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Dritter Akt

Saal wie vorher. Früher Morgen des folgenden Tages. Susanne in leichtem Nachtgewand, geht erregt auf und ab, lauscht hier und da zur Turmtreppe hinauf.

Natalie steht am Tisch rechts, ebenfalls in loser Morgenkleidung und erregt lauschender Haltung.

Susanne Still! War das nicht Türenschlagen? Sie deutet hinauf.

Natalie Und ein Schrei! Wie weltenfern! Doch wieder greifbar nah!

Susanne Kein Schrei! Nur Türenschlagen! ... Jetzt wieder schweigt's.

Natalie Ein Schreien war's. Ich hört' es deutlich, Muhme. Wie aus nahtlos vermauerten Grüften scholl's tief herauf. Als ob die Ahnen drunten im Schlafe stöhnten und klappernden Gebeins aus würgenden Träumen nach uns riefen!

Susanne Wer weiß, wie bald wir ihnen Gesellschaft leisten! ... Und doch! Nicht drunten her, von den Ahnen ... Von droben, Kind, aus des Magisters Hexenküche, klang der Laut. Als ob Türen schlügen. Von fremdem Besuch, der käme oder ginge. Da! Jetzt! ... Nein! Nichts! Alles still. Nur vorhin der Laut, der war.

Natalie Viele Laute, Muhme. Ein ganzes Orgelspiel von Tönen, als sei die unterste Hölle zu Gast heraufgestiegen. Ein Pfeifen, Zischen, Wimmern, Heulen, Kettenrasseln, die ganze endlos ewig lange Nacht hindurch! Schaurig schön!

Susanne Schiltst du die Nacht lang? Schilt sie kurz! Kürzer als je eine war, noch sein wird! Zweier Menschenleben Kraft und Süße in ein paar armen Stunden zusammengepreßt, wie das Sonnengold von hundert reifen Sommertagen am Ende in einem einzigen engen Kelch zusammenrinnt ... Ein schneller, heißer, tiefer Zug, und alles ist gewesen, kehrt nie wieder ... So diese Nacht! Wer nennte solch eine Nacht nicht kurz! Sie steht in Sinnen verloren da.

Natalie ebenfalls in sich versunken, schwärmend Das Mondlicht quoll so bleich und milchig über meine Kissen. Des Klagens und Seufzens und Rumorens nahm's kein Ende, näher jetzt, jetzt wieder ferner, Auf Treppen und Gängen ein wispernd, flüsternd Umgehen. Über meine Glieder rann es kalt und heiß. Mit einemmal hatt' ich den Kopf unter der Decke, konnte nicht anders, zitterte am ganzen Leibe. Schaurig schön!

Susanne steht links, nickt Schaurig schön! Wie sie's unwissend trifft! Schön und schaurig! Ein Klimmen zur höchsten Turmspitze hinauf. Ein Klimmen zu zweien, eines nah ans andere gedrückt, eines im andern vergehend. Und Fuß um Fuß, immer höher, höher, das Land unten tiefer, immer tiefer, alles wie im Traum. Und dennoch alles leibhaftig, alles wirklich. Kein geträumtes Steigen, Umfangen, Vergehen. Alles wahr, alles lebendig! ... Sie schrickt auf, scheint zu schwindeln Und jetzt auf der letzten, äußersten, obersten Spitze! Ein Weg wohl hinauf! Aber keiner hinab! Außer ... Sie schauert zusammen Kein geträumtes Sterben! Alles wahr! Alles wirklich! Alles leibhaftig! ... Und allein! Nicht mehr zu zweien! ... Mutterseelenallein!

Natalie auf der anderen Seite Später dann ward's stiller, gen Morgen zu. Ich lag mit offenen Augen und sann. Das Frührot kam und malte den Himmel über dem Maintal purpurn und orange. Ich lag und sann und sann ... Sie blickt auf, stürzt sich Susanne an die Brust Muhme! Ich schenk' ihn dir!

Susanne muß unwillkürlich lächeln Wen schenkst du mir, Natalie? Deinen Ritter mit der Dichterseele und der Blechkapsel, um den Leib zu tragen?

Natalie Ach den Ritter ...! Den General! Unsern Helden! Den Mann von Stein und Eisen! Den Werwolf, wie du ihn nennst!

Susanne Ich ihn? O Närrchen! Man könnte über dich lachen, wenn's einem danach wäre.

Natalie eifrig Ist er's denn nicht? Er ist es! Und er soll es sein! Ich will ihn so! ... Aber dir schenk' ich ihn. Dir allein. Keiner andern gäb' ich ihn her. Du nimm ihn! Nimm ihn! Sie schluchzt laut auf, sinkt Susanne von neuem an die Brust Du hast ihn ja schon!

Susanne grübelnd Hab' ich ihn? ... Macht sich von ihr los Und wenn es so wäre ... hätt' ich ihn nicht nur, um ihn für immer zu verlieren? Oder verlor' ich ihn am Ende, um ihn desto sicherer auf ewig zu haben? ... Törichtes Spiel mit Worten! Hier wird mit Leben bezahlt. Kindische Spielerin! Du spielst um dich selbst ... Sie scheint zu erwachen Um was weinst du, Natalie? Um deinen Ritter oder um meinen General oder um wen sonst?

Natalie Um alles, alles Muhme! Es tut so wohl! Um dich! Um mich! Um uns alle!

Susanne streichelt sie ein wenig Ja, weine nur, Mädchen! Weine dich satt! Es ist Balsam fürs Herz! ... Mir ziemt es, die Zähne zusammenzubeißen und auszuharren bis ans Ende! ... Warum nur der Magister nicht erscheint? Der Morgen ist da! ... Still! Schritte auf der Treppe ... Hörst du nichts?

Natalie lauscht einen Augenblick Wie's dir seltsam licht um Stirn und Augen glimmt, Muhme! So sah ich das Frührot heut' durchs offene Bogenfenster gleißen und Gesims und Decke droben vergolden. Der junge Tag wird schön, dacht' ich mir. So kündet's sich auch für dich, Mühmchen.

Susanne Mein junger Tag liegt hinter den Bergen dort, Natalie. Du verwechselst Morgenlicht und Abendlicht. Kein Wunder! Sie gleichen einander ja wie Rosen am gleichen Stock. Wer's nicht wüßte, vermöchte sie nicht zu unterscheiden. Sie wischt sich über die Augen.

Natalie Ei sieh, eine Träne, Mühmchen! ... Könnt' ich sie aufheben und unter Glas und Rahmen setzen, als Andenken, daß auch ein Heldenherz wie meine stolze Muhme einmal als ein schwaches Weib gefühlt!

Susanne Närrchen! Machst du jetzt auch mich zum Popanz? Man hört von droben her zwei dumpfe Schläge, etwa wie von zufallenden Eisentüren.

Natalie schreit auf Heilige Jungfrau!... Der Gottseibeiuns!

Susanne ist ebenfalls zusammengefahren, sucht sich zu fassen Herrgott im Himmel! Gib mir die Kraft! Die Entscheidung naht! Sie steht mit gefalteten Händen da, scheint zu beten.

Natalie vor dem Kruzifix links niedergesunken Heilige Maria! ... Heiliger Josef! ... Schaurig schön!

Auf der Wendeltreppe links hinten wird Albrecht, Ritter von Seidenfuß, ebenfalls im Nachtgewand, sichtbar, kommt spornstreichs die Stufen heruntergesprungen.

Seidenfuß schreiend Die Hölle ist los! Helfio! Mordio! Die Hölle ist los!

Natalie vor dem Kruzifix aufspringend Gnad' mir Gott! Der Ritter! ... Sie morden ihn! ... Hilfe für meinen Dichter! Sie sinkt wie ohnmächtig am Kruzifix nieder.

