Gerhart Hauptmann
Kollege Crampton
Gerhart Hauptmann

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Zweiter Akt

Wie im ersten Akt. Cramptons Atelier. Es ist Nachmittagszeit. Max Strähler, begleitet von seinem Bruder Adolf Strähler, ist soeben von links eingetreten.

Adolf, ein etwa zweiunddreißigjähriger Lebemann, von gesundem Aussehen, mit einem Ansatz zum Embonpoint; er ist elegant, aber leger gekleidet. Na höre mal, wo du mich überall rumschleppst.

Max. Ich hab' dich wirklich nicht oft belästigt. Aber der Mann hat sich so liebenswürdig gegen mich benommen, daß es einfach deine verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist, ihm mit'n paar Worten zu danken. – Gelt, fein, Adolf? Da sieht man gleich, wes Geistes Kind er ist.

Adolf, sich umsehend. – Verrückt, Max.

Max. Verrückt? Wieso denn?

Adolf. Na, du, – auf das Skelett zeigend – der sanfte Heinrich da, mit dem Kalabreser auf der Glatze, das ist geschmacklos.

Max. Dein Geschmack ist so platt wie'n Achtgroschenstück.

Adolf. Kann sein, ich versteh's nich. Aber sieh mal, zum Beispiel – er tippt mit der Fußspitze auf das Tigerfell – was soll das nu hier? Das is doch nu keine feine Symbolik.

Max. Wieso denn Symbolik?

Adolf. Na, Königstiger . . .

Max. Ach du, du hast so'n wegwerfendes Wesen. Das ist Zynismus. Ihr seid alle ekelhaft zynisch, ihr Kaufleute. Das is förmlich 'n Standesmakel.

Adolf, unterdrückt herauslachend. Hoho, ausgezeichnet. Der Kerl ist rausgeschmissen, von der Akademie gejagt und redet von Standesmakel. O du Jammerhahn! O du trauriger Jammerhahn!

Max; der Professor öffnet die Tür, aus dem Aktsaal kommend. Hör auf, Adolf!

Adolf. O du Jammerhahn, du . . .

Max. Pst, pst!

Adolf. Achtung.

Crampton, im Frack und in Glanzlackschuhen, einen Orden im Knopfloch; er ist sehr beschäftigt und geht, einen zerstreuten Blick auf Adolf werfend, auf Max zu. Guten Tag, meine Herren! Was verschafft mir die Ehre? Überrascht. Guten Tag, lieber Strähler! Nun erkenne ich Sie erst.

Max. Sie gestatten, Herr Professor, daß ich Ihnen meinen Bruder vorstelle.

Crampton, zerstreut. Sie sind der Bruder; so, so. Freut mich sehr. Ungeduldig, fast unfreundlich abbrechend. Sie entschuldigen mich, lieber Strähler! Sie sehen, ich bin sehr beschäftigt. Nicht ohne Prahlerei. Seine Hoheit kann jeden Moment eintreffen. Leichthin. Seine Hoheit der Herzog Fritz August hat sich bei mir angemeldet.

Adolf. Herr Professor, es handelt sich auch nur um eine kurze Minute. Dieser Jüngling ist nämlich nicht nur mein Bruder, sondern auch mein Mündel.

Crampton, abwesend. Womit kann ich dienen?

Adolf. Er kommt und erzählt mir, man hätte ihn von der Akademie fortgejagt, nun da bin ich als Vormund . . .

Crampton, gereizt und händeringend. Ja, was denken Sie denn, was denken Sie denn?! Ich habe ja Ihrem Bruder schon lange Reden darüber gehalten. Soll ich Ihnen die Reden vielleicht noch mal vorsprechen?! Ich weiß sie nicht mehr. Ich hab' sie vergessen, auf Ehre. Ich habe Not, daß ich die paar Worte behalte, die ich mir für den Herzog zurechtgelegt habe.

Adolf, vergebens bemüht, den Ernst zu wahren. Verehrter Herr Professor, es handelt sich ja buchstäblich nur um zwei Worte.

