Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

.

III.

Johannes kehrte wieder in die Stadt zurück. Und es vergingen Jahre und Tage, eine lange, bewegte Zeit in Arbeit und Träumen, Studien und Poesie. Er war gut vorwärts gekommen, er hatte ein Gedicht über Esther, »ein Judenmädchen, das Königin von Persien wurde«, gemacht, eine Arbeit, die gedruckt wurde und für die er Bezahlung erhielt. Ein anderes Gedicht »Der Liebe Irrgang«, das er dem Mönch Bendt in den Mund gelegt hatte, machte seinen Namen bekannt.

Ja, was war die Liebe? Ein Wind, der in den Rosen säuselt, nein, ein gelbes Irrlicht im Blut. Die Liebe war eine höllenheiße Musik, die selbst die Herzen von Greisen tanzen macht. Sie war wie das Maßliebchen, die sich beim Nahen der Nacht weit öffnet, und sie war wie die Anemone, die sich vor einem Hauch schließt und bei der Berührung stirbt.

So war die Liebe.

Sie konnte ihren Mann zu Grunde richten, konnte ihn wieder aufrichten und ihn wieder brandmarken; sie konnte heute mich lieben, morgen dich und die nächste Nacht ihn, so unbeständig war sie. Aber sie konnte auch festhalten wie ein unzerbrechbares Siegel und gleich unerlöschlich bis zur Todesstunde flammen, denn so ewig war sie. Wie war denn die Liebe?

O, die Liebe ist wie eine Sommernacht mit Sternen am Himmel und Duft auf der Erde. Weshalb aber veranlaßt sie den Jüngling, verborgene Wege zu gehen, und weshalb veranlaßt sie den Greis, in seiner einsamen Kammer auf den Zehen zu stehen? Ach, die Liebe macht das Menschenherz zu einem Pilzgarten, einem üppigen und unverschämten Garten, in dem geheimnisvolle, freche Pilze wuchern.

Veranlaßt sie nicht den Mönch, in verschlossene Gärten hineinzuschleichen und sein Auge bei Nacht gegen die Fenster der Schlafenden zu pressen? Und erfüllt sie nicht die Nonne mit Narrheit und verdunkelt den Verstand der Prinzessin? Sie beugt das Haupt des Königs tief hinab auf den Weg, daß sein Haar all den Staub des Weges fegt, und er derweil unkeusche Worte vor sich hin murmelt und lacht und die Zunge aussteckt.

So war die Liebe.

Nein, nein, sie war wiederum ganz anders, und sie war wie nichts sonst auf der ganzen Welt. Sie kam in einer Lenznacht auf die Erde, als ein Jüngling zwei Augen sah, zwei Augen. Er starrte und sah. Er küßte einen Mund, da war es, als wenn zwei Lichter einander in seinem Herzen begegneten, eine Sonne, die einem Stern entgegenblitzte. Er fiel in einen Schoß, da hörte und sah er nichts mehr auf der ganzen Welt.

Die Liebe ist Gottes erstes Wort, der erste Gedanke, der durch sein Gehirn segelte. Als er sagte: Es werde Licht! Da ward die Liebe. Und alles, was er geschaffen hatte, war sehr gut, und er wollte nichts davon ungeschehen machen. Und die Liebe wurde der Ursprung der Welt und der Herrscher der Welt; alle ihre Wege aber sind voller Blumen und Blut, Blumen und Blut.

— — — — — — — —

Ein Septembertag.

Diese entlegene Straße war sein Spazierweg, er schlenderte dort auf und ab, wie in seinem Zimmer, weil er nie jemandem begegnete, und zu beiden Seiten der Bürgerstiege waren Gärten, in denen die Bäume im roten und gelben Blätterschmuck prangten.

Weshalb geht Victoria hier an diesem Ort? wie kann ihr Weg hier vorbei führen? Er irrte nicht, sie war es, und vielleicht war sie es auch gewesen, die gestern Abend hier gegangen war, als er aus seinem Fenster sah.

Sein Herz pochte heftig. Er wußte, daß Victoria in der Stadt war, das hatte er gehört, aber sie bewegte sich in Kreisen, in denen der Sohn des Müllers nicht verkehrte. Auch zu Ditlef hatte er keine Beziehungen.

