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Der schwingende Felsen von Tandil

Legende

Herr Rosas war ein Herr von allereinziger Macht. Jäh im Leben wie ein Löwe. Oder ein Kondor.

Rauben tat er mit Blicken. Mit Gebärden. Mit seiner Gnade. Mit seiner Wonne. Mit seinem Hasse. Mit seiner Gewalttat.

Er riß alles an sich.

Er war ein Räuber ohne Grenzen.

Deshalb galt er als der führende Mann unter den kühnsten Hirten im Lande.

Er ritt am Tage zehn der edelsten Pferde. So daß Schabracke und Zaumzeug trieften von Schweiß und Gischt. Und das Wasser den Tieren mit Blute gemischt von den Weichen rann.

Es gab keinen grausameren Reiter.

Alle Kreatur beugte sich ihm. Mußte sich ihm beugen. Mußte vor seinem lachenden und stechenden Kohlenblick demütig sein. Auf die Knie sinken. Jedes Wesen.

Auch Mann und Weib.

Er hatte ein Weib in der einen Farm. Und ein Weib in der zehnten Farm. Ein Weib in der Steppe. Ein Weib, wo sie über dem Rande des Bootes nur einsam versunken in die treibenden Wellen sah.

Kühn schwellte ihm Weiberliebe und ewiges, heißes Begehren die Zornadern an der Schläfe.

Wenn Rosas nicht mit dem zärtlichen Leben des Weibes gespielt, hatte er keinen Stahl im Blute. Keine Unbarmherzigkeit. Keine Tat. War er weich nur und unentschlossen.

Weiber genoß er wie Feuerwasser.

Wie eine Allmacht ließ er sich kosen.

Genoß ohne Rücksicht.

Schüttete Gold.

Hatte alles.

Schwang seinen weiten, bogigen Rundhut mit Lachen zum Abschied. War von dannen. Wußte nur Herr sein.

So war Herr Rosas, der junge Diktator.

 

Einmal hatte die Jagd auf Strauße lange hin über die Llanos gestürmt. Eines seiner Pferde hatte sich in einem Gürteltierloch eine Fessel gebrochen.

Man mußte es töten.

Und Herr Rosas war mürrisch.

Er kam in die Farm zurückgeritten, von Hirten umgeben.

Da hörte er eine Schauergeschichte von einem jungen Weibe, das Samuela hieß.

Auf glänzendem, ungebändigtem Tiere, nur in flatternden Tüchern, bunt und seidig war Samuela davongejagt. Rote Verbeenen um den Hals des mahagoninen Pferdes.

Kein Zaumzeug.

Keinen Zügel.

Nur mit sehnigen, tollenden, nackten Gebärden dem braunen Pferde die Weichen schlagend.

Es war die blutjunge Tochter des alten Nachbars und Hirten Bergara.

Achhei! Und sie war einem Strauße wie fliegend dicht auf der Spur.

Da war sie an einen Fels geschleudert plötzlich hin. Erschüttert. Erschlagen. Himmlische Ruhe in den sonnverbrannten Gliedern. Schlaff. Tot.

So daß Herr Rosas sich von dem Vater Bergara, der an diesem Mittage auch wortkarg war, die erblaßte, knospende Samuela, die weich jetzt dalag, ausbat.

Sie wie eine junge Hinde mitten unter die Strecke breiten ließ.

Sie von oben bis unten anstaunte. Lange.

Die Falten ihr von den kleinen Brüsten und ihrem Leibe wegschob.

Sie neben dem erlegten Wild beständig ansah.

Endlich befahl, die Tote in den Schlafraum tragen.

Mit ihr sich einschloß wie mit einer Geliebten.

Und wie er von neuem dann erschien, ausrufen ließ: Samuela wäre Herrn Rosas Weib.

So daß man sie mit den Ehren einer fürstlichen Frau, als Frau des Diktators, begrub.

Herr Rosas war jäh. Nicht Grenzen der Macht. Unerhörtes Leben begehrte er immer.

Er haßte das Zahme.

Er dampfte Begierden.

 

Herr Rosas war aus der spanischen Welt voller Feierlichkeit und gebundener Würden herübergekommen.

Hier war Freiheit.

Die Pferde brausten in Rudeln Tag und Nacht über nicht umhürdete Steppen hin. Von Hirten mit jähen Rennern umspannt.

Vieh und Menschen waren umflattert im Winde.

