Albrecht von Haller
Alfred - König der Angel-Sachsen
Albrecht von Haller

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Das sechste Buch.

Alfreds erste Liebe.

Die ernsthafte Geschichte hat dieser Liebe keinen Raum gegönt. Die Sage allein hat ihr Angedenken unter den Namen Edgar und Emma erhalten, eines uralten Liedes, das dennoch auch zu unsern Zeiten die Rührung erwekt, die es bey den Sachsen ehmahls erwekte. Die alte Sage hat nichts Nachtheiliges für den edlen Fürsten, wir wollen sie nicht unterdrüken.

Alfred war noch bey dem Hirtensieh 1. Buch. seines Vaters verborgen, und man kante ihn in der ganzen Gegend unter dem Nahmen Wulf. Er hatte seine Gestalt so wohl zu verstellen gewußt, daß auch seine Edlen ihn nicht erkanten. Aus den Sümpfen von Athelney fiel er, mit einigen gleichfalls flüchtigen Sachsen, oftmahls wider die feindseligen Normänner aus, rächte an denselben das Unrecht, das sein Volk erlit, und versorgte die Seinigen mit Vorraht und Gewehr. Sobald der Feind auf ihn andrang, so zerstreuten sich die eines jeden Schlupfwinkels kundigen Sachsen, und verschwanden aus den Händen der Normänner.

Sehr oft hatte Wulf glüklich gefochten, da er endlich von einer Schaar Feinde umringt, mit einer überlegenen Macht zu fechten hatte. Er zog sich an eine enge Stelle zurük, die mit Wasser umgeben, nur einen schmalen Zugang den Feinden verstattete, und wo er mit Wenigen die Menge anhalten konte. Er erlegte manchen kühnen Räuber mit Armbrüsten, die damahls eine neue Erfindung waren, und denen die Engelländer in spätern Zeiten manchen Sieg zu danken gehabt haben. Endlich gelang es einem nordischen Kämpfer, mit einem Spiesse den unbekanten König zu verwunden, der Verlust des Blutes benahm ihm die Kräfte, und in der Dunkelheit, die endlich die Sachsen beschüzte, mußten ihn seine Gefährten aus der Gefahr tragen.

In der Nähe war die Burg Edelberts, eines sächsischen Grafen, eine Festung, worein er sich mit vielem Vorrahte verschlossen, und wohin mancher flüchtige Sachse seine Zuflucht genommen hatte; die Normänner hatten sich vor der Tapferkeit des Grafen, und vor der Stärke der Wälle gescheut, und ihre Angriffe unterlassen. In der Nacht kamen die bekümmerten Sachsen, und baten eingelassen zu werden. Wulf, sagten sie, der Schreken der Räuber ist verwundet. Der Namen dieses Rächers der Sachsen war jedem Freunde des Vaterlandes bekant, die Thore schlossen sich für ihn auf, und Edelbert empfieng in selbst, als einen Helden, dessen Herkunft ihm unbekannt war. Nach den alten Sitten der redlichen Germanier begleitete Alswitha ihren edlen Vater, die schönste Fräulein, und das erhabenste Gemüht. Schmachtend war Wulf in den Saal getragen worden, eine tödtliche Blässe verstelte sein Angesicht, mat hiengen seine Arme, deren Kraft die Normänner oft gefühlt hatten. Alswitha entblößte den verlezten Arm, und besorgte selbst die Wunde des Ritters; man erquikte ihn mit kräftigen Arzneyen, und überließ ihn der Ruh.

Täglich kam Edelbert, und seine liebenswürdige Tochter, und besuchten den noch schwachen Kämpfer. Seine Wunde bedurfte heilender Sorgen, und oft legte Alswitha selbst die milde Hand an. Wulf schlug nunmehr die Augen auf, und sah die zärtliche Bemühung der edlen Fräulein; ihre Jugend, ihre Schönheit, ihr gütiges Theilnehmen an seinem Unglüke, rührten das Herz des jungen Königes, und die viele Zeit, die seine Wunde erfoderte, ließ der Liebe zu, sein ganzes Herz einzunehmen. Täglich fand er neue Ursachen Alswithen zu lieben; ihre sanfte Stimme, ihre liebreiche Unschuld, der Reiz ihrer Züge, der Anstand ihrer Sitten, nahmen ihn so unumschränkt ein, daß er fühlte er würde sie niemahls verlassen können, ohne unglüklich zu werden.

