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Sechster Gesang

Im Olymp, bei Jupiter, dem hohen
Göttervater, des Olymps Beherrscher
Und der Erde, der Gestirne Lenker,
Welcher thront auf goldenem Gestühle,
Majestätisch neigend sein gewaltig
Lockenhaupt, stand, an sein Knie sich schmiegend,
Amor traut, der zarte Götterknabe.
Traun, ein seltsam Schauspiel war's, zu sehen
So beisammen mit dem allerhehrsten
Hier den lieblich-zartesten der Götter:
Den allmächt'gen Vater, das allmächt'ge
Kind des Himmels: jener mit dem ernsten
Wink der Brau'n die Welt im Zaume haltend,
Der mit einem Lächeln sie erobernd;
Jener stolz bewehrt mit Donnerkeilen,
Dieser nur mit Pfeilen, die nicht schärfer
Als der Rose Dorn, die Herzen ritzend,
Und nicht minder mächtig doch als jener,
Zu verwunden, Brände zu entfachen.

Zu dem Göttervater blickte schmeichelnd
Auf der Knabe, sprach von seiner Psyche,
Sprach von ihrer Tugend, ihrem Lieben,
Welches alle Schrecknisse der Erde,
Selber die des Hades überwunden,
Und gebracht mit Freuden jedes Opfer,
Auch des eig'nen Selbst, des eig'nen Lebens.
Und was sie gesündigt, durch die Liebe
Nur gesündigt sei's, und durch die Liebe
Sei's gesühnt auch, und gebüsst durch Qualen,
Wie sie nur ein liebend Herz erduldet.
Und zuletzt nun habe gar der styg'sche
Schlummer, das Geschenk der Todesgöttin,
Welcher sie befiel am Thor des Hades,
Läuternd alles Ird'sche, jeden Makel
Ganz hinweggetilgt aus ihrem Wesen!»

«Und was heischest du von mir,» so sagte
Jupiter, «für dieses ird'sche Mädchen?»
Ihm versetzte drauf der Götterknabe:
«Wer in's Schattenland hinabgestiegen,
Und lebendig wieder draus erstanden,
Bleibt ein Grau'n fortan der Mutter Erde.
So der Erde nicht mehr angehörig,
Noch dem Hades, wohin soll sie wenden
Sich, die arme Psyche, wenn der Himmel
Ihrer nicht erbarmt sich, und sie aufnimmt,
Die Geläuterte, die Schwergeprüfte,
Dass in Götternähe, selbst vergöttlicht,
Sie die Herrlichkeit des Himmels schaue,
Und, mir angetraut als Ehgesponsin,
Hier unsterblich, selig mit mir lebe?»

Ob des Knaben kühner Ford'rung staunend,
Schüttelte das Haupt der Göttervater;
Und er sagte lächelnd: «Wunderbarer!
Unbescheiden bist du heut und immer!» –

Schmeichelnd doch hub wieder an der Knabe:
«Thue, was ich flehe, Himmelskönig!
Dank auch sollst du ernten: enger will ich
Dir die Welt in Lieb' und Treu' verketten,
Will die Herzen alle auf der Erde
Für dein Reich, dein Schönheit-strahlend Lichtreich,
Und für alles Göttliche entflammen,
Will dir immerdar ein vielgetreuer
Mittler bleiben zwischen Erd' und Himmel!»

Lächelnd wieder sprach der Herr der Götter:
«Wenig hast bisher du meine Hoheit,
Wenig meine Würde stets geachtet!
Hast mich nicht geschont mit deinen Pfeilen,
Hast in gold'nen Regen mich, in Flammen,
Mich in Schlange, Stier und Schwan verwandelt!
Aber wärst du wirklich so besonnen
Jetzt, so ernst und tugendsam geworden,
Und gedächt'st in Wahrheit zu so schönem,
So erhab'nem Zwecke, wie du sagtest,
Künftig deiner Pfeile Macht zu brauchen,
Nun, so wollt' ich, Knabe, dir willfahren,
Thun das Unerhörte, das du heischest,
Und des Himmels Mitgenuss vergönnen
Jenem auserles'nen Kind des Staubes!
Doch versammeln lass' mich erst die andern
Mitbewohner des Olymps, die hohen,
Und geneigt sie stimmen unserm Plane,
Dass nicht unwillkommen, unerfreulich
Jene hier erscheine – sie in Liebe
Leb' und Eintracht immerdar mit Allen!»

