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Zweiter Aufzug

Erste Szene

In Sigwins Hause. Es ist Abend und wird im Verlaufe der Handlung immer dunkler. Severus und Siegtraut, am Kamin sitzend, plaudern miteinander.

Siegtraut

Nun aber sollst du mir von Rom erzählen,
vom großen Kaiser. Doch viel mehr von dir;
man sagt, du seist ein Dichter.

Severus

Ja, man sagt,
doch glaub' ich fast, mit Unrecht. Heißt es nicht,
der Sang der Liebe, von ihr selbst beflügelt,
das sei der glühndste? Und doch, Siegtraut –
ich liebe dich, und da ich's tue, schwinden
vom Übermaß der Liebe mir die Worte.
Unwürdig schien es mir, ein schwächlich Lallen,
wollt' ich jetzt singen.

Siegtraut

indem sie ihren Arm um Severus legt, schelmisch

Nein, du liebst mich nicht.
Ich weiß es wohl.

Sich an ihn schmiegend, wehmütig

War' ich 'ne Römerin,
o holder, trauter Freund – wär' ich dein Weib.

Aufhorchend

Horch – ist's der Wind, der durch die Blätter zieht?
Träf uns der Vater hier, es wär' mein Tod.

Pause.
Wieder beruhigt

O holder, holder Mann – sie sagten mir,
der Römer ist 'ne Bestie, wild und grausam,
ja, ja, sie gaben euch auch was vom Luchs,
die Tücke, und sie sagten, ihr seid falsch
und treulos. Ach! du, du und treulos – kommt
und hört dies Herz, wie's schlägt und pocht, so treu,
so warm, so wonnig. – Laß mich fühlen, Lieber,
und dann, sei mir nicht bös, nur einmal leicht
hingleiten über deine Züge mit
der flachen Hand.

Sie tut es

So, so, nun ist's genug.

Severus

Holdsel'ges Kind.

Siegtraut

Holdselig? Nein, Sever.
Ich bin ja blind, mir fehlt, was an euch Menschen
das Schönste sein soll. – Ist's mir auch ein Rätsel,
so glaub' ich's doch, denn alle, alle sagen's.

Severus

O wären alle blind wie du, mein Kind,
und hätten dafür solchen Glanz im Innern,
solch reiches Herz, das Paradiese schafft,
wir würden nichts vermissen, 's ist gefährlich,
ein Auge haben. Wer am besten sieht,
ist oft am schlechtsten dran, mein trautes Kind.
Da gibt es Menschen, die mit Adlerblicken
ausgreifen in die Zukunft, und sie rufen
den andren zu: »Schaut, wie das Unheil droht,
dort, dort.« – »Wir sehen's nicht.« – »Ihr blöden Toren!«
gibt er zurück. Sie aber rufen wild:
»Reißt ihm die Augen aus für seine Sehkraft,
reißt ihm die Augen aus!« – Dann gibt es andere,
bei denen wird das Herz vom Blick getötet,
sie schauen, schauen und begnügen sich,
den einen Sinn zu sättigen. – Da ist
die Sehkraft Räuberin. Gleich einem Wolf
verschlingt sie das Gefühl, reißt ohn' Erbarmen
herab jedwede andre Regung. Ewig
ganz saugend, ganz verschlingend, was sich beut. –
Dann gibt es andere, deren Auge mißt
aufs Tausendstel die Länge der Natur:
»So lang und so. In soviel Jahren, so.
Dies weicht von jenem ab, und dies von dem.«
Gefährlich ist's, ein solches Handwerk treiben,
denn wie beim andern leidet oft das Herz. –
Der letzte, den ich nenne, ist der Dichter,
ihm ist der Blick ein Diener des Gemüts,
ein Freund des Herzens. – Was der Blick erhascht,
das trägt er vor das lebenswarme Herz,
das liebewarme Herz. Dies aber leitet
des Dichters Tun. Wer solchen Blick besitzt,
der ist ein Dichter, ob er gleich nicht dichte,
der ist ein Sänger, ob er gleich nicht singt,
doch ward ihm noch zu allem der Gesang,
so lehrt er andere lesen, wie er sieht.