Der redliche Edelbert kante die Tugend seiner Tochter. Oft rieffen ihn plözliche Geschäffte ab; ohne einigen Verdacht ließ er die schöne Fräulein bey dem Könige, der sich langsam erholte. Alfreds Tugend widerstund seiner neuen Liebe nicht; er sah keine Hinderniß, sich mit der Gräfin unschuldig zu verbinden: dennoch wolte er sie prüfen, eh er sie zur Gefährtin seines Lebens erkieste.

Alfred war allen seinen Sachsen unbekant, sie wußten nichts von ihm, als seine Thaten. Er fuhr fort, seine Geburt zu verheelen, und er ließ diejenigen, die ihn bedienten, glauben, er sey ein gemeiner, in den Waffen erzogener, sächsischer Krieger. Bey dieser Erniedrigung bemühte er sich dennoch, der Fräulein zu gefallen. Sie fand bald genugsame Zeichen der Liebe des Unbekanten. Die unschuldigen Beweise seiner Hochachtung, seiner Bewunderung, brachte Alfred mit einem Anstand an, der seiner hohen Auferziehung angemessen war, und den Alswitha mit seinen Kleidern, und mit seinen niedrigen Umständen nicht vergleichen konte. Die Sitten der erhabnern Welt konte Alfred nicht verbergen. Er war der beste Dichter unter den Sachsen, niemand schrieb in ihrer Sprache mit der Zierlichkeit, die ihm eigen war. Er unterhielt die Fräulein bald mit kurzen Gedichten, und bald mit Erzählungen, deren Anmuht sie fesselte, und die Stunden ihrer Gegenwart sie zwang zu verlängern.

Unter verändertem Namen erzählte Alfred seine Reisen, seine Kriege; er hatte den großen Schlachten beygewohnt, wie er sagte, bey denen er doch würklich der Anführer gewesen war. Die Pracht des großen Roms, die Schönheiten des glükseligen Welschlands, die Mirtenbüsche, die Wälder von triumphirenden Lorbeerbäumen, die immer blühenden Inseln des mittelländischen Meers, wußte er mit einer Lebhaftigkeit zu beschreiben, die Alswithen bezauberte. Von ihren eigenen Reizen, von den Vorzügen ihrer Seele sprach er, wie ein niedriger Bedienter, der seine Augen zu einer erhabenen Fürstin nicht aufheben darf, und dennoch ihre Vortreflichkeit fühlt: er kleidete seine eigenen Empfindungen in Lieder ein, die alt seyn solten, aber für Alswithen gedichtet waren, und sich allein zu ihr schikten. Wann sie erröhtete, und Alfred besorgte, sie möchte die alzu dreiste Unterredung abbrechen, so wußte er sich ohne Zwang zu andern Gesprächen und zu einem ehrerbietigen Scherze zu wenden. Er begleitete seine Lieder mit der Laute, die er vortreflich schlug, und die die rührende Kraft seiner holdseligen Stimme unendlich vermehrte.

Das Fräulein war in den ersten Jahren ihrer Jugend, nach den Sitten ihrer Zeiten war sie in der väterlichen Burg erzogen worden, und hatte viele kühne Krieger, und viele rüstige Ritter gekant: aber die edle Anmuht Alfreds, und der einnehmende Wiz seiner Reden, hatte für sie alle Reize der Neuigkeit. Des Königs Bildung, die er einigermaßen mit einer gekünstelten Farbe verstelt hatte, konte doch nicht gänzlich unterdrükt werden, und der Adel seiner Seele leuchtete aus den lebhaften Augen. Unvermerkt gefiel der Umgang, und bald auch die Person des Unbekanten, der unschuldigen Fräulein, und ihr Herz war eingenommen, eh sie es gewahr worden, daß es sich ergeben hatte.

Dem scharfsichtigen Alfred konte der Eindruk nicht verborgen bleiben, den er auf die Fräulein gemacht hatte; er wagte es in deutlichern Ausdrüken sie merken zu lassen, daß er sie liebte. Ohne eine förmliche Erklärung seiner Gesinnungen, hatte er die Gefühle seines Herzens kentlich abgeschildert. Alswitha hatte, ohne zu wissen wie weit sie sich schon verstrikt hatte, keinen Verdacht auf sich selbst geworfen. Sie gewöhnte sich seine Blike mit Gegenbliken zu erwiedern, ihre Stimme nahm die vertrauliche Süßigkeit an, die die unbeflekte Jugend demjenigen gewährt, der sie das erste Lieben gelehrt hat. Sie hatte kleine Geheimnisse, die nur Alfred wissen solte, und sie stimte mit ihm ein, wann er unter fremden Namen die Liebe besang.

