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Erster Akt

Großer Gartensaal in Wiegands Landhaus.

Türen führen rechts und links zu den anderen Wohnräumen des Hauses. Rechts in der Mitte ist der Eingang zur Bücherei, der durch eine schwere Portiere verhängt ist. In der Mitte des Gartensaals steht ein langer, grün bezogener Eichentisch mit Papieren, Schriften, Broschüren, Zeitungen, Büchern aller Art bedeckt. Rechts vorne Korbsofa mit Sesseln und Tischchen. Andere Gartensessel, Stühle und kleine Tische sind rings im Saal verteilt. An der linken Wand vorne ein Apollo, hinten eine Venus in guten Nachbildungen, in der Mitte ein sitzender Buddha. Davor eine Art von Rednertribüne, zu der ein paar Stufen hinaufführen. Die Wände sind mit Bildern, Radierungen, Stichen bedeckt. Auf den Tischchen stehen Blumenvasen mit Feuerlilien, langgestielten Rosen, Päonien und anderen Blumen. In der gläsernen Rückwand des Saales sind die breiten Schiebetüren zur Gartenveranda weit zurückgeschoben. Eine Freitreppe führt von der Veranda in den Garten hinunter. Veranda und Treppenstufen sind mit Oleandern, Magnolien, Palmen und Blumen aller Art geschmückt.

Der Garten stößt rechts hinten an einen See, dessen blaugrüne Wasserfläche in duftiger Ferne von hoch ansteigenden Bergzügen begrenzt wird. Links hinten schließen sich reiche Obst- und Rebenhügel an den Blumengarten. Am Horizont auch hier wieder Wälder und Bergkuppen. Es ist ein strahlender Junitag. Garten und See glänzen in heiterstem Licht.

Hedwig Bauer, vierundzwanzigjähriges Mädchen mit feinen durchgeistigten Zügen, steht hinten im Saal vor einer Staffelei, auf die vom Garten her volles Licht fällt.

Dorothee Wiegand, Dreißigerin, auffallend hübsche Frau von südländischem Typus, sitzt im duftigen Sommerkleid, das dunkle Haar mit roten Rosen bekränzt, den Schäferhut vor sich auf den Knien, in einem Korbsessel nahe der Veranda.

Hedwig malt eifrig an Dorothees Bild, wirft ab und zu der Sitzenden einen musternden Blick zu.

Dorothee sieht lächelnd vor sich hin. So vergehen ein paar Augenblicke, dann hört man das dreimalige Läuten einer Schiffsglocke, gleich darauf einen prustenden Pfiff, der weit über den See hallt.

Dorothee Da fährt der Dampfer ab! Sie müssen bald hier sein.

Hedwig malend Ja, jetzt fährt er ab ... von der Insel der Seligen.

Dorothee seufzt halb komisch auf Du großer Gott! Wer wohl auf das Gemäre zuerst verfallen ist!

Hedwig Der auf das alles hier verfallen ist. Sie zeigt mit dem Pinsel in der Runde Dein Mann doch! Wer sonst?

Dorothee Ja, dem hat der Herrgott eine hübsche Portion Verrücktheit mitgegeben!

Hedwig Bitte, den Kopf etwas nach links! So! Gut!

Dorothee Übrigens sind mir vernünftige Männer ein Greuel. Männer müssen übergeschnappt sein. Ein Mann ohne einen richtigen Sparren kommt mir vor wie eine Bowle ohne Sekt.

Hedwig Den Kopf etwas höher, bitte! Und mehr zu mir herüber!

Dorothee Wo Bruno nur bleibt? Sie müßten doch schon hier sein. Es ist ja nur fünf Minuten zum Landeplatz.

Hedwig Daß der Dampfer überhaupt hier anlegt!

Dorothee Paßt dir das nicht?

Hedwig Denk' doch mal, eine Insel der Seligen mit Dampferverbindung!

Dorothee Soll man vielleicht in der ewigen Seligkeit hier verschimmeln? Von mir aus könnt's lieber heut' als morgen zur Abfahrt bimmeln! Mit Packen würd' ich mich nicht lang' aufhalten.

Hedwig läßt den Pinsel sinken Eine Insel der Seligen... eine wirkliche Insel der Seligen... Ganz, ganz anders müßte die sein! Ist denn einer hier, der nicht am Leben leidet? Wie nennt das dein Mann? Die Erdenschwere!

Dorothee Wir sind doch nun mal auf der Erde. Ich hab' noch kein Bedürfnis, ihr enthoben zu sein.

Hedwig Wenn wir wirklich so eine bessere, so eine höhere Gemeinschaft wären, dann müßten wir ganz andere Menschen sein. Ganz heiter! Ganz wunschlos! Ganz Geist!... Männer und Frauen müßten natürlich nackt gehen. Sie fängt wieder an zu malen.

Dorothee Einen schönen Kuddelmuddel könnte das geben!