Er nahm sich zusammen und ging der Dame entgegen. Kannte sie ihn nicht? Sie ging ernst und sinnend ihren Weg und trug ihren Kopf stolz auf dem schlanken Hals.

Er grüßte.

»Guten Tag,« antwortete sie ganz leise.

Sie machte keine Miene, stehen zu bleiben, und auch er ging schweigend vorüber. Es zuckte in seinen Beinen. Am Ende der kleinen Straße kehrte er um, wie es seine Gewohnheit war. Ich halte die Augen auf das Pflaster gerichtet und sehe nicht auf, dachte er. Erst, nachdem er etwa zehn Schritte gegangen war, blickte er auf.

Sie war vor einem Schaufenster stehen geblieben.

Sollte er sich wegschleichen, in die nächste Straße hinein? Weshalb stand sie da? Das Fenster war armselig, es war ein kleines Ladenfenster, in dem ein paar Stangen roter Seife, Graupen in einem Glase und einige gebrauchte Briefmarken zum Verkauf ausgestellt waren.

Er konnte vielleicht noch zehn Schritt weiter gehen und dann umkehren.

Da sah sie ihn an, und plötzlich kam sie ihm von neuem entgegen. Sie ging schnell, als habe sie Mut gefaßt, und als sie sprach, atmete sie mühsam. Sie lächelte nervös.

»Guten Tag. Wie amüsant, daß ich Sie treffe!«

Großer Gott, wie sein Herz arbeitete; es schlug nicht, es zitterte. Er wollte etwas sagen, es gelang ihm nicht, nur seine Lippen bewegten sich. Ein Duft entquoll ihren Gewändern, ihrem gelben Kleid, oder kam er vielleicht aus ihrem Munde? Er hatte in diesem Augenblick keinen Eindruck von ihrem Gesicht; aber er erkannte ihre feinen Schultern und sah ihre lange, schmale Hand auf dem Stock des Sonnenschirms. Es war ihre rechte Hand. Die Hand trug einen Ring.

Während der ersten Sekunden dachte er nicht hierüber nach und hatte nicht die Empfindung eines Unglücks. Ihre Hand aber war wunderbar schön.

»Ich bin eine ganze Woche in der Stadt gewesen,« fuhr sie fort, »aber ich habe Sie nicht gesehen. Ja, einmal auf der Straße habe ich Sie gesehen, jemand sagte mir, daß Sie es seien. Sie sind groß geworden.«

Er murmelte:

»Ich wußte, daß Sie in der Stadt sind. Bleiben Sie noch lange hier?«

»Einige Tage. Nein, nicht lange. Ich muß wieder nach Hause.«

»Ich danke Ihnen, daß Sie mir Gelegenheit gaben, Sie zu begrüßen,« sagte er.

Pause.

»Ja, übrigens habe ich mich verirrt,« begann sie wieder. »Ich wohne beim Kammerherrn. Wie komme ich dahin?«

»Ich werde Sie begleiten, wenn Sie es erlauben.«

Sie gingen.

»Ist Otto zu Hause?« fragte er, um etwas zu sagen.

»Ja, er ist zu Hause,« erwiderte sie kurz.

Einige Männer kamen aus einem Thorweg, sie trugen ein Klavier und sperrten den Bürgerstieg. Victoria wich nach der linken Seite aus, sie lehnte ihre ganze Seite gegen ihren Begleiter. Johannes sah sie an.

»Verzeihen Sie,« sagte sie.

Ein Gefühl der Wollust durchschauerte ihn bei dieser Berührung, ihr Atem streifte einen Augenblick seine Wange.

»Ich sehe, Sie tragen einen Ring,« sagte er. Und er lächelte und sah gleichgültig aus. »Ich darf Ihnen vielleicht gratulieren?«

Was würde sie antworten? Er sah sie nicht an, hielt aber den Atem zurück.

»Und Sie?« entgegnete sie. »Haben Sie noch keinen Ring? Also noch nicht? Mir hat wirklich irgend jemand erzählt – – – – Man hört heutzutage so viel von Ihnen, sogar in den Zeitungen steht von Ihnen.«

»Ich habe ein paar Gedichte gemacht,« erwiderte er. »Aber die haben Sie wohl nicht gesehen.«

»War es nicht ein ganzes Buch? Ich meine –«

»Ja, es war auch ein kleines Buch.«

Sie kamen an einen kleinen Platz, sie hatte keine Eile, obwohl sie zu der Familie des Kammerherrn wollte, sie setzte sich auf eine Bank. Er stand vor ihr.

