutter. Uff det kind'sche Gequassel horcht keener nich!

Frau Fielitz. A soll wieder haben sehr rumgered't.

Leontine. I, laß ihm! Ick ha ooch Briefe jekriegt. Det is ooch wieder so eener, Mutter. Sie wirft einen Brief im Kuvert hin. Da mach' ick mir aber weiter nischt draus. Ieberhaupt det is bloß der Bahnaxistente.

Frau Fielitz. Das kennte ooch Wachtmeester Schulze sein.

Leontine. Ooch Hilfslehrer Lehnert, warum nich am Ende!

Frau Fielitz. Nu, luß se! Die Kerle sein eifersüchtig und neid'sch uf Schmarowski sein neues Haus! Se mechten uns gern was am Zeuge flicken. Aber nee! Aso eenfach geht das nu nich.

Leontine hat ein paar Tritte genäht. Sieh mal, Mama, det ha ick jefunden!

Frau Fielitz. Immer mach, mach, mach! Versäum dich jetzt nich! Das Kleed muß um zweee fertig sein. Adelheid hat schon wieder riebergeschickt! – Heechstens geh amal in a Keller runter und hol die paar Flaschen Wein amal ruf, daß mer dann, wenn se komm, und mer kenn amal anstoßen. Ma sieht's: se wern balde han fertig gericht.

Leontine. Det is hier der Meestern ihr Gradehalter.

Frau Fielitz. Das is o a armes Weib gewest: geschnallt und geschniert und zusammengerissen und hat doch a Puckel ni weggekriegt.

Leontine. Wat braucht se denn aber so putzsichtig sind?

Frau Fielitz. I, ginn der de Ruhe! Die hat se verdient.

Leontine. Et heeßt ja, se kloppt in de Bodenkammer, wo Meester Langheinrichs Schlafstelle is.

Frau Fielitz. O luß se! Luß se! Red weiter nich! A hat se wohl o ernt ni wenig geschunden, trotz daß'n a so viel hat eingebracht. Die hat immer mußt weiter nähn und verdien ... Kee Wunder, wenn die keene Ruhe ni hat.

Leontine. Wer heeßt se denn Meester Langheinrich heiraten?

Frau Fielitz. I, luß ock die alten Sachen jetzt! Vo alten Sachen will ich nischt wissen. Ich ha a Kopp ohne das voll genug. Ich weeß ieberhaupt ni, was mit mir is. Ma sieht ohne das schon manchmal Gespenster.

Leontine. Det heeßt, wenn er mir so betrügen tut ...

Frau Fielitz. Der Meester? Luß'n ruhig gehn! In der Sache taugen se alle nischt. Wenn da sellde eener drunter sein, uf den in der Sache und daß a Verlaß wär' ... da mißt' ich gar wieder was Neies lern. Hauptsache is: immer bleib uf'm Posten. Der Mann is ni beese. A meent's ganz gut. Sei spars'm! Du weeßt, wie genau daß a is! Und halt'n sei bissei Gelumpe zusamm! Und halt'n sei kleenss Mäderle gutt. A hat ja ooch gegen dein Jung'n nischt. Fielitz, im Bratenrock, wieder aus der Kammer. So kannste doch nich zu dam Essen gehn! Komm her, ich wer d'r da Knopp a wing fest machen.

Fielitz. Det is woll nich meeglich! Verstauch dir man nich!

Frau Fielitz hält mit der Linken seinen Hosenrand und fängt vom Stuhl aus an zu nähen. Was kann ma derfire, wenn eens ni meh so fortkann?! Ma bekimmert sich sonst woll genung um dich.

Fielitz. Verjangne Zeiten! Lieje man nich! Ick bin wie so'n oller Stiebelknecht. Mir habt ihr eens janz in de Ecke jeschmissen. – Hast du mein Rejulator jerückt?

Leontine. Jawoll! Ihn pickt et. Ab.

Fielitz. Warte du man!

Frau Fielitz. Der Meester hat sich doch bloß bespaßt, Fielitz!

Fielitz. Ick will euch noch alle wat zeijen, Mutter, wo ick jetzt uff'n Trichter jekomm bin. Ick nehm' et noch heut mit jed'n uff.

Frau Fielitz. Nu freilich, das ist doch o selbstverständlich.