Susanne zwischen Seidenfuß und Natalie geteilt Ihr seid's, Herr Ritter? ... Natalie! Kind! Komm zu dir! Es ist ja nichts! Es war ja nichts! ... So helft mir doch, Herr Ritter! Helft mir, sie betten! Sie bemüht sich um Natalie.

Seidenfuß steht ratlos und mit schlotternden Knieen da Gnädiges Fräulein ... Mon dieu! Und Ihr, edle Frau ... Pardonnez mille fois! ... Mein mangelhaftes Gewand ... Aber das Poltern droben! Und der Schwefelgeruch! Alle bösen Geister schienen los zu sein! ... Parbleu! Im Negligé vor Damen ... Ich vergehe vor gêne!

Susanne Faßt Euch nur wieder! Das Negligé ist gegenseitig! Helft mir vielmehr, das Kind hier zu sich zu bringen. Um Euretwillen erschrak sie so.

Natalie schlägt die Augen auf, lispelt schwach Wo bin ich? ... Was geschah? ... Herr Ritter, Ihr? ... Mein Gott!

Seidenfuß ekstatisch Um meinethalben solch ein évanouissement? ... Göttlichstes Mädchen! Er sinkt vor Natalie in die Knie, ergreift ihre Hände, bedeckt sie mit Küssen.

Natalie halb aufgerichtet Wo bin ich? ... Wie wird mir? Bin ich im Himmel?

Seidenfuß ebenfalls halb aufgerichtet auf den Knien, indem er sie in seine Arme zieht In den Armen Eures unterwürfigsten Anbeters, adorable Göttin!

Natalie an seiner Brust Also doch im Himmel! ...

Umarmung.

Seidenfuß Meine Göttin!

Natalie Mein Dichter!

Seidenfuß Joyau céléste!

Susanne hat leise lächelnd zugesehen, wendet sich ab Hier scheint mir kein weiterer Beistand vonnöten.

Natalie sich besinnend Heilige Jungfrau! ... Ich im Morgenkleid!

Seidenfuß Und im Schlafpelz ich! ... Vor Damen! Quel horreur!

Susanne Sogar ohne Blechkapsel und Dichter patent, wie es scheint!

Natalie sich erhebend, beschämt Mein Gott! Was hab' ich getan? ... Muhme! Dir den Ritter ...! Er kam, um dich zu freien!

Seidenfuß hat sich ebenfalls erhoben, mit der Hand auf dem Herzen, zwischen Natalie und Susanne Holde Nymphe! ... Erhabene Herrin! Seht mich zwischen der schönen Muhme und der nicht minder schönen Base, zwischen der stolzen Juno und der lieblichen Luna, gleich einem zweiten Endymion geteilt! Ihr wißt, hohe Herrin, die Stimme meiner Familie ... Wenn auch auf der andern Seite wiederum die Stimme des Herzens ...

Natalie sehr spitz Folgt nur der Stimme Eurer Familie, wertester Herr Endymion! Luna wird sich über den Verlust ihres Schäfers zu trösten wissen. Sie will gehen.

Susanne Bleib', kleiner Hitzkopf!... Und Ihr, Herr Ritter Endymion, obwohl Ihr ja eigentlich Albrecht heißt, gebt Euch keine unnütze Mühe weiter mit Eurer Freischaft um mich! Es wäre unbescheiden von mir, der Stimme Eurer Familie Gehör zu schenken, nachdem Eure eigene Stimme so vernehmlich gegen mich gesprochen hat.

Seidenfuß von einem Bein auf das andere Oh! Oh! Quel honte! Quel affront!

Susanne Auf gut Deutsch: Eure Sippe kann ich nicht heiraten und Euch selbst will ich nicht, so wenig wie Ihr mich!

Seidenfuß wie vorher Mais, madame ...! Hélas! Hélas!

Susanne Was aber den Prozeß beim Reichskammergericht anbetrifft ...

Seidenfuß Kein Wort weiter, Madame! Silence! Silence!

Susanne unbeirrt fortfahrend So wird es am besten sein, wenn Ihr ihn mit meiner Base hier zum Austrag bringt.

Ich hoffe, Ihr werdet Euch etwas schneller einig werden als unsere Prokuratoren am Reichskammergericht.

Seidenfuß Erhabenste Herrin... Und Ihr, göttliches Mädchen ... Er will auf sie zu.

Natalie mit Hoheit Erspart Euch die Komplimente, Herr Ritter. Ob ich gleich nur eine arme Verwandte hier im Hause bin ...

Susanne ärgerlich dazwischen Natalie!

Natalie So bedanke ich mich doch für einen Verehrer, der Gedichte auf eine andere macht und sie dann mir deklamieren kommt! Sie geht mit kurzer Kopfneigung nach rechts ab.

Seidenfuß starrt ihr entgeistert nach Fräulein! ... Mädchen!

Susanne Da habt Ihr Euch hübsch zwischen Tür und Angel geklemmt!

Seidenfuß Zwei Körbe auf einmal? ... Hélas! Hélas! Ich Unglückswurm ich! Er sinkt auf einen Stuhl rechts vorn.

Susanne Laßt Euch das zur Lehre dienen, Herr Ritter. Jagt nie auf zwei Hasen zugleich. Ihr bekommt keinen in die Küche. Und jetzt geht nur wieder in Euer Turmgemach. Ihr sollt uns als Gast auch weiter willkommen sein.

Seidenfuß stammelnd Dort hinauf? ... Wo die leibhaftige Hölle rumort? Wo die Hexen mit Schwefelgestank durch den Schornstein fahren? ... Dieu m'en préserve!

Susanne ist zusammengeschrocken, sucht sich zu fassen Hörtet Ihr es lärmen oben?

Seidenfuß Als ob der Satan mit ganzem Gefolge entriert sei! Ich schloß kein Auge die ganze Nacht. Plötzlich jetzt, um Morgen, da mich doch der Schlummer etwas eingelullt, tat's zwei Schläge, wie wenn die Tore der Unterwelt aufsprängen! Grand Dieu! Ich sprang aus dem Bett ... und alles weitere saht Ihr selbst! ... Hättet Ihr mich sonst im Schlafpelz vor Euch erblickt? Excusez mille et mille fois!

Susanne Es war nur mein Magister, der einige Experimente am Schmelztiegel ausprobiert. Da erscheint er ja selbst. Entschuldigt mich für jetzt und verzeiht die Störung.

Seidenfuß Oh! Oh! Hélas! Erhabene Frau! Um Euretwillen Auge in Auge mit den Geistern des Erebus! ... Er zieht sich mit Verbeugung zurück.

Hülff ist auf der Wendeltreppe sichtbar geworden, steigt langsam die Stufen hinab. Kurz bevor er unten ist, breitet er die Arme aus Benedicatur Dominus! Gelobt sei der Name des Herrn!

Susanne mit leisem Zittern In Ewigkeit! Amen!

Hülff zu Seidenfuß, der gerade am Fuß der Treppe angelangt ist Untertänigsten Morgengruß dem Herrn Ritter von Seidenfuß! Und wünsche dem hochgeborenen Herrn Ritter recht wohl geruht zu haben. Droben im Turm.

Seidenfuß Grand merci! Wundervoll geruht! Eine göttliche Nacht! Grand merci!... Mit tiefer Verbeugung zu Susanne Votre très humble serviteur, madame! Mit Kopfneigung zu Hülff Tout à vous, cher maitre ès arts! Er steigt die Wendeltreppe hinauf, verschwindet oben.

Kurze Pause.

Susanne tut ein paar Schritte gegen die Treppe Was ist geschehen? ... Redet! ...

Hülff noch auf der Treppe, breitet segnend die Arme aus Lobet den Herrn, Euer Gnaden. Er hat Großes durch mich vollbracht. Dem höllischen Feind ist seine sicher habende Beute entrissen worden.

Susanne mit angstvoll starrenden Augen Ihr habt den Ring? ... Foltert mich nicht! ... Den verloren gegangenen Ring habt Ihr zurück?