Die Wunde des Königs war nunmehr geschlossen, ihm fehlte ein Vorwand in der Burg des Grafen sich länger aufzuhalten; es bereitete sich überdem alles zu den Unternehmungen, die ihn wieder auf den Thron der Sachsen sezen solten, und der Jüngling war schon zu weise, der Liebe die Pflichten aufzuopfern, die er seinem Volke und seiner eigenen Würde schuldig war. Er konte dennoch sich aus den angenehmen Banden der schönen Alswitha nicht reißen, ohne eine Versicherung mitzunehmen, daß ihr Herz ganz das seine wäre. Er erlaubte sich eine Verstellung, die sonst ihm nicht angebohren war: aber er versprach sich dabey, die kurze Qual, die er der Fräulein anthäte, solte durch die beständige Liebe vergolten werden.

Edelbert war zu einer ritterlichen Uebung verreiset, die ein andrer Großer ausgeschrieben hatte. Alfreds Arm war noch nicht stark genug, eine Anstrengung der Kräfte auszustehn; Edelbert hatte ihn in der Burg gelassen, die auf einem Hügel lag. In einer Gruft des Felsen entsprang eine kühle Quelle, die wider die schwule Sommerluft der Fräulein zur Zuflucht diente. Wulf, sagte die Leutselige, kent die vornehmste Zierde dieser Burg noch nicht; sie führte ihn in die Gruft. Niemahls hatte Alfred das geringste unternommen, worüber ihre Tugend hätte schüchtern werden können; und ob er ihr wohl gefiel, und sie dieses Gefallen sich selber nicht mehr verheelen konte, so hielt sie ihn doch für einen bloßen streitbaren Jüngling von unedler Geburt, zu dem sie niemahls sich niederbeugen würde, so angenehm ihr sonst seine guten Eigenschaften waren.

Alfred fand einen Augenblik, da er allein bey der Fräulein war; feyerlich sagte er zu ihr: Es ist geschehen; ich muß diese Burg verlassen, wo ich so viele Güte genossen habe. Aber ich bin undankbar genug zu wünschen, daß ich niemahls in derselben wäre aufgenommen worden. Alswitha schien über den Vortrag befremdet; der verstelte König aber fuhr fort: Es ist mir unmöglich zu verschweigen, daß ich die schöne Alswitha zu oft gesehen habe, und daß ihre Reize und ihre Tugend mein übriges Leben mir unerträglich machen werden.

Schamhaft färbte sich die Fräulein; der Stolz ihrer Ahnen fuhr über die Erklärung auf, die ein Mensch wagte, der ihrer unwürdig war. Aber etwas sprach in ihrem Herzen für den Unbekanten und hemte die Wallung ihrer Entrüstung. Sie sagte mit einem zweifelhaften Wesen: Wulf vergißt, daß er ein Verwundeter ist, und daß meines Vaters Burg ihn nur als einen Krieger aufgenommen hat, der unsrer Hülfe bedürftig, und nicht unwürdig war. Wulf vergißt Alswithens Würde nicht, unterbrach der Fürst seine Geliebte; er kent allein den Werth der vortreflichen Fräulein, die er beleidigt; aber es giebt Gefühle, die keine Einwürfe der Vernunft unterdrüken können, und niemand hat gefühlt, was ich für Alswithen empfinde. Sterben kan ich, den Todt habe ich oft, und bey nahem gesehn: aber unmöglich ist es mir zu verheelen, wie unglüklich ich mich schäzen würde, wann Alswitha mich verachtete.

Ich kenne Wulfs Verdienste, fuhr die Fräulein sitsam fort; mein Vater ehrt in ihm einen Krieger, der sein Blut für die Errettung der Sachsen versprizt hat. Es ist keine Verachtung, wann ich Reden vermeiden muß, die keine Wirkung thun können. Es ist nicht an mir, die Unterschiede aufzuheben, die von der Tugend selbst zwischen den Ständen der Menschen gemacht werden. Wulf wird in seinem Stande eine Schöne finden, die seine Liebe anhören und sie belohnen darf.

Nun so ist mein Urtheil gesprochen, sagte Alfred mit einer Verstellung in seinen Zügen, die die tiefste Betrübniß verrieht. Ich werde ungern diese Burg verlassen, aber Alswitha wird nicht verhindern können, daß ich eine unglükliche Liebe mit mir in die Gefahren trage, in die mein Stand mich führt. Sie wird nicht hindern, daß ihr Bild mein leztes Gefühl, daß ihr Namen mein leztes Wort sey.

