Gerhart Hauptmann
Der Biberpelz
Gerhart Hauptmann

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Erster Akt

Kleiner, blaugetünchter, flacher Küchenraum mit niedriger Decke; ein Fenster links; eine rohgezimmerte Tür, ins Freie führend, rechts; eine Tür mit ausgehobenem Flügel mitten in der Hinterwand. – Links in der Ecke der Herd, darüber an der Wand Küchengerät am Rahmen, rechts in der Ecke Ruder und Schiffereigerät; gespaltenes Holz, sogenannte Stubben, unter dem Fenster in einem Haufen. Eine alte Küchenbank, mehrere Schemel usw. usw. – Durch den leeren Türrahmen der Hinterwand blickt man in den zweiten Raum. Darin steht ein hochgemachtes, sauber gedecktes Bett, darüber hängen billige Photographien in noch billigeren Rahmen, Öldruckköpfe in Visitenkartenformat usw. Ein Stuhl aus weichem Holz ist mit der Lehne gegen das Bett gestellt. – Es ist Winter, der Mond scheint. Auf dem Herd in einem Blechleuchter steht ein brennendes Talglicht. Leontine Wolff ist auf einem Schemel am Herd, Kopf und Arme auf der Herdplatte, eingeschlafen. Sie ist ein siebzehnjähriges, hübsches blondes Mädchen in der Arbeitstracht eines Dienstmädchens. Über die blaue Kattunjacke hat sie ein dickes, wollenes Brusttuch gebunden. – Einige Sekunden bleibt es still, dann hört man, wie jemand bemüht ist, von außen die Tür aufzuschließen, in der jedoch von innen der Schlüssel steckt. Nun pocht es.

Frau Wolff, unsichtbar, von außen. Adelheid! Adelheid! Stille; dann wird von der andern Seite ans Fenster gepocht. Wirschte gleich uffmachen!

Leontine, im Schlaf. Nein, nein, ick lass' mir nich schinden!

Frau Wolff. Mach uff, Mädel, sonste komm' ich durchs Fenster. Sie trommelt sehr stark ans Fenster.

Leontine, aufwachend. Ach, du bist's, Mama! Ick komme ja schon! Sie schließt innen auf.

Frau Wolff, ohne einen Sack, welchen sie auf der Schulter trägt, abzulegen. Was willst'n du hier?

Leontine, verschlafen, 'n Abend, Mama!

Frau Wolff. Wie bist'n du reingekommen, hä?

Leontine. Na, übern Ziejenstall lag doch der Schlüssel. Kleine Pause.

Frau Wolff. Was willste denn nu zu Hause, Mädel?

Leontine, läppisch maulend. Ich soll woll man jar nich mehr bei euch komm?

Frau Wolff. Na, sei bloß so gutt un tu dich a bissel. Das hab' ich zu gerne. Sie läßt den Sack von der Schulter fallen. Du weeßt woll noch gar nich, wie spät daß schonn is? Mach bloß, daßte fortkommst zu deiner Herrschaft.

Leontine. Wenn ick da man ooch wer mal'n bißken zu spät komm!

Frau Wolff. Nu nimm dich in Obacht, hast de verstanden! Und sieh, daßte fortkommst, sonst haste verspielt.

Leontine, weinerlich, trotzig. Ick jeh' nich mehr bei die Leute Mama!

Frau Wolff, erstaunt. Du gehst nich . . . Ironisch. Ach wo, das ist ja was ganz Neues.

Leontine. Na brauch' ick mir immer lassen schinden?

Frau Wolff war bemüht, ein Stück Rehwild aus dem Sack hervorzuziehen. I, schinden tun se dich also bei Kriegers? Nee, so a armes Kind aber ooch! – Mit so was komm mer ock uffgezogen! A Frauenzimmer wie a Dragoner . . .! Nanu faß an, dort unten a Sack! Du kannst dich woll gar nich tälscher anstellen? Bei mir haste damit kee Glicke nich! 's Faulenzen lernste bei mir erscht recht nich! Beide hängen den Rehbock am Türpfosten auf. Nu sag' ich dersch aber zum letzten Male . . .

Leontine. Ick jeh' nich mehr bei die Leute hin. Denn jeh' ick lieber int Wasser, Mama!

Frau Wolff. Na, daßte ock bloß keen'n Schnuppen krigst.

Leontine. Ich spring' int Wasser!

Frau Wolff. Da ruff mich ock, heerschte! Ich wer der an Schubs geben, daß de ooch ja – und fliegst nich daneben.

Leontine schreit heftig. Na, brauch' ick mir das woll jefallen zu lassen, det ick abens muß Holz rinräumen zwee Meter?

Frau Wolff tut erstaunt. Nee, 's is woll nich meeglich! Holz sollst de reinschleppen! Nee, ieber die Leute aber ooch!

Leontine.  . . . un zwanzich Daler uffs janze Jahr? Denn soll ick mir ooch noch die Poten verfrieren? Und nich ma satt Katoffel und Häring?!

Frau Wolff. Da red erscht nich lange, tummes Mädel. Da hast a Schlissel, geh, schneid d'r Brot ab. Un wenn de satt bist, scheer dich, verstanden!? 's Flaummus steht in der oberschten Reihe.

Leontine nimmt aus einer Schublade ein großes Brot und schneidet davon. Die Juste von Schulzens kriecht vierzig Daler un . . .

Frau Wolff. Renn du bloß mit'n Kopp durch de Wand! – Du wirscht bei da Leuten nich ewig bleiben. Du bist ni vermit't fir ewige Zeiten. – Meinswegen zieh du zum erschten April. – So lange bleibste an Ort und Stelle! – 's Weihnachtsgeschenk in der Tasche, gelt, nu mechtste fortloofen? Das is keene Mode! – Ich geh' bei da Leuten aus und ein. Das wer ich woll uff mir sitzen lassen!

Leontine. Det bißken Lumpe, det ick da anhabe?

Frau Wolff. 's baare Geld vergißte woll ganz?

Leontine. Jawoll doch! Janze Märker sechse!

Frau Wolff. I, Geld is Geld! Das laß du gutt sein!

Leontine. Na, wenn ick aber kann mehr verdien'n!?

Frau Wolff. Mit'n Maule!

Leontine. Nee, mit de Nähmaschine. Ick jeh' nach Berlin und nähe Mäntel. Stechowns Emilie jeht ooch seit'n Neujahr!