Hülff Es verhält sich, wie Euer Gnaden sagt. Der Streich ist gelungen. Lucifer hat den Schwanz eingezogen und um gut Wetter gebeten. Aber hol' mich der und jener ... Will sagen, bei Gott und allen Heiligen sei's geschworen: Nicht noch einmal laß ich mich auf dergleichen Zauberstücke ein! Und wenn Venus oder Helena in persona mir Beilager anbieten! Die gräulichste Beschwörung, so mir mein Lebtag vorgekommen! Habt Ihr nichts davon vernommen in der Stille der Nacht?

Susanne wie entrückt sinnend Sprecht kein Wort von der Nacht. Die Nacht noch war mein. Der Tag jetzt gehöre Euch. Wie erwachend Habt Ihr den Ring?

Hülff Das ganze Gewölbe stund in Flammen. Türen und Angeln sprangen mit Gekrach. Satan selber präsentierte sich mit Feuer und Schwefel. Es gehört Courage dazu, Euer Gnaden, sich von derlei Erscheinung nicht verunruhigen zu lassen. Aber was täte man nicht, Eurer Schönheit zu gefallen, sinnbetörende Frau! Er ist von der Treppe herabgestiegen, geht auf Susanne zu.

Susanne einen Schritt zurück Habt Ihr den Ring? ... Und so Ihr ihn habt, warum zeigt Ihr ihn nicht?

Hülff Der Ring ist zur Stelle, Euer Gnaden. Wofern Ihr wollt, ist der Fluch von dem Herrn Kaiserlichen General fortgenommen.

Susanne Er ist gerettet! ... Und ich ... ich bin verloren! Sie preßt die Hände vors Gesicht.

Hülff wieder näher tretend Er ist gerettet! ... Soviel ist sicher. Es kommt nur auf Euer Wollen und Mögen an. Dann hoff' ich, Euch mit Gottes Hilfe schon zufrieden zu stellen, süßeste der Frauen.

Susanne Was faselt Ihr von Wollen oder Mögen? Fragt man das Tier, das man zur Schlachtbank schleppt, ob es will oder mag? ... Ich gab mein Wort ...

Hülff Mir mit Leib und Seele anzugehören. Dies unser Pakt, an dem festzuhalten wäre, sofern Euch an dem Ring etwas gelegen.

Susanne Ich gab mein Wort, Euch meine Hand zu reichen. Nichts weiter. Meine Seele befehl' ich einem Höhern, als Ihr seid.

Hülff Hab' ich erst Eure Hand, so ziehe ich den schönen Leib, so dazu gehört, schon nach, wohin ich ihn will. Und hat Euer Mund erst meine Küsse getrunken, so folgt das Seelchen gehorsam wie ein Hündchen nach. Auf derlei Dressur versteh' ich mich! So wahr die Hähne krähen! Er will sie an sich ziehen.

Susanne Vorerst den Ring! Oder bei Gott! ... Sie nestelt an ihrem Mieder wie nach einer Waffe.

Hülff schreckt zurück Laßt das nur! Ich bin kein Freund von kitzligen Sachen. Einmal im Leben tüchtig am Halse gekitzelt, genügt mir. Er macht eine entsprechende Geste Aber da Ihr so genau in Euren Kontrakten seid, so erlaubt mir die gleiche Vorsicht, wonnige Angebetete. Schwört mir zunächst, daß ihr mir als mein eheliches Gemahl angehören wollt, sobald ich den Ring in Eure Hand gelegt.

Susanne Ich schwor Euch schon ...

Hülff Schwört noch einmal! Schwört beim Leben dessen, was Euch das Liebste auf Erden.

Susanne Gott! Gott! Gott!

Hülff Euer Gnaden zögert? ... Euer Gnaden untertänigster Diener und Hofnarr zögerte nicht, als Euer Gnaden ihm befahl, mit Satanas selber anzubinden! ... Nun gut! So kehre der Ring zurück, von wo er kam.

Susanne Ich schwöre, was Ihr wollt!

Hülff Beim Leben dessen ...

Susanne Was mir das Liebste hienieden!

Hülff Brecht Ihr den Schwur, so falle es auf sein Haupt! Sprecht es nach.

Susanne tonlos So falle es auf sein Haupt!

Hülff Pest und Aussatz schlage sein Gebein! Krampf und Kolik seine Gedärme! Blindheit seine Augen! Narrheit und Irrsinn seinen Geist! Ewige Verdammnis seine Seele.

Susanne Genug! Genug! Haltet ein!

Hülff Verflucht sei sein Leben wie sein Tod! Und den Tieren des Waldes falle sein Leib zum Fraß! So wahr Euch Gott helfe! Sprecht es nach.

Susanne So wahr mir Gott, helfe!

Hülff Amen! ... Ein hübscher Schwur, Euer Gnaden! Ein kräftiger Schwur! Ein dauerhafter Schwur! Und wenn der Heilige Vater selbst käme, er löste Euch nicht aus seinen Maschen.

Susanne Ich schwor. Genug davon! ... Wo ist der Ring?

Hülff zieht einen Ring aus dem Tatar Hier habt Ihr ihn, Euer Gnaden. Er gibt ihn ihr, behält sie scharf im Auge.

Susanne bekreuzigt sich unwillkürlich Alle guten Geister loben den Herrn! ... Der Ring ...!

Hülff feixt einen Augenblick Verdammt noch eins! ... Besinnt sich, bekreuzigt sich ebenfalls Der Name des Herrn sei gebenedeit! Glaubt Ihr jetzt endlich an die Wunderkraft Eures hierbevor untertänigsten Schuhputzers und zukünftigen Ehegemahls?

Susanne unverwandt im Betrachten des Rings Der Blutstein! ... Der Eisenreif! ... Das zauberhafte Glimmen im Stein! ... Er ist's! ... Oder wär' er's nicht? Sagt! Auge in Auge! Wär' er's am Ende nicht? Wenn ihr mich täuschtet, Herr Magister?

Hülff Sucht Ihr schon eine Masche zum Durchschlüpfen? Wüßt' ich's doch! Man kann nie vorsichtig genug mit Weibsleuten sein. Sie werfen dem Teufel selbst den Strick um die Hörner, wie man sagt. Aber dies Garn ist zu fest gesponnen. Ihr zerreißt es nicht, schönste und listigste der Frauen.

Susanne Wer bürgt mir dafür, daß es der gleiche Ring, so verloren gegangen?

Hülff Kanntet ihr ihn nicht?

Susanne Flüchtig vom Ansehen!

Hülff Gleicht er ihm nicht?

Susanne Er gleicht ihm wohl! ... So von weitem. So obenhin. Wie Kirschen oder Blumen oder Steine sich eben gleichen ... Aber ob's der gleiche ...? Wer bürgt mir dafür?

Hülff mit Augenaufschlag Meine Ehre!

Susanne lacht kurz auf Eure Ehre! ... Wer mauert mit Luft? ... Bessere Bürgschaft, Herr Magister!

Hülff wie vorher Der himmlische Vater!

Susanne Laßt den Himmel aus dem Spiel. Es sind Faxen in eurem Munde. Irdische Bürgschaft will ich.

Hülff Wohlan denn! Mein Kopf!

Susanne Mit Eurem Kopf bürgt Ihr? ... Fürwahr kühn! Ich könnte Euch beim Wort nehmen.

Hülff zähnefletschend Dessen schätz' ich Euch kapabel, angebetete Tyrannin, deren Pantoffel ich küsse, um Euch nachher desto glühender in meine Arme zu schließen. Hier geht's Leben um Leben. Mein bescheidener, doch nicht unkluger Kopf gegen Euren wollustatmenden Leib. Das Spiel ist gleich.

Susanne betrachtet bald ihn, bald den Ring Kühn! Kühn! ... Und doch! Vielleicht nicht allzu kühn! Wer soll den Ring als falsch erkennen, da ja der echte Ring verloren ging?