Fielitz. Warte du man in zwee Jahren ma ab, wer wird mehr Jeld in Sacke verdient hebben: Schmarowski, Langheinrich oder ich!

Frau Fielitz. Was hast'n du immer mit Meester Langheinrich? A hat uns im Hause hier ufgenommen ...

Fielitz. Jawoll ooch, det is, weil er knitschig is und weil det er will hohe Miete schlucken.

Frau Fielitz. Sei du ock froh, daß der Meester so is!

Fielitz. Von wejen det bißken Zindschnurjeschichte ...? Immerzu, Mutter, kriech ihm man sonste wohin!

Frau Fielitz. Was ist'n das fer 'ne Geschichte gewest?

Fielitz. I, die Jeschichte! Wat soll et denn sind? Wo Dokter Boxer ooch hat von jesprochen.

Frau Fielitz. Ich kenne doch deine Geschichten ni.

Fielitz. Mutter, ick ha'n jutes Jewissen!

Frau Fielitz. Geh ock und laß dich verglasen dermitte!

Fielitz. Mutter, ick sage for jetzt weiter nischt ...

Frau Fielitz. Tummheeten!

Fielitz. Jut! –

Frau Fielitz. Schmarowski war hier. Wie is denn das nu mit der Hypotheke?

Fielitz. Det er meine uff vierte Stelle drückt?

Frau Fielitz. Das weeß ma: aso a Bau tut Geld kosten.

Fielitz. Schmarowski verbaut sich.

Frau Fielitz. Tummheet!

Fielitz. Jawoll! Weil det in dem drin wie 'ne Krankheet steckt.

Frau Fielitz. Hauptsache, da biste nu einverstanden?

Fielitz. Jott bewahre, det due ick nich! Wo ick früher bin Komzarius jewest, und ha ick suptilste Sachen behandelt, und Wehrhahn hat mir jekloppt, jawoll, und hat sich jefreit, wo ick schlau bin jewesen ... I nee, Mutter! So blau bin ick nich. Ick rechne! Ick kann mit de Feder fort! Ick bin 'n halber Avkate, Mutter. Der Jründling überjaunert mir nich!

Schmarowski, sehr geschäftig, kommt herein. Er trägt sich verändert: heller Sommerüberzieher, elegantes Hütchen und Stöckchen. Eine Rolle mit Baurissen trägt er in der Hand.

Schmarowski. Ju'n Morgen, Frau Fielitz! Wie jeht's Ihnen denn? Das bißken Erkältung jut überstanden?

Frau Fielitz. Ich dank' scheen. Es geht ja! Nehm Se ock Platz!

Schmarowski. Jawohl. Das werd' ich. Das hab' ich verdient. Seit morgens vier Uhr auf den Beinen! Weiß Jott, wie ich immer noch kraxeln kann.

Fielitz. Ju'n Morgen. Ick bin nämlich ooch noch da!

Schmarowski. Ju'n Morgen, ich hatte Sie gar nich bemerkt. Ich habe den Kopf so voll in den Tagen ...

Fielitz. Ick ooch.

Schmarowski. Natürlich. Bezweifle ich nich. Haben Sie etwa was mit mir zu reden? Dann bitte gefälligst.

Fielitz. In Augenblick nich! In Augenblick bin ick andersch beschäftigt. Ick muß bei een Herrn uff'n Bahnhof jehn. Von wejen de russischen Jummischuhe. Später! Jawoll ooch! In Augenblick nich. Stolziert aufgeregt ab.

Schmarowski. Der Schuster macht uns janz lächerlich. In allen Kneipen soll er sich aufspieln. Und neulich ist 'ne Jeschichte passiert, draußen, im Wartesaal zweiter Klasse. Da hat er sich nämlich einjedrängt und hat die blödsinnigsten Reden jehalten, nich weit vom Hon'ratiorentisch. Von Fabriken, und was er sich sonst wollte anlegen.

Frau Fielitz. Der Mann is Ihn reene wie übergeschnappt.

Schmarowski. Also Ihn jeht's jut?

Frau Fielitz. So leidlich, jawoll. Ock bloß kann ich das Hämmern ni recht mehr vertragen. Wenn ma ock erscht aus dam Hause hier wär'!