Frau Wolff. Komm du mer bloß mit der Schlumpe gezogen! Die soll mer ock unter de Finger loofen! Dem Balge will ich a Talglicht uffstecken! Das wär' so a Awasemeng fer dich, gelt? Mit a Kerln de Nächte verschwiemeln. Nee, Mädel, wenn ich bloß dadran denke: ich hau' dich, daßte schonn gar nich mehr uffstehst. – Nu kommt Papa, jetzt nimm dich in Obacht!

Leontine. Wenn Papa mir verpaukt, denn loof ick fort; denn wer ick schon sehn, wo ick bleiben du'.

Frau Wolff. Jetzt maul nich! Geh und futter de Ziegen. Se sind ooch noch nich gemolken den Abend. Un gibb a Karnickeln 'ne Hamv'll Heu.

Leontine sucht schnell hinauszukommen, trifft aber in der Tür auf ihren Vater, sagt flüchtig 'n Abend und wischt an ihm vorüber hinaus.

Julius Wolff, der Vater, ist Schiffszimmermann, von langer Figur, mit blöden Augen und trägen Bewegungen, etwa dreiundvierzig Jahr alt. – Er stellt zwei lange Ruder, die er auf der Schulter getragen, in die Ecke und wirft sein Schiffszimmergerät schweigend ab.

Frau Wolff. Haste a Schiffer-Emil getroffen?

Julius brummt.

Frau Wolff. Kannste nich reden? Ja oder nein? Wird a rumkomm, hä?

Julius, unwirsch. Immerzu doch! Schrei du man noch mehr!

Frau Wolff. Du bist schon a kuraschierter Kerl. Dabei da vergißte de Tiere zuzumachen.

Julius schließt die Tür. Was is'n das wieder mit Leontinen?

Frau Wolff. I, gar nischt! – Was hat'n der Emil gelad't?

Julius. All widder Klinkern. Wat soll er jelad't hebben? – Wat is det nu widder mit det Mädel?

Frau Wolff. De halbe Zille oder de ganze?

Julius, jähzornig aufwallend. Wat mit det Weibsstück all widder los is!

Frau Wolff, ihn überbietend. Was Emil gelad't hat, will ich wissen. A halben oder a ganzen Kahn?

Julius. I, immerzu doch, de janze Zille.

Frau Wolff. Pst, Julian. Sie erschrickt und riegelt den Laden zu.

Julius, sie erschrocken anglotzend, schweigt. Nach einigen Sekunden, leise. 's is all 'n junger Förster in Rixdorf.

Frau Wolff. Geh, krich untersch Bette, Julian. Nach einer Pause. Wenn du bloß nich aso schrecklich tumm wärscht. Glei wirschte de wie so a richt'ger Bremmer. Von solchen Sachen verstehst de doch nischt. Laß du mich bloß fer die Mädel sorgen. Das schlägt nich in deine Konferenz. In meine Konferenz geheert das. Bei Jungen wär' das ganz was andersch. Da wer ich dir ooch niemals nischt reinreden. A jedes hat seine Konferenz!

Julius. Denn soll se man mir nich jrade in 'n Weg loofen.

Frau Wolff. Du willst se woll lahm schlagen, Julian?! Laß du dir ock ja nich aso was einfallen! Denk bloß nich, daß ich aso was zugebe! Ich wer se mer lassen zuschanden schlagen. Das Mädel kann unser Glicke sein. Wenn du bloß fer so was a Verschtand hätt'st.

Julius. Denn soll se man sehn, wo se bleiben dut.

Frau Wolff. Da is keene Angst drum, Julian. Kann meeglich sein, du erlebst noch was. Se wohnt noch amal in der Beletage, und wir sein froh, wenn se uns bloß kennt. Was hat'n der Tätsrat zu mir gesagt? Ihre Tochter is so ein scheenes Mädchen, die kann beim Theater Farure machen.

Julius. Denn soll se man machen, det se hinkommt.

Frau Wolff. Du hast keene Bildung, Julian. Von Bildung hast du ooch keene Spur. Wenn ich nee gewest wär', Julian! Was wär' ock aus da Mädeln geworden? Ich hab' se gebild't erzogen, verstehste. De Bildung is heutzutage de Hauptsache. Das geht nich aso uff eenen Hieb. Immer eens nach'n andern, a pee a pee. Nu mag se mal erscht a Dienst kenn'nlern. Dann geht se meinswegen rein nach Berlin. Die is heite noch viel zu jung fersch Theater. Es hat unter dem Vorhergehenden mehrmals an die Tür gepocht, nun klingt

Adelheids Stimme herein. Mama! Mama! mach doch bloß man uff! Frau Wolff öffnet. Adelheid kommt herein. Sie ist ein langaufgeschossenes Schulmädchen im vierzehnten Jahre, mit hübschem Kindergesicht. Der Ausdruck ihrer Augen aber verrät frühe Verderbnis. Wat machste mir denn nich uff, Mama? Ick hab' mir ja Hände un Füße verfroren.

Frau Wolff. Red nich erscht lange an Blech zusammen. Mach Feuer in Ofen, da wird der schonn warm wern. Wo steckst d'n du ieberhaupt aso lange?

Adelheid. Ick hab' doch de Stiebeln jeholt for Vatern.

Frau Wolff. Da biste wieder zwee Stunden geblieben.

Adelheid. Na, wenn ick um sieben erscht bin jegangen?

Frau Wolff. Um sieben bist de gegangen, so. Jetzt is 's halb Elfe. Das weeßte woll gar nich? Da biste bloß viertehalbe Stunde gewesen, das is woll ni viel? Nu heer amal druff, uff das, was ich sage. Bleibst du mer noch eemal so lange fort und gar bei dem lausigen Fielitzschuster – dann paß amal uff, was der da passiert.

Adelheid. Ick soll wohl bloß immer zu Hause biestern?

Frau Wolff. Jetzt biste stille un red'st keen Ton.

Adelheid. Wenn ick ooch mal bißken zu Fielitzen jeh' . . .

Frau Wolff. Ob de woll stille bist, mecht' ich wissen. Lehr du mich Fielitz'n kenn'n! Ja? Der Audiat soll sich ock nich benehmen. Dessen sei Handwerk is ni bloß Schuhflicken. Wenn eener erscht zweemal im Zuchthause sitzt . . .

Adelheid. Det is ja nich wah . . . Det is ja bloß alles zusammenjelogen. Er hat et mir ja jesagt, Mama!