Aber Wulf, sagte die Unschuldige ganz betreten, kan ein bescheidener, ein verdienter Jüngling denn so unbillig seyn, und von einer Fräulein Dinge fodern, die sie nicht gewähren kan, ohne seiner unwürdig zu werden? Kan er hoffen, daß Edelbert seine Liebe billigen, kan er verlangen, daß Alswitha einem verehrungswürdigen Vater ungehorsam seyn werde? Wüßte ich wenigstens, von wem Wulf gebohren wäre, und wie groß die Entfernung sey, die zwischen ihm und Alswithen ist.

Wulf, fuhr Alfred fort, ist nicht unedel, aber das Glük hat ihm seine Gaben versagt; er ist arm, er hat wegen eines unvermeidlichen Zufals sein Vaterland verlassen müssen. Die Ehre hat ihn gezwungen, ein Blut zu versprizen das nach Rache schreyt, und das Schwerdt der Gesezte hängt über ihm.

Alswithens Stolz fand sich in etwas beruhigt, da sie vernahm, daß Wulfs Geburt nicht zur unübersteiglichen Hinderniß wurde. Die Gaben des Glüks verachtete sie, tausend edle Sachsen hatten ihre Güter durch die Hand der siegenden Räuber verlohren, und nur das Schwerdt übrig behalten, ohne die Achtung zu verlieren, die man für ihre Herkunft trug. Der Fräulein Herz fand sich erleichtert, aber sie war zu tugendhaft, den sanften Hofnungen sich zu überlassen, die in demselben heimlich und furchtsam aufstiegen. Unsere Unterredung daurt zu lang, sagte sie, wir können sie diesesmal nicht länger fortsezen.

Alfred sah diese Worte als ein Zeichen eines Gefühls bey seiner Schönen an, das ihm viel versprach, und er glaubte sich berechtigt, noch einige Tage in der Burg sich aufzuhalten. Der Graf stelte bald hernach eine Reigerbeize an, die der sächsischen Edlen liebster Zeitvertreib war; er ehrte den tapfern Wulf viel zu aufrichtig, als daß er ihn von dieser Lustbarkeit hätte ausschliessen sollen. Alfred konte vortreflich einen Falken regieren, die Beize war eine der angenehmsten Beschäfftigungen seiner Jugend gewesen. Aus seinem Kentnisse schloß Alswitha, und schloß es gerne, Wulf müßte von einer Herkunft seyn, welcher die adlelichen Uebungen angebohren wären.

Sein Falk hatte einen seltenen Vogel gefangen; er brachte ihn mit dem edelsten Anstand der Fräulein, und bat um die Erlaubniß Abschied nehmen zu dürfen. Diese Nachricht war ihr schmerzhaft, und je mehr sie nach ihrem Herzen fühlte, je mehr fand sie es mit dem Bilde des Kämpfers angefüllt.

Alfred besuchte sie den folgenden Tag, und nach einigen algemeinen Feyerlichkeiten sagte er in einem freyern Augenblike. Ich gehe wo mich meine Pflicht hinruft; ewig werde ich die liebenswürdige Alswitha verehren, ewig werde ich mein Unglük beklagen, das meiner Liebe nicht erlauben wil, sich zu zeigen. Sie seufzete; sein naher Abschied erregte bey ihr eine Wehmuht, die sie nicht bezwingen konte. Ach warum sol so viel Verdienst in eine niedrige Stellung verbannet seyn! Warum ist Alswitha nicht lieber eine Hirtentochter!

Alfred erwiederte mit mehrerer Munterkeit: Wulf würde seine Liebe niemahls entdekt haben, wenn er es für unmöglich hielte, daß Alswitha mit ihm glüklich seyn könte. Noch ist sein Stand nicht derjenige, der einer fürstlichen Fräulein Stolze schmeicheln kan. Aber wann sie mich liebte, so würde mich vielleicht mein Arm zu einer Höhe heben, auf welcher ich ihrer minder unwürdig wäre. Darf ich mir schmeicheln, daß nur der Unterschied des Glükes mich verwerflich macht? darf ich hoffen, daß Alswitha mir erlauben würde sie zu lieben, wann ich ihrem Stande mich näherte?

Die Fräulein sagte beschämt, und schlug zugleich die Augen nieder. Wie kan Wulf Dinge von mir fodern, die doch unmöglich sind? Wie kan er Hofnungen bey mir erweken, die mich doch betriegen würden? Leicht kan er im Geschwirre der Waffen einer jungen Freundin vergessen, mit welcher ein Zufal ihn bekant gemacht hat. Aber eine Fräulein, die in der einsamen Burg ohne Zerstreuung lebt, wäre alzu unglüklich, wann sie einer Liebe sich übergäbe, die nur in einem erdichteten Falle erlaubt werden könte. Fahr wohl, würdiger Wulf, werde so groß, als du tugendhaft bist, meine besten Wünsche sollen dich begleiten.