Siegtraut

O könnt' ich ewig deinen Worten lauschen,
von deinem Munde trinken Hauch um Hauch,
an deinem Herzen liegen, so wie jetzt!

Severus

Die Welt ist rauh, du bist für diesen Garten
zu weich, zu lieblich. Wo nur Eichen sind,
verwelkt das Röslein.

Siegtraut

innig, sinnig

Da, da kam der Sänger
und pflückt' das kranke Röslein mild vom Strauch,
küßt' es gesund und steckt' es an die Brust.
Dort blüht' es auf, von seinem Sang durchdrungen,
der Lebensduft ihm war. Dort blüht' es auf
und dehnte seine Blättchen, wonnig, selig,
trieb Zweige, Knospen.

Verlegen

Nein, das nicht, Sever,
das ist ja töricht.

Zweite Szene

Durch die Türe im Hintergrunde tritt Osmundis ein, sie trägt den Jagdspeer in der Hand und hat eine erlegte Rehgeiß über die Schulter geworfen. Sobald sie Severus bei Siegtraut erblickt, bleibt sie, wie vom Donner gerührt, stehn. Die heftigsten, widerstreitendsten Leidenschaften malen sich in ihrem Gesichte. Die äußerste Selbstbeherrschung macht es ihr möglich, sich still zu verhalten und unbemerkt zu bleiben.

Siegtraut

plötzlich ängstlich werdend

Doch – brich auf, mein Freund,
mir bangt um dich.

Severus

Was ficht dich an, mein Lieb?

Siegtraut

aufstehend und Severus rechts nach der Tür im Vordergrunde geleitend

Nein, geh, ich bitt' dich – und – auf morgen nacht.
Noch diesen letzten Kuß. – Jetzt geh!

Severus

Nein, Siegtraut,
das Röslein kränkelt noch. Zwing deine Wehmut,
sei fröhlich, laß uns hoffen.

Siegtraut

wehmütig für sich

Könnt' ich hoffen,

Sever schluchzend umarmend

o könnt' ich hoffen.

Severus

Muß ich wirklich fort?

Siegtraut

Ja, ja, du mußt, würd' ich's sonst sagen, Böser?

Siegtraut und Sever ab.

Dritte Szene

Osmundis

indem sie die Rehgeiß auf die Erde schleudert und vorwärts stürmt, spricht sie

Ha, ha! Das ist's ja, was den Römer macht,
Mitleid der Taube heucheln, die er tötet,
kann nur ein Römer. – War's nicht was wie Achtung,
das meiner Brust entkeimt', als ich ihn sah?
War's etwas anderes? Nun einerlei,
es ist nicht mehr.

Vierte Szene

Siegtraut kommt zurück.

Osmundis

für sich

Ah, die schöne Siegtraut!

Siegtraut

Es ist mir weh ums Herz und kalt und düster,
wenn er nicht bei mir weilt. – War es mir nicht,
als würd' ich sehend, wie er zu mir sprach,
und jetzt ist's wieder Nacht.

Osmundis

hart und rauh

Und wen beweinst du;

Siegtraut

verwirrt

Wer ist – wer bist du?

Osmundis

wie oben

Kennt mich Siegtraut nicht

Siegtraut

wie oben

Ich war – ich bin – mit einem Wort, Osmundis,
was du auch sahst, verrat es nicht.

Osmundis

treuherzig

Gewiß nicht.

Siegtraut

wie oben

Ich würde sterben, wenn man mich verriete,
ich werde sterben! – Nein, du bist ja edel,
bist treu und liebreich. Willst du mich verraten?
Sag's frei heraus, daß ich mich eh vernichte.
Mein Vater, o mein Vater!

Osmundis

Jetzo weinst du?
Und mit dem Römer, Kind, hast du gelacht.
So lach auch jetzt, sei denn zum mindsten mutig,
und füge zu der Schande nicht die Feigheit.

Siegtraut

Sprichst du von Schande?

Osmundis

Freilich tat ich das,
und wohl mit Recht.