Frau Wolff. Das weeß doch's ganze Dorf, tumme Gans! Das is a richt'ger Kuppler is das.

Adelheid. Er jeht ja sojar bein Amtsvorsteher.

Frau Wolff. Na freilich doch. Fer Spionierer. A Tenuntiat is a obendruff.

Adelheid. Wat is'n det, 'n Tenutiat?

Julius, aus dem Nebenzimmer, in das er gegangen war. Nu will ick all noch zwee Wörter abwarten. Adelheid wird bleich und geht gleich stumm daran, Feuer im Ofen zu machen. Leontine kommt herein.

Frau Wolf hat den Rehbock aufgebrochen, Herz, Leber usw. herausgenommen und übergibt es Leontine. Da schnell, wasch ab! Sei bloß ganz still, sonste schlägt's noch ein. Leontine, sichtlich eingeschüchtert, begibt sich an die Arbeit. Beide Mädchen flüstern miteinander.

Frau Wolff. Hä, Julian? Was machste dadrinne? Du hast's woll schon wieder vergessen, hä? Ich hab' dersch doch heute morgen gesagt. Das Brett, was de losgerissen is.

Julius. Wat'n for'n Brett?

Frau Wolff. Na, weeßte nich? Hinten am Ziegenstall. Der Wind hat's doch losgemacht gestern nacht – sieh, daßte nauskommst zunageln, verstehste?

Julius. I, morjen früh is all ooch noch'n Dach.

Frau Wolff. Nu nee! Da mach der ock keene Gedanken! Mit so was wolln mer bei uns nich erscht anfangen. Julius ist brummend ins Zimmer getreten. Dort nimm der a Hammer! Hier haste Nägel! Nu sieh, daßte fortkommst.

Julius. Du bist ja man dußlich.

Frau Wolf, ihm nachrufend. Wenn Wulkow kommt, was soll er'n geben?

Julius. Na, Märker zwölwe doch janz jewiß! Ab.

Frau Wolff, wegwerfend. I, Märker zwelwe! Pause. Nu macht bloß, daß Papa sei Essen krigt. Kleine Pause.

Adelheid, auf das Reh blickend. Wat is'n det, Mama?

Frau Wolff. A Klapperstorch! Beide Mädchen lachen.

Adelheid, 'n Klapperstorch? Hat der ooch Hörner? Det weeß ick schon, 'n Rehbock is det!

Frau Wolff. Na, wenn de's weeßt, warum frägst'n da erscht?

Leontine. Hat den Papa jeschoss'n, Mama?

Frau Wolff. Nu rennt ock und schreit durchs ganze Dorf: Papa hat'n Rehbock geschossen, ja!?

Adelheid. Ick wer mir schön hüten. Denn kommt der Blanke.

Leontine. Vor Schandarm Schulzen fürcht' ick mir nich, der hat mir schon mal ant Kinn jefaßt.

Frau Wolff. Der kann dreiste komm'n. Mir tun nischt Beeses. Wenn a Reh 'n Schuß hat und 's is am Verenden und's findt's kee Mensch, da fressen's de Raben. Ob mirsch nu fressen oder de Raben, gefressen werd's doch. Kleine Pause. Nu sag amal: Holz haste solln reinräumen?

Leontine. Ja, bei die Kälte! Zwee Meter Knüppel! Un wenn man kaputt is wie so'n Hund! Um halber zehne des Abends spät!

Frau Wolff. Nu liegt woll das Holz noch uff der Straße?

Leontine. Vorn Jachtentor liecht et. Ick weeß weiter nich.

Frau Wolff. Na, wenn se nu aber – und stehlen das Holz? Was'n dann morgen frieh?

Leontine. Ick jeh' nich mehr hin.

Frau Wolff. Sein's griene Knippel oder trockne?

Leontine. Det sin so schöne trockne Knüppel – Gähnt ein Mal über das andere Mal. I, Mama, ick bin so schrecklich müde. Ich hab' mir so schrecklich mußt abmarachen. Sie setzt sich mit allen Zeichen der Übermüdung.

Frau Wolff, nach kurzem Schweigen. Meinswegen bleib heute nacht bei uns. Ich hab' mersch a bissel andersch ieberlegt. Und morgen früh wolln mer weitersehn.

Leontine. Ick bin janz abjekommen, Mama. Det hängt bloß noch allens so an mir.

Frau Wolff. Nu mach und geh schlafen, nauf in de Kammer, daß Papa nich etwan doch noch'n Krach macht. Von solch'n Sachen versteht a zu wenig.

Adelheid. Papa spricht immer so unjebildet.

Frau Wolff. A hat eben keen Bildung gelernt. Das wer' mit euch ooch nich andersch sein, wenn ich euch nich hätte gebild't erzogen. Auf dem Herd eine Kasserolle haltend, zu Leontine. Nu komm, leg's rein. Leontine legt die gewaschenen Fleischstücke in die Kasserolle. So. Jetzt geh schlafen.

Leontine begibt sich ins Hinterzimmer, noch sichtbar spricht sie. Mama! Der Motes is fort von Krüger.

Frau Wolff. Da hat a woll keene Miete bezahlt?

Leontine. Mit Hängen und Würjen, sagt Herr Krüger. Er hat ihm aber doch rausjeschmissen. 's war' so'n verlogener, windiger Kerl. Und immer so hochmütig zu Herr Krüger.

Frau Wolff. Wenn ich wie Herr Krieger gewesen wär', den hätt' ich gar nich so lange behalten.

Leontine. Weil Herr Krüger doch Tischler jewesen is, denn is Motes man immer so verächtlich. Mit Herr Dr. Fleischer hat er sich ooch jezankt.

Frau Wolff. Na, wer sich mit dem zankt . . .! Das mecht' ich wissen. Die Leut tun keener Fliege was!

Leontine. Er darf jar nich mehr bei Fleischers hinkomm.

Frau Wolff. Wenn du amal kennt'st bei den Leuten ankomm'n!

Leontine. Da sind de Mächens wie Kind im Hause.

Frau Wolff. Und was der Bruder is in Berlin, der is doch Kassierer beim Theater.

Wulkow hat mehrmals von außen an die Tür gepocht und ruft nun mit heiserer Stimme. Wollt ihr mir woll mal jefälligst rinlassen?

Frau Wolff. Na freilich, warum nich? Immer rin in de Bude!