Crampton, der sein Lächeln bemerkt hat, ohne ihn anzusehen. Mir ist das nicht lächerlich. Mir ist das durchaus nicht lächerlich. Die Mütter und Väter und Vormünder werden mich noch um den Verstand bringen. Da kommen die Leute und wollen, daß man ihnen weissagt. Ich logiere nicht auf dem Dreifuß. Ich bin keine Pythia. Ich weiß heute noch nicht, ob ich selbst Talent habe. Sie werden mir nächstens die Windeln ins Haus schleppen. Ich kann nicht aus Eingeweiden weissagen, verstanden?

Adolf. Aber, pardon! pardon!

Crampton. Kein Pardon, mein Lieber.

Adolf. Herr Professor, Sie verkennen mich. Ich hatte nur die Absicht, Ihnen meinen noch ganz besonderen Dank . . . Es gibt so gewisse Momente, wie Ihnen vielleicht bekannt ist . . . nämlich . . . Bevor mein Bruder gestern zu Ihnen ging, war ich einigermaßen besorgt um ihn. Nun hat Ihr Zuspruch ihn so aufgerichtet . . . Darüber freute ich mich herzlich, und nun wollte ich ganz einfach dem Manne meinen Dank sagen.

Crampton. Ach, daher bläst der Wind. Ja so, lieber Strähler! Im Vorbeigehen Maxens Schulter berührend. Nun das freut mich, mein Junge, wenn's dir geholfen hat. Zu Adolf. Ja sehn Sie, mein Lieber, Sie sagten Vormund. Sie brauchen bloß wieder Vormund sagen, und ich verliere sofort nochmals die Besinnung.

Adolf, lachend. Ich werde mich schön in acht nehmen.

Crampton, ebenfalls lachend. Ja, lieber Herr, daß Sie diesen Tusch unschuldigerweise . . .

Adolf. Er war gewiß für den Herzog bestimmt, Herr Professor!

Crampton. Sehr gut, sehr gut!

Adolf. Ich störe nun nicht länger.

Crampton. Aber bleiben Sie doch, bleiben Sie doch! Er sieht nach der Uhr. Der Herzog beeilt sich nicht.

Adolf. Aber ich muß mich leider beeilen. Verbeugt sich. Empfehle mich, Herr Professor!

Crampton, mit der Hand flüchtig winkend. Adieu denn, adieu denn! Besuchen Sie mich doch gelegentlich, ich werde mich freuen. Und Sie, lieber Strähler, Sie könnten mir gleich noch etwas behilflich sein?!

Adolf. Bleib nur getrost, ich finde nach Hause. Ab.

Kleine Pause.

Crampton. Zunächst, lieber Strähler, wie sitzt mir der Frack?

Max. Sehr gut, Herr Professor!

Crampton. Nicht wahr, vorzüglich. – Und nun halten Sie mal die Tür zu. Er geht nach der Flasche, gießt ein, usw. Ich habe immer etwas vorrätig; ich muß mir immer eine kleine Herzstärkung im Hause halten, – trinkt – und besonders für solche Gelegenheiten. Ich muß heute meine fünf Sinne beisammenhaben, lieber Strähler. Sie wundern sich vielleicht über meine Aufregung. Aber für mich bringt der heutige Tag gewissermaßen eine Entscheidung. Ich werde Ihnen das später bei Gelegenheit mal erzählen. Übrigens, wenn Sie später mal heiraten sollten – aber tun Sie's lieber nicht, Sie haben das gar nicht nötig; denn wenn ein Künstler das tut, so setzt er alles auf eine Karte und verliert meistens alles, auch seine Kunst, bevor er dreie gezählt hat. – Aber wenn Sie doch mal heiraten, dann – machen Sie sich von vornherein ein festes Taschengeld aus, mein Lieber. Es klopft, er schreit. Herein! Herein!

Professor Kircheisen und Architekt Milius, befrackt, kommen herein.

Crampton. Servus, servus, meine Herren! Hoheit noch nicht in Sicht? Nehmen Sie Platz, meine Herren.

Kircheisen, hübscher Mann in den fünfziger Jahren, mit dünnen Künstlerlocken und langem Barbarossabart. Er ist fahrig und erregt und lacht fortwährend nervös. Hi, hi! Mir gribbelt's in mein'n ganzen Körper förmlich wie Ameisen. Hi, hi! Weiß Gottchen, ich gann mich nich setzen, Kollege Crampton!

