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8.

Ein Hai hat bekanntlich die Kraft, hinter einem Dampfer nachzuschwimmen Tag und Nacht bis nach Amerika. Drum wenn der nächste von euch Haien in Neuyork ankommt, soll er den Amerikanern predigen. Ich habe zwar im vergangenen Sommer auf ihren Wunsch der Neuyorker Staatszeitung meine Meinung über den Krieg mitgeteilt, aber doppelt genäht, hält besser, und der Haifisch soll auch noch was sagen und zwar zunächst den englischen und dann den deutschen Amerikanern. Den erstern soll er sagen, es sei eine Schande für eine große Nation und eine Heuchelei von ihr, durch ihre unsern Feinden gelieferten tödlichen Geschosse Hunderttausende von deutschen Soldaten töten zu lassen und so den vieltausendfachen Mörder und dabei den Wächter des Völkerrechts zu spielen und den Grobian gegen Deutschland und Osterreich, wenn Amerikanern etwas geschieht auf uns feindlichen Schiffen, die meist für die Engländer Munition aus Amerika führen.

Er soll sie fragen, warum ihr Präsident Wilson, der vorher meines Wissens Staatsrechtslehrer war, so zahm ist gegen die Altengländer, welche die amerikanischen Häfen blockieren, als wäre Amerika feindliches Land. Er soll sie fragen, warum der Präsident und seine Ratgeber ganz tanzen, wie die Engländer pfeifen. Und dieses Pfeifen geht dahin, Amerika mit uns in einen Krieg zu verwickeln.

Die demokratische Partei war mir bisher immer die liebere, weil sie vorab Treu und Redlichkeit auf ihre Fahne schrieb, aber mit dem jetzigen Präsidenten hat ihr alter Ruf Schaden gelitten. Da war der demokratische Präsident vor dreißig Jahren, Grover Cleveland, eine andere Nummer, ein Mann von hervorragender Unparteilichkeit und Unerschrockenheit. Den sollten die Amerikaner heute haben.

Zwanzig Jahre vor Cleveland war Andrew Johnson demokratischer Präsident, ursprünglich nur Schneider, aber ein unbestechlicher, rechtschaffener Mann, der, obwohl aus den Südstaaten stammend und dem Süden gewogen, den Mut hatte, gleich nach seinem Amtsantritt den Altengländern die Wahrheit zu sagen, daß sie den Rebellen (Südstaaten) Kriegsmaterial geliefert und förmliche Raubzüge gegen den nordamerikanischen Handel ausgeführt hätten. Und heute ist der Präsident der gehorsame Diener des gleichen Englands, das acht Jahre lang Krieg geführt hat von 1775-83, um die »nordamerikanische Union« zu verhindern und die nordamerikanischen Staaten wieder unter seine Herrschaft zu bringen.

Wenn es also auf Altengland angekommen wäre, gäbe es heute keine Vereinigten Staaten von Nordamerika. Der gleiche Krämergeist Englands, dem der heutige Weltkrieg entsprungen ist, trieb auch die Nordamerikaner 1775 dazu, sich von dem habgierigen »Mutterland« loszumachen, das ihnen nur solche Waren einzuführen erlaubte, die aus England kamen.

Und wer war in jenem Befreiungskriege Generalinspektor der Armee und Generalstabschef Washingtons? Der frühere preußische Offizier aus der Schule Friedrichs des Großen, der General von Steuben, ein geborener Magdeburger. –

Und den Deutschen soll der Hai melden, daß wir in Altdeutschland erfreut sind über ihre gute Gesinnung mit Herz und Hand ihrem alten Vaterland gegenüber, auf das sie aber auch stolz sein können, denn es wehrt sich heldenhaft und sieghaft gegen eine Welt von Feinden.