Hülff Fragt doch den Herrn Kaiserlichen General, Euren hochmögenden Freund.

Susanne faßt sich an den Kopf Ich vergaß ...! Mein Gott! Wir schwatzen hier. Der Sand im Glas verrinnt. Und ihm ... ihm gehört er zu.

Hülff Ganz richtig bemerkt, Euer Gnaden. Also wird er doch auch unterscheiden können, ob der Ring sein ist oder nicht? Ob es der gleiche, den er zehn Jahre getragen, oder nicht? überlaßt den Kasus nur ruhig seinem Urteil, sowie ich es tue!

Susanne sieht ihn an Das tut Ihr? Das wagt Ihr? ... Ihr seid waghalsiger, als ich Euch zugetraut.

Hülff Seht Ihr jetzt, daß man kein Eisenfresser und Säbelraßler zu sein braucht, auch wenn es um Venus und Fortuna geht, schönste Herrin? ... Wollt Ihr mir ein erstes Pfand zukünftigen Liebesglücks verstatten? Er nähert sich ihr, wie um sie zu küssen.

Susanne Wartet bis nach dem Traualtar.

Hülff Geht Ihr jetzt mit dem Ring zu dem Herrn General?

Susanne Das tu' ich!... Sie will gehen.

Hülff stellt sich ihr in den Weg Und wenn seine Echtheit, wie sich von selbst versteht, von Eurem hochgebietenden Freund zugegeben?

Susanne mit starrem Blick Dann ist es gut. Sie bedeckt das Gesicht mit den Händen.

Hülff Und unser Pakt tritt in Kraft, Euer Gnaden. Ich habe mein Teil davon erfüllt. An Euch wird's sein, das Eure zu erfüllen. Wir treten noch heute an den Traualtar.

Susanne will auffahren, bezwingt sich unter dem Blick Hülffs.

Hülff Denkt an Euern Schwur. Nicht nur Euer eignes Leben ... Ihr habt auch eines Fremden Kopf verwettet!

Susanne Ihr seid ein Teufel aus der untersten Hölle!

Hülff Aber mit Gottes Hilfe kein so ganz dummer! ... Darum noch eins, bezaubernde Frau: Zur gleichen Stunde, wo Ihr heute ganz mein werdet, verläßt Seine Gestrengen, der Herr General, unsere Burg und Herrschaft Eldringen auf Nimmerwiederkehr. Wir bedürfen keiner Zeugen unseres Liebesglücks. Den ominösen Ring, den ich den Krallen des Satans entrissen, verehr' ich ihm als Gastgeschenk auf die Reise.

Natalie öffnet die Tür rechts, bleibt auf der Schwelle stehen. Sie hat ihr Morgenkleid abgelegt, trägt helles Gewand wie im zweiten Akt Es sind Leute da, die um Gehör bitten, Muhme. Fahrendes Volk aus dem Dorf drunten.

Hülff Laßt sie sich zum Teufel scheren!

Natalie zu Susanne Sie jammern, man wolle sie auf dein Geheiß aus dem Dorf fortjagen.

Susanne Auf mein Geheiß?

Natalie Sie bitten um die Gnade, heute, da man das Friedensfest im Eldringer Burgbann feiere, ihre Künste zeigen zu dürfen. Es ist ein ellenlanger kurioser Mann mit Augen wie feurige Kohlen, die einem durch und durch gehen, und ein verschleiertes Weib. Sehr merkwürdig anzusehen beide!

Hülff Gauklergesindel! Ruffianerkünste! In den Höllenrachen mit ihnen!

Natalie Laß sie spielen, Mühmchen! Erlaub' es ihnen! Sie bringen sicher die allerneuesten Inventionen aus der Fremde. Bitte! Bitte!

Hülff zähnefletschend Nicht, solange ich hier ein Wort zu reden habe! ... Landstreicherpack!

Susanne Fürs erste gilt noch mein Wille hier, Herr Magister. Laß sie vor, Natalie.

Natalie klatscht in die Hände Bravo, Mühmchen! Bravo! Es wird gespielt! Schnell rechts ab.

Susanne mit Haltung zu Hülff Ihr wißt, was mich abruft, Herr Magister. Empfangt die Leute an meiner Statt und sie sieht ihn bedeutsam an fragt sie doch, wer sie fälschlich auf mein Geheiß hat fortjagen wollen.

Hülff geduckt Eurer Gnaden allergehorsamster Diener!

Susanne Mein Wunsch ist, daß sie spielen. Mein armes Volk hat dreißig Jahre geseufzt. Heut' wollen wir lustig sein! Sie geht erhobenen Kopfs nach links hinten ab.

Hülff blickt ihr in geduckter Haltung nach, schnalzt mit der Zunge, als sie fort ist Heut' wollen wir lustig sein! Ja, du wirst mir noch kirre, Liebchen! ... Schultern! Brüste! Schenkel! Ein Götterfraß für einen Kerl von gesundem Appetit! Er sieht sich in der Halle um Auch das Drum und Dran ist nicht zu verachten. Warum sollte Freiherr von Hülff nicht ebensogut klingen, wie Freiherr von Eldringen? Dreht Euch nur im Grabe herum, Ihr Ritter mit der eisernen Faust da unten! Jetzt ist die Reihe an uns Rittern vom Geiste! ... Ah, der Herr Kollega mit seinem Mensch!

Durch die Tür rechts treten Hilarius Agathon Kröner im langen Magistertalar, wie früher, und Rosina Bombinelli, tief verschleiert, ein. Natalie wird hinter ihnen sichtbar, zieht sich aber sogleich wieder zurück.

Kröner mit großer Gebärde gegen Hülff Das Handwerk grüßt in meiner zwar bescheidenen, doch nicht ganz unbeträchtlichen Person den hochzuverehrenden Herrn Magister und Kollega von der gleichen Zunft. Zu Rosina Verneige dich, mein Kind, vor dem Meister seiner und unserer Kunst!

Rosina immer noch verschleiert, verneigt sich mit anmutiger Gebärde vor Hülff, schweigt dabei.

Hülff Was fällt Ihm ein, sich mit einem ehrengeachteten Magister und Doktor der Gottesgelahrtheit in Vergleich zu setzen? Hat man Ihn nicht schon gestern des Eldringer Burgbanns verwiesen, bei Strafe, gehängt und gebrannt zu werden? Soll man Ihm Beine machen?

Kröner Hilarius Agathon Kröner, genannt das Universalgenie, bedarf keines Beinemachens durch Euch, erhabener Großsiegelbewahrer und Steckenmeister! Seine eigenen Beine sind lang genug, um ungesäumt den Ort zu verlassen, wo er nicht wohl gelitten ist. Nur noch ein kurzes Wörtchen mit Eurer gebietenden Herrin, großmächtiger Herr Generalprofos! Sie versprach mir Gehör durch die bezauberndste aller Schloßfeen. Aber mein Auge sucht sie vergebens hier im Rittersaal. Er schaut sich wie suchend um.

Hülff Die Freifrau, meine hohe Herrin, läßt Ihm und Seiner Beischläferin sagen, sie habe Besseres zu tun, als sich mit Seinesgleichen zu befassen, und man brauche sich erst keine Laus in den Pelz zu setzen. Sie kommt schon von selbst herein, wie es heißt. Will sagen? Hurerei und Unzucht blühen schon genugsam in hiesigen Landen. Man braucht keine Komödianten und Gaukler mehr dazu hereinzulassen. Und jetzt marsch mit Ihm, Herr Faxenmacher!

Kröner Sehr schade, daß wir des Anblicks Eurer hohen Herrin nicht teilhaftig werden sollen, Züchtigster aller Gottesgelehrten. Es möchte sie vielleicht interessieren, zu vernehmen, was für Geheimnisse Hilarius Agathon Kröner der Natur und der Historie abgelauscht hat. Komm, Rosina, meine Rose! Wir wollen ihr mit einem wohlversiegelten Brieflein kundtun, wie man sich auch ohne uns eine ordentliche Laus in den Pelz setzen kann. Er wendet sich mit Rosina zum Gehen.