Mit dem Pfeilbewehrten so besprach sich
Dort in sel'gen Höh'n der Blitzbewehrte,
Beugte sich zu ihm hernieder, drückte
Mit den Händen beiderseits die ros'gen
Wangen ihm zusammen, küsste freundlich
Auf den spitzen, süssgeschwellten Mund ihn.

Zur Versammlung auf den Wink des Herrschers
Rief aus Erde, Meer und Luft die Götter
Stracks der jugendschöne Götterbote.

Und als sie versammelt nun, aufhorchend,
Rings gereihet sassen, sprach der Donn'rer:
«Ausgetreten hat die Knabenschuhe
Unser trauter, vielgeliebter Amor!
Und nachdem mit knabenhaften Streichen
Er der Götter Anseh'n viel geschädigt,
Zeit nun, dünkt mich, ist es, durch Vermählung
Seinen Liebesübermuth zu dämpfen!
In der That erkor er sich ein Mädchen
Sterblich zwar, jedoch durch hohe Tugend,
Schweres Dulden, opferfreud'ge Liebe,
Würdig eines göttlichen Gemahles!
Sie nicht bloss zur Gattin ihm zu geben,
Zu entrücken sie dem ird'schen Schicksal
Gar, in den Olymp sie aufzunehmen,
Dass er ihrer sich unsterblich freue,
Heischt im Liebesüberschwang der Knabe.
Schwer ist's, seiner Bitte zu willfahren:
Aber er gelobt für alle Zukunft,
Gibt man ihm zur himmlischen Gespielin
Jene tugendreiche Mädchenseele,
Dankbar uns zu sein für alle Zeiten;
Enger als bisher will er ins Künft'ge
Uns die Welt in Lieb' und Treu verketten,
Will für unser Schönheit-strahlend Lichtreich
Und für alles Göttliche die Herzen
Sterblicher in reger Glut entfachen,
Treuer Mittler zwischen Erd' und Himmel!» –

«Wunderbarer!» rief die Liebesgöttin,
Unmuthglühend, «ganz mit Unrecht nennst du
Tugendmuster jenes ird'sche Mädchen:
Frevlerin vielmehr und eitle Thörin
Nenn' ich sie, denn schwer hat sie versündigt
An den Göttern sich, an mir vor allen.
Spröd' und eigenwillig meinem Dienste
Erst entzog sie sich auf Cyperns Eiland,
Liess dann selber feiern sich als Göttin,
Mir entfremdend nicht allein die Menschen,
Mir den theuren Sohn sogar umgarnend,
Der, bethört, geheim sich ihr gesellte.
Nicht genügte dies geheime Glück ihr,
Und der Gott im Schleier nächt'gen Dunkels;
Frech erzwang sie, wider das Verhängniss,
Seinen Anblick sich, dabei mit Tropfen
Glüh'nden Öhls die Schulter ihm versehrend,
Dass er, flügellahm, an seiner Wunde
Krank mir lag im goldenen Gemache,
Und als sie die Frevel all' zu sühnen
Sich zuletzt erbot als meine Sklavin:
Schlecht bestand sie, wahrlich, schlecht die Prüfung!
Was ich ihr gebot, vollbrachten Helfer,
Insgeheim von Amor ihr geworben;
Und als ich zur Unterwelt sie sandte,
Wiederum erlag sie der Versuchung,
Öffnete die ihr versagte Büchse,
Sog, zur Strafe für den eitlen Vorwitz,
Tief in sich daraus den styg'schen Schlummer,
Welchem sie verfallen blieb für immer,
Hätte Amor nicht, und wieder Amor,
Leicht die Brust ihr ritzend mit der Spitze
Eines goldnen Pfeil's aus seinem Köcher,
Sie vom Tod erweckt zu neuem Leben!
Dies der Lebenslauf der Tugendreichen! –
Ei, mein Sohn, (fuhr lächelnd fort die Göttin),
Sag mir, was in Wahrheit deinem «Seelchen»
Übrig bleibt von all' den vielgerühmten,
All' den hohen Tugenden?» –

«Die Liebe!»
Sprach der Knabe ...