Kühe und Lämmer fällte man auf der weiten Grasflur, wo man sie mit dem Lasso griff. Drehte am Lagerfeuer die mächtigen Spieße mit den abgehäuteten Riesenleibern.

Wo man ging und stand war unendlicher Himmel und unendlicher Horizont.

Ein Meer von Blumen lockte mit den Lüften zu tändeln.

Alles war wild und grenzenlos.

Die Verbeenen in Purpurrot blendeten die Blicke der jagenden Männer.

Und das Weibsvolk lag mitten im feurigen Blumenflor. Lässig und kohlschwarz. Verächtlich und sehnsüchtig wie auf weichen Pfühlen.

Sang Klagelieder voll geheimer Gedanken. Und girrte und lockte.

Herr Rosas war über das Meer gekommen, um frei zu sein. Um leere Würden und Bürden in alle Winde zu schütteln.

Und wie ein Strauß selber hinzufliegen.

Oder eine Silberkatze zu greifen.

Oder ein stiebendes, unzähmbares Pferd mit dem Lasso zurückzureißen.

Oder auch einmal zum Preise der Nacht die Gitarre zu schlagen. Im Kreise eifersüchtiger, heißer, verwehter Weiber, die eine jede nach dem kühnsten Manne die Seile warf.

 

Da liegt die Nacht.

Felsenfest gegründet wie samtschwarze, eherne Ruhe und Stille die unermeßliche Dämmererde.

Nur in der hohlen Himmelsgrube die goldenen Bälle blinken in ewiger Unruh.

Und die schmelzenden, girrenden Weisen klingen hinein in das nächtliche Schweigen.

Da sang auch Herr Rosas mit der hellsten Stimme über die Schwermut der Steppe hin.

Sang ins Herz. Hell wie Metallklang.

Von seiner Herrschsucht und seinem Erringen. Von seinem Verachten und seiner Freiheit.

Die nächtlichen Rudel kamen im Zuge bäumend. Und standen. Und regten Gehör und Nüstern.

Die sich dehnenden, klugäugigen Stuten witterten seine Kraft.

Standen eitel.

Schwenkten die Hälse.

Lachten fast in den Nachtwind.

Und seine Lieblingshengste, die er mit den spannlangen Goldsporen an den blitzenden Reiterstiefeln blutig gerissen, wieherten hell in den ruhelos blinkenden, hochüberspannenden Himmel hinein.

 

Rosas war im Genuß ohne Grenzen.

Im Lachen hart.

In der Liebe zerfleischend.

Wegwerfend jede noch so liebliche Welle.

Zertretend den Augenblick.

Und immer gewinnsüchtig.

Immer erobernd.

 

Heute kam Herr Rosas aus der Stadt heim, wo Mönche und Käufer hausten.

Einen Transport von Jungvieh hatte er unter die Händler gebracht.

In der Stadt hatte er eine kindliche, spanische Frau gesehen.

Im Kloster des mächtigen Priors, vor dem auch Herr Rosas der würdigste Herr war.

Vor dem er tat, als wenn er Gott und dem Heiland am Kreuze aufs tiefste ergeben wäre. Keine Demut für ihn zu gering, auch der Gottesmutter zu dienen.

Der Prior hat Herrn Rosas für seinen Handel reichlich Gold ausgezahlt.

Rosas in Laune.

Königlich freigebig auf jedem Wege.

Gleich in Laune, um die Gottesmutter selber zum Kuß zu begehren.

Aber vor dem Prior noch ganz in den schlanksten, geschliffensten Grenzen.

Dort hatte er Manuela gesehen.

Ein Kind fast an Jahren.

Eine braune, holde, nicht zwölfjährige Frau, die dem Prior als Schwester zugehörte.

Die in sich und weltfern war. Dem einsamen Klosterleben im Gemüte sich weihend.

Zärtlich nur zu dem alten Mönche.

Von ferne gekommen übers Meer. Heißblütig wie junge Herzen dem Heiland ergeben.

Manuela sah Rosas.

Und Rosas war wie ein Hund. Wußte nicht gleich, wie Manuela zu gewinnen.

Zerfloß vor dem Prior.

Gewann in die Augen seligen Glanz.

Gewann in die Stimme die Süße des Sängers.

Zähmte jede kühne Bewegung.

Wollte das Seelenheil drum verkaufen.

Hätte mit dem Teufel sofort einen Pakt gemacht um dieses Kleinod.

Redete mit dem stillen, ragenden Mönche, wie ein Sohn mit dem Vater redet.

Schenkte Manuela gleich zwanzig der weißesten Lämmer.