Siegtraut

Osmundis, mir von Schande

Osmundis

begütigend

Sieh, du bist blind, ich sehend. Du bist schwach
wie Schilf im Rheine, ich bin wie die Eiche.
Was dir verziehen wird,

Finster

bringt mir den Tod.

Siegtraut

O Hirtin, wüßtest du, was Liebe heißt!

Osmundis

stockend

Das ist nun freilich allverlorne Mühe.
Die Liebe kenn' ich nicht, von der du fabelst,
und was du liebst, das lehrt Gerechtigkeit
mich hassen.

Siegtraut

Hassen? – Ihn, Osmundis, hassen?

Osmundis

Ihn nicht besonders, alle Römer hass' ich.

Siegtraut

Warum? Sind alle Römer so wie er?

Osmundis

glühend

Er so wie alle. Kind, er so wie alle.
Ich hab's gesagt und will's beschwören, Siegtraut.

Siegtraut

innig

Er spricht so lieb, so gut.

Osmundis

wild einfallend

So glatt, so fein,
so leicht, so fließend, ah! ich glaub's dir wohl,
die Römer sprechen gut – doch handeln schlecht;

Eindringlich

sie handeln schlecht, drum warn' ich dich vor ihnen.

Siegtraut

entrüstet

Osmundis, hör mich an, viel schuld' ich dir,
wenn du verschweigst, was Zufall dir entdeckte;
doch schmähst du ihn und glaubst, ich bleibe ruhig,
nur weil ich jetzt in deinen Händen bin,
so ist es Täuschung.

Begeistert

Mehr als töten, Hirtin,
kann man mich nicht, und eher will ich sterben,
als, seine Schmach zu rächen, machtlos sein.
Sever ist gut, nicht tückisch, rein, nicht schmutzig,
edel und nicht gemein, wahr und nicht falsch.

Osmundis

barsch ihre Hand ergreifend

Nicht trotzen, Kind.

Kalt

Denkst du so von Osmundis?

Gelassen, aber während des Sprechens immer leidenschaftlicher werdend

Es ist zwar nicht gemäß dem deutschen Blut,
daß du den Römer liebst, doch bleibt's dabei,
du liebst ihn, und ich weiß, Macht hat die Liebe
noch über stärkre Herzen als das deine.
Liebt dich der Römer wieder, wie du ihn,
mehr wie sein Vaterland,

Grimmig

wie du es tust,
er mag's beweisen. Wenn er's denn bewies,
sei du sein Weib! – Indes entlarv' ich ihn
auf Schlangenwegen, die im Dickicht sich
hinschleichen, unter Rosenhecken sich
verlaufen, deren Ziel die Unschuld ist,
dann mag er ächzen unter meinem Speer,
mag er sich krümmen unter meinem Tritt,

Mit dem Speerschaft auf die Erde stampfend

so Loke drunten mich vernimmt, ich schwör's.

Siegtraut

sie beruhigend

Osmundis!

Osmundis

verächtlich

Doch das andre, der Verrat,
steht mir so fern wie Strohtod. – Sei zufrieden,

Jedes Wort betonend

nun, Närrin, blinde Närrin, sei zufrieden.
Verfällt in dumpfes Brüten.

Siegtraut

zaghaft

Was willst du tun?

Osmundis

auffahrend

Ich nichts, du alles, Kind.

Stockend und die Wirkung jedes Wortes in den Zügen Siegtrauts verfolgend

Frag ihn, ob er dich mehr liebt als den Varus.

Siegtraut

erstaunt, eifrig

Mich? O ihr Götter, tausendmal so heiß –
wenn anders er den Varus liebt.

Osmundis

bedeutsam

Frag ihn!
Und wenn er schwört, du seist unendlich mehr
ihm wert als Wasser selbst und Luft und Leben …

Siegtraut

zuversichtlich einfallend

Er wird's beschwören.

Osmundis

bitter

Nun, so glaub ihm nicht.

Siegtraut

außer sich

Grausame Frevlerin!

Osmundis

energisch

So glaub ihm nicht!