Daß sie energisch auftreten gegen die Verletzung der Neutralität durch die Munitionslieferungen, welche meist schuld sind an der Verlängerung des mörderischen Weltkriegs, macht ihnen alle Ehre. Es wäre eigentlich Sache eines jeden ehrlichen Amerikaners, ob er englischer oder deutscher Herkunft ist, gegen die Waffenlieferungen zu protestieren. Und daß Professor Wilson die Deutschamerikaner Verschwörer nennt, weil sie keine Freunde der Mordfabriken des englisch-amerikanischen Großkapitals sind, darauf werden sie ihm, dem Hehler und Helfer der Mörder, die rechte Antwort nicht schuldig bleiben. Wenn die alten Achtundvierziger in Amerika noch lebten, würde diese Antwort noch kräftiger ausfallen.

Deutsche Arbeit hat seit Jahrhunderten in Amerika am meisten Land kultiviert, und deutsches Blut und deutscher Mut haben im amerikanischen Bürgerkrieg mehr für die Union getan, als heute Wilson und seine Berater. –

Die Deutschen in Amerika haben es bisher gehalten wie wir diesseits des großen Ozeans. Sie haben den guten deutschen Michel gespielt wie wir, die wir allen Nationen gut und schön taten und sie bei uns ausnahmen, wie ein Oberkellner die Gäste, und ihnen mit allem, was sie wünschten, aufwarteten. Dafür zum Dank fallen jetzt alle über uns her. Ähnlich spielte der Deutsche in Amerika den » dutschman«, den guten Kerl, der zufrieden war, wenn er sein Auskommen hatte.

Die Deutschen in den Vereinigten Staaten spielen in der Politik und in deren Mittelpunkt, in dem Kongreß der Volksvertreter, nicht die ihrer Zahl und ihrer Tatkraft im wirtschaftlichen Leben entsprechende Rolle, weil sie zu bescheiden sind. Diese Bescheidenheit müssen sie aufgeben und, wie wir in Altdeutschland, in Zukunft etwas selbstbewußter auftreten. Aber sie müssen auch dafür sorgen, daß die Wibervölker im öffentlichen Leben nicht Meister werden, sonst werden sie »trocken gelegt« und bekommen kein Bier mehr und die deutsche Gemütlichkeit hört auf. Auch ihren Kindern müssen sie die deutsche Sprache mehr lehren als bisher, damit diese selbst einst aus deutschen Büchern lesen können, was Altdeutschland in diesem Kriege Großes geleistet hat.

Tief zu beklagen wäre es, wenn zu Ehren Altenglands, das Amerika als Sturmbock gegen uns benutzen möchte, ein ernstlicher innerer Bürgerzwist losbräche. Die Amerikaner müssen einig sein, denn über dem großen Ozean drüben wohnt ein Feind, Japan, der vielleicht, ohne daß wir es wünschen, das Blut der durch amerikanische Geschosse getöteten deutschen Soldaten eines Tages rächen wird. –

Und nun hab' ich noch einen Auftrag für den Delphin, dessen Lieblingsaufenthalt sonst das Mittelmeer ist. Ich erinnere mich noch mit Vergnügen des Frühlingsmorgens im Jahre 1876, da ich an den liparischen Inseln vorbei nach Messina fuhr und bei Sonnenaufgang die ersten Delphine in der Flut sich tummeln sah.

Wenn also unser Delphin wieder heimkehrt an die Gestade des Mittelmeers, habe ich eine Botschaft für ihn an das arme italienische Volk. Er schwimmt zwar bei seiner Heimkehr auch an Frankreich vorbei. Aber den Franzosen ist nichts zu sagen. Denen ist nicht mehr zu helfen. Sie gehen für England und für Elsaß-Lothringen dem Abgrund zu.

Als ich 1874 in Frankreich reiste, sagte ich in den betreffenden Reiseerinnerungen, es müßte über die Franzosen noch ein härterer Schlag kommen als 1870, ehe sie bedächten, was ihnen zum Frieden dient. Der Schlag kam jetzt, hat aber den Götzendienst noch gesteigert. » La France«, das geliebte Frankreich, ist die erste Gottheit bei ihnen, selbst bei geistlichen Leuten. Sie ist der Moloch der alten Heiden, die Gottheit des fressenden Feuers. Und so wie die Völker des Altertums dem Feuer, das in der ehernen Statue des Moloch brannte, ihre Kinder zum Verbrennen opferten, so opfert Frankreich heute seine Kinder dem Moloch La France, der Staatsgottheit, ihrer Größe, ihrem Ruhm und ihrer Rachsucht.