Wulkow kommt herein; ein Spreeschiffer, nahe an sechzig Jahre alt, gebückt gehend, mit graugelbem Bart von Ohr zu Ohr und unter dem Kinn herum, der das verwitterte Gesicht frei läßt. Ick wünsche schönen juten Abend.

Frau Wolff. Nu kommt a doch wieder angezogen, die Wolffen a bissel iebersch Ohr haun.

Wulkow. I, det versuch' ick schon ja nich mehr!

Frau Wolff. Na, anderscher wird's ja doch wieder nich wern.

Wulkow. Umjekehrt wird'n Schuh draus!

Frau Wolff. Noch was! Gelt? – – Hier hängt a. Na? A Kapitalsticke, was?

Wulkow. Det Julius man ooch jehörig uffpaßt. Se sin jetzt all böse hinterher.

Frau Wolff. Was wolln Se'n geben, das ist de Hauptsache. Was nutzt das lange Gequassele da!

Wulkow. Wat ick Ihn sache. Ick komme von Grünau. Da hebb' ick et janz bestimmt jehört. Se hebben Fritze Webern jeschossen. Se hebb'n em de Hosen voll Schrot jesenget.

Frau Wolff. Was wolln Se geben, das is de Hauptsache.

Wulkow, das Reh befühlend. Ick hebbe man schon vier Böcke zu liejen.

Frau Wolff. Derwegen da geht eure Zille nich unter.

Wulkow. Det soll se ooch nich. Det war' so'n Fest. Aber wat 'n dann, wenn ick nu liejenbleibe? Ick muß mit die Dinger doch rin nach Berlin. Et arbeet heut all schlecht jenug uff de Spree, und wenn et de Nacht so weiterbackt, denn jibt et morjen schon ja keen Fortkomm. Denn sitz' ick im Eise mit mein Kahn und hebbe die Dinger uff'm Halse.

Frau Wolff, scheinbar ihren Entschluß ändernd. Na, Mädel, spring amal runter zu Schulzen. Sag'n schönen Gruß, und a soll amal ruffkomm'n, de Mutter hätte was zu verkoofen.

Wulkow. Hebb' ick jesacht, ick will et nich koofen?

Frau Wolff. Mir is das ja ganz eengal, wersch kooft.

Wulkow. Ick will et ja koofen.

Frau Wolff. I, wer de ni will, der läßt's halt bleiben.

Wulkow. Ick koofe det Stick! Wat soll et denn bringen?

Frau Wolff, das Reh anfassend. Das Reh hier, das hat seine dreißig Fund. Aber gutt un gerne, kann ich Ihn sagen. Na, Adelheid! Du warscht doch dabei! Mir konnten's doch kaum uff a Nagel heben.

Adelheid, welche ja nicht dabei war. Ick habe mir richtig wat ausjerenkt.

Wulkow. Mit Märker dreizehn is et bezahlt. Da verdien' ick ooch noch nich zehn Fennije bei.

Frau Wolff tut fürchterlich erstaunt; im nächsten Augenblick nimmt sie etwas anderes vor. Als hätte sie Wulkows Anwesenheit vergessen, spricht sie, ihn scheinbar erst wieder gewahrend. Ich winsch' Ihn ooch eine glickliche Reise!

Wulkow. Na, mehr wie dreizehn kann ick nich jeben.

Frau Wolff. I, lassen Se's man!

Wulkow. Ick kann nich mehr jeben. Wat ick Ihn sage. Et is bloß, det ick die Kundschaft behalte. Jott soll mich strafen! So wah, wie ick hier steh'. Bei det janze Jeschäft verdien' ick nich so viel. Un wenn ick ooch sachen wollte: vierzehn, denn setz' ick zu, denn hebb' ick Verlust von eene Mark. Det soll mir aber nu janz ejal sind. Det ihr all 'n juten Willen seht. For Märker vierzehn . . .

Frau Wolff. Lußt's gutt sein! Lußt's gutt sein! Das Reh werd'n mer los, da warten mer noch nich bis morgen frieh.

Wulkow. Na, wenn et man keener hängen sieht. Det is nich mit Jelde abzumachen.

Frau Wolff. Das Reh hier, das hab mir verendet gefunden.

Wulkow. Ja, in de Schlinge, det will ick jlooben!

Frau Wolff. Kummt bloß nich uff die Art! Da habt Ihr kee Glicke! Ma soll Euch woll all's in a Rachen schmeißen? Ma schind't sich, bis ma keen Oden mehr hat. Stundenlang muß ma baden im Schnee, geschweige was ma dabei riskiert, im Schtockbrandfinstern. Das is kee Spaß.

Wulkow. Ick hebbe man schon Stücker viere zu liejen. Sonst wollt' ick ja sachen fünfzehn Mark.

Frau Wolff. Nee, Wulkow, heute is kee Geschäfte mit uns. Da geht ock ruhig a Häusel weiter, mir hab'n uns geschind't hier ieber a See . . . ee Haar, da saß mer noch fest im Eise. Mir konnten nich vorwärts und nich rickwärts. Aso was kann ma zuletzt nich wegschenken. –

Wulkow. Na, hebb' ick nu etwa jroß wat davon? Det Schiffwerken is'n jezwungenes Werk! Un Paschen, det is'n schlechtet Jeschäft. Wenn ihr all rinfallt, denn flieg' ick schon längst rin. Bei Jahre vierzig plag' ick mir nu. Wat hebb' ick heute? 't Reißen hebb' ick. Wenn ick det Morjens früh uffsteh', denn muß ick schriegen wie'n junger Hund. Ick will mir schon viele Jahre 'n Pelz koofen, det hebben mir alle Dokters jeraten, weil det ick so leidenschaftlich bin. Ick hebb' mir noch keen könn koofen, Wolffen. Bis heute noch nich, so wah, wie ick hier steh'!

Adelheid, zur Mutter. Haste von Leontinen jehört?

Wulkow. Na, will ick man sagen: sechszehn Mark!

Frau Wolff. Nee, is nich! Achtzehn! Zu Adelheid. Wat redst'n da wieder?

Adelheid. Frau Krüger hat doch'n Pelz jekauft, der hat bei fünfhundert Mark jekost't. 'n Biberpelz.

Wulkow, 'n Biberpelz?

Frau Wolff. Wer hat'n gekooft?

Adelheid. Nu Frau Krüger doch, für Herr Krüger zu Weihnachten.

Wulkow. Det Mächen is woll bei Krüger in Dienst?

Adelheid. Ick nich. Meine Schwester. Ick jeh' überhaupt nich bei Leute in Dienst.