Schenkte ihr Edelsteine und Perlen. Irgend aus seiner eigenen Behängung kostbare Knöpfe.

Nahte sich wieder und wieder.

Lud den Mönch mit der Jungen auf seine Steppe.

Wollte Manuela um alles gewinnen.

Ruhte heimlich nicht mehr.

 

Aber Manuela war nicht nur ein Kind. Sie besaß auch die Weisheit der Unschuld.

Und die Strenge.

Und lachte von oben. Und lachte wie über Mimensprünge.

Ließ Rosas gewähren.

Und lachte nur wieder. Ein wenig verächtlich. Und trieb ihn noch ganz in die Inbrunst der Tollheit.

Und Herr Rosas setzte sich dann in seinem prunkenden Aufputz als Reiterführer vor den Zug seiner rundhütigen, dunkelgebräunten Scharen von Hirten. Schwenkte in Unmut seinen Hut mit der Kondorfeder. Und rief in die Sonne:

»Ich bleibe Herr Rosas ... ich bin der Diktator ... ich habe die Macht ... und ich biete ein Reich ... und du wirst doch kommen! ...«

So rief er bei der Abkehr vor dem Kloster.

So daß der ragende Mönch mit dem Finger drohte und zärtlich lachte. Weil er die Wildheit der Mannesnatur längst vergessen hatte.

 

Und Rosas war fort.

Und daheim in der Freiheit war er tobend.

Er strömte Zorn aus.

Das Vieh, das er griff, um es für sich zu zwingen, mußte seufzen.

Er sprach nicht.

Die jungen Hirten fühlten die magische Peitsche.

Die alten Hirten konnten ihn nur mit Seitenblicken heimlich betrachten, um nicht die Süchte noch mehr zu wecken.

An diesem Tage sprang er mit seiner Begleitung auf der Jagd jäh von einem Felsen herab.

So daß einer der Hirten am Boden zerschellte.

Daß seine begleitenden, jungen »Gefieder« aufstachelnd lachten. Und so ihn zerpeitschten.

Daß er dann weinend auf einer Matte im Hause lag. Grenzenlos sich zerschämend, wie Uraka hinter dem Vorhang ihn neu verhöhnte.

An diesem Tage hieß er einen zahlreichen Zug zusammenbringen. Verwegen und toll. Gegen den alten, benachbarten Häuptling und Freund Bergara. Mit dem er in Einigkeit und gemachtem Vertrauen lebte. Und der sich in Rosas Schuh dünkte. Ihm kindlich ergeben.

Den hieß Rosas fangen. Und hieß ihn binden. Und hieß ihn bringen. Rittlings auf irgendein Pferd geschnürt.

Und lachte fürchterlich über den Anblick.

Und warf ihn mit Mehl.

Und lachte vor Männern und Weibern und Kindern. Toller und toller.

Doch keiner wagte um ihn zu lachen.

Nur daß die lässige, freche Uraka den Gehöhnten mit scharlachnen Blüten bewarf.

Auch keiner wagte die Augen zu drehen, als der alte Bergara zum ersten Male in seinem Leben zu weinen anfing. Und plötzlich die Sielen zerriß. Und in Freiheit stand.

Und doch kindlich Rosas anlachte in Scheu und Demut.

Und zu Rosas nur kam, ihm die Hand zu reichen.

Und Rosas nur lange noch dasaß und ihn anstaunte. An diesem Tage war Rosas stutzig. Es galt ihm ein Omen. Er war abergläubisch. Er schloß sich ein. Er wagte an diesem Tage gar nichts.

Er ließ Bergara seine beste Stute zum Heimritt geben. Und Uraka, die verächtliche Dirne.

Hieß die Junge den Alten baden und dann mit ihrem Leibe erquicken.

So ging er im Traume nach Manuela.

 

Der alte Prior wußte vom Leben draußen in Freiheit nichts. Er ließ auf sein hartes Drängen Herrn Rosas, dem Diktator, nur sagen, er käme nicht.

Auch Manuela wäre nur dem heiligen Gotte gegeben.

Da war Rosas vollends stumm und erschöpft geworden in seiner Sucht.

Und er suchte nach Ausweg.

Er empörte sich gegen das Kloster und gegen die heiligen Männer.

Er dachte zuerst, er wollte das Kloster verbrennen. Das Kloster berauben. Die Mönche vertreiben. Den alten Mönch töten. Die Schwester hinaus in die Steppe bringen, sie dort zu zähmen.

Aber dann gewann der Haß gegen Gott die Oberhand.