Da reichte sie ihm plötzlich die Hand und sagte:

»Setzen Sie sich doch auch.«

Und erst, als er sich gesetzt hatte, ließ sie seine Hand wieder los.

Jetzt oder nie! dachte er. Er versuchte, wieder einen scherzenden, gleichgültigen Ton anzuschlagen, er lächelte, sah in die Luft hinauf. Wohlan!

»Sie sind also verlobt und wollen es mir nicht einmal sagen, mir, der ich doch daheim Ihr Nachbar bin!«

Sie besann sich.

»Nicht darüber wollte ich heute mit Ihnen reden,« entgegnete sie.

Er wurde plötzlich ernst und sagte leise:

»Ja, ich begreife es trotzdem so gut.«

Pause.

Er begann von neuem:

»Ich wußte natürlich die ganze Zeit hindurch, daß es mir nichts nützen könnte, – – ja, daß ich es nicht sein würde, der – – – Ich war ja nur des Müllers Sohn, und Sie – – – Natürlich ist es so. Und ich begreife nicht einmal, daß ich jetzt hier neben Ihnen sitzen darf. Denn ich sollte vor Ihnen stehen, oder ich sollte dort auf den Knieen liegen. Das wäre das Richtige. Aber es ist, als ob – – – Und alle diese Jahre, die ich fort gewesen bin, haben auch das ihre gethan. Es ist, als hätte ich jetzt mehr Mut. Denn ich weiß ja, daß ich kein Kind mehr bin, und ich weiß auch, daß Sie mich nicht ins Gefängnis werfen können, wenn Sie es auch wollten. Deswegen habe ich den Mut, dies zu sagen. Aber Sie dürfen mir deswegen nicht zürnen; ich will lieber schweigen.«

»Nein, reden Sie nur. Sagen Sie, was Sie sagen wollen.«

»Darf ich das? Das, was ich will? Denn dann dürfte auch Ihr Ring mir nichts verbieten.«

»Nein,« entgegnete sie leise, »der verbietet Ihnen nichts. Nein!«

»Wie? Ja, aber was ist denn? Ja. Gott segne Sie, Victoria, irre ich nicht?« Er sprang auf und beugte sich vor, um ihr ins Gesicht zu sehen. »Ich meine, bedeutet denn der Ring nichts?«

»Setzen Sie sich wieder.«

Er setzte sich.

»Ach nein, Sie sollten nur ahnen, wie ich an Sie gedacht habe; großer Gott, wenn jemals auch nur ein anderer flüchtiger Gedanke in meinem Herzen gewesen wäre! Von allen, die ich sah, von allen, von denen ich wußte, waren Sie der einzige Mensch in der Welt. Ich war nicht im stande, etwas anderes zu denken: Victoria ist die Schönste, die Herrlichste, und die kenne ich! Fräulein Victoria, dachte ich immer. Oh, ich habe es schon begriffen, daß Ihnen niemand ferner stand als ich; aber ich wußte von Ihnen – – ja, das war gar nicht so wenig für mich, – und daß Sie dort lebten und vielleicht zuweilen an mich dächten. Natürlich erinnerten Sie sich meiner nicht; aber ich habe manchen Abend auf meinem Stuhl gesessen und gedacht, daß Sie sich meiner doch vielleicht hin und wieder erinnerten. Wissen Sie, dann that sich mir gleichsam der Himmel auf, Fräulein Victoria, und dann schrieb ich Gedichte an Sie und kaufte Ihnen Blumen für alles, was ich besaß, und trug sie nach Hause und stellte sie in ein Glas. Alle meine Gedichte sind an Sie, nur wenige sind es nicht, und die sind nicht gedruckt. Aber Sie haben wohl die, die gedruckt sind, auch nicht gelesen? Jetzt habe ich ein großes Buch angefangen. Ach ja, mein Gott, wie dankbar ich Ihnen bin, denn ich bin so erfüllt von Ihnen, und das ist meine ganze Freude. Immer hörte oder sah ich etwas, was mich an Sie erinnerte, den ganzen Tag, und auch während der Nächte. Ich habe Ihren Namen an die Zimmerdecke geschrieben, da liege ich dann und sehe ihn an; aber das Mädchen, das bei mir reinmacht, sieht ihn nicht, ich habe ihn so klein geschrieben, um ihn ganz für mich allein zu haben. Darin liegt eine gewisse Freude für mich.«

Sie wandte sich ab, öffnete die Taille ihres Kleides und nahm ein Papier heraus.