Und im Kreise ringsum
Liess er spähend seine Blicke schweifen,
Sah die hohen Götter unentschlossen,
Schweigend sitzen, weil von allen keiner
Gerne widersprach der gold'nen Kypris.

Da begann er: «Wisst, Uranionen!
Meiner Psyche hier den Eintritt weigern,
Heisst auch mich aus dem Olymp Verstossen!
Lebet wohl denn! eurem Reich entsagend,
Fortan bei der Erde Kindern bleib' ich.
Keinen Reiz für mich hat mehr der Himmel.
Spröde sich den Irdischen verschliessend!
Was verachtet ihr die Erdenkinder?
Stillstand fesselt des Olymps Geschlechter,
Doch die Erdgeschlechter leben, blühen,
Wirken, schaffen, zeugen ewig Neues
Aus sich selbst – vielleicht selbst neue Götter.
Denkt, was sind wir ohne Menschenkinder,
Ohne Dienst und Opfer und Altäre?
Uns're beste Stätte – ihr Gemüth ist's,
Und wir leben, wirken nur in ihnen
Wie der Hades eine unterird'sche
Schattenwelt, so eine überird'sche
War' der Himmel ohne Menschenkinder! –
Lebet wohl, ihr seht mich niemals wieder!
Lebe wohl auch du mir, holde Mutter,
Der ich lieb einst war und nun verhasst bin!
Lieb' und Schönheit geh'n getrennte Pfade
Fürderhin, und ohne meine Pfeile
Wird dein Reiz ein Stern sein ohne Strahlen,
Nicht erhellend mehr und nicht erwärmend!» –

Sprach's, da lächelte die holde Kypris;
«Bist ein eitles Kind, und kindisch trotzest
Du der Mutter. Ei, zieh' hin, mein Söhnchen!
Lieb' und Schönheit geh'n getrennte Pfade
Fürderhin, und deine gold'nen Pfeile
Werden ohne mich verlorne Strahlen
Ohne Lichtkern sein, in sich verlodernd!» –

Finster runzelte die Brau'n der Donn'rer,
Und bekümmert blickten drein die Götter
Bei dem Zank des Sohnes und der Mutter.
Aber wieder lächelte Cythere,
Zog bei seinen gold'nen Flügelspitzen
Sacht den Sohn zu sich, die Stirn ihm küssend,
Innerlich erschreckt durch seine Rede,
Und sich weislich beugend dem Verhängniss:
«Seid getrost, Olympier!» so spricht sie,
Nicht der Götter Frieden länger stören
Will ich, nicht des Himmels heil'ge Ordnung.
Schicksalswille geht vor Götterwillen!
Schwing' dich himmelab, mein Sohn, und hole
Dir herauf die vielgeliebte Psyche!
Besser ist's vielleicht, sie weilt hier oben,
Als sie raubt auf Erden mir die Ehre!
Eines nur zur Sühne mir beding' ich:
Mag sie fortan weilen bei den Göttern;
Doch verschollen sei sie für die Erdwelt:
Nimmer, wie zuvor auf Cyperns Eiland,
Gelte sie als Göttin; nimmer baue
Man, wie uns, ihr Tempel und Altäre!»
So die Huldin, lieber noch des Himmels
Ehren Psyche gönnend, als der Erde.
Ihr zustimmend, nickte mit dem Haupte
Jupiter; beifälliges Gemurmel
Lief melodisch durch die Reih'n der Götter.