Hülff vertritt ihm den Weg Halt! Was soll das heißen? Will der Bettelsack sich gegen den Diener Gottes erheben? Was habt Ihr auf der Pfanne? Heraus damit!

Kröner tritt einen Schritt auf ihn zu, vertraulich Weshalb doch mit einemmal so ergrimmt gegen uns arme Jünger der Kunst, gottseliger Geistesheros und Großmeister der Goldmacherei? Früher hat man doch um ein Wesentliches milder über die Verworfenheit der Menschheit gedacht? Dazumal, als man ein gewisses luftiges Haus am Kreuzweg verzieren half und beinahe auf einem hänfenen Pferd gen Himmel geritten wäre. Aber er steht Euch gut, der Heiligenschein zu Eurem artigen Schafspelz um die Glieder.

Hülff faßt sich unwillkürlich an den Hals Verdammt noch eins!

Kröner Juckt es Eure Herrlichkeit?

Hülff hat sich sofort gefaßt Glaubt Er Landfahrer mich kratzen zu können? Es ist mehr Freude um einen bekehrten Sünder, denn um tausend Gerechte, spricht der Herr. Wenn Er nicht mehr von mir weiß, dann pack' Er sich mit Seinem vermummten Mensch. Und grüßt mir den Galgen alle beide!

Kröner mit großer Gebärde Wohlan denn! Ewiges Fatum! Nimm deinen Lauf! Entschleiere dich, vermummtes Frauenbild! Er tritt zu Rosina, nimmt ihr den Schleier ab.

Rosina mit einer Gebärde gegen Hülff Mio marito! ... Mein Gemahl!

Hülff prallt zurück Daß dich die Pest ...! ... Was ist das?

Rosina lächelnd Dein wiedergefundener Schatz, caro mio! Umarme mich, großer Zauberer! Ciarlatano grandissimo! Ecco tua moglie! Sieh hier dein Weib! Sie tut, als wolle sie ihn umarmen.

Hülff durch die Zähne Magdalena! ... Verflucht noch eins! Du hast mir gerade gefehlt! ... Von welchem Pranger hat dich der schwarze Gauner da losgeeist?

Rosina Unverhofft kommt oft. Ich sah dich gestern im Dorf unten stolzieren. Freust du dich nicht, mein Liebling? Non ti piace di rivedermi? O birbante! Großer Kujon, der du bist! Denkst du noch, wie der schwedische Pfaff uns alle regimenterweise kopuliert hat, dazumal bei Merseburg, weil der Wrangel keine Dirnen mehr hat leiden wollen beim Troß? O misericordia! Keine Dirnen mehr auf der Welt! Il mondo senza amore! Che follia!

Hülff wie vorher, mit Blick in die Runde Halt' dein verruchtes Maul! Die Wände haben hier Ohren.

Rosina Da hieß es in den sauren Apfel beißen. Du warst ja kein Adonis, poverino mio. Aber wo die Liebe hinfällt ... Man hatte sich nun mal an dir versehen. An deinem Pferdekopf! An deinen Wolfszähnen! An deinen Katzenaugen! O dio mio! Welch ein Galgenvogel! Aber ehe man splitternackt aus dem Lager gejagt wird ... warum nicht die Ringe wechseln auch mit einem Galgenvogel!

Hülff Drei Schritt' vom Leibe! Die Kopulation war ungültig, weil mit Gewalt erzwungen. Die ganze Geschichte war eine Komödie. Ich weiß von keiner Kopulation. Ich erkenne nichts und niemand an.

Rosina Ungültig? Davvero? Affatto? Vor Gottes Altar getraut und ungültig? Ebbene! Sia! Vedremo! Aber weißt du auch, mein Goldherz, mein ciarlatano, mein Langfinger, weißt du auch, daß ich meinen braven, ehrlichen Korporal hier wiedergefunden hab', gestern hier im Dorf, sulla piazza drunten? Du verstehst, bambino, den Korporal, dem du mich dazumal weggezaubert hast, mitsamt seinem Geldbeutel unterm Kopfkissen fort! Soll ich dich ihm vorstellen? Willst du sie kennen lernen, die brave Haut? Der wird eine Freud' haben, meinen amoroso von damals zu sehen! Nur seine blanken Dublonen sind fort. Die letzten Hundert nahmst du mit auf die Reise, eh' du dich auf spanisch empfahlst. Porcone du! Was er sich für ein Bäuchlein angemästet hat! Sie schlägt ihm auf den Bauch.

Hülff hat sich inzwischen gefaßt, platzt kurz heraus Sakrament noch eins! Du scheinst dich ja entwickelt zu haben. Eine Szene wie auf den Brettern selbst! Im ersten Theater der Welt kann sie nicht besser vorgeführt werden. Ich hätte dir niemals eine so überzeugende Beredsamkeit, ein so hinreißendes Spiel zugetraut. Du würdest mit deinem Talent vor dem Dogen von Venedig oder vor Seiner Heiligkeit selbst Ehre einlegen.

Rosina Du schmeichelst mir, illustrer Zauberer. Ich bin nicht umsonst in deinen Händen gewesen. Ti sono gratissima!

Hülff Sprich nicht von mir! Du warst noch ein halbes Kind, als unsere Truppe auseinanderstob. Gewiß verdankst du deine Erziehung und Ausbildung vor allen Dingen diesem Herrn hier ...

Kröner vortretend So verhält es sich in der Tat, erleuchteter Meister und Kollega.

Hülff Die Meisterschaft tret' ich ganz an Euch ab. Ich bin nur ein bescheidenes Licht im Tempel der Kunst gewesen, das nun auch längst in den dumpfen Mauern hier erloschen ist, Aber Ihr ... Ihr tragt den Stempel des Ingeniums sichtbar auf der Stirne, Herr! ... Preise dein Glück, Magdalena, daß du einen so phänomenalen Lehrer gefunden hast!

Kröner Ich kann nicht leugnen, daß ich der Lehrer und Meister dieses blonden Engels bin, den ich vor drei Jahren splitternackt aus dem Straßengraben gezogen habe, erhabener Beschützer der Kunst und vormaliger Schicksalsgenosse.

Hülff Unter sotanen Umständen verändert sich natürlich der aspectus der Dinge. Vor einer so hehren Meisterschaft schweigen alle Flöten. Will sagen, man drückt ein Auge oder beide zu und läßt, unbeschadet seiner sonstigen gewohnten Schamhaftigkeit, das erbetene Schauspiel in Gnaden vor sich gehen. Friede mit Euch! Deklamiert und spielt heute nachmittag, bis Euch die Zunge aus dem Halse hängt!

Rosina Oh bella! Grazie! Mille grazie! Inammorato! Marito! ... Ciarlatano sublime! ... Mi bacia! Küss' deine Frau! Sie will ihm um den Hals fallen.

Hülff stirnrunzelnd, indem er einen Schritt zurücktritt Verdammtes Geschwätz! Ist es nicht genug, daß man Euch Eure Possen treiben läßt? Aus alter Anhänglichkeit, und weil die Welt nun einmal genasführt sein will! Aber die Pest über Euch, wenn Ihr wagt, mir meine Kreise zu stören! Ich kämpfe auf Leben und Tod um meine Position. Und fall' ich, so laß ich zuvor Salat aus Euch machen! Schreibt Euch das hinter die Löffel! ... Oder wollt Ihr Geld? Da! Hier! Er kramt in seinen Taschen Nein! Nichts! Der Beutel ist leer. Aber wartet nur bis heute nachmittag. So bekommt Ihr, was Ihr braucht, und mehr. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn, sieht erwartungsvoll von einem zum andern.