Hedwig Nacktheit adelt.

Dorothee Du, Hedwig, komm' mal her! Schnell! Schnell!

Sie schaut nach links in den Garten hinüber.

Hedwig nähertretend Also...?

Dorothee feierlich Dort hinten auf dem Gemeindeacker steht Finsterlin, der Buddhist, in grüner Badehose und gräbt an seinem Kohlrabibeet! Ist deine Sehnsucht nun erfüllt?

Hedwig So ein Poseur!

Dorothee Nacktheit adelt doch?

Hedwig Aber nicht solche Scharlatane! Sie geht zur Staffelei zurück.

Dorothee Das sind doch Schritte im Garten?

Hedwig sieht hinaus Ja, sie kommen. Dein Freund ist auch dabei.

Dorothee Die Hauptsache, er ist Brunos Freund. Bruno braucht eine Aussprache. Er ist in einer bedenklichen Krisis.

Aus dem Garten her sind inzwischen Bruno Wiegand und Baron Marenholdt, weiter zurück Afra, die des letzteren Gepäck trägt, herangekommen, steigen die Gartentreppe herauf. Wiegand ist ein großer, breitschultriger Mann von vierzig Jahren, mit schweren und doch geschmeidigen, fast hastigen Bewegungen, starkem Haarwuchs und kurz geschnittenem Vollbart, sommerlich leicht, aber nicht ohne Sorgfalt gekleidet. Baron Marenholdt, schlanker vornübergebeugter Vierziger mit scharf ausgeprägtem, etwas verwittertem Charakterkopf, in nachlässig eleganter Haltung und Kleidung.

Wiegand der Marenholdt ungeduldig um ein paar Schritte voraus ist, von der Treppe aus Also, Weib, da haben wir ihn endlich wieder! Lang, lang hat es gedauert! Er springt mit ein paar Sätzen die Treppe herauf und tritt über die Veranda in den Saal.

Marenholdt ihm langsamer folgend Rote Rosen im braunen Haar! Den Kranz ewiger Jugend um die Stirne! So hab' ich mir unser Wiedersehen vorgestellt.

Dorothee ist aufgestanden, steht in der Verandatür Komm' nur erst näher! Die Enttäuschung dann!

Marenholdt oben auf der Treppe Du wirst nie enttäuschen, liebe Freundin.

Dorothee Weil man nichts von mir erwartet, meinst du?

Marenholdt tritt auf sie zu Nein, weil du nie etwas versprechen wirst, was du nicht halten kannst ... Und damit guten Tag, Dorothee! Er küßt ihr die Hand.

Dorothee Guten Tag, Hubert! Wir freuen uns sehr, daß du gekommen bist.

Marenholdt Sagt mal im Ernst, in was für einem Zauberlande lebt ihr hier eigentlich? Über Dorothee wundere ich mich ja nicht. Ich habe dir ja immer ewige Jugend prophezeit. Aber auch Bruno ... Wenn ich da mich ansehe!

Wiegand ist währenddes zu Hedwig getreten, die ruhig weiterarbeitet, wendet sich jetzt zurück Weißt du, wem wir das verdanken?

Marenholdt Na?

Wiegand Unserer Insel der Seligen!

Marenholdt Da hätt' ich allerdings früher kommen sollen!

Dorothee Eingeladen haben wir dich ja oft genug.

Marenholdt lächelt Zum Weltverbessern gehört nun mal Zeit. Ich hatte genug zu tun, meine Güter zu verbessern.

Wiegand Oh, wir wollen hier auch nicht die Welt verbessern, alter Freund! Wir wollen nur uns selbst besser und glücklicher machen.

Marenholdt Und dadurch doch wieder auf die Welt wirken, also sie verbessern? Oder nicht?

Wiegand Gewiß! Insofern ja! Wir sind Propagandisten der Tat. Wir wollen ein Beispiel geben.

Marenholdt Na, und die Resultate?

Dorothee Ach, du gerechter Strohsack!

Afra die inzwischen mit Marenholdts Gepäck dabeigestanden hat Bleiben die Sachen hier unten? Oder was ist?

Dorothee unwillig Abwarten, naseweises Gör! Zu Marenholdt Ich wollte dich fragen ...

Marenholdt Pardon! Ich möchte mich nur vorstellen. Zu Hedwig Entschuldigen Sie, gnädiges Fräulein ...

Hedwig malend, über die Schulter weg Wir sind hier nicht so förmlich, wir Zukunftsmenschen.

Wiegand schlägt sich vor den Kopf Wahrhaftig vergessen! ... Vorstellend Mein alter Freund Marenholdt, meine Base Hedwig Bauer.

Hedwig mit flüchtiger Kopfneigung Malweib, wie man sieht.

Marenholdt zu Dorothee Du wolltest etwas fragen?

Wiegand zu Dorothee Was steht denn die Afra noch da?