Milius, fünfunddreißigjährig, verfettet, kurzatmig, deshalb in Absätzen redend; lachend. Gottvoll! Der Direktor reibt sich auf im Dienste der Kunst. Er ist vor lauter Eifer die Treppe runtergefallen. Ich glaube, er hat sich die Nase zerschunden. Die Frau vom Pedell wischt das Blut von der Treppe.

Kircheisen, lachend. Ach Gottchen! Gottchen! 's gibt'n Malheur. Hi, hi! Wenn er nun vor dem Herzog steht und es tropft. Und es tropft, meine Herren, ihm das Blut von der Nase . . . Alle lachen. Und es tropft, meine Herren . . .

Crampton, mit Ernst erzählend. Von Rauch die Geschichte kennen Sie doch. Dem tropfte mal was auf 'ne Marmorbüste. Was? Lieber Gott ja, der Meister schnupfte. Sie wissen doch, was der Mann da gemacht? Die Kunst ist das Höchste, verstehen Sie wohl. Er wollte die Büste sich nicht verderben. Da hat er es mit der Zunge entfernt. Kircheisen und Milius lachen heraus. Mein Gott, ich finde das sehr natürlich. Er reicht Zigaretten herum. Bringen Sie mal Feuer, lieber Strähler! Strähler wird von den Lehrern mit Befremden bemerkt. Strähler ist mein Privatschüler. In meinem Privatatelier bin ich mein eigner Herr. Ich bin überhaupt nun entschlossen, dem Direktor mal gründlich die Zähne zu zeigen. Ich lasse mir nicht mehr meine besten Talente aus den Händen drehen. Überhaupt, meine Herren, wir sollten zusammenhalten. Wir vorgeschrittnen Elemente sollten zusammenhalten. Wissen Sie, meine Herren, ich hab' eine Idee. Wir sollten einen Sankt-Lukas-Klub gründen. Kollege Weingärtner, Kollege Milius, du, Kircheisen, und ich zunächst mal. Als kompakte Masse, meine Herren, werden wir der Gegenpartei bald genug Respekt einflößen, diesen Herren Müller und Schulze und Krause und Nagel und wie die schönen Krähwinkler Berühmtheiten sich sonst zu nennen belieben. Überhaupt, meine Herren, wir wollen in dieses Nest doch endlich mal bißchen Leben und Zug bringen. Wenn wir nur wollen, so können wir das Nest zur Kunststadt ersten Ranges machen. Wissen Sie, da fällt mir ein, ich werde mit dem Herzog darauf zu sprechen kommen.

Milius, dem Professor die Hand auf die Schulter legend. Professor, hören Sie mal, der Herzog kommt gewiß noch nicht gleich. Der Mann ist draußen . . . Sie wissen ja, den ich hergebracht habe. Er möchte doch gerne mal das Schild sehen. Darf er?

Crampton, mit gelinder Verstimmung, leichthin. Mag er es ansehen, lieber Milius. Mag er sich's ansehen, dort drüben steht es.

Milius ruft zur Tür hinaus. Herr Feist, Herr Feist! Ich bitte sehr, Herr Feist!

Feist, Äußeres eines wohlhabenden Restaurateurs; springt an wie ein Kellner. Zu dienen, zu dienen.

Milius, vorstellend. Professor Crampton – Herr Feist. Crampton beachtet ihn kaum, dreht sich eine Zigarette. Milius wird nervös und verlegen, der Restaurateur noch viel mehr. Milius führt ihn vor das Schild und deckt es auf. Crampton spricht leise und belustigt mit Professor Kircheisen.

Milius zu Feist. Gefällt es Ihnen?

Feist, nun mit der Anmaßung des Bestellers. Ja wissen Se, es is ja ganz hibsch, aber ich hatt' mirsch e bissel anders gedacht. Hier hatt' ich mir gedacht so'n richt'gen dicken Gambrinus und hier so 'ne richt'ge große Kruke, wo der Schaum so runterkleckt, und hier dacht' ich mir halt solche richt'ge kleene Engel, die de so mit Weinflaschen hantieren . . .