Schmarowski. Jeduld! Bloß um Jottes willen Jeduld! Es is ja so weit janz leidlich jejangen; bloß jetzt nich noch drängeln! Immer Jeduld. Mir liegt selber daran, daß wir fertig sind. Aber hexen kann ich nu leider nich. Ich bin froh, daß der Dachstuhl nu oben ist. Ich weiß, was mir das hat für Schmalz jekost – und außerdem immer diese Jeschichten. Er zeigt ihr eine Anzahl aufgeschnittener Briefe. Alle natürlich anonym! Die allerjemeinsten Invektiven: auf Fielitz, auf Sie und natürlich auf mich.

Frau Fielitz. Ich weeß gar ni, was die Leute wolln. Wer a Schaden hat, braucht fer a Spott nich zu sorgen. Das is eemal! Anderscher is das nich. Se han uns doch hing'n und vorn verhört. Dreimal ha ich mußt ufs Gerichte laufen. Wenn an der Sache was dran wär' gewest, das wern se woll haben ooch rausgebracht!

Schmarowski. Darüber will ich mich weiter nich auslassen. Das is Ihre Sache, das geht mich nichts an. Was mich betrifft, hab' ich's den Leuten gezeigt. Wenn eener mir will von de Frackschöße schütteln, dem reiße ich'n janzen Frack kaputt. Det soll sich Paster Friderici merken, dem hab' ick zuviel in de Karte jesehn. – Um nu mit der Türe ins Haus zu fallen, weil ich doch, wie sie sehn, aufm Sprunge bin: die Sache wird jut: aber – Jeld! Jeld! Jeld!

Frau Fielitz. Fielitz will ni.

Schmarowski. Herr Fielitz muß!

Frau Fielitz. A tut sich da Eckladen immer noch einbilden. Kenn Se'n kee Löchel ni reservieren?

Schmarowski. I, Zahler! Zahler! Das kann ich nich. Wo käm' ich da hin, wenn ich so wollte anfang'n? Dazu haben Sie wohl selber jenug Verstand. Nee. Davon steht in de Schrift nischt jeschrieben. Von so wat kann jar nich de Rede sein. – Es kommt'n Bankier mit zum Essen dann, und, Frau Fielitz, dem muß ich bestimmten Bescheid sagen. Also nu, daß die Sache ins reine kommt. Sonst ... wenn ich nu etwa noch sitzenbleibe ...

Frau Fielitz. Ich wer's schon machen! Lussen S'es ock!

Schmarowski. Jut. Also nu is noch 'ne andre Sache. Haben Se mal wieder von Rauchhaupt jehört?

Frau Fielitz. Ja. Daß a noch immer's Maul ni will halten und daß a uns ieberall ausrichten tut. Das is wie mit Wehrhahn, dieselbe Geschichte. Ich ha Rauchhaupten immer ock Guttes getan. Und nu kummt a und kummt a Tag fer Tag und tut een mit alen Geschichten krankmachen, wo doch all's aus a Fingern gesogen is! Womeeglich ... nu ja, wer weeß! So a Mann ... a kann aso lange womeeglich machen, bis, bis ... noch zuletzte ... das wär' aso was!

Schmarowski. Keine Angst, Frau Fielitz! Sie jehn nich weiter, nu die Sache im Sande verlaufen is. – Übrigens treten die Zimmerleute zusamm: ich muß rüber und meine paar Worte abhaspeln. Kurz also: wenn Rauchhaupt mal wiederkommt, denn kenn Sie ihm mal so'n bißken aushorchen. Es ist nämlich 'ne neue Kiste im Jang. Soziale Sache! Riesenjeschäft! Natürlich bin ich bei mittenmang, wie ich jetzt eben überall mittenmang bin. Wir möchten an Rauchhauptens Grundstück ran ... Er hat noch damals spottbillig jekauft, und wenn wir das janz, nich jeteilt, in de Hand kriejen, denn springt 'ne Million und mehr bei raus.

Frau Fielitz. Hier hab' ich ooch noch zwee Sparkassenbücher.

Schmarowski. Danke schön! Kommen mir mächtig zupaß. Man kann sich manchmal nich lumpen lassen ...