Afra schnippisch Ich kann nichts dafür! Ich hab' gefragt!

Dorothee Halt' den Mund Zu Marenholdt Was ziehst du vor? Aussicht nach dem See oder nach dem Garten?

Marenholdt Ganz wie du befiehlst.

Dorothee zu Afra Also nach dem roten Zimmer mit dem Gepäck! Marsch!

Afra brummig links vorn ab.

Wiegand Weshalb hast du eigentlich das Mädchen angeschnauzt?

Dorothee Weil du sie systematisch verdirbst wie alle meine Mädchen!

Wiegand Ich bringe sie nur zum Bewußtsein ihrer Menschenwürde.

Dorothee Damit wirst du bei dem fünfzehnjährigen Ding weit kommen.

Wiegand Laß doch das ewige Widersprechen!

Dorothee Hab' ich etwa keine Menschenwürde?

Marenholdt belustigt Die Redeschlachten im Hause Wiegand wüten ja nach wie vor.

Dorothee Ja, wir kabbeln uns bald Tag und Nacht. Nächstens lassen wir uns scheiden.

Wiegand Wenn ich wieder auf die Welt komme, werd' ich Bierbrauer oder so was. Vielleicht pass' ich dir dann besser.

Dorothee Ich werde Konsistorialrat! Oder ich geh' zum Varieté! Jedenfalls werd' ich nicht deine Frau!

Marenholdt Ihr seid ja hier ganz rabiate Seelenwanderer!

Dorothee Oh, du ahnst gar nicht, was wir alles sind, Buddhisten, Kommunisten, Mystizisten, Alchimisten ...

Wiegand Alchimisten ...? Seit wann?

Dorothee Na, dann werden wir's noch!

Wiegand Jetzt aber Schluß mit dem Geschnatter!

Dorothee Der eine schnattert! Der andere reitet Prinzipien!

Wiegand Nur mit dem Unterschied, daß die Welt solche Prinzipienreiter braucht. Mit den brutalen Tatsachenmenschen säßen wir heute noch im Pfahlbau.

Marenholdt Ob sich der Satz nicht auch umgekehrt formulieren ließe?

Wiegand Niemals!

Marenholdt Wenn's euch recht ist, möcht' ich mich ein bißchen renovieren nach der langen Fahrt.

Wiegand Immer mir nach! Er geht gegen die Tür links vorn.

Marenholdt folgt ihm, bleibt vor den Standbildern links stehen Buddha! Hm! ... Und zwischen dem Bogenspanner und der Schaumgebornen ... Das hat natürlich symbolische Bedeutung?

Wiegand Ja, das ist nämlich hier unser Sitzungssaal. Er sieht Marenholdt an Du lächelst?

Marenholdt Ich denk' mir das etwas ... etwas unbequem, so sein Haus zu einem Taubenschlag für Zukunftsmenschen zu machen.

Wiegand muß lachen Es handelt sich ja nur um diesen einen Raum ...

Dorothee Und die Bibliothek nebenan!

Wiegand Na ja, die auch.

Dorothee Und der Leuchtturm am See, wo Rehbein und Medardus Neumann hausen!

Wiegand Der würde ja doch leer stehen.

Dorothee Und der Garten, wo man nicht einen Augenblick allein sein kann ...

Wiegand Kleine Unbequemlichkeiten!

Marenholdt Das kann ich mir denken.

Dorothee Und dann der Schrecken der Schrecken! Der Gemeindeacker!

Marenholdt Der Gemeindeacker?

Dorothee Ja, wo sie pflügen und graben und in der Erde rumwühlen! Jeder hat da sein Stück Land.

Wiegand zu Marenholdt Du weißt, das ist die Grundlage meines Systems. Die innige Berührung mit der Natur, mit dem Boden! Darauf beruht unsere ganze Gemeinschaft hier. Bebaue deinen Acker! Darauf kommt es an! Bebaue deinen Acker!

Dorothee Ja, aber womit? Es wächst ja nichts bei euch! Nicht mal 'n ordentlicher Kohlkopf oder 'ne Sellerie! Geht mir doch ab! Dubsky hat sein ganzes Beet von vorn bis hinten mit Disteln besät.

Wiegand Man darf säen, was man will.

Marenholdt Nur daß Disteln sich sehr schnell ausbreiten!

Wiegand Das darf natürlich nicht sein! Freiheit nur, soweit sie die Freiheit des Nächsten nicht beeinträchtigt. Aber Dorothee übertreibt ja auch. Der Acker gedeiht ganz gut.

Dorothee Auch sonst muß man einen großen Bogen machen. Vorher stand Finsterlin in grüner Badehose an seinem Kohlrabibeet und fuchtelte mit dem Spaten in der Luft herum.

Wiegand Er nahm eben ein Luftbad.

Dorothee Unsinn! Zeigen wollte er sich! Eindruck wollte er machen