Wulkow. Ja, wenn ick nu so wat mal hebben könnte. Um so wat erwerb' ick mir schon lange. Da jeb' ick ooch sechzig Daler für. Det Dokter- und Apothekerjeld, det jeb' ick doch lieber für Pelzwerk aus. Da hebb' ick ooch noch'n Verjnüjen all.

Frau Wolff. Ihr braucht ja bloß amal hingehn, Wulkow, zu Kriegern rieber. Vielleicht schenkt a'n weg.

Wulkow. Nee, jutwillig nich. Aber wie jesacht: fer so wat verintressier' ick mir sehr.

Frau Wolff. I ja, so'n Pelz möcht' ich ooch mal haben.

Wulkow. Wie is et nu? Sechszehn?

Frau Wolff. Unter achtzehn is nich. Nich unter achtzehn, hat Julian gesagt. Mit sechzehn Mark darf ich dem nich erscht kommen. Wenn der sich aso was in a Kopp setzt – Julius kommt herein. Na, Julius, du hast doch gesagt: achtzehn Mark?

Julius. Wat hebb' ick jesacht?

Frau Wolff. Du hörscht woll wieder amal nich gutt! Du hast doch gesagt, nich unter achtzehn. Um weniger soll ich den Bock doch nich hergeben.

Julius. Ick hebbe jesacht? . . . Ja so, det Stück Wild. Ja! So! Hm! Det is ooch noch ja nich zu ville.

Wulkow, Geld herausnehmend und aufzählend. Det's nu mal 'n Ende hat. Siebzehn Marcht. Na, stimmt et nu?

Frau Wolff. Ihr seid schon eemal a beschissener Kerl. Ich hab's ja gesagt, wie a reinkam zer Tiere: der braucht bloß ieber de Schwelle zu treten, da hat ma ooch schonn a Ding iebersch Ohr.

Wulkow hat einen versteckt gehaltenen, eingerollten Sack aufgewickelt. Nu helft et man jleich hier rinbugsieren. Frau Wolff ist behilflich, das Reh in den Sack zu stecken. Un wenn Se all mal wat zu hören kriejen von so wat – ick meen' all beispielsweise – so'n – beispielsweise so'n Pelz zum Beispiel. So Stücker sechzig – siebzig Daler, die bin ick imstande unn lege se an.

Frau Wolff. Ihr seid woll ni recht . . .! Wie solln mir zu so an Pelze komm'n?

Eine Männerstimme ruft von außen. Frau Wolffen! Frau Wolffen! Sind Se noch wach?

Frau Wolf, wie die andern erschrocken, heftig, gepreßt. Fix wegstecken! wegstecken, rein in de Stube! Sie drängt alle in das Hinterzimmer und schließt die Tür.

Die Männerstimme. Frau Wolffen! Frau Wolffen, schlafen Se schon?

Frau Wolf löscht das Licht.

Die Männerstimme. Frau Wolffen! Frau Wolffen, sind Se noch wach? Die Stimme entfernt sich singend.

Morgenro-ot, Morgenro-ot,
leuchtest mir zum frühen To-od.

Leontine. Det is ja bloß Morjenrot, Mama!

Frau Wolff horcht eine Weile, öffnet dann leise die Tür und horcht wieder. Dann schließt sie beruhigt und zündet das Licht an. Hierauf läßt sie die andern wieder herein, 's war bloß d'r Amtsdiener Mitteldorf.

Wulkow. Wat Deibel, ihr hebbt ja schöne Bekenntschaft!

Frau Wolff. Nu seht aber, daß er fortkommt, Wulkow.

Adelheid. Mama, der Mino hat anjeschlagen.

Frau Wolff. Macht, macht, Wulkow. Federt! Und hinten naus durch a Gemiesegarten. Julian wird uffmachen. Geh, Julian, mach uff.

Wulkow. Un wie jesacht, wenn so wat mal war' wie so'n Biberpelz –

Frau Wolff. Na freilich, macht bloß!

Wulkow. Wenn die Spree all nich zu wird, denn bin ick in Stücker drei – vier Tagen all widder retur von Berlin. Da liege ick mit mein Kahn widder unten.

Adelheid. An die jroße Brücke?

Wulkow. Wo ick immer lieje. Na, Julius, denn wanke man immer vorauf. Ab.

Adelheid. Mama, der Mino hat wieder jebellt.

Frau Wolf, am Herd. I, lass'n bellen. – Ein langgezogener Ruf aus der Ferne: »Hol über!«

Adelheid. 't will jemand über die Spree, Mama.

Frau Wolff. Na, geh mal, Papa is ja unten am Wasser. »Hol über!« Trag Papan de Rudel. Er soll bloß erscht Wulkown a Stickel fortlassen.

Adelheid ab mit den Rudern. Frau Wolff ist eine Weile, eifrig arbeitend, allein. Adelheid kommt wieder.

Adelheid. Papa hat'n Rudel unten im Kahn.

Frau Wolff. Wer will denn so spät noch iebersch Wasser?

Adelheid. Ick jloobe, Mama, 't is der dämliche Motes.

Frau Wolff. Was? Wer is 's, Mädel?

Adelheid. Ick jloobe, de Stimme war Motesens Stimme.

Frau Wolf, heftig. Geh runter, lauf! Papa soll ruffkomm; der dämliche Motes kann drieben bleiben. Der braucht mer nich erscht im Hause rumschniffeln.

Adelheid ab. Frau Wolff versteckt und räumt alles beiseite, was an die Rehbockepisode etwa erinnern könnte. Über die Kasserolle deckt sie eine Stürze. Adelheid kommt zurück.

Adelheid. Mama, ick bin schon zu spät jekomm. Ick hör' se schon reden.

Frau Wolff. Wer is 's denn nu?

Adelheid. Ick sag' et ja: Motes.

Frau und Herr Motes erscheinen nacheinander in der Tür. Beide mittelgroß: Sie: geweckte junge Frau von etwa dreißig Jahren, bescheiden, aber ordentlich gekleidet. Er hat einen grünen Jagdüberzieher an, sein Gesicht ist gesund und unbedeutend, er trägt über dem linken Auge eine schwarze Binde.

Frau Motes ruft herein. Nase blau jefroren, Mutter Wolffen!

Frau Wolff. Warum gehn Se spazieren in der Nacht. Sie hab'n doch am Tage Zeit genug.

Motes. Schön warm is 's hier. – Wer hat Zeit am Tage?