Frau Fielitz. 's Mädel kommt! Schnell in de Tasche damit. Schmarowski steckt hastig die Bücher ein, nickt der Fielitzen zu und geht schnell ab. Frau Fielitz erhebt sich halb vom Stuhle und guckt gespannt durchs Fenster. Wenn se ock heut nich noch an extra Teps machen! 's stehn ja dort mächtig viel Leute rum.

Leontine kommt mit drei Weinflaschen und Gläsern.

Leontine. Mama! Mama! A is wieder unten. Der dämliche Rauchhaupt is wieder da.

Frau Fielitz, erschreckend. Wer?

Leontine. Rauchhaupt! Er kommt gleich hinter mir her.

Sie stellt Flaschen und Gläser auf den Tisch.

Frau Fielitz, entschlossen. Mag a! For meinswegen soll a rufkomm. Ich wer'n amal de Wahrheet sagen. Rauchhaupt guckt zur Tür herein.

Rauchhaupt. Stör' ick, Frau Meestern?

Frau Fielitz. Mich stört'r nich.

Rauchhaupt. Stör' ick sonst een Menschen, Meestern?

Frau Fielitz. Das kann ich ni wissen. Das kummt druf an.

Rauchhaupt tritt ganz ein. Er erscheint nicht ganz so verwahrlost wie früher. Jut Freund! Ick jratuliere, Meestern! Ick will wieder mal nach'm Rechten sehn.

Frau Fielitz, gezwungen heiter. Sie han ebens immer an Richer, Rauchhaupt.

Rauchhaupt glotzt sie an, sagt mit Betonung. Immerzu doch! Hab' ick ooch! Janz jewiß. – Ick hab' eben ooch Dokter Boxer jetroffen. Er will ooch jleich dann zu Sie oben komm! Und hab' ihm um eene Sache jefragt.

Frau Fielitz. Um was fer an Sache?

Rauchhaupt. Von dazumal. Da soll er zu Langheinrich eens wat jesagt hebb'n, oder Langheinrich hat et zu ihm jesagt.

Frau Fielitz. Um eure Geschichten bekimmer' ich mich ni. Leontine! Geh und hole a Stick Wurscht, daß se an Happenpappen finden, wenn se hernach dann noch rieberkomm.

Rauchhaupt. De Welt jeht weiter.

Frau Fielitz. Und ob! Asu is's!

Leontine. Soll ick nich jetzt lieber hierbleiben, Mutter?

Rauchhaupt. Jeh und koof seidne Strimpe in!

Frau Fielitz. Was heeßt'n das?

Rauchhaupt. I, weiter heeßt det nischt. Ick denke, det die ooch 'ne Jräfin is. Se hat doch bei Mutter Boxern jestanden – Adelheid, wat die Schmarowskin is – in Laden und hat mit die Olle jeschachert um een schüttjelbseidnen Unterrock. Det is doch 'ne jroße Jräfin, Frau Meestern, und hat doch ooch rotseidne Strimpe jehat.

Leontine. Bei unsereen langt et uff Baumwolle nich. Ab.

Frau Fielitz. Was wem se ock Adelheid alles noch nachredn!?

Rauchhaupt. Det is jar keen Nachreden, det is, wie't is! Hat neulich der Kutscher all Bier abjelad't, eenfachet Bier, bei de Kehrwiedern drieben – de Kehrwiedern, wo hier de Waschfrau is. Wird jrade die Jräfin sind anjerauscht. Det macht se! Denn tut se de Näse hochziehn – bewahre Jott! hoffärtig kann det nich sind –, und denn hat se de Kehrwiedern eens jefragt; ob arme Leute ooch täten Bier trinken.

Frau Fielitz. Nee, kommt mir ock mit dam Klatsch und Tratsch.

Rauchhaupt. Ja, wat ick Sie wollte fragen, Frau Meestern: ick ha nämlich 'ne neue Fährte jefaßt.

Frau Fielitz. Was denn für eene Fährte, Rauchhaupt?

Rauchhaupt. Silentium, heeßt det! Vorsichtig sind. Ick kann nischt sagen. Mehr weeß ick nich. Als det ick janz kunstjerecht vigiliert hebbe. Et sind ooch Tedektetiven in Jang. Ick bin ooch all wieder bei Wehrhahn jewesen, und der hat mir eens mächtig zu zujered't.