Siegtraut

eingeschüchtert, in Tränen

O Hirtin, wüßtest du, was Liebe heißt.

Osmundis

hart, ingrimmig

Liebe? Das heißt ein Volk mit Ruten peitschen,
ein freies Volk mit Ruten! Liebe heißt
aus Liebe Liebe heucheln! Liebe heißt
ausraufen Saat und Ernte, goldne Ähren
zertreten, Unkraut säen statt des Weizens.
Kind, Liebe heißt den Feind in Ketten spotten,
zur Schlachtbank führen, so als ging's zum Brautbett,
die blinde Unschuld.

Höhnisch

O glaub ihm, glaub ihm,
wir glauben auch den Römern, die uns knechten.

Sich unterbrechend

Wir müssen's glauben, wenn wir gleich nicht wollten,

Sich schnell zum Gehen anschickend

drum lebe wohl!

Siegtraut

ihr nachwankend, mit bebender Stimme

Osmundis, bleib, o bleibe!

Osmundis

sich nach ihr umwendend, gleichgültig

Was soll ich noch, da liegt 'ne Rehgeiß, Kind.
Traun, Sigwins Mahl ist kärglich oft bestellt,
gestern erlegt' ich sie für ihn.

Treuherzig

Grüß ihn,
den alten, treuen, biedern deutschen Mann,
und meinen Handschlag bring ihm. Lebe wohl.

Siegtraut

wie vorher

Bleib, nenne mir den Probstein seiner Ehre.

Osmundis

die schon in der Türe steht, wendet sich abermals und spricht mit Überwindung

»Töte den Varus!« sollst du zu ihm sagen.

Siegtraut

»Töte den Varus!«?

Osmundis

zurückkommend und ganz nahe zu Siegtraut tretend, fieberhaft

Da wird er erbleichen
und knirschen wie ein rings umstellter Eber,
wie ein gefangner Tiger, der Gazellen
um seinen Käfig hüpfen sieht, ohnmächtig
wütend ins Eisen schlägt den scharfen Zahn. –
Was kann, was wird er tun? Dich fangen, dich
den Henkern überliefern, dann noch einmal,
im Kerker, Freiheit dir versprechen für
das Opfer deiner Ehre. Hat er sie
und stehst du nackt und bloß, der Ehre bar,
des Mitleids bar, der Schande übervoll,
was tut er dann? Er lacht und sagt: Nun stirb!
Doch bleibst du fest, so stirbst du freilich auch,
doch deine Ehre lebt mit seiner Schande,
und seine Ehre starb mit deiner Schande. –
Germanin, zittre nicht, wach auf, wach auf,
presse des Herzens weiche Regung nieder:
die Ehre will's, ich um der Ehre willen.
Wirf nicht dein reines Herz den Geiern vor,
eher vergrab es selbst! Verwische selbst
den Glanz des Goldes, eh es Staub besudelt!
Vergrab es ewig, hemm des Blutes Lauf,
eh es den schlamm'gen, eklen Weg durchrieselt,
nach dem es rast und drängt! Eh hemm es selbst!

Siegtraut

leise zitternd

Und tötet er den Varus, was ist dann?

Osmundis

verlegen

Dann – dann ist Varus tot.

Siegtraut

Wird er dann mein?

Osmundis

Severus meinst du, Kind? – Dann freilich ja.

Siegtraut

Nein, nein, das soll er nicht, das soll er nicht!
Du eisern Herz! – So ist denn alles hin?

Osmundis

»Töte den Varus!« sage zu ihm, Kind.

Stimmengewirr von außen.

Nichts weiter, still. Man kommt.

Zu Siegtraut

Raff dich, raff dich.

Siegtraut

horchend

Dein Vater.

Osmundis

Ja, der Meister Schmied, er ist's,
mit Sigwin im Gespräch.

Finster werdend, gedehnt

Und Flavus auch,
des Römlings Hermann Bruder, um deswillen
bin ich ihm unhold. – Sei gefaßt, Siegtraut,
und wahre dein Geheimnis.

Fünfte Szene

Sigwin, Eber der Schmied, Flavus, Kaltwald treten auf, im Gespräch miteinander.