Kröner hat ihn unverwandt betrachtet, bricht nach einer Kunstpause aus Welch ein Charakterspieler ist an Euch verloren gegangen, großer Mitbruder in Apoll! Ich sah selten einen ausgetragenen Schurken so naturgetreu und doch wieder im großen Stil auf den Brettern agieren. Wahrlich, man täte unserer edlen Kunst keinen geringen Gefallen, wenn man Euch, unbekümmert um Euren Zorn, Eurer jetzigen Stellung wieder entfremdete und Euch zu Eurer wahren Aufgabe zurückführte! Aber fürchtet nichts! Schlaft ruhig in seidenen Betten weiter und schmauset von silbernen Tellern! Wo Ihr uns nur frei wie der Wind schalten laßt, so neiden wir Euch Eure goldenen Ketten nicht! ... Was aber dieses blonde Engelsbild betrifft ...

Rosina tritt dicht zu Hülff Hast du im Ernst geglaubt, caro mio, daß ich einen Affen wie dich meinem grande maestro und direttore vorziehen würde? Ah! Bist du schief gewickelt! Da! Sie schnippst mit dem Finger in die Luft So geb' ich dir dein Wort zurück. So bist du frei! Wie ich es bin und immer war! Sempre e sempre! ... Direttore! Maestro! Luce del mondo! Sie wirft sich ihm an die Brust.

Hülff betrachtet die Gruppe, fletscht die Zähne So ist ja alles in bester Ordnung, und jeder hat sein erkorenes Teil in dieser Welt. Der eine seine Freiheit zum Verhungern, den Vögeln gleich, der andere seine Angebundenheit wie der Kettenhund, dafür auch mit dem nötigen Futter im Topf. Er versinkt einen Augenblick in Schweigen, fährt dann mit verändertem Ton zu Rosina fort Hol' uns der Satan alle zusammen! Denkst du noch, wie ich dir die Leda einstudiert habe vor dem Herzog von Savoyen!

Rosina Und du spieltest den Schwan, cucchino! Jupiter il grande als Schwan in meinen Armen!

Hülff Gott verdamm' mich! Aber ich glaube, den wirklichen Schwan hat die geile Bestie, der Herzog, selbst gespielt!

Rosina schlägt ihm auf die Finger Porcone.... Tempi passati!

Kröner mit großer Gebärde Diese Episode aus deinem Leben ist mir neu, Rosina.

Rosina Du weißt zwar viel, maestro. Doch wozu mußt du alles wissen?

Kröner Nun! Vielleicht ließe sich ein Intermezzo oder Capriccio für unser neues Repertoir daraus gestalten.

Hülff hat nach links gehorcht Still! Schritte! Stimmen! Mit segnender Gebärde Zieht in Frieden, ihr Leute. Der Herr mit euch und eurem Werk! Und brecht euch nicht den Hals auf der verwünschten Treppe! Wartet, ich geb' euch das Geleit. Alle drei nach rechts ab.

Gleichzeitig wird die hintere Tür links geöffnet. Schwartz und Susanne treten ein. Schwartz ist wie im zweiten Akt gekleidet. Susanne hat ihr Morgenkleid abgelegt und trägt ein reiches Gewand von feierlichem Anstrich.

Susanne Ist es der Ring ... Ich ließ dich suchen im ganzen Schloß. Ist es der Ring? Ist er's? Ist er's?

Schwartz im Anblick des Ringes Er ist's!

Susanne aufjubelnd Er ist's! Sie bricht jäh ab Gott! ... Gott!

Schwartz Er ist's! ... Wie ich ihn dreh' und wende. Er ist's! ... Es ist mein Ring! ... Und doch, kann er's denn sein? Mir wirbeln die Sinne, als stünd' ich, ein blutjunger Bursch, in meiner ersten Schlacht und hörte die Kartaunen ihr Morgenlied brummen! ... Wär's nicht der Wunder allerwunderbarstes, der Dunkelheiten dunkelste, wenn dies mein Ring, den ich verlor, irgendwo in der Heide, am Wald, im Haferfeld, vor Jahresfrist und fünfzig Meilen von hier? ... Wunder? Dunkelheit! Sprach nicht erst gestern mein sieben Schuh langer Magus die Menschheit von allen Dunkelheiten und Wundern frei? Und heute kommt ein anderer seines Zeichens und vollführt das Wunder aller Wunder, schafft mir den rätselvollen Reif gleichsam aus dem Nichts zurück. Ein Ding so winzig klein, ob auch vielleicht mein Schicksal darin gebannt, so unscheinbar und nichtig, daß ein Käfer im Busch das Auge mehr auf sich zöge als dieser Ring, und hätte jemand vom Mond herunter eine Nußschale in den Ozean geworfen, sie leichter zu finden wäre, als dieser Ring! ... Wer also ist nun der rechte Künder? Jener Gaukler oder dieser? Der mit dem dunkeltiefen Wort oder der hier mit der überzeugend klaren Tat? Wer die Zauberwaage besäße, sie gegeneinander abzuwägen! Aber wiegt denn die geringste Tat nicht immer schwerer als das gewichtigste Wort? Und doch! Es wuchtet, es gräbt sich ein, das Wort ...

Susanne legt die Hand auf seinen Arm Grübelst du schon wieder, Liebster? Sag' kurz und ohne Umschweife: Ist es dein Ring, oder ist er's nicht? ... Und wenn er's ist ... Sie stockt, greift sich ans Herz.

Schwartz immer mit sich und dem Ring beschäftigt Ja, wenn er's ist ...! Ein Mittel gäb' es ja wohl, woran sich erkennen ließe, ob er's ist oder nicht ...

Susanne Sag's! Schnell! Ich zittere!

Schwartz sieht auf Zitterst du? Um mich? Um dich? Er zieht sie an sich Ja, wahrlich! Und so bleich. Zittre nicht, Lieb. Sei er's, oder sei er's nicht, der Ring ... Alles wird gut. Mannheit und Liebe sind unser Fährboot durch Not und Dunkel ans grüne Gestade des Glücks. Siehst du unsere Wimpel wehen?

Susanne halb für sich Gott! Mein Gott! Sie rafft sich auf Nenn' mir dein Mittel! Vielleicht hängt mehr daran, als du ahnst. Wie willst du die Echtheit des Rings erkennen?

Schwartz halb lächelnd An seiner Wirkung, Susel. Frag' mich in einem Jahr oder zweien, so werd' ich dir Bescheid geben, ob es der echte Ring oder nicht.

Susanne Treibst du deinen Spott mit mir? Ist Liebe so wohlfeil, daß man sie zertreten kann wie Brombeeren vom Strauch? Ist es die eine nicht, so ist es die andere. Es hängen genug da zum Pflücken!

Schwartz streicht ihr über das Haar Nicht böse sein, Susel! ... Kein Spott über dich. Wenn einer, dann höchstens über den Ring.

Susanne erschrocken Über den Ring spottest du?

Schwartz So etwa wie der Wilde, der sich aus einem armen Scheit Holz einen Gott geschnitzt und ihn auf den Altar gestellt und viele Jahre zu ihm gebetet. Da zerspellt der Blitz Gott und Altar und Glauben und alles ... So spott' ich vielleicht über den Ring.

Susanne An dem dein Leben hängt! ... Und nicht nur deins vielleicht. Gerechter Gott! Was tat ich nicht, um dir den Ring zurückzuschaffen! Und du ...! Du ...!

Schwartz Susanne! Was tatest du denn?

Susanne verhält ihm den Mund Nichts! Schweig'! Nichts! ... Nur mir zuliebe trag' ihn!

Schwartz Alles, was du willst, Liebste!

Susanne Komm, ich steck' ihn dir an den Finger. Sie tut es Dieser war's? Nicht? ... Nimm an, der Reif wäre nicht eisern, wäre aus gediegenstem Gold, von fernsten Küsten hergetragen, und dieser Blutstein wäre das nicht, was er scheint. Ein Demant wär's, der einst am Finger des reichsten Königs der Welt geblitzt. So teuer soll er dir sein ... Leise Denn so teuer hab' ich ihn bezahlt.