Frau Fielitz, strickend. Jemersch, Wehrhahn! Der wird o's Kraut fett machen. Das kost doch bloß immer alles Ihr Geld.

Rauchhaupt, ganz nahe, mit blutunterlaufenen Augen, gefährlich. Frau Meestern, wo wir nu sind hinterjekomm, da bring' ick Ihn allens janz joldklar an't Licht. Det kleenste Jeheimnis wird uffjestöbert. Ooch der Staatsanwalt hat wieder de Ohren jespitzt! Er zieht Kreise mit Stock und Fuß langsam und bedrohlich wie Schlingen immer enger um Frau Fielitz. Erst heeßt et: janz jroße Kreise jemacht, denn immer, Frau Meestern, enger jezogen, und denn sitzen se in de Schlinge all. – Ick meene: de Jauner, die Brand jelegt hebb'n. Natierlich, Meestern, meen' ick Ihn nich.

Frau Fielitz. Ich tät' halt die Sache nu bald amal ruhn lass'n. Raus kommt doch ein ganzen Leben nischt!

Rauchhaupt. Wieviel paré, Meestern? Abjemacht!

Frau Fielitz. Is in der Erschte nischt raus ni gekomm ...

Rauchhaupt. Wieviel paré, Meestern? Schlagen Se in. Hier muß eener bei bloß jeduldig sind. Sie hatten doch Justaven rieberbeordert, uff elfen, Meestern, mit Sämerein. Nu is de Schulzen vorüberjejang'n an Ihre Haustüre is se, Frau Meestern! Ick lasse die Nase nich von de Spur.

Frau Fielitz. Nu will ich Ihn aber was sagen, Rauchhaupt: um Ihre Nase bekümmr' ich mich nich! Aber, sag' ich Ihn, wenn das nich ufhörn tut und Sie immer und ewig um uns dahier rumschniffeln ... wahrhaftig, mir reißt amal die Geduld.

Rauchhaupt. Tun Se mir doch verklagen, Frau Meestern.

Frau Fielitz. Meinswegen sagt's eem direkt uf a Kupp! Da wird ma schon wissen, mit was ma Euch antwort. Aber stänkert ni bei der Schulzen rum! Ich ha das Frovulk hier rausgeschmissen. Se kommt hierher und red't m'r was uf. Leontine soll zu'ner rieberkomm. Wenn das ooch'm Wachtmeester Schulze tät' recht sein. Aso eene is mei Mädel ni! Nu tut een die ale Hexe ausrichten! Frieher da hat se Ihn ausgericht! – Ich weeß ni: Ihr tut hier an ewigen Sums machen! Was is denn dem Jungen, hä, Schlimmes passiert? A is versorgt! A is untergebracht! A hat seine Pflege, sei scheenes Essen!

Rauchhaupt. Nee, nee, von die Sache vertröst' ick mir nich. Det lass' ick nich uff mir sitzen, Meestern! Uff mir nich und uff mein Justav nich. Det is nich. Det wurcht mir! Ick kann det nich nachlass'n. Det hat mir zehn Jahre Leben jekost. Ick weeß et! Ick weeß, wat ick habe jelitten, und wo ick mir habe dran uffjeknippt. Niemals, in janzen Leben noch nich. Wer det jewesen is, wer ick schon ufftreiben! Det weeß ick, det ha ick mir vorjenomm.

Frau Fielitz. Nu jemersch, jemersch, warum denn ni!? Da macht ock! Da murkst ock! Was geht's mich denn an?! Ich wer mich hier immer aso lussen ufregen, wo das mir der Dokter verboten hat. Ich ...

Rauchhaupt. Meestern, det weeß keener nich, wat det is. Ick weeß et. Ick bin zu Hause jeloofen, ick ha nich de Hand vor Augen jesehn. Ick ha nischt von Jott und de Welt nischt jewußt, und hat's mir de Plautze zusammenjerissen: ick ha bloß eens man immer nach Luft jejappt. Und denn lag ick – jawoll! – wie'n Toter in't Bett. Mit Tücher jerieben! Mit Bürschten jebürscht! Mit Kampfer jespritzt, und all so 'ne Sachen. Denn bin ick in't Leben zurückjekomm!