Sigwin

Nun, so sei es
zur Sonnenwende.

Zu Siegtraut

Wodan schütze dich,
mein Kind.

Osmundis bemerkend

Osmundis?! Meister Schmied, seht her.

Auf das Wildpret deutend

Ihr habt 'ne brave Tochter.

Eber

Nun, ich mein'.
Freia mit dir, Osmundis.

Eber

zu Sigwin

Höre, Alter,
auf Sonnenwend' mag deine Siegtraut nur
herüberkommen in mein Haus.

Sigwin

Gewiß,
es wird spät werden, bis wir wiederkehren.

Eber

So mögt ihr beide euch die Zeit vertreiben.
Wir haben Arbeit, schwere, heil'ge Arbeit.
Die Nacht, die auf die Sonnenwende folgt,
gibt's viel zu tun im freien Wald.

Zu Osmundis

Jetzt geh,
Osmundis. Schür das Feuer an daheim,
bereite mir die Mahlzeit, eh ich komme.

Sigwin

zu Siegtraut

Und du geh nach der Kammer, leg dich nieder,
's ist Mitternacht.

Siegtraut

ihre Arme um Sigwins Hals legend

Du lieber, lieber Vater.

Sigwin

küßt sie auf die Stirn

Schlaf wohl, mein holdes Kind.

Eber

Gut' Nacht, Siegtraut.

Osmundis

indem sie mit Siegtraut nach deren Kammer geht, durch eine Tür links

Nur auf ein Wort noch, eh ich scheide, Siegtraut.

Beide ab.

Sechste Szene

Die übrigen, außer Osmundis und Siegtraut.

Flavus

geheimnisvoll

Brüder, wir sind allein?! Gewiß, nicht wahr?!
Ihr wißt, daß ich verwegne Rolle spiele.
Ihr wißt, daß, wenn mich Varus hier entdeckt,
zugleich mit mir der Förderer eurer Pläne,
der Varus' Gunst besitzt, erstirbt.

Sigwin

Hier sind wir
so sicher wie im Urwald mitteninne.

Kattwald

düster

Drauß ächzt der Wald, wie ihn der Sturm durchrast:
so ächzen wir. Genug der Schand' und Qual –
und zögert nicht.

Sigwin

Auf Sonnenwende, Freunde,
mit eurem Willen setzen wir den Thing.

Flavus

Ist Marbod nicht gewonnen?

Sigwin

Nein, er nicht.

Flavus

leise für sich

Hm. Marbod steht zu Hermann, gegen Varus.

Laut

So will ich euch was sagen: Marbod hofft
auf Fest'gung seiner Macht, steht er zu Römern.
Daß er zu Römern hält, bewirkt mein Bruder,
den sie Arminius zu nennen pflegen.
Ihm also Krieg! Arminius und Marbod!

Alle

Arminius und Marbod, den Verrätern!

Flavus

verschlagen

Und dabei bleibt's, Arminius, Marbod, Varus,
das Kleeblatt falle, wenn sich Deutschland hebt.

Ängstlich

Doch wir sind sicher?

Alle

wild

Hermann, Marbod, Varus,
Tod ihnen!

Sigwin

Und nun schwört, nie zu verraten,
was wir geplanet! Schwört!

Zu Flavus, der einen Augenblick zaudert, seine Hand zu geben

Du zitterst, Flavus?

Flavus

schnell

Nicht doch! hier meine Hand!

Jeder hat seine Rechte in Sigwins Rechte zum Schwur gelegt.

Siebente Szene

Osmundis, aus Siegtrauts Kammer kommend, geht nach der Tür im Hintergrunde, unter welcher sie lauschend stehnbleibt, bis der Schwur beendet ist.

Sigwin

feierlich

Hohe Götter,
gewaltige, gerechte, heil'ge Götter!
Wir schwören uns mit Leben, Gut und Blut,
mit Hand und Herz dem Vaterlande zu,
und eure Rache fordern wir herab
auf den Verräter. Treff ihn euer Fluch
auf ewig und auf Erden unsre Rache.