La France rüstet, kämpft und siegt, anders kann es nicht sein vom Minister bis zum Arbeiter und vom Bischof bis zur Ordensschwester und zur Bettelfrau.

Anders ist es in Italien, wo ein arbeitsames, genügsames Volk, wie die Landbevölkerung von Italien es ist, seine Söhne einem mutwilligen Krieg hat opfern müssen, den englisches und französisches Geld in Italien angezündet hat durch bestochene und bezahlte Hetzer, Zeitungsschreiber, Minister, Parlamentarier und Proletarier und durch eine Königin, die für – Russisches schwärmt.

Die Landstücke, welche Italien zum größten Teil geschenkt erhalten hätte, ohne einen Blutstropfen zu vergießen, sollten durch einen Krieg, der Hunderttausende von Toten und Verwundeten kostet, geholt werden, um England, Frankreich und Rußland Luft zu schaffen auf ihren Kriegsschauplätzen. Viele Millionen haben italienische Arbeiter alljährlich aus Deutschland heimgebracht, Millionen und Millionen kamen nach Italien von der deutschen Handelswelt für seine Hauptprodukte Wein und Südfrüchte, Millionen haben deutsche Reisende jährlich ins Land getragen. Treu waren Deutschland und Osterreich mit dem Lande Jahrzehnte verbunden. Und nun ist das alles vorüber um einiger Hundert Hetzer willen, die ihr Land und Volk ins Elend stürzten, weil das Gold unserer Feinde sie blendete:

Der Sterling klirrt, der Sterling fällt.
Was ist der Mensch? Ein Schuft!
Und wenn die Welt dir nicht gefällt,
So steig in deine Gruft.

Aber das arme Volk, das bluten muß, dauert einen, und das soll der Delphin an die Gestade Italiens bringen, daß wir Italiens Volk nicht hassen, sondern bemitleiden. –

Als der große einstige Freiheitsmann Jakob Görres im ersten Monat des Jahres 1848 in München auf dem Sterbebett lag, äußerte er einmal: »Betet für die Völker Europas, die nichts mehr sind!« Aber ich frage: Waren sie – Befreiungs- und Verteidigungskriege ausgenommen – in Kriegszeiten je etwas anderes als Schafherden, die man zur Schlachtbank führt? Und so wird es bleiben, solange diese Sonne über diese Erde geht unter monarchischen, republikanischen und revolutionären Regierungen und solange der »Fürst der Welt«, wie Christus der Herr den Satan nennt, Haß und Neid und Habgier und Herrschsucht und Zwietracht in den Herzen der Menschen sät und mit einer ebenso unheimlichen als rätselhaften Macht ankämpft gegen das Reich dessen, der gekommen war, der Welt den Frieden und die frohe Botschaft von einem ewigen, bessern Leben zu bringen. –

So, ihr lieben Meeresbewohner, nun danke ich euch, daß ihr mir stille zugehört bei dem, was ich den Menschen sagen wollte. Wir Menschen sollten überhaupt mehr mit euch Fischen verkehren, denn in unserer Heilsgeschichte spielt ihr eine große Rolle. Bei den hochgebildeten alten Völkern der Syrer, Assyrier, Phönizier wurdet ihr göttlicher Verehrung teilhaftig, und die Priester lasen aus euerm Erscheinen Schicksalssprüche heraus. Im Christentum waren Fische mehrfach der Gegenstand von Wundern Jesu, so bei der Vermehrung weniger Fische, auf daß 4000 Menschen genug davon bekamen und noch übrig blieb. Aus dem Munde eines Fisches ließ der Heiland auch die Münze nehmen, um die von ihm verlangte Steuer zu bezahlen. Ein Fisch war das Sinnbild Christi in der ersten Kirche und das Erkennungszeichen für Christen, die an ihre Wohnungen Fische malten zum Zeichen, daß hier Christen wohnten. Und am Himmel glänzt das Sternbild der Fische mit 75 Himmelslichtern.