Frau Wolff. Na Sie!

Motes. Ick lebe wohl etwa von meine Renten?

Frau Wolff. Das weeß ich ja nich, von was Sie leben.

Frau Motes. I, sein Se man bloß nich so glupsch, Mutter Wolffen. Wir wollten mal fragen nach unsere Rechnung.

Frau Wolff. Da hab'n Se mich schon mehr wie eenmal gefragt.

Frau Motes. Na, da frag'n wir noch mal, was is denn dabei? Wir müssen doch endlich mal bezahlen.

Frau Wolf, erstaunt. Bezahlen wollen Se?

Frau Motes. Jewiß doch. Natürlich!

Motes. Die Mutter Wolffen tut ganz erstaunt. Sie dachten wohl, wir würden Ihn durchbrennen?

Frau Wolff. I, so was wer ich doch woll nich denken. Wenn Se wolln aso gutt sein! Da machen mersch gleiche, 's sein also elf Mark un dreißig Fennige.

Frau Motes. Ja, ja, Mutter Wolffen, wir kriegen Geld. Die Leute werden hier Augen machen!

Motes. Das riecht ja hier so nach Hasenbraten.

Frau Wolff. Dachhase vielleicht! Das is eher meeglich!

Motes. Wolln gleich mal nachschaun! Er will den Deckel von der Kasserolle nehmen.

Frau Wolf verhindert ihn. Toppgucken is nich!

Frau Motes, die mißtrauisch beobachtet hat. Mutter Wolffen, wir haben auch was gefunden.

Frau Wolff. Ich hab' nischt verloren.

Frau Motes. Da, sehn Se mal zu. Sie zeigt ihr zwei Drahtschlingen.

Frau Wolf, ohne aus der Fassung zu geraten. Das sein woll Schlingen?

Frau Motes. Die haben wir ganz in der Nähe gefunden. Kaum zwanzig Schritte von Ihrem Garten.

Frau Wolff. Ihr Kinder, was hier bloß gewilddiebt wird!

Frau Motes. Wenn Sie bloß aufpassen, Mutter Wolffen, da könn Se den Wilddieb richtig mal fassen.

Frau Wolff. I, solche Sachen gehn mich nischt an!

Motes. Wenn ich bloß so'n Halunken mal treffe, dem geb' ich zuerst 'n paar hinter die Ohren – dann bring' ich ihn unbarmherzig zur Anzeige.

Frau Motes. Frau Wolffen, haben Sie'n paar frische Eier?

Frau Wolff. Jetzt mitten im Winter? Die sind gar rar.

Motes, zu Julius, der eben eintritt. Förster Seidel hat wieder'n Wilddieb jefaßt. Wird morgen nach Moabit jebracht. Hat Schneid, der Kerl, das muß man sagen. Wenn ich bloß nicht das Malheur gehabt hätte, da könnt' ich heut Oberförster sein. Dann würd' ich die Hunde noch anders zwiebeln!

Frau Wolff. Das hat manch einer schon bießen missen!

Motes. Ja, wer sich fürchtet. Ich fürcht' mich nich! Ich hab' auch schon so'n paar denunziert. Die Wolffen und ihren Mann abwechselnd scharf fixierend. Und mit'n paar andern wart' ich bloß noch; die laufen mir auch noch in die Hände. Die Schlingenleger solln nur nich denken, daß ich se nich kenne. Ich kenn' sie genau!

Frau Motes. Haben Sie vielleicht gebacken, Frau Wolffen? Uns is das Bäckerbrot so zuwider.

Frau Wolff. Se wollten doch, denk' ich, de Rechnung ausgleichen.

Frau Motes. Ick sage Ihn ja, Sonnabend, Mutter Wolffen. Mein Mann ist doch Redakteur geworden von den Blättern für Jachd und Forstwirtschaft.

Frau Wolff. Na ja, da weeß ich schonn, was das heeßt.

Frau Motes. Na, was ich Ihn sache, Frau Wolffen. Wir sind ja von Krüger schon wegjezogen.

Frau Wolff. Ja, weil Se mußten, sind Se gezogen.

Frau Motes. Wir mußten? Du, Männe, hör doch mal! Sie lacht gezwungen. Frau Wolff sagt, wir mußten von Krüger fortziehen!

Motes, rot vor Zorn. Weshalb ich dort fortgezogen bin, das werden Sie schon noch mal erfahren. Der Mann ist'n Wucherer und Halsabschneider.

Frau Wolff. Das weeß ich nich. Dazu kann ich nischt sagen.

Motes. Ich warte nur, bis ich Beweise habe. Der soll sich vor mir nur ja in acht nehmen. Der und sein Busenfreund Dr. Fleischer. Der ganz besonders. Wenn ich bloß wollte: ein Wort genügte, da säß' der Mann hinter Schloß und Riegel. Schon im Anfang seiner Rede hatte er sich zurückgezogen, bei den letzten Worten geht er hinaus. Ab.

Frau Wolff. Die Männer han sich woll wieder gezankt?

Frau Motes, scheinbar vertraulich. Mit meinem Manne is nich zu spaßen. Wenn der sich was vornimmt, der läßt nicht locker. Er steht auch sehr gut mit'n Herrn Amtsvorsteher. – Wie is 's mit die Eier und mit dem Brot?

Frau Wolf, widerwillig. Na, finfe hab' ich grade noch liegen. Und a Sticke Brot. Frau Motes packt die Eier und das halbe Brot in ihren Handkorb. Sind Se nu zufrieden?

Frau Motes. Jewiß doch. Freilich. Jut sind doch die Eier?

Frau Wolff. So jut, wie se meine Hiehner jelegt haben.

Frau Motes, hastig, um ihrem Mann nachzukommen. Na, jute Nacht! Nächsten Sonnabend Jeld! Ab.

Frau Wolff. Ja doch, ja doch, 's is ja schonn gutt! Schließt die Tür, spricht halblaut. Macht, daß d'er nauskommt. Bei allen Leiten bloß nischt wie Schulden. An der Kasserolle. Was geht's bloß die an, was wir essen? Die solln doch in ihre Teppe gucken. Geh schlafen, Mädel.

Adelheid. Jute Nacht, Mama. Gibt ihr einen Kuß.

Frau Wolff. Na, jibste Papan keen Gutenachtkuß?

Adelheid. Jute Nacht, Papa. Küßt ihn, er brummt; Adelheid ab.

Frau Wolff. Das muß ma immer erscht extra sagen. Pause.