Osmundis

indem sie verschwindet

Das war ein Schwur, ein Schwur fürs Vaterland!

Achte Szene

Verwandlung. Nacht, Mondschein. Wald um Sigwins Hütte.

Osmundis

aus der Hüttentür tretend, immer noch lauschend, mit gedämpfter Stimme

Endlich, endlich wird sein Gesang zur Tat.
Jetzt bist du nicht der schwache Greis wie eh,
jetzt Ehre dir!

Leise, feierlich

Deutschland, Deutschland erwacht.

Nach einer Pause, in der sie lauscht

Das war ein Schwur, ein Schwur fürs Vaterland.
Was senkt ihr nicht die Zweige andachtsvoll
herab zur Erd' und lauscht, ihr alten Eichen!
Deutschland erwacht, Deutschland erwacht.

Aufmerksam lauschend; es dringen Töne von Sprechenden aus der Hütte.

Sie reden
von jenem Thing auf Sonnenwende, von
Arminius, dem Römerfeinde; Flavus
warnt sie vor ihm.

Zu sich

Heiß nur Arminius
und leugne deinen Namen Hermann ab!
Sei nur ein Römer, wie wir Deutsche sind!

Neunte Szene

Numonius und Hermann kommen, letzterer ungesehn von Osmundis.

Osmundis

Wen seh' ich da? Es ist Numon, der Römer.
Hat man die in der Hütte wohl verraten,
und kommt er, sie zu fangen? Still! Nein, nein,
es scheint, als spräch' er mit 'nem anderen –
und die da drinnen, wie errett' ich sie?

Pause.

Er sucht das blinde Lamm.

Numonius

leise zu Hermann

Ist das sein Bau,
ist das des alten Schäfers faul'ge Hürde?

Hermann

Geht immer hin, ich halte mich verborgen,
's gibt, glaub' ich, manche Lücke im Gebälk.

Numonius

Glaub mir, Armin, ein Kind ist leicht betört,
bald kehr' ich wieder, harre mein, Armin.

Will gehen, nach der Hütte, wendet sich aber wieder, als Armin schweigt.

Was schweigst du? Zürnst du mir? Sei doch nicht töricht –
wer kann gebieten, wenn die Liebe spricht?

Hermann

sich kleinlaut stellend

Bedenkt den alten Vater.

Numonius

Sagst du Vater?
Ein jeder hat 'nen Vater so wie sie,
und überdies ist er ja ein Germane.
Wann hielten je die Väter mich zurück,
wann Mitleid um die Väter?! Ha, ha, ha!
Glaub mir, Armin, ein Kind ist leicht betört,
bald kehr' ich wieder, harre mein.

Osmundis

sich mühsam bewältigend

Still, still,
fromm sei und still, erstarrt, ganz ohne Regung,
gleichwie der Spiegel eines eis'gen Sees.

Sie stellt sich, als schau' sie aufmerksam durch einen Spalt im Gemäuer der Hütte.
Numonius hat sich leise bis zur Hüttentür geschlichen und lauscht. Es drängt Stimmengewirr aus der Hütte.

Numonius

Höchst sonderbar, in tiefer Mitternacht
ein Lärmen gibt's, als gält' es Roma stürzen,
und wirr und wüst dazu. Vielleicht ist's wichtig.

Osmundis

für sich

So falle, Römer! Schleifet eure Waffen
da drinnen, ihr Germanen, für ein Opfer.

Plötzlich mit verstellter Stimme, laut

Bei allen Göttern, rettet, rettet sie!

Numonius

der Osmundis bemerkt, eilt auf sie zu

Wer spricht da? He! Was stierst du durch den Spalt?

Osmundis

indem sie aufmerksam durch die Mauerlücke blickt, nimmt sie sich nicht Zeit, Numon zu betrachten, und spricht ingrimmig

Schmachvoll, o gräßlich schmachvoll!

Numonius

Was ist schmachvoll?

Osmundis

wie oben

Die Blinde, ach, die Blinde!

Numonius

Meinst du Siegtraut?

Osmundis

wie vorher

Die Blinde, Herr!