Und er höhnte:

»Was kann Gott? Was ist Gott? Ein Schrecken! Gott ist unsichtbar. Ein Popanz ist er, von kostümiertem Gesindel nur so in die Luft geschrieben!«

Und er ließ seine Hirten und alles Knechtsvolk eilig sammeln. Und sandte zum Prior. Und schrieb dem Prior:

«Komm ... und bete bei uns ... und hole Gott für uns arme Sünder sichtbar vom Himmel herab ... und zeige endlich die große Allmacht ... solange bin ich in meinem Reiche auf Erden allein der Herr ... dann will ich ins Kloster kommen und Mönch sein!«

Da kam der Prior auch wirklich. Mit Manuela. Sie waren gespannt, was zu hören wäre.

Sie kamen auf sanften Pferden geritten. Im Zuge von Hirten, die sie beschützten.

 

Vor dem Farmhause war eine weite Ebene.

Rosas ließ hundert Gitarren spielen.

Rosas neigte sich bis zur Erde.

Rosas stand mit geputzter Brust. Stand wie ein König unter den Hirten.

Alles Weibervolk bunt verkleidet. Singende, selig klagende Münder. Die Augen allein von Hohne getummelt über die Hulden Manuelas. Um die reine, vom Himmel scheue Jungfrau heimlich zu überhöhnen.

Dann war ein Festzug.

Der Diktator neben dem Mönch. Manuela mitten. Auf tanzenden Pferden. So daß der Mönch ziemlich ängstlich schien.

Und ein Volk von Tausend, die Rosas aus allen Winden befohlen.

So kamen sie an den schwingenden Felsen von Tandil. Ein Klotz wie ein Berg. Von unzähligen Zentnern.

Und Rosas hieß sich die Völker lagern.

Stieg ab.

Berührte mit einem Finger den Fels. Und hieß ihn schwingen mit hörbarem Rhÿthmus.

Dann hieß er den Prior ein Gleiches tun. Und dann Manuela.

Die Gegend war herrlich.

Der Felsen am Abgrund.

Tief unter dem Felsen brausten die Wasser. Büsche unten. Einzelne Bäume ragten herauf.

»Bewege den Fels ... ein Kind vermag es«, sagte Rosas.

Und Manuela lachte und sagte zärtlich und ängstlich:

»So leicht ist die göttliche Pflicht im frommen Herren, die sonst so schwer ist ... schwerer wie der schwingende Felsen von Tandil ... du großer Diktator ... du hochmütiger Herr ... du wähnst wohl, du tust es ... aber du siehst ja ... nur Gott kann diesen Felsen bewegen ... dein Finger scheint Kraft ... und bleibt doch Schwäche!«

Da lachte Rosas ein furchtbares, grelles Lachen. Daß alle Hirten und die bunten Gitarreträgerinnen rings in der Runde und den alten Mönch und die junge Manuela ein Frieren ankam.

Und Rosas hieß zwanzig Paar eherner Stiere aus seinen Herden herantreiben. Die kamen in schwerem Gange. Eingesielt in die festesten Lederbänder und Taue und Ketten.

Und er hieß den schwingenden Felsen von Tandil binden. Damit die vierzig Stiere den Felsen an den Rand des Abgrundes schleifen und ihn herabreißen sollten.

Und es entstand ein Totenschweigen.

Nur der gewaltige Felsklotz sang einstweilen in seinen Eisenketten den schwingenden Rhÿthmus, den der leiseste Zug der mächtigen Stiere herzutrug.

Auch der Mönch war stumm.

Auch Manuela war stumm.

Und Herr Rosas gebot, Lieder zu singen zum Preise von des großen Diktators urherrischem Namen.

Und die Frauen sangen. Schlugen Gitarren.

Und Herr Rosas rief:

»So gewiß wie dein frommes Leben mein ist ... denn ich bin Diktator ... hier ist mein Reich ... so gewiß will ich diesen Felsen bewegen!«

Der Mönch und Manuela schienen doch sorglos.

Sanft und lächelnd blickte der Mönch den gefesselten Stein an.

Und Manuelas Worte fielen wie Tropfen Balsam unter die tausend starren Menschen:

»Gott hat die Macht!«

»Nein«, rief Herr Rosas. »Nur der Diktator hat hier die Macht!« Und er lachte noch kühner.

Aber Manuela sagte noch einmal, jetzt mit Erzengelstimme emporgerafft. So metallen klang es unter die atemhaltende Menge:

»Nur Gott kann den Felsen bewegen!«

Da schwollen Rosas die Zornadern auf.