Ihr seht also, wie ihr geehrt ward und seid auf der Erde, und daß ein Mensch sich keine Unehre antut, wenn er sich mit euch unterhält, wie ich es getan. –

Sie hatten erstaunt aufgehorcht bei meinen letzten Sätzen über die Ehre, welche die Fische in der Welt genießen, und freudig mit ihren Schwänzen das Wasser gepeitscht. Ich aber erhob mich wieder mit meinem Federkiel aus den Wassern.

Kaum hatte ich mich umgekleidet und getrocknet, als der Briefträger Hirt, der mir schon vor 25 Jahren die Post nach Hofstetten in mein Ferienparadies gebracht, einen Brief brachte, der aus einem neutralen Lande und von einem angesehenen, geistig hochstehenden Manne und guten Katholiken kam und mich so freute, daß ich ihn hier alsbald wiedergeben muß. Er schreibt:

»Es drängt mich, den fernstehenden Neutralen, in so großer Zeit sich auszusprechen und der tiefen Verehrung und Liebe gegenüber dem edlen deutschen Volke Ausdruck zu geben. Wir haben gezittert und nicht mehr schlafen können, als es Kriegserklärungen gegen Deutschland nur so schneite und alle Hunde auf die willkommene Beute sich stürzten. Und als dann Sieg auf Sieg kam und Deutschland sich nicht bloß in der Schlacht, sondern auch in der Organisation des wirtschaftlichen Lebens durch seine Tüchtigkeit über alles Lob erhaben gezeigt, da haben wir alle aufgejauchzt.«

»Es sind namentlich die weiten Kreise des Volkes, die Bauern und die Handwerker, die so denken und ihre täglichen Gebete zu Gott emporsenden für den Sieg des deutschen Volkes und seiner Verbündeten. Sie alle haben die Überzeugung, daß Deutschland im Recht war, als es zum Schwerte griff, und daß seine Gegner seit Jahren darauf ausgingen, aus Neid und Mißgunst Deutschlands Fundamente zu untergraben.«

»Nun wird es anders kommen, als Haß und Neid sich geträumt haben. In einem Glanz und einem Heldentum, das die Welt noch nie gesehen hat, wird Deutschland auferstehen. Und wenn es mir auch nicht sicher scheint, daß ihm seine Opfer auf einmal und unmittelbar ersetzt werden, so zweifle ich doch keinen Augenblick, daß dies mittelbar nach und nach im reichsten Maße geschehen wird.«

»Wer wird ein Volk, das sich so stark erwiesen, in absehbarer Zeit wieder anzugreifen wagen? Seiner Tüchtigkeit steht die ganze Welt offen.«

»Es ist meine tiefinnerste Überzeugung, daß dies auch zum Nutzen der übrigen Völker dienen wird. Die guten Seiten des deutschen Geistes und Charakters, das Pflichtbewußtsein und der Idealismus, werden der richtige Samen sein, um die Welt zu erneuern.«

»Freilich den Träumern – und zu diesen unverbesserlichen gehöre auch ich – will es nicht in den harten Kopf hinein, daß es so viel Gewalt, Not, Blut und Tod bedarf, um dieses Maß von Größe und Erhabenheit zu zeitigen. Ich habe mich so oft gefragt in den letzten anderthalb Jahren, warum ist das alles notwendig? Warum muß das Gute erst durch das Böse, das Schöne durch das Häßliche, die Kultur durch die Gewalt hindurchgehen, ehe sie zur Erscheinung gelangen können? Ich finde keine andere Antwort, als daß uns die Natur selbst darauf hinweisen will, daß sie nicht die letzte Vollendung ist. Wir würden sonst uns mit dem Diesseits abfinden, wenn es anders wäre.«

So der Neutrale. Ich habe im Verlauf des Kriegs oft bedauert, daß wir im Ausland so wenig gute Freunde haben. Nun weiß ich, daß ich mich getäuscht, und bin nun doppelt sicher, daß wir siegen werden. Das walte Gott und unser gutes Recht, das Recht der Notwehr!


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