Numonius

hastig

Was gibt's mit ihr? – So rede!

Osmundis

wie vorher

Der Alte schlägt sie!

Numonius

Wer? der alte Sigwin? –
Was tat Siegtraut?

Osmundis

sich halb aufrichtend, bitter lachend

Nichts, Herr, er ist betrunken.

Numonius

Osmundis hinwegdrängend

Laß mich die Greuel selber sehen, Weib!
Weh über ihn!

Osmundis

Da schaut nur durch den Spalt,
o Herr, es ist schmachvoll, 'ne Blinde schlagen.

Numonius

der durch die Mauer geblickt hat, richtet sich auf

Ich sehe nichts.

Osmundis

bückt sich abermals, abgebrochen

Jetzt, eben jetzt.

Numonius

Was denn?

Osmundis

Er schlägt sie wieder. – Wie er wankt und lallt!
Der Sänger wälzt im Kote sich, der sonst
maiduft'ge Lieder singt. – Wär' ich ein Mann!

Numonius

die Hand um den Schwertknauf klammernd, bebend vor Wut

Was tätest du?

Osmundis

sich aufrichtend, schnell

O solch ein Tier und Unmensch!
Herr, denkt, er trank den ganzen langen Tag
und tut es oft. Kommt er dann abends heim,
mißhandelt er sein Kind wie einen Hund.
Es ist 'ne Wut bei allen gegen ihn,
doch alle haben Furcht, ist er betrunken.

Hastig

Da stöhnt es wieder.

Durch die Mauer blickend

Götter, Götter, Götter!
Er lallt und faßt sie bei den Haaren. Oh!
Jetzt schlägt er sie,

Wild

er mordet sie,

Schreiend

o rettet!

Numonius

reißt sein Schwert heraus und stürmt in die Hütte

Jetzt schone nicht mehr graues Haar und Alter,
Fluch über dich und Tod, mattfüß'ger Sigwin,
Blut ströme dir vom Scheitel!

Ab in die Hütte.

Zehnte Szene

Osmundis

triumphierend, kalt und höhnisch ihm nachblickend

Ah – gut' Nacht,
du Erster einer langen, langen Reihe –
gut' Nacht, Numonius.

Indem sie geht

Gehab dich wohl.

Schnell ab.

Elfte Szene

Lärmen aus der Hütte und Numons Stimme.

Numonius

in der Hütte

Verrat, Verrat!

Hermann

tritt aufhorchend in den Vordergrund, gedämpft

Die Flamme glimmt und flackert:
Heil, Deutschland, Heil! Bald rast sie durchs Geäst,
römisches Eisen schmelzend, Ketten brechend.

Indem er sich wieder verbirgt

Zurück!

Zwölfte Szene

Der Lärm in der Hütte wird ärger. Kattwald stürzt heraus, in der Linken eine Fackel haltend, in der Rechten das Schwert.

Kattwald

rufend

Nun kommt heran, ihr geilen Römerbuben,
büßt so wie er den Kitzel mit dem Leben!

Dreizehnte Szene

Sigwin, die Leiche Numons schleifend, und Eber, den Hammer schwingend. Hinter ihnen, immer sich möglichst verborgen haltend, Flavus.

Sigwin

rufend

Ich habe eine Tochter, blind dazu,
leicht zu erobern euren frechen Lüsten.
Kommt, holt sie euch!

Eber

rufend

Was lauert ihr und lauscht
im Busch wie Katzen?

Sigwin

hat die Leiche bis unter einen Eichbaum geschleift und spricht, neben ihr kniend

Sieh, du lächelst noch
und zeigst die Zunge mir. Nun küsse mich,
küsse mich, gleißend schlüpfriger Gesell!
Was wolltest du mit dieser Zunge, he?
Mein Kind beschwatzen? Natter, zische jetzt!

Flavus

für sich

O grauenvoll!

Hermann

der Flavus bemerkt, leise zu sich

Flavus ist unter ihnen?!
Säugt ihr den Tiger, Ziegen?!