Er machte Befehlsgebärden.

Die zwanzig Paar eherner Stiere begannen sich in die Leder- und Eisenstränge zu legen.

Die Knechte schlugen mit Stachelpeitschen hinein.

Es entstand ein Geschrei. Man geißelte sinnlos die ächzenden Tiere.

…………………………

Der Fels schwang nur leise in seinen Rhÿthmen ...

…………………………

Rosas wurde stumm.

Er wußte nur tief in sich stille zu stehen.

Nichts klirrte an ihm.

Die bunten Sterne.

Und goldenen Behänge hingen an ihm so still wie am Baumstamm.

Wie eine Säule aus Erz war er von seinem Zweifel jetzt hingepflanzt.

Und er murmelte in sich:

»So gewiß wie ich den schwingenden Felsen von Tandil bewege ...«

Er erstarrte richtig in sich, mit fiebernden Blicken in Manuelas samtene Augen hinein.

Und das Schweigen ward gellend.

Und die Augen von wilden Kohlen des Herrn Rosas brannten den Stein.

»Bewege den Stein!« sagte der Mönch.

Und die reichen, zerschmelzenden, süchtigen Gitarren und Klagestimmen der hundert Weiber sangen jauchzend zum Preise Rosas.

Und als neues Totenschweigen hereinbrach, rief Manuela wie ein kindlichstes Kind im Spiele mit Gott, den sie wahrhaft liebte:

»Diktator Rosas ... bewege den schwingenden Stein von Tandil, daß er aus der Höhe zum Flusse stürze und zerbröckele ... dann will es der höchste Gott, daß ich dein bin!«

…………………………

Und hundert Paar eherner Stiere kamen.

Und die schnaubenden Tiere begannen in ihren Ketten und Sielen zu stemmen. Unter wütenden Stachelgeißeln und Ächten und Brüllen sich zu strecken und winden und dehnen.

Zu stöhnen.

Zu stürzen in wüstem Getümmel.

Der höllischste Himmel fegte jetzt finster.

Die Menschen stauten.

Es ballte sich Nacht.

Es ergrollte düster.

Der Prior auf seinem Pferde betete laut. Manuela blickte glückselig in helle Blitze ...

…………………………

Und der Felsen von Tandil sang nur wieder gebunden den einfachen Rhÿthmus ...

…………………………

Rosas blickte sich um.

Sein Gesicht war verfallen.

Seine Hände gekrampft.

Er sah Mönch und Kind an.

Die ehernen Stiere zogen längst schwer und beschämt von dannen.

Und Rosas drohte sich auf die Menge zu stürzen wie ein brüllender Löwe, der Qualen leidet.

Auch das Knechtsvolk murrte.

Herr Rosas schrie:

»Noch hab ich die Macht!«

Er hatte den Dolch aus dem Gurt gerissen. Und nahte im Sprunge jetzt den Frommen ...

Da zuckte ein jäher, weit sich erdwärts, horizontwärts teilender Blitz, der wie ein Sprühquell von flüssigem Golde in dreißig glühen Bändern aus dunkelstem Himmel herabrann. Und ein betäubendes Dröhnen zerbrach alle Lüfte. Und machte das Hören und Sehen vor Furcht unmöglich.

Die Erde, auf der alles Volk sich scharte, däuchte wie eine harte, silberne Riesenscheibe nur zu zerknittern. Und alle Augen sahen geblendet, wie der zerspließende Goldblitz den schwingenden Felsen von Tandil engelweich umfloß. Einen Augenblick wie von diamantenem Netze umsponnen. Und ihn sanft zermalmte und stürzte.

Kein Mensch hatte den andern gesehen.

Rosas und alle. Auch Mönch und Kind hatten die Erde völlig vergessen.

Hatten nur übermächtigen Glanz in den Lüften.

Und alle waren dann tot niedergefallen.

Auch die Stiere und Pferde lagen wie vom Tode still. Ehe die Ohnmacht endlich vorüber war.

Alle gähnten vor Sucht nach Atem.

Alle konnten daheim erst wieder sich selber und ihre Armut erkennen.

 

Nach Stunden schon sah man den Diktator Rosas auf einem ungesattelten Pferde in Bettlerkleidern ins Kloster reiten.

Ganz einsam.

Dort hat er sein irdisches Herrentum abgelegt. Tat Küchendienste im Kloster. Und sann wie ein Büßer über die Allmacht.


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