Julius. Was mußte die Leite all Eier jeben?

Frau Wolff. Ich soll mer den Kerl woll zum Feinde machen? Mach du d'r ock den zum Feinde, Julian. Ich sag' der, das is a gefährlicher Kerl. Der hat nischt zu tun wie a Leuten uffpassen. Komm, setz dich! Iß! Hier hast de 'ne Gabel. Von solchen Sachen verstehst de zu wenig. Paß lieber uff deine Sachen uff! De Schlingen legste gleich hinter a Garten! Das waren doch deine?

Julius, geärgert. Na, immerzu.

Frau Wolff. Daß der dämliche Motes se ooch gleich find't. Hier in der Nähe am Hause, verstehste, da legste mer keene Schlingen mehr. Womeeglich heeßt's dann, mir hab'n se gelegt.

Julius. Hör du bloß mit det Gequaßle uff. Beide essen.

Frau Wolff. Du, 's Holz is ooch alle, Julian.

Julius. Ick soll woll noch jehn bis in Hinterwinkel?

Frau Wolff. Am besten wärsch, mer machten's gleich ab.

Julius. Ick spüre de Knochen schon jar nich mehr. Mag jehn, wer will, det is mich eejal!

Frau Wolff. Ihr Männer habt immer a großes Maul, und wenn's derzu kommt, da kennt er nischt leisten. Ich arbeit' euch dreimal in a Sack un wieder raus, euch alle mitnander. Wenn de heite und de willst durchaus nich mehr raus, hilft alles nischt, Julian, morgen mußte. Wie is 's, sein die Klettereisen scharf?

Julius. Ick hebbe se Machnow Karin jeborgt.

Frau Wolff, nach einer Pause. Wenn du bloß nich aso feige wärscht! – Da hätt'n mer schonn schnell a paar Meter Holz! – Da braucht mer uns gar nich erscht so schinden. – Da braucht mer ooch gar nich erscht weit zu gehn.

Julius. Laß mir man essen 'n Happen, ja!

Frau Wolf gibt ihm ein Kopfstück. Nu sei bloß nich immer so miseldrähtig. Ich will amal gutt sein, paß amal uff! Eine Flasche Schnaps hervorholend und zeigend. Hier! Siehste, das hab' ich der mitgebracht. Nu machste ooch glei a freindlich Gesichte! Gießt ihrem Manne ein Glas voll.

Julius trinkt; nachher. Det is . . . bei die Kälte – is det all – janz jut!

Frau Wolff. Na, siehste woll! Sorg' ich nu etwa fer dich?

Julius. Janz jut war det. Det war janz jut! Er gießt sich aufs neue ein und trinkt.

Frau Wolf, nach einer Pause, Holz spaltend, dazwischen hier und da einen Bissen essend. Der Wulkow – das is a rechter Halunke. A tutt doch immer, als wenn's 'n schlecht ginge.

Julius. Der soll man still sind – all – der – mit sein – – Handel. –

Frau Wolff. Du hast doch geheert, mit dem Biberpelz.

Julius. Ick hebb' – nischt jehört all.

Frau Wolf, gezwungen leichthin. 's Mädel erzählte doch von d'r Frau Kriegern, se hat doch'm Krieger an Pelz geschenkt.

Julius. Die Leite – hebben's ja, det . . .

Frau Wolff. Na ja, da meente doch Wulkow . . . Du hast's doch geheert! Wenn a so an Pelz amal kriegen kennte, da wollt' a gleich sechszig Taler geben.

Julius. Der soll sich – all selber de Finger verbrenn.

Frau Wolf, nach einer Pause, ihrem Manne eingießend. I, trink man noch eenen!

Julius. Denn immer . . . immerzu – all – wat . . . Frau Wolff holt ein Oktavbüchelchen hervor und blättert darin. Wie viel hebben wir denn seit Juli verdrübert?

Frau Wolff. Halt dreißig Taler sein abgezahlt.

Julius. Denn bleiben noch all – all . . .?

Frau Wolff. Sein immer noch sibzig. Ma kommt halt uff die Art gar nich recht weiter. So fufzig – sechzig Taler uff eemal, wenn ma die uff eemal so hinleg'n kennte. Da wär' doch d'r Grund und Boden bezahlt. Da könnt' ma so hundert bis zwee wieder uffnehmen und vielleicht a paar hibsche Stub'n uffbaun. An Sommergast kenn mer doch so nich uffnehmen: und Sommergäste, die bringen's hauptsächlich.

Julius. Na, immerzu – all –

Frau Wolf, resolut. Du bist a zu langsamer Mensch, Julian. Hätt'st du woll das Grundstick gekooft, hä? Nu? Und wenn mersch jetzt wieder wollten verkoofen, da könnt mer schonn's Doppelte kriegen. Ich hab' ne ganz andere Temperatur. Wenn du bloß meine Temperatur hätt'st . . .

Julius. Ick arbeete doch – wat nützt denn det alles!

Frau Wolff. Mit dem bissel Arbeiten wirschte weit komm.

Julius. Ick kann doch nich stehlen. Ick soll woll – all rinfallen.

Frau Wolff. De bist eben tumm und mußt ooch tumm bleiben. Hier hat kee Mensch von stehln gered't. Wer halt nich wagt, der gewinnt ooch nich. Und wenn de erscht reich bist, Julian, und kannst in der Eklipage sitzen, da fragt dich kee Mensch nich, wo de's her hast. Ja, wenn ma's von armen Leiten nähme! Aber wenn mer nu wirklich – und gingen zu Kriegern und lad'ten de zwee Meter Holz uff a Schlitten und stellten se drum'n bei uns in a Schuppen, da sein die Leite noch lange nich ärmer.

Julius. Holz? Wat soll det nu widder sin – mit det Holz?

Frau Wolff. Du bekimmerscht dich eben reene um gar nischt. Deine Tochter, die kann ma zu Tode schinden. Holz hat se solln reinräumen, abens um zehne, un deswegen is se davongeloofen. Aso was läßt du d'r ruhig gefalln. Womeeglich gibbste dem Kinde Kallasche und jagst se noch zu da Leiten zuricke.

Julius. Jewiß doch! – Tu' ick! – Det sollt' mir infalln . . .

Frau Wolff. Bei so was muß immer 'ne Strafe sein. Wer mich haut, sprech' ich, den hau' ich wieder –

Julius. Na, hebb'n se all det Mächen jehaut?