Frau Fielitz. Wieviel hundert Mal han Sie das schonn erzählt, Rauchhaupt! Das weeß ich, daß Sie sein verrückt geworn. Nu, was denn? Ich ha eben's o Haare gelassen! Mich hat die Geschichte o Marks gekost. – Wer is von uns beeden denn schlimmer dran? Sie oder ich? Das mecht' ich bloß wissen. Sie sein gesund, und wie sehn Sie heut aus! Und ich? Was bin ich? Und wie tu' ich heut aussehn? Nu also, was wollt'r denn eegentlich noch? – Ich ha sogar schon mei Begräbnis getraumt! Nu seht'rsch, wo fehlt's denn? Ich wer bald genung Platz machen. Bei mir lohnt sich das Hetzen erscht weiter nich. 's is wahr! – Sie sein schon a närr'scher Kerl, Rauchhaupt. Und aso verdreht ... das gloobt eener nich. Erseht han Sie da Jung'n immer wolln los sein ...

Rauchhaupt. Frau Meestern, Sie kenn Justaven nich! Wat der Junge, wo ick ihn ha bei mir jehat ... und jut mit Kindern und all so wat! Und singt Ihn! Und hat Jedanken in Koppe! Und wie er all neulich is durchjebrennt – det is er, von Dalldorf uff Tegel, Frau Meestern, denn hat er sich vor de Kirche jesetzt, wo er immer tut so uff de Jlocken abwarten, und hat wieder stockstille uff't Lauten jepaßt. Da solln Se den Jungen ma sehn bei, Meestern, wo det ieber sein Jesichte spielt. Det is wat! Er kann et bloß all nich so ausquetschen, wo unsereener det ausquetschen tut.

Frau Fielitz. Ich ha gar an Jungen verloren, Rauchhaupt! Jawoll! und das ist mein bester gewest. Na sehn S'es! Sie kenn mich immer druf ansehn. Mei Leben, das is ooch kee Spaß nich gewest. – Immer sehn Se mich amal richtig an! Wer weeß, verging' Ihn de Lust verleichte, wo Ihn doch schon amal de Lust is vergang'n.

Rauchhaupt. Frau Meestern, ick bin 'n verträglicher Mensch, aber det ... Ick bin verträglich, Meestern. Ick bin ooch nich jern Polizist gewest, aber ...

Frau Fielitz. Ja doch! Nee doch! Wer weeß d'nn das nich! Ebens drum! Und nu sein Se der schlimmste vo alln! – Derhingerher wie a bissiger Hund. Sie sein doch a herzensguder Mann, Rauchhaupt! Fer das hat Ihn doch jedes Kind gekennt. Nu Jeses, ihr Leute, was ist'n hä das!? – Se kenn amol dorte de Flasche ufmachen! Warum solln mir kee Treppel ni trinken mitsamm! Rauchhaupt wischt sich die Augen und geht dann, um den Korken aus der Flasche zu ziehen. Die Kampelei kann ja hernach wieder losgehn. Anderscher is das im Leben ni! – Ma kann's ni ändern: an Tummheet is. Aber wenn ma a Leuten de Augen will ufkneppen: is ni! Tummheet regiert de Welt. Was sein mir: Sie, ich und mir alle zusamm? Mir han uns mußt schinden und schuften durchs Leben, eener so gutt wie der andere dahier. Nu etwa! Also! Mir wern woll Bescheed wissen. Wer ni mitmacht, is faul, wer de mitmacht, is schlecht.–Ma hullt doch bloß all's aus'm Dreck raus. Unsereens muß jeden Dreck doch anfassen! Da heeßt's immer: gutt sein. Wie fängt ma's ock an? Aber nee, wo wern mir denn Frieden machen! Ufbegehrt ha ich, das is wahr. Nu ganz natierlich ooch! Ma will ebens aus dam Matsche rauskomm, wo mir alle uns rumbeißen tun mitsamm ... Raus! Fort! – Meinswegen ooch hicher nuff ... Is wahr, daß Se wolln vo hier fortziehn, Rauchhaupt?

Rauchhaupt. Frau Meestern, ick ha det in Sinne jehat. Warum, det weeß Dr. Boxer und ick. Er stöhnt tief auf. Et is nich alleene von die Jeschichte, det ick will näher bei Justaven sind, i nee! Mir is nich mehr wohl in die Jejend, mir sieht hier jetzt'n jeder so eijen an. Die Flasche ist aufgezogen, er hat zwei Gläser vollgeschenkt.