Crampton, zu den Professoren. Furchtbar komischer Kerl! Mit plötzlicher Wut. Malen Sie sich Ihre Schilder alleine! Wenn Sie's so genau wissen, wie's gemacht wird, was belästigen Sie denn andere Leute! Es ist eine Zumutung, es ist eine unverschämte Zumutung!

Milius. Aber, Kollege Crampton, der Herr hat sich wirklich nicht das mindeste zuschulden kommen lassen, was Sie berechtigte . . .

Crampton. Mir gleichgültig, mir völlig gleichgültig. Es ist eine Zumutung! Ich bin ein Künstler! Ich bin kein Anstreicher!

Feist, sich zurückziehend. O bitte – o bitte – empfehle mich!

Milius, ihn hinausbegleitend. Ich bedaure sehr, Herr Feist . . .

Beide ab.

Crampton. Was dieser Milius, dieser Architekt, sich wohl einbildet, meine Herren? Schleppt mir seine Kunden auf den Hals, mutet mir zu . . .

Janetzki, schwarzer Anzug, gestrickte weiße Handschuhe; guckt in höchster Aufregung zur Türe herein. Herr Professor, Herr Professor Kircheisen! Herzog ist unten in Bildhauerklasse.

Kircheisen. Was tausend! Janetzki . . . Springt auf. Ab.

Crampton ruft in den Aktsaal. Der Herzog kommt. Gertrud tritt ein, sehr bleich, verweint. Gertrud, der Herzog kommt jeden Augenblick. Er ist schon unten bei Kircheisen. Bleib nur hier, bleib nur ruhig hier, Kind. Ich werde dich Seiner Hoheit vorstellen. Wenn sich Gelegenheit findet, werde ich Sie auch vorstellen, lieber Strähler. Warum denn nicht, Sie machen ja eine ganz gute Figur. Greift mal meine Hand an, Kinder. Vor Erregung zitternd. Vorhin war ich aufgeregt, jetzt bin ich ruhig. So geht mir's immer. Je näher der wichtige Moment, je gelassener bin ich. Er reibt sich die Hände. Kinder, ich freue mich, den alten Dachs mal wiederzusehen! Er ruft in den Aktsaal. Kommen Sie mal rein, meine Herren, ich habe noch etwas mit Ihnen zu reden. Etwa zwanzig Akademiker von achtzehn bis dreißig Jahren strömen herein. Meine Herren! Seine Hoheit der Herzog Fritz August erweist mir die Ehre seines Besuches. Diese Auszeichnung trifft nicht nur mich, sondern meine ganze Klasse. Ich darf wohl voraussetzen, daß unter Ihnen keiner ist, der diese Ehre nicht zu würdigen versteht. Es ist nicht ausgeschlossen, daß ich Sie, falls sich Gelegenheit bietet, zu einem Hoch auf Seine Hoheit auffordern werde. Sollte nun jemand zugegen sein, mit dessen Anschauungen sich ein Hoch auf Seine Hoheit nicht verträgt, den ersuche ich hiermit, lieber jetzt gleich stillschweigend das Lokal zu verlassen. Und nun machen Sie's gut.

Alle durcheinander. Jawohl, Herr Professor! Lachend, witzelnd, redend entfernt sich der Schwarm wieder in den Aktsaal.

Crampton, ihnen nachlaufend und zugleich rufend. Meine Herren! noch einen wesentlichen Punkt, einen wesentlichen Punkt, meine Herren! Ab in den Aktsaal.

Gertrud, verzweifelt, krampfhaft und sich überhastend. Herr Strähler, Herr Strähler! Es ist ja furchtbar. Papa ist ahnungslos. Es ist ja furchtbar. Er wird es nicht überleben, es ist zu namenlos.

Max. Aber Fräulein, Fräulein! Was ist denn geschehen?

Gertrud. Sie lieben Papa, ich weiß es, Herr Strähler! Nun, ich bitte Sie innig, nehmen Sie sich seiner an. Er hat ja sonst niemand, niemand. Sie ringt die Hände.

Max. Mein Wort darauf, Fräulein! Aber darf ich nicht wissen . . .