Schwartz Susanne ...?

Susanne hat ihm den Ring angesteckt, wehrt ab, während sie seine Hand in der ihren hält Nein! Nichts! Kein Wort! ... Sag'! Fühlst du nichts? Keine Kraft? Keinen Schauer vor dem Ring?

Schwartz schüttelt den Kopf, während er sie forschend ansieht.

Susanne Wie war's denn, da du ihn zum erstenmal an die Hand gesteckt?

Schwartz 's ist lange her, Susel. Gleich einer dunkeln, gurgelnden See, die ich durchschwommen, schiebt sich's mir zwischen einst und jetzt. Vom Ufer drüben leuchtet und flackert etwas, 's ist das Lagerfeuer, dran wir kauerten, der Unbekannte und ich. Fähndrich war ich, ohne Anhang und Protektion. Sieben Jahre schon. So mancher, der hinter mir angefangen, war über mich weggeklettert, stand als Kapitän, wohl gar als Oberst vor seinem Regiment. Wackre Leute darunter. Aber hatte ich gezittert, wenn's dran ging, einander das Weiße im Auge zu beschauen? Der Wurm des Ehrgeizes fraß in der Brust ...

Susanne nickt schwer Der Wurm des Ehrgeizes! ... Er hat dir dein Leben weggefressen.

Schwartz Ein schnelles Wort, ein jäher Fluch, vielleicht nur ein kurzes Stöhnen, im Becher verschluckt, mag dem andern verraten haben, was in mir wurmte und fraß. Dazu der spanische Wein, den der Kurfürst zum Dank für eine gewonnene Bataille hatte fließen lassen. So kam's! »Wer den Ring hier trägt, dem kann keine Kugel, kein Schwert nichts anhaben. Sein Leib ist fest. Seine Bahn steigt und steigt.« Das Wort bohrt sich mir ins Ohr. Der Qualm des Feuers beizt mir die Augen. Das Gesicht des Fremden halb abgewandt, vom Dunkel der Nacht beschattet, nur der schwarze Mantel vom brandigen Schein überflammt. »Seine Bahn steigt und steigt.« »Und seine Seele?« geb' ich zurück. »Was kümmert Euch Eure Seele?« kommt es dawider. »Laßt sie doch dahinfahren, wohin sie mag! Wofern Ihr nur Zeit Eures Lebens Ruhm und Lust genießt und zu hohen Ehren gelangt. Nur vor einem hütet Euch: Daß Ihr den Ring nicht verliert!« »Her mit dem Ring!« schrei' ich. Becher küßt sich mit Becher. Goldfüchse rollen, die letzten, die ich im Sack trug. Und andern Morgens, da ich mir die Augen reibe, blinkt durch die erste Ritze der Ring an meinem Finger.

Susanne War's da nicht, als sei alles um dich und in dir verwandelt? Graute dir nicht?

Schwartz Nichts dergleichen! Denn wie ich mit nüchternen Sinnen den Ring beschaute: Ein eiserner Reif, ein dunkelroter Stein! ... Was war daran Merkwürdiges oder gar Grauenvolles? Der Spuk der Nacht war verflogen. Meine Dukaten mit ihm. Ein fremder Quacksalber hatte mich betrogen. Was weiter! Ich trug den Ring mehr aus Gewöhnung, vielleicht als Warnung vor kommenden Storgern und ihresgleichen.

Susanne Wie kam's dann, daß der Ring noch die Kraft über dich gewann?

Schwartz Ein nachdenkliches Wort, Susel. Ja, der Ring gewann Kraft über mich. Wie es kam? So ganz unmerklich. Wie ein Einschleicher auf leisen Sohlen. Ich stand mitten im blutigen Treffen. Die Luft war voller singender Kugeln. Ringsum das Krachen der Piken, das Wehklagen der Sterbenden. Mir aber schien keine Kugel etwas anzuhaben, keine Pike den Harnisch zu durchspalten. Wie oft hatt' ich nicht so gestanden, in mancher Bataille zuvor, und hatte die Kugeln singen und die Piken krachen hören, unversehrt, so wie jetzt! Aber jetzo fiel's mir auf. Ich begann achtzugeben und zu spielen mit dem Gedanken: Es könnte doch etwas Wahres sein an dem Ring und an des Fremden Wort. Und stürzte mich tiefer in Rauch und Staub der Schlacht.

Susanne Und bliebst unverwundet? Das war der Zauber des Rings.

Schwartz Blieb unverwundet. Ob ich auch wie ein Berserker um mich hieb, und je heißer ich dem Feind auf den Pelz rückte. Blieb unverwundet und ward Leutnant in der nächsten Schlachten einer. Wie hätt' ich da nicht an den Ring sollen glauben lernen!

Susanne Glaubst an den Zauber und spottest über ihn in einem Atem. O männlicher Wankelmut!

Schwartz Glaube und Spott sind Stiefgeschwister, Susel. Sie hassen sich und gehören doch zueinander. Man verspottet nicht, was man nicht einmal glaubte, vielleicht im Innersten, unwissend seiner selbst, noch heute glaubt.

Susanne So glaubst du also an den Ring, heute so wie ehemals? Gesteh's doch ein, Lieber!

Schwartz Ich glaube an den Glauben, den mir der Ring geschenkt hat. Den Glauben an mich selbst. An meine Kraft. An mein Glück. An den Stern, der über meinem Leben strahlt. Den Glauben hat mir der Ring geschenkt. Ich war kleinmütig und bar des Selbstvertrauens. Da kam der Ring und machte mich stark und hieß mich mein Alles dransetzen in den Jahren der Jugend. Und da ich ein Mann geworden und ihn wieder verlor ...

Susanne Du hast ihn zurück! Denk' nicht daran! An das Grauenvolle!

Schwartz Ich hab' ihn zurück. Aber nun hat er mich nicht mehr. Was erlebt einer nicht alles, der mitten im Rausch von Schlacht und Sieg, im Übermut des Glücks sich plötzlich von Angesicht zu Angesicht mit Tod und Teufel findet! Was für finstere, hoffnungslose Nachtgesichte sind das! Und ging's mir nicht so, Susel? Hatt' ich nicht mein Alles an den Ring gesetzt, und da er verloren ging, mußt' ich mich da nicht selbst verloren geben? Er schweigt, atmet tief auf Und fand mich wieder, nachdem ich mich verloren gegeben. Aber als einen andern. Als einen ganz andern.

Susanne angstvoll lauschend Wie das?

Schwartz Mir ist zumute wie einem, der lange auf Krücken gegangen, dann, dieser Krücken beraubt und hilflos hinausgestoßen, zuerst hat verzweifeln wollen, hernach aber doch noch sich auf sich selbst besonnen und seine eigenen Beine hat gebrauchen lernen. Begreifst du das, Susel?

Susanne Ach, Lieber, ich begreife nur, daß du um alles in der Welt an den Ring nicht glauben willst und doch mit jedem Wort seine Kraft bezeugst.

Schwartz Ich glaube an den Ring, so du's willst und verlangst. Aber noch mehr glaub' ich an mich selbst. Denn nun weiß ich ja, daß es nur meine eigene Kraft war, die aus dem Ring gewirkt. Nichts weiter!

Susanne Nun gut! So glaub' auch künftig an nichts als dich und deine eigene Kraft, bis dir vor Stolz schwindelt ... Und geh! Sie wendet sich ab.

Schwartz Susel!

Susanne Laß uns scheiden, wie's dein Wille war, gestern!

Schwartz Gestern! ... Aber was liegt nicht zwischen gestern und heut' ... Susel!

Susanne immer abgewandt Nur diese Nacht! ... Und eine kurze dazu, wie eben Maiennächte sind. Was weiter!