Frau Wolff. Na, wenn se is fortgeloofen, Julian?! Nee, nee, mit dir is nischt anzufang'n. Nu liegt das Holz uff d'r Gasse draußen. Na, wenn ich nu sagte, mer wolln gehn, schind'st du meine Kinder, da nehm' ich dei Holz – du wärscht mer a scheenes Gesichte schneiden.

Julius. Det will ick man ja nich . . . Wat ick mir vor koofe. Ick kann ooch all mehr wie Brot essen. I, ick will mir – det ausjebeten hebb'n, det so wat . . . det Schlagen nich mehr vorkommt.

Frau Wolff. Nu rede nich erscht und hol deine Strippe. Zeig lieber a Leiten, daß de Krien hast. In eener Stunde is alles gemacht. Dann gehn mer schlafen, und damit gutt. Und morgen brauchste nich in a Wald, da hab'n mer Holz, mehr wie mer brauchen.

Julius. Na, wenn et rauskommt, mir is et eenjal.

Frau Wolff. Warum nich gar! Weck bloß nich de Mädel.

Mitteldorf, von außen. Frau Wolffen, Frau Wolffen, sind Se noch wach?

Frau Wolff. Na freilich, Mitteldorf, komm Se ock rein! Sie öffnet die Tür.

Mitteldorf tritt ein, im abgetragenen Dienstanzug und Überzieher. Sein Gesicht hat etwas Mephistophelisches. Seine Nase zeigt alkoholische Rötung. Er ist in seinem Auftreten sanft, fast schüchtern. Er spricht langsam und schleppend und ohne eine Miene zu verziehen. Ju'n Abend, Frau Wolffn.

Frau Wolff. Gu'n Nacht, wolln Se woll sagen.

Mitteldorf. Ick bin schon vorhin mal hier jewesen. Erst war es mir so: ick sähe Licht, denn war et mit eenmal jänzlich dunkel, 't hat mir ooch keener weiter jeantwort't. Nu hab' ick et aber janz deitlich jesehn, dat diesmal Licht wa, un da komm' ick noch ma.

Frau Wolff. Was bringen Se mir denn nu, Mitteldorf?

Mitteldorf hat sich gesetzt, sinnt eine Weile und spricht dann. Deswegen bin ick ja herjekomm. Ick habe was von de Frau Amtsvorsteher.

Frau Wolff. Ich soll woll waschen kommen, hä?

Mitteldorf zieht die Augenbrauen nachdenklich herauf, spricht dann. Jawoll!

Frau Wolff. Wenn d'n da?

Mitteldorf. – Morjen. – Morjen früh. –

Frau Wolff. Das sagen Se mer in der Nacht um zwölwe?

Mitteldorf. Et is morjen Waschdach bei de Frau Vorsteher.

Frau Wolff. Das muß ma doch a paar Tage vorher wissen.

Mitteldorf. Jewiß doch. Machen Se man keen Lärm. Ick hab' et mal wieder verjessen jehabt. Mir jeht so ville in Kopp herum, det ick eemal so wat zu leicht verschwitze.

Frau Wolff. Na, Mitteldorf, da wer ich's schon einrichten. Mir stehn ja uff gutem Fuße mitnander. Sie hab'n aso schonn genung uff'm Puckel mit Ihren elf Kindern zu Hause, gelt? Was brauchen Sie sich noch schlechtmachen lassen!

Mitteldorf. Wenn Se morjen nich komm, Mutter Wolffen, denn jeht et mir madich schlecht morjen früh.

Frau Wolff. Ich wer schon komm'n, lassen Se's gutt sein. Da, trinken S' amal! Ma kann's gebrauchen. Sie gibt ihm Grog. Ich hatte noch grade a bissel heeß Wasser. Mir gehn nämlich heite noch uff de Reise. Nach fetten Gänsen nieber uff Treptow. Am Tage hat ma doch keene Zeit, 's is doch nu eemal nich andersch bei uns. A Armes schind't sich halt Tag und Nacht. A Reiches liegt derfire im Bette.

Mitteldorf. Ick bin jekündigt, wissen Se schon? Der Amtsvorsteher hat mir jekündigt. Ick bin nich scharf jenug uff de Leute.

Frau Wolff. Da soll eens woll sein wie a Kettenhund?

Mitteldorf. Ick jinge am liebsten ja nich zu Hause; denn wenn ick komme, denn jibt et Zank. Denn weeß ick mir nich ze retten vor Vorwürfe.

Frau Wolff. I, halten Se sich de Ohren zu!

Mitteldorf. Nu jeht man mal'n bißken int Wirtshaus, det de Sorjen een nich janz unterkriejen: det soll man nu ooch nich. Ja nischt soll man! Nu hab' ick heute wieder jesessen, 't hat all eener uffjelegt 'n Fäßchen –

Frau Wolff. Sie warn sich doch vor an Weibe nich ferchten. Wenn se halt schimpft, denn schimpfen Se wieder, und wenn se haut, denn haun Se wieder. Nu komm Se mal her, Sie sind länger wie mir. Nu lang Se amal das Kupsel da runter. Du, Julian, mach der a Schlitten zurecht. Julius ab. Wie ofte soll ich d'r das d'n sag'n. Mitteldorf holt von einem hohen Wandbrett Strippen und Zugstricke herunter. A großen Schlitten machste zerechte. De Strippen geben Se ooch gleich runter.

Julius, von außen. Ick kann nich sehn.

Frau Wolff. Was kannste nich?

Julius erscheint in der Tür. Ich kann den Schlitten alleene nich rauskriejen. Et liecht ja drunter und drüber allens. Un ohne Licht jeht et nu schon ja nich.

Frau Wolff. Du weeßt d'r nu eemal schonn keen Rat. Sie schlingt sich hastig Brust- und Kopftuch um. Na wart ock, ick wer der helfen komm. Dort die Laterne, Mitteldorf! Mitteldorf nimmt mühsam eine Laterne herunter und gibt sie Frau Wolff. So, dank' scheen! Sie steckt das Licht in die Laterne. Das steck mer hier rein, und nu kenn mer gehn. Jetzt wer ich der helfen a Schlitten rausziehn. Sie geht mit der Laterne voran. Mitteldorf folgt. In der Tür wendet sie sich und übergibt Mitteldorf die Laterne. Sie kenn uns a bissel leichten d'rzu!

Mitteldorf, leuchtend und vor sich hinsingend, ab. Morgenro-ot, Morgenro-ot . . .

 


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