Während sich die Himmlischen beriethen
So in des Olympus goldnem Saale,
Hatte Psyche sinnend, hoffend, bangend,
Ängstlich harrend des geliebten Amor
Seiner Rückkehr, ihres neuen Looses,
In dem Hain vor des Avernus Pforten
Einen Strauss gepflückt von wilden Rosen.
Und an einem Dorne dieser Rosen
Hatte blutig sie geritzt den Finger:
Hängen blieb, wie eine Thauesperle,
In dem Strauss ein Tropfen ihres Blutes.
Da kam Amor aus der Höhe plötzlich,
Hob das Mädchen freudig sammt den Blumen
Zu sich in den gold'nen Muschelwagen,
Um emporzuführen zum Olymp sie.

Psyche's Herz erbebt in Wonneschauern.
Und zur Erde richtet sie die Blicke,
Grüsst die Städte unter sich, die Auen,
Grüsst die Ströme, grüsst das schaurig-schöne
Meer mit seinen Inseln, grüsst die Wälder,
Grüsst der Berge silberweisse Häupter.
«Stätte meiner Prüfungen und Leiden,»
Spricht sie, «lebe wohl, leb' wohl für immer!
Heil'ge Erde! viel auf dir geduldet
Hab' ich, aber dennoch sei gesegnet!
War doch Alles mir zu gutem Ende,
Und verschwunden weit ist alle Trübsal!
Lebet wohl, ihr Blumen und ihr Quellen!
Lebet wohl, ihr Vögel in den Lüften,
Lebet wohl, ihr Thierlein all, die freundlich
Auf der langen Irrfahrt, mir gewesen!
Könnt' ich doch euch alle mit mir nehmen,
Wie hier diesen Strauss von wilden Rosen;
Euch entrücken jeder ird'schen Drangsal,
Führen euch, wohin mich Amor führet,
Wo man lebt in lauter Lieb' und Freude!» –

Ganz mit finsterem Gewölk umzogen
Hat indessen nächtlich sich der Himmel.
Blitze sprühen, dumpfe Donner rollen.
Sturmumbraus't in diese grenzenlose,
Schwarze Wolkennacht emporgetragen,
Schwankt das schwebende Gespann im Winde.
Düster-graues Nebelmeer umbrandet
Feucht die Himmelfahrt des Liebespaares,
Wogt und rollt um Amor und um Psyche
Dräuend her, als wollt' es sie verschlingen,
Ehe sie den sel'gen Port erreichen
Doch sie tauchen draus empor und finden
Sich entrückt der Wolken und der Winde
Trübem Reich; des Blitzes Schlangen krümmen
Sich zu ihren Füssen, und der Donner
Rollt, erdbeben-ähnlich, in der Tiefe...

Vögelschaaren hatten das Geleite
Frohbeschwingt den Liebenden gegeben,
Als sie von der Erde sich erhoben.
Aber müde seh'n zurück sie bleiben
Erst die muntern Sperlinge, die Tauben,
Dann die Lerchen, und sogar die Adler,
Und zuletzt noch schwebte nur ein Phönix
Hoch empor im Äther neben ihnen,
Welcher einsam aufwärts stieg zur Sonne,
Um in ihre Lohe sich zu stürzen,
Zu verjüngen sich im Flammengrabe.

In des Äthers reinen Regionen,
Hoch und höher schwebt der Muschelwagen,
Schwebt in schwindelnd-schrankenloser Öde,
Schwebt vorüber am gespensterblassen,
Schattenhaften Riesenball des Mondes.
Ängstlicher an Amor schmiegt sich Psyche.

Horch! anhebt ein Säuseln und ein Rauschen –
Sphärenklänge, fernher erst und leise,
Dann zu mächt'gem Riesenchore schwellend.
Psyche lauscht, in Schreck und Wonne zitternd,
Sieht im Brausen dieser Harmonieen,
Himmlisch-hehr, mit sel'gen Sphärenleibern
Sich im Tanze drehen die Planeten.

Jetzt, erblassend, über ihrem Haupte
Sieht sie Helios' Flammenrosse jagen,
Feuerschnaubend im Zenith des Himmels.
Und sie flüstert ängstlich: «O, nicht weiter!
Kehren wir zurück zur grünen Erde!»