Frau Fielitz. Noch was! Was gehn uns die Leute an!

Rauchhaupt. Nee, nee! Wo eener so wat jemacht hat ... det is ooch ...! Wo eener so weit is jewest, det er sich – als Beamter! – 'n Strick hat jenomm und det er sich ... Meestern, ick weeß et nich! Ick weeß et nich, det ick det soll jemacht hebb'n! Aber losjeschnitten hebben se mir. Er trinkt.

Frau Fielitz. Is wirklich wahr, was ma dadrieber hören tut?

Rauchhaupt. Sehn S'et, et is mang de Leute jekomm. Und det ... als Beamter! – wo ick det betrachte, det wäscht mich keen Wind und keen Rejen nich ab. Er trinkt.

Frau Fielitz. Ich sprech', mir stoßen halt doch amal an! Ich tu' mich ooch nich um de Leute bekimmern, wenn Se aber mal verkoofen wolln – wer weeß! ... Ich wer mit Schmarowskin reden, am Ende täten Se einig werden.

Dr. Boxer, Ede und Leontine kommen.

Dr. Boxer. Das geht ja recht lustig hier zu, Frau Fielitz.

Frau Fielitz. Heute! Ganz ausnahmsweise! Jawoll!

Ede. Junge Frau! Wolln Se wat sehn, junge Frau? Meester Langheinrich tanzt uff de Frontspitze.

Frau Fielitz erhebt sich mit Anstrengung und blickt hinaus.

Leontine. Ick kann so wat jar nich sehn, Mama.

Ede. Laß er fallen! Der fällt uff de Füße. Der Meester is ooch all von't Katzenjeschlecht.

Dr. Boxer, humoristisch drohend und halblaut zu Rauchhaupt. Nich immer mir meine Patienten aufregen! Da kann ich ja doktern auf Deubel komm raus!

Frau Fielitz. I, luss'n S'en ganz geruhig, dan Mann! Ufgehetzt is er, ha'n de Leute. Der is suster der beste Mensch von der Welt.

Dr. Boxer. Na alsdann! Und sonst! Wie geht's uns, Frau Meistern?

Frau Fielitz. Ganz gutt. Ock ebens – zeigt auf die Brust – hier is was geknackst. Nu, wenn ooch! Amal muß a jeder abkratzen. Ich ha ja derwegen an Weile gelebt.

Dr. Boxer. Nicht so viel reden! Länger den Mund halten. Zu Rauchhaupt. Übrigens hab' ich'n Auftrag für Sie. Herr Schmarowski hat Sie hier reingehn sehn, und da hat er mich eben angehalten: Sie möchten doch dann zu dem Essen kommen!

Frau Fielitz. Rauchhaupt, nu freilich! Warum' denn nich?

Rauchhaupt. Ick will et ooch noch nich verreden, Frau Meestern.

Frau Fielitz. Und Sie, Herr Dokter?

Dr. Boxer, schnell. Gott bewahre! Ich nicht.

Frau Fielitz. Warum ni? Tun S'en etwa was nachtrag'n?

Dr. Boxer. Höchstens, daß er den Ort so verschandelt hat mit dieser elendigen fünfstöckigen Mietskaserne. Sonst – nachtragen? Nachtragen kann ich nicht. Aber sehn Sie: ich bin 'n verlorner Mann. Ich leugne ja nicht, daß die Chosen mir Spaß machen. Aber mittun – nee! Das lerne ich nicht. Ich gehe wahrscheinlich auch wieder fort.

Frau Fielitz. Und so ane scheene Praxis ufgeben?

Dr. Boxer. Seefahren! Das macht den Menschen gesund. Das ist die beste Praxis, Frau Fielitz, wenn einer sonst nicht sehr praktisch ist.

Frau Fielitz. Sie sein o ni praktisch!

Dr. Boxer. Das bin ich auch nicht. – Na, hörn Sie mal, wie sie da wieder Lärm machen! Vielstimmige Hochrufe. Wieder mal Riesenbegeisterung! Sie werden Schmarowski gleich auf den Schild heben. Eben war es schon nahe dran! Ein großes, begeistertes Durcheinander Hoch rufender Stimmen von außen. Na, sehn Sie wohl? So was erhebt doch das Herz!