Eber

Nun wohlan!
Hervor aus euren Löchern, feige Ratten,
mit feilen Reden tändeln, das ist leicht,
tändelt mit meinem Hammer, und ihr seid,
so wahr ich lebe, Helden! Kommt hervor!
Der Eber wetzt den Zahn!

Vierzehnte Szene

Hermann ab.

Sigwin

immer noch an der Leiche

Was raschelt da
im dürren Laub?

Kattwald

nach dem Wald zu leuchtend

Gedungne Knechte, haltet!

Er geht suchend ab.

Fünfzehnte Szene

Sigwin

Warum so still, so bleich, Numonius?

Ihn rüttelnd

Steh auf, steh auf, allmächt'ger Römer, steh! –
Er rührt sich nicht.

Zu Eber

Du hast ihn gut getroffen;
beim Thor! des Hammer deinen wohl gebar,
du trafst ihn gut.

Sechzehnte Szene

Allerlei Volk in wirrer Hast.

Erster Germane

Was gibt's in finstrer Nacht?

Zweiter Germane

Ich hört' Geschrei.

Ein Kind

an der Hand seiner Mutter

Es kam von Sigwins Hütte.

Dritter Germane

Da liegt wer?

Erster Germane

Leuchtet!

Vierter Germane

hart an Sigwin

Hierher!

Ein Weib

Näher!

Fünfter Germane

mit der Fackel leuchtend

So?

Dritter Germane

zurückschreckend

Ein Römer?!

Zweiter Germane

ebenso

Ein Erschlagener?

Erster Germane

Da ist Sigwin,
der ihm die Wunden bindet.

Vierter Germane

Alter Sigwin,
das ist vergebne Mühe, der ist hin.

Sigwin

höhnisch aufblickend

Wahrhaftig, der ist hin!

Zweites Weib

Sag, wer erschlug ihn?

Eber

den Hammer hoch erhebend, wild

Ich tat's mit diesem Hammer.

Alle

schaudernd zurückweichend

Ha, der Schmied?!

Eber

lauter, wie vorher

Ich tat's mit diesem Hammer! Schaudert ihr?
Ihr Memmen, zittert ihr? – Er war ein Römer!

Alle

noch weiter zurückweichend

So sei dir Odin gnädig!

Ein Greis kommt. Erster Germane ihm entgegen.

Erster Germane

flüsternd

Er erschlug ihn.

Der Greis

Was gibt es hier, antwortet!

Erstes Weib

Ein vornehmer,
mächt'ger Römer ward vom Schmied erschlagen.

Der Greis

Erschlagen? Wo liegt er?

Zweiter Germane

Da, da!

Alte Frau

Ihr Männer,
errettet euch! Wenn man euch hier erblickt,
seid ihr des Mordes alle schuldig – alle!

Andere kommen.

Dritter Germane

ihnen entgegen

Der Schmied erschlug 'nen Römer.

Alte Frau

indem sie davoneilt

Rettet euch!

Alle

Götter, seid ihm gnädig!

Der Schwarm verläuft sich.

Siebzehnte Szene

Flavus

indem er geht, mit gedämpfter Stimme für sich

Auch für mich
ist's hohe Zeit. Wenn man mich hier entdeckt,
wo Römerhaß sein blutig Wesen treibt,
bin ich verloren. Frei will ich's verraten
dem Varus, ohne Zwang. Säh' man mich hier,
in Fesseln schlüg' man mich. Wollt' ich alsdann
verraten jene, von der Römer Nutzen,
den ich im Aug' gehabt, in Ketten sprechen,
man würde lachen und mir nimmer glauben.
Heil dir, Augustus, großer Imperator!

Schnell ab.

Achtzehnte Szene

Sigwin an der Leiche. Eber steht mit gesenktem Haupt und finstrer Miene unweit Sigwins. Pause.

Sigwin

sich erhebend

Was sinnet Ihr so düster, Meister Schmied?

Eber

Von diesem Volke hoffst du Deutschlands Freiheit?

Sigwin

treuherzig, zuverlässig, Ebers Hand ergreifend

Von diesem Volke hoffe ich die Freiheit!


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