»Sehen Sie hier!« sagte sie schwer atmend. »Ich habe es ausgeschnitten und aufgehoben. Sie können es ruhig wissen, ich lese es des Abends. Zuerst zeigte Papa es mir und ich trat ans Fenster und las es. Wo ist es? Ich kann es nicht finden, sagte ich und wandte die Zeitung um. Aber da las ich es schon, und ich war so glücklich.«

Es haftete ein Duft von ihrer Brust an dem Papier; sie öffnete es selber und zeigte es ihm, eins seiner ersten Gedichte, ein kleiner Vers an sie, an die Reiterin auf dem weißen Roß. Es war das einfältige, heftige Geständnis eines Herzens, ein Erguß, der sich nicht zurückhalten ließ, sondern aus den Zeilen heraussprang, wie Sterne, die angezündet werden.

»Ja,« sagte er, »das habe ich geschrieben. Das ist so lange her, es war eines Nachts, die Pappeln vor meinem Fenster raschelten so, da schrieb ich es. Wollen Sie es wirklich noch aufbewahren? Haben Sie Dank! Sie bewahren es wieder auf. Ach!« rief er hingerissen aus, und seine Stimme klang ganz leise, »zu denken, daß Sie nicht weiter von mir entfernt sitzen, als jetzt. Ich fühle Ihren Arm an meinem, eine Wärme entquillt Ihnen. Gar oft, wenn ich allein war und an Sie dachte, fror mich vor Ehrgeiz; jetzt aber bin ich warm. Als ich das letzte Mal daheim war, da waren Sie auch schön; jetzt aber sind Sie noch schöner. Es sind die Augen und die Brauen, Ihr Lächeln, – nein, ich weiß nicht, was ich sage, es ist alles, alles an Ihnen.«

Sie lächelte und sah ihn mit halbgeschlossenen Augen an, die tief blauten unter den langen Wimpern. Sie hatte einen warmen Schimmer. Sie schien eine Beute der höchsten Freude zu sein und griff mit einer unbewußten Bewegung der Hand nach ihm.

»Ich danke Ihnen,« sagte sie.

»Nein, Victoria, lassen Sie mich,« erwiderte er. Seine ganze Seele strömte ihr entgegen, und er wollte mehr sagen, mehr sagen; aber es wurden nur verwirrte Ergüsse, er war wie berauscht. »Ja, aber Victoria, – wenn Sie mich ein klein wenig lieb haben, – – – ich weiß es nicht, aber sagen Sie, daß Sie mich lieb haben, selbst wenn es nicht so ist. Sein Sie so gut! Ach, ich wollte Ihnen versprechen, daß etwas aus mir wird, daß viel aus mir wird, fast unerhört viel. Sie ahnen nicht, was aus mir werden könnte; ich grüble zuweilen darüber nach, und ich weiß, daß ich ganz mit ungeschehenen Thaten angefüllt bin. Manches Mal strömt es aus mir heraus, bei Nacht gehe ich schwankend in meinem Zimmer auf und nieder, weil ich voll von Geschichten bin. Im Zimmer nebenan liegt ein Mann, er kann nicht schlafen, er klopft an die Wand. Wenn der Morgen graut, kommt er zu mir herein und ist rasend. Das macht nichts, ich kehre mich nicht an ihn, denn da habe ich so lange an Sie gedacht, daß ich glaube, Sie sind bei mir. Ich gehe an das Fenster und singe, es fängt an, hell zu werden. Die Pappeln draußen rascheln. Gute Nacht! sage ich zu dem Tage. Und damit meine ich Sie. Jetzt schläft sie, denke ich. Gute Nacht! Gott segne sie! Dann lege ich mich schlafen. So geht es Abend für Abend. Nie aber habe ich geglaubt, daß Sie so schön sind, wie Sie sind, Victoria. So will ich Sie jetzt in der Erinnerung behalten, wenn Sie reisen; so, wie Sie jetzt sind. Ich werde Sie so deutlich vor mir sehen. – – –«