Gertrud. Die Schande, die Schande, das ist ja das schlimmste. – Erst heute früh kam ein Brief an Mama. Ein Brief vom Direktor, worin er ihr schreibt, Papa würde morgen wahrscheinlich seines Amtes enthoben werden. Sie möge nur Papa beizeiten darauf vorbereiten. Nun ist sie aber fort, wo hätte sie denn auch bleiben sollen?! Zu Hause ist heute alles versiegelt worden. Unsere ganze Wohnung ist vom Hauswirt mit Beschlag belegt. Und hier, schreibt der Direktor, würde es heut oder morgen ebenso gehen. Ach, mein Papa ist ein Bettler! Mein Papa ist ein armer, hilfloser Bettler! Sie schluchzt.

Max, aufs tiefste erschüttert. Sie sehen zu schwarz, ach, Sie sehen zu schwarz!

Janetzki kommt. Wo ist Professor?

Crampton kommt zurück. Hier bin ich, Janetzki. Wo bleibt denn der Herzog?

Janetzki, grinsend. Herzog, Herr Professor? Herzog ist abgefahren.

Crampton. Ach was, ich meine den Herzog, Janetzki. Der Herzog ist doch eben gekommen.

Janetzki. Nun gut. Hat besucht Professor Kircheisen und ist abgefahren.

Gertrud, den Professor, der blöd vor sich hinstiert, umhalsend. Ach, goldenes Papachen! So nimm dir doch das nicht zu Herzen so . . .

Crampton. So laß doch, liebes Kind, laß doch, laß doch . . . Was soll ich mir denn zu Herzen nehmen? Plötzlich in Wut und Schmerz hervorbrechend. Was? Wie? Was? Der Herzog besucht mich nicht? Der Herzog ist fort? Der Herzog ist nicht bei mir gewesen? Bin ich denn ein Hund, wie? Bin ich denn ein räudiger Hund, wie? Was? Er lacht wild heraus.

Gertrud, ihn umhalsend, mit ahnender Angst. Ach, liebes Papachen! Ach, süßes Papachen!

Crampton. Ach was, laß mich zufrieden. Das ist ein Komplott. Das sind meine Feinde, meine Neider. Das sind meine Verleumder gewesen. Oh, ich bin nicht so dumm, ich bin nicht so dumm! Ich weiß schon, wer mich beim Herzog angeschwärzt hat. Ich kenne den Mann. Laß gut sein, laß gut sein! Den Mann kauf ich mir schon. Sei du ganz ruhig, der lernt mich kennen. Mehrere Schüler kommen herein aus dem Aktsaal. Crampton schreit sie an. Was wollen Sie hier? Hier ist nicht Ihr Platz. Klopfen Sie an, wenn Sie hereinwollen.

Erster Schüler. Wir haben geklopft, es hörte uns niemand.

Crampton. Wenn niemand antwortet, bleiben Sie draußen. Noch bin ich hier erste Person. Noch ist das mein Raum, mein Studio, verstanden? Und ich kann rauswerfen, wen ich will. Ich könnte sogar den Janetzki rauswerfen. Aber ich will es noch nicht. Was wollen Sie denn?

Zweiter Schüler. Wir sollten nur fragen, ob der Herzog noch kommen wird?

Crampton. Was geht mich der Herzog an, was geht Sie der Herzog an?

Zweiter Schüler. Herr Professor! es ist fünf, und wir möchten nach Hause gehen.

Crampton. So scheren Sie sich fort, auf was warten Sie denn? Die Schüler ab. Crampton, ohne Janetzki anzusehen. Was grinst denn der Kerl? Ich wünsche, daß sich der Lump entfernt. Entweder der Lump entfernt sich, – er legt in höchster Wut, immer ohne Janetzki anzuschauen, die Hände um eine Bronzestatuette – oder er trägt die Folgen. Janetzki entfernt sich. So, raus, fort mit Schaden. Ihr sollt mich kennenlernen, Bande, Bande! Nun kommt, Kinder, kommt. Zieht euch an. Wollen gehn. Den Wisch laßt liegen. Ich weiß schon, was drin steht. Ich verzichte, ich verzichte. Ich geh' schon freiwillig. Ich geh' schon. Er macht Miene zu gehen, sinkt aber plötzlich erschöpft und schluchzend und weinend wie ein Kind auf den Diwan nieder.