Aber lächelnd ihr erwidert Amor:
«Traute Seele, hast du nicht des Hades
Schauer überwunden? warum solltest
Du nicht die des Himmels überwinden?»
Zärtlich küsst er auf die Stirn die Bleiche:
Ihrem Antlitz kehrt die Röthe wieder,
Und gefeit vom Wonnehauch des Gottes,
Ward ihr götterstark das Herz im Busen,
Schwindellos und glanzesfroh das Auge.
Keine Höhe schreckt sie, keine Tiefe,
Wenn des Liebsten Arm sich um sie windet.

Aufwärts trägt sie still der Muschelwagen,
Bis sie angelangt an einem Orte,
Wo durch Psyche's Seele nicht mehr menschlich,
Nicht mehr irdisch weht ein heil'ger Schauer.
Übermenschlich ist hier das Empfinden,
Überirdisch ist des Lichtes Glanz hier,
Und vergeh'n, zerschmettert in die Tiefe
Stürzen müsste jedes ird'sche Wesen,
Das ein Gott nicht hält in starken Armen.

Still hält Amor, spricht: «Wir sind am Ziele!
Muth, o Psyche! nahe sind die Götter.
Denn hier kreisen sie alltäglich einmal
Mit den goldenen Gespannen, selig,
Und von hier aus reisst empor der Wirbel
Ihres Umschwungs sie zur höchsten Höhe,
Zu des Himmels reinstem Gipfel, wo sie
Schau'n, was Göttern nur zu schau'n beschieden,
Waffne denn, o Psyche, deine Augen,
Deine Seele nun mit höchstem Muthe!»

Psyche schliesst das Aug', ein Herz sich fassend,
Und wie sie es leuchtend wieder öffnet,
Schwebt, wie plötzlich aus dem dunklen Schoosse
Der Unendlichkeit geboren, langsam,
Lautlos-still heran der Götterreigen:
Jupiter voran, den Aar zu Häupten,
In der Hand den Blitzstrahl, reich von Locken
Hoheitsvoll, mit Augen, tief und helle,
Unter busch'gen Brau'n in's Weite blickend;
Juno ihm zur Seite, majestätisch
Lenkend ihr Gespann, das pfaubespannte,
Und nach ihnen all' die andern hohen
Götter des Olymps, ein jeder thronend
Auf dem goldenen Gestühl des Wagens,
Lenkend sein ambrosia-genährtes
Prachtgespann durch's gold'ne Blau des Himmels,
Jeder hoch das Haupt, das Antlitz strahlend,
Jeder Götterhoheit in den Zügen
Und von Himmelsruh' verklärt die Stirne.

An der Götter kreisende Gespanne
Schliesst der Liebesgott sich mit dem seinen.
Ihn und Psyche reisst mit allen andern
Hoch empor des Götterumschwungs Wirbel,
Bis zur reinsten Höhe, zu des Himmels
Höchstem, steilsten Gipfel: und hier schauen
Sie, was über weltlich, überhimmlisch:
Schau'n die Herrlichkeit der ew'gen Schöne,
Schau'n der Dinge reine Wesenheiten,
Deren schwacher, schattenhafter, flücht'ger
Abglanz nur die Dinge sind auf Erden.

Unten aber, auf des Himmels Grunde,
Über purpurfarbigem Gewölke
Leuchtend ragt auf diamant'nen Säulen
Eines Goldsaals saphirblaue Wölbung.
Hier, vom überhimmlischen Gefilde
Heimgekehrt, versammeln zum Gelage
Um den gold'nen Tisch auf gold'nen Stühlen,
Nektar und Ambrosia zu schlürfen,
Und des Götterknaben wonnereiches
Hochfest zu begeh'n, sich die Kroniden.
In dem Goldsaal, in der Götter Mitte
Steht an Amors Seite, glanzumflossen,
Psyche, von den Grazien geleitet.
Aller Götter Strahlenaugen schauen
Wie ein Sternenhimmel auf sie nieder:
Aller Lächeln grüsset Amors Bräutchen,
Das so hoch begnadete, verklärte,
Himmelan gehob'ne Kind des Staubes.