»Kommen Sie nicht nach Hause?«

»Nein, ich bin nicht fertig. Ja, ich komme. Ich reise jetzt. Ich bin nicht fertig, aber ich will alles Menschenmögliche thun. Treiben Sie sich jetzt zuweilen im Garten herum? Gehen Sie jemals am Abend aus, Victoria? Ich könnte Sie sehen, ich könnte Sie vielleicht grüßen, weiter will ich ja nichts. Aber wenn Sie mich ein klein wenig lieb haben, wenn Sie mich leiden, wenn Sie mich ertragen können, sagen Sie es – – machen Sie mir die Freude – – – Wissen Sie, es giebt eine Palme, die nur einmal in ihrem Leben blüht, und sie wird doch achtzig Jahre alt. Die Taligotpalme. Aber sie blüht nur ein einziges Mal. Jetzt blühe ich. Ja, ich verschaffe mir Geld und reise nach Hause. Ich verkaufe, was ich geschrieben habe; ich schreibe nämlich an einem großen Buch, und das verkaufe ich jetzt, gleich morgen, alles, was ich fertig habe. Ich bekomme eine ganze Menge dafür. Möchten Sie denn, daß ich nach Hause komme?«

»Ja.«

»Haben Sie Dank, tausend Dank! Verzeihen Sie, wenn ich zu viel hoffe – zu viel glaube, es ist so herrlich, ungewöhnlich viel zu glauben. Dies ist der glücklichste Tag, den ich gelebt habe – –«

Er nahm den Hut ab und legte ihn neben sich.

Victoria sah sich um. Da kam eine Dame die Straße hinab, und weiter hinauf eine Frau mit einem Korb. Victoria wurde unruhig, sie griff nach ihrer Uhr.

»Müssen Sie jetzt gehen?« fragte er. »Sagen Sie etwas, ehe Sie gehen, lassen Sie mich hören, daß – – Ich liebe Sie und sage es jetzt. Es wird von Ihrer Antwort abhängen, ob ich – – Sie beherrschen mich ganz und gar. Was antworten Sie?«

Pause.

Er senkt den Kopf.

»Nein, sagen Sie es nicht!« bat er.

»Nicht hier,« erwidert sie. »Ich will es daheim thun.«

Sie gingen.

»Man sagt, sie werden sich mit dem kleinen Mädchen verheiraten, mit dem Mädchen, das Sie gerettet haben; wie heißt sie?«

»Mit Camilla, meinen Sie?«

»Camilla Sejer. Man sagt, daß Sie sich mit ihr verheiraten werden.«

»So? Weshalb fragen Sie danach? Sie ist noch nicht einmal erwachsen. Ich bin in ihrem Heim gewesen, es ist so groß und reich, ein Schloß, wie das Ihre; ich bin häufig dagewesen. Nein, sie ist noch nicht erwachsen.«

»Sie ist fünfzehn Jahre. Ich habe sie getroffen, wir sind zusammen gewesen, ich war ganz entzückt vor ihr. Wie reizend sie ist!«

»Ich will mich nicht mit ihr verheiraten,« sagte er.

»Nun, also nicht.«

Er sah sie an. Ein Zucken flog über sein Gesicht.

»Aber weshalb sagen Sie das jetzt? Wollen Sie meine Aufmerksamkeit auf eine andere hinlenken?«

Sie eilte mit schnellen Schritten dahin und erwiderte nichts. Sie befanden sich vor dem Hause des Kammerherrn. Sie ergriff seine Hand und zog ihn mit sich durch die Hausthür und die Treppe hinauf.

»Ich will nicht mit hinein,« sagte er halb verwundert.

Sie drückte auf die Klingel, sie wandte sich nach ihm um, und ihr Busen wogte.

»Ich liebe Sie!« sagte sie. »Verstehen Sie das? Nur Sie allein liebe ich!«

Plötzlich zog sie ihn schnell wieder die Treppe hinab, drei, vier Stufen, umschlang ihn mit ihren Armen und küßte ihn. Sie zitterte bei seiner Berührung.

»Nur Sie allein liebe ich,« wiederholte sie, keuchend und mit ganz berauschten Augen.

Oben ward die Entreethür geöffnet. Sie riß sich los und eilte die Treppe hinan.

.


 << zurück weiter >>