Nicht zufrieden mit der gütigen Antwort, versuchte Alfred die Fräulein zu einem deutlichern Geständnisse ihrer Gegenliebe zu bewegen. Ja ich gehe, ich fülle mich täglich ohnedem mit einem Feuer, das mich tödtet, und das ich erstiken muß. Wann Alswitha mich nicht verachtete, der Abstand von ihr zu mir würde bald aus ihren Augen verschwinden, die Liebe würde sie zu mir herunter leiten, und sie würde fühlen, daß der Besiz eines redlichen Herzens doch auch für die erhabenste Schöne einigen Werth hat. Aber Wulf erwekt nicht nur keine Liebe bey ihr, er erwekt nicht einmal ein Mitleiden. Alswitha würde, wann sie sein Schiksal eines Bedaurens würdig schäzte, mit einem Worte, einem unschuldigen Worte, Wulfs Schiksal erleichtern.

Das Wort das ich sagen sol, sagte die erröhtende Schöne, ist ein hartes Wort. Ich sehe es wohl, Wulf wil sich nicht befriedigen lassen, biß ich ihm gestehe, daß ich ihn liebe. Aber er wird so unbillig nicht seyn, daß er nicht einsehen solte, meine Hand sey in der Macht eines Vaters, und meine Liebe solle sich niemahls von meiner Hand trennen. Er, der die Tugend liebt, wird keine lasterhafte That von mit verlangen. Aber will er zufrieden seyn, wenn ich ihm eingestehe, wie ich wünsche, daß das Verhängniß unsere Stellungen ausgleiche, und daß es mir erlaubt seyn möge, das Wort zu sagen, das er von mit fodert. Sie reichte ihm züchtig die Hand, ließ sie ohne Weigerung küssen, und wolte sich entfernen.

Nein, sagte der Großmühtige, Alswitha soll die kummerhaften Gedanken nicht nähren, daß sie einen Unwürdigen lieben müsse. Nein sie sol nicht zwischen einer erlaubten Neigung, und zwischen dem Widerstande der Pflichten ihr Herz zerreissen lassen. Sie wird sehen, in kurzem wird sie sehen, daß sie nichts wider die Foderungen ihrer Geburt thut, wenn sie Wulfen günstig ist. Doppelt wird er sie lieben, weil er ihre Zärtlichkeit bloß ihrer Güte zu danken hat, die den Stolz ihres Adels überwindet. Er küßte nochmahls freudig ihre Hand, und gieng nach Athelney zurük.

Wenige Monate hernach gab er, nach dem berühmten Siege über die Normänner, ein großes Fest den Tapfern, die Engelland errettet hatten. Edelbert war unter der Zahl der Unerschrokenen. Zu die Ritterspielen, die zum Angedenken des Sieges gegeben werden solten, wurde das edelste Frauenzimmer der frolokenden Sachsen gebeten. Die Ritter stachen um den Preis in den Schranken; der erkante König saß auf einem erhabenen Throne, und neben demselben war ein andrer Königsstuhl mit der grösten Pracht für die Schöne zubereitet, die die Preise austheilen solte. Ein Edler foderte zu dieser ansehnlichen Verrichtung die schöne Alswitha auf. Ihr Vater, der des Königs Gedanken wußte, und der ihm das Vergnügen gönte, seine Tochter plözlich zum Throne zu führen, befahl ihr den Plaz anzunehmen. Der König stieg von seinem Size herunter, reichte der bescheidenen Fräulein die Hand und leitete sie zu ihrem Size. Hier ist, und für immer, Alswithens Stelle. Sie schlug nicht unbeschämt die Augen auf, und erblikte im Augenblik im König den Wulf, von der unansehnlichen Farbe befreyt, und im Schmuke, der seiner hohen Würde zukam. Er sagte zu der furchtsamen Alswitha, indem er sie zum Sizen nöhtigte: Darf Alfred hoffen, was Wulf nicht erhalten konte? darf er um Alswithens Liebe bitten, ohne die er nicht leben kan? Sie verneigte sich ehrerbietig, schlug die Augen nieder, und sagte leise, Die den Krieger geliebt hat, weiß, daß sie den grossen Alfred verehren sol. Sie sah hierauf den Ritterspielen zu, theilte den Würdigsten die kostbaren Preise aus, und noch denselbigen Abend reichte sie dem entzükten Könige die Hand und wurde seine Gemahlin, die er einzig und unzertheilt geliebt hat.


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