Zu dem Festmahl lagern sich die Götter.
Hebe, auf den Wink des Götterfürsten,
Reicht dem Erdenkind die Nektarschale:
«Trink, o Psyche! nimm sie hin, die Schale,
Mit dem Göttertrank, und sei unsterblich!
Nimm sie hin zum Lohn der Liebestreue,
Die das Leid der Erde, die des Todes
Und der Hölle Schrecken überwunden!»

Psyche nippt vom Nass der gold'nen Schale,
Fühlt von sel'gem Schauer sich durchrieselt;
Sonnenhaft beginnt ihr Aug' zu leuchten.

Alle Götter bieten ihr Geschenke,
Hochzeitlich die Grazien sie schmücken.
Aber vor dem zarten Busen trägt sie
Jenen Strauss von wilden weissen Rosen,
Welche sie gepflückt noch auf der Erde,
Und auf welchen noch der rothe Tropfen
Glänzt des dorn-geritzten Liljenfingers.
Wunderbar der rothe Tropfen funkelt,
Hell wie ein Rubin, im Licht des Himmels!
Und die Göttinnen und Götter kommen,
Zu betrachten diesen rothen Tropfen,
Seh'n ihn fast mit Neid, sie selber blutlos,
Ätherthau nur in den Adern tragend.
Jupiters sogar, des Göttervaters,
Auge ruht darauf mit Wohlgefallen,
Denn nichts Andres ringsum im Olymp, traun,
Strahlt so wunderbar im Himmelslichte,
Als des ird'schen Blutes rother Tropfen
Auf dem Busenstrauss der holden Psyche....

Rosen streu'n die Horen und es sprengen
Duft'gen Balsamthau die muntern Grazien.
Bacchus füllt aus nie erschöpftem Eimer
Immer wieder voll die Nektarschalen.
Einen Hochzeitshymnus singt der Musen
Silberstimm'ge Neunzahl, und Apollo
Rührt dazu der Leier gold'ne Saiten.
Und zuletzt bei diesen Wonneklängen
Lächelnd tritt hervor die gold'ne Kypris,
Einen wundervollen Tanz beginnend,
Aller Götter Herzen hoch entzückend,
Zeigend dem Olymp, dass sie für immer,
Wie von Anbeginn, die hohe, hehre,
Unvergleichliche, die zauberfrohe,
Sieghaft schönste aller Götterfrauen.

So begangen ward des Liebesgottes
Hochzeitsfeier mit dem Erdenkinde.

Selig lebte hin mit Amor Psyche
In der Götter Reich, das seinen Tag nicht
Borgt erst von der gold'nen Sonnenlampe;
Lebte hin im Reich des reinen Glückes,
Wo kein Ding mehr Schatten wirft, kein Wesen,
Wo in Licht zerrinnt die ird'sche Schwere;
Wo es keine Schuld und keine Reue,
Keinen Wahn und keine Schicksals-Tücke,
Keinen Schmerz, kein Übel gibt: verwundbar
Sind die Himmlischen, des Schmerzes fähig,
Ird'schen Schwächen, ird'schem Wahn verfallen,
Nur wenn sie zur Erde niedersteigen.

Und ein Töchterlein entspross des Gottes
Ehebunde mit der holden Psyche.
Minnelust geheissen war das Mägdlein:
Und ihr Wesen war die seelenhafte,
Die verklärte, hohe Liebeswonne,
Himmelslust, gemischt mit Sinnenfreude,
Aller Erdenwonnen höchste, schönste.
Und zur Mittlerin, wie ihr Erzeuger,
Ward das Töchterlein für Erd und Himmel.
Führet himmelan die Seelen Jener,
Bringt den Himmel sie herab zur Erde.
So geschieht's, dass, ob auch, ach, nur flüchtig,
Ob auch nur für irdisch kurze Tage,
Sel'ger als die Götter oft die Menschen:
Denn im Himmel sind die sel'gen Götter,
Doch in sel'gen Menschen ist der Himmel,
Ist der Himmel selbst mit allen Göttern.


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