Gertrud kniet, ebenfalls schluchzend, an der Seite des Alten nieder. Mein Herzenspapachen, mein Herzenspapachen! Ach mein armes, armes Herzenspapachen!

Max, dabeistehend. Der arme Mann, der arme, arme Mann. – Herr Professor! Fräulein Gertrud! Haben Sie doch Mut, bieten Sie doch den Verhältnissen Trotz. Was haben Sie denn zu mir gesagt, Herr Professor: Brust raus, Kopf hoch, und wenn der Teufel und seine Großmutter einem in den Weg tritt, haben Sie mir gesagt . . .

Crampton, sich aufrechtsetzend, erschöpft und mit schwacher Stimme. Liebe Kinder, – lieber Strähler – lieber Freund. Ich weiß, daß Sie mein Freund sind. Ich scheue mich jetzt auch vor niemand mehr, es einzugestehen. Es hilft nun doch nichts mehr. Um mich ist es sehr schlecht bestellt. Es steht miserabel um mich. Wenn mir jetzt einer einen Gefallen tun wollte – aber Sie sehen nicht danach aus, lieber Freund. Gertrud, ich muß dir nun ein Geständnis machen. Wenn dir jemand in Zukunft sagt: ehre Vater und Mutter, so sag' ich dir, dein Papa ist keiner Ehre wert. Dein Papa hat euch alle und sich selbst an den Rand des Abgrunds gebracht.

Gertrud. Aber, lieber Papa, du mußt nicht so sprechen, du mußt nicht so dumpf, nicht so verzweifelt vor dich hinstarren. Du mußt Mut fassen, du mußt . . .

Crampton, erschöpft. Jetzt ist es vorbei, jetzt ist es zu Ende, unwiderruflich – vor einer halben Stunde noch hatte ich Hoffnung. Ich wollte dem Herzog meine Lage vorstellen. Ich wollte ihn ja nicht anbetteln. Ich dachte mir nur . . . vielleicht das Bildchen, oder so etwas . . . Ach Kinder, Kinder! machen wir ein Ende. Löffler kommt. Ach, da ist Löffler. Willkommen, mein Lieber! Wir gehen zusammen, wir gehen zusammen!

Gertrud, voller Angst wiederum ihn umhalsend. Papachen, Papachen! wo willst du denn hingehen? So nimm mich doch mit, ich bleibe ja bei dir.

Crampton. Nach Hause, nach Hause. Geh du nur nach Hause!

Gertrud. Ach, Mama ist ja fort, und die Schwestern sind fort.

Crampton. So geh du auch fort. Was bist du denn hier? Den Mantel, Löffler, mein Hut, mein Halstuch. Während Löffler ihm den Radmantel umhängt. Ha, ha! Die Mama, die hat sich davongemacht Die ist mir die Rechte. Die Weiber, die Weiber! – Nun ernstlich, Gertrud, du mußt der Mama nach. Zu Strähler. Eine letzte Bitte, die erste und letzte. Meine Schwiegereltern sind reiche Leute. Thüringischer Adel. Dort soll das Kind hinreisen, und wenn ihr das Geld fehlt . . . Er ergreift und schüttelt Strählers Hand, in dessen Blick ein bindendes Versprechen zu lesen ist. Ich bin Ihr Schuldner. Nun leb mir recht wohl, Kind. Leb gut mit deiner Mama, stelle dich gut zu Freiherrlichen Gnaden, deinem Großpapa. Dann wirst du wenigstens zu essen und zu trinken haben.

Gertrud, ihn umhalsend, schluchzt. Papachen, ich kann nicht.

Crampton, sich sanft losmachend. Du wirst es vergessen. Du wirst es verwinden. Auf die Tür zuschreitend, leicht mit der Hand winkend. Lebt wohl miteinander! Lebt wohl miteinander! Er faßt Löffler unter.

Gertrud. Papa, ich geh' mit dir.

Crampton, wütend aufstampfend. Willst du Spießruten laufen? Ab mit Löffler.


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