Leontine. Mutter, seh doch mal, wen se dort hochheben! De Arbeeter heben een uff!

Frau Fielitz. Wen denn? Krampfhaft sich erhebend und hinausstarrend.

Leontine. Siehste nich, wer det is?

Rauchhaupt. Schmarowski.

Ede. Det is, wie't is. Ick ha dem Kerlchen nich riechen jemocht. Aber nu ... nee ... wo er vernünftig is und so for jesunde Ideen tut instehn: keene Willkür und Polizeijewalt, denn ... denn ... nu lass' ick ihm ooch mit hochleben all!

Dr. Boxer. Na, Ede! Aber natürlich! Gewiß!

Fielitz kommt sehr erregt herein.

Fielitz. Ick ... ick ... ick ... ick ... ick bin et jewesen! – Immer schreit ihr, schreit ihr! Dem heben se uff. Aber nee, so 'ne Reden halte ick nich! Charakter! Jewissen! Det is de Hauptsache. Jawoll! Ick habe bezahlt und jebaut. Aber wenn mir ooch Wehrhahn hat fallen jelassen – von jute Jesinnung lasse ick nich! Ordnung muß sind! Moral muß sind! Ick bleibe monarchisch bis uff de Knochen! Um diese Triumphe beneid' ick dir nich!

Dr. Boxer. Pst! Fielitz! Kommen Sie mal hier ans Licht! Ich will mir mal Ihre Augen betrachten. Bewegt sich denn Ihre Pupille nicht?!

Frau Fielitz atmet kurz und krampfhaft auf, wirft die Hände wie vor Freude in die Luft und ruft, halb selig, halb erschrocken ausatmend. Julian!!!

Leontine. Mama! Mama!

Ede. Die is injeschlafen.

Leontine, hilfesuchend zum Doktor. Mutter jreift ja so mit de Arme rum?

Dr. Boxer. Wer? Wo denn? Frau Fielitz?

Leontine. Sehn Se mal an!

Ede, lachend. Se will woll Spatzen fang'n in de Luft?

Dr. Boxer hat sich von Fielitz ab- und Frau Fielitz zugewandt.

Dr. Boxer. Frau Fielitz!

Fielitz geht anteillos im Hintergrunde erregt auf und ab. Rauchhaupt beobachtet gespannt die Vorgänge draußen durchs Fenster.

Leontine. Ick weeß nich, Mutter will jar nich antwort'n.

Rauchhaupt. Ick jloobe, die wolln woll jar rieberkomm!

Dr. Boxer. Was ist denn, Frau Fielitz? Was haben Sie denn? Was machen Sie denn immer so mit den Händen?

Frau Fielitz greift in eigentümlicher Weise mit beiden Händen hoch über sich. Ma langt ... Ma langt ... Ma langt immer so.

Dr. Boxer. Nach was denn?

Frau Fielitz, wie vorher. Ma langt ... ma langt nach was.

Die Arme fallen ihr herunter, sie schweigt.

Leontine, zu Dr. Boxer. Se schläft?

Dr. Boxer, ernst. Jawohl, sie ist eingeschlafen. Aber halten Sie jetzt mal die Leute zurück!

Rauchhaupt. Die janze Bande kommt rieberjetepst.

Dr. Boxer, heftig. Zurückhalten! Ede! Schleunigst zurückhalten! Ede ab.

Leontine. Herr Dokter, was is denn mit Mutter passiert?

Dr. Boxer. Ihre Mutter ist ...

Leontine. Wat denn?

Dr. Boxer, mit Betonung. ... ist eingeschlafen.

Leontine bekommt einen grauenvollen Gesichtsausdruck, will schreien; der Doktor packt sie energisch, hält ihr die Hand vor den Mund, und sie gewinnt Fassung. Herr Dokter, se hat doch noch eben jered't ...?

Dr. Boxer zieht Leontine sanft am Handgelenk näher mit der Linken und legt seine Rechte auf die Stirn der toten Fielitzen. Na gut! Von jetzt ab schweigt sie sich aus. Im Hintergrund steht Fielitz, ohne Interesse für den Vorgang, und betrachtet seine Augen scharf und vertieft in einem Handspiegel.


 << zurück