Schwartz starrt sie an Susel! War das Scherz oder Ernst? Spielst du nur oder spielst du nicht? Nenn' mich einen ungelenken Bären, daß ich dir deinen Ring nicht verdankt, wie sich's gebührt. Den Ring, den du vielleicht mit Golde aufgewogen. Schilt mich grob, undankbar. Zürne mir! Und nach einer Weile verzeih! ... Aber spiele nicht mit mir! Und mit dir selbst! Und mit der Nacht, die nun versank! ... Mit dieser einzigen, nie wiederkehrenden Nacht!

Susanne wie vorher Das ist wie mit andern Tagen und Nächten auch. Keine kommt wieder und jede. Wie man's nimmt.

Schwartz Bist du so abgemessen klug, die du eben noch so unermeßlich töricht warst? Aber wahrlich! An dem winzigsten Stückchen dieser Torheit gemessen sind alle Klugheiten der Welt armselige Narretei und Kinderspiel! ... Du hast mich unermeßlich selig gemacht in dieser Nacht. Sprich nicht so maßvoll klug von ihr!

Susanne wie vorher In jeder Nacht werden Menschen geboren. In jeder Nacht sterben Menschen. Durch jede Nacht tönt tausendmal der erste Schrei und tausendmal der letzte. Immer anders und immer der gleiche, ganz wie die Nächte auch. Und so mit der armen Liebe. In jeder dieser Nächte finden sich Menschen und schwören sich Liebe und sagen, daß es für Ewigkeit sei. Und wenn dann der Morgen gekommen, so einer von den immer andern und immer gleichen Morgen, mein Freund, dann reichen sie sich noch einmal die Hände, die sich vor einer Stunde nicht eng genug verschlingen konnten, die armen Toren, und gehen nach zwei Enden der Welt ... für die Ewigkeit!

Schwartz Steht es so mit uns beiden? ... Ich habe nicht gewußt, daß Susanne von Eldringen ihre Liebe wie ihren Handschuh wechselt. Die Susel, die ich kannte, die aus dem Dorf drunten, die barfuß nach Rom gelaufen wäre für ihren Schatz, die war anders.

Susanne wendet sich ihm zu, bleich und gefaßt Nun weißt du's also, wie Susanne von Eldringen es mit den Männern hält. Die Susel aus dem Dorf vergiß. Die ist längst nicht mehr! ... Und geh! Sie streckt ihm die Hand hin, lächelt Für die Ewigkeit! ... Wenn's auch ein bißchen lange ist.

Schwartz ohne ihre Hand zu ergreifen Susanne! Ein letztes Wort! Ich bin kein Leichtfuß und Weiberjäger, gleich so vielen in diesem unbändigen Zeitalter. Ich war's meiner Tage nicht. Und doch! Ich habe manche im Arm gehabt, vor dir und nach dir, wie's der Krieg und das Glück mit sich brachten, und die Luft, die wir alle atmen. Gezählt hab' ich sie nicht. Wer weiß, wo sie modern! Eine jede hat mir ein Stückchen von sich gegeben. Die verworfenste selbst! Und wenn es ein Lachen, ein schnelles Wort, ein lustiger Blick oder nichts als ein blanker Leib oder ein verlogener Kuß. Das dank' ich ihnen. Aber du, Susanne, du hast dich mir ganz gegeben. Damals so wie heute. Aus dir hab' ich Leben, Kraft, Mut, Verjüngung getrunken. Heute wie damals! Wie sollt' ich dir also nicht tausendmal mehr danken als ihnen allen zusammen! Mag's mich auch tausendmal tiefer schmerzen, dich zu missen als sie alle zusammen! ... Und wenn ich heute über mich selbst und mein törichtes Leben und über den Ring dazu sehend geworden bin ... nicht der Gaukler hat mich sehend gemacht. Sein Wort wäre in der Wildnis meiner Seele verhallt, wie Kuckucksruf im Forst. Du, Susanne, du erst hast es mich fühlen, ergründen, verstehen lehren. Nicht durch den Geist. Vielmehr durch die Kraft. Von Kraft zu Kraft !... Und so bleib' ich in deiner Schuld, solang mir die Sterne scheinen! ... Leb' wohl! Er reicht ihr die Hand.

Susanne reicht ihm abgewandt die Hand Es ist gut! ... Geh'!

Schwartz wendet sich schweigend zum Gehen.

Hülff ist geräuschlos von rechts eingetreten, räuspert sich, breitet die Arme aus Der Name des Herrn sei gelobt!

Susanne zuckt zusammen Herrgott im Himmel! Hilf mir!

Hülff mit Verneigung vor Schwartz Ich komme, Euer Gestrengen einen guten Morgen zu wünschen.

Schwartz Habt Dank!

Hülff Euer Gestrengen dürfte auch Ursache dazu haben.

Schwartz sieht ihn befremdet an.

Hülff Euer Gestrengen trägt einen gewissen Ring am Finger.

Schwartz Ich vergaß. Ihr seid ja der Wundermann, der ihn durch geheime Charakteres in seinen Zirkel gebannt.

Hülff Mit Gefahr eignen Leibes und Lebens! So ist es!

Zu Susanne Hat Seine Gestrengen den Ring als echt erkannt oder nicht?

Susanne will antworten, kann nicht.

Schwartz zu Hülff Habt keine Sorge. Es ist der meine. Ihr habt das Eure getan. Ich dank' Euch.

Hülff Ich dank' Euch! Ich dank' Euch! Wie man einem Bettler am Kirchentor einen lumpigen Heller hinschmeißt! Zu Susanne Hat Euer Gnaden vernommen? Seine Gestrengen erkennt den Ring als den seinigen, den er vordem weit in der Welt verlor. Erlaubt Euer Gnaden, daß ich nach unserm Pakt handle?

Susanne Tut, wie Ihr müßt!

Hülff immer in etwas geduckter Haltung Somit ersuche ich ganz gehorsamst und mit geziemender Politesse, Eure Gestrengen, der Herr Kaiserliche General, möge binnen jetzt und Abend unsere Burg und Herrschaft Eldringen von Dero Anwesenheit befreien.

Schwartz macht eine Bewegung, als wolle er sich auf Hülff stürzen Mensch! ... Jammerpuppe! Hütet Euch, daß ich nicht zuvor die Welt von Euch befreie!

Hülff ist hinter den Tisch rechts retiriert Fluch Euch, wo Ihr Euch an einem Diener Gottes vergreift! Ich appelliere an den Heiligen Vater, so mir nur ein Haar auf dem Kopf gekrümmt wird!

Schwartz hat sich bezwungen, ist stehen geblieben Appelliert lieber an die ewige Vorsehung, daß sie ihre Stümperei revidiere und erst einen Menschen aus Euch mache! ... Geschah das Wort mit deinem Willen, Susanne?

Hülff Bestätigt mir, Euer Gnaden, daß ich Vollmacht habe, an Eurer Statt hier zu befehlen. Oder Gott verdamm' mich, wenn ich nicht die sieben Erzteufel gegen Euch heraufrufe!

Susanne nickt leise Es ist, wie er sagt.

Schwartz Also der ist der Erwählte? Dazu wünsch' ich dir Glück, Susel! ... Nur noch eins, ehe ich scheide! ... Dieser, Ring hier ... Du gabst ihn mir. Ich nahm ihn als Pfand deiner Liebe. Als Erinnerung an den Mann da brauch' ich ihn nicht. Und seiner Geister bedarf ich nicht mehr. Ich gedenke fortan meinen Weg aus eigener Kraft zu gehen. Er hat den Ring vom Finger gezogen, legt ihn auf den Tisch, verneigt sich noch einmal kurz und geht nach rechts hinaus, ab.

Susanne Henning Schwartz! ... Sie schlägt die Hände vors Gesicht Verloren! Er wie ich! Sie bricht zusammen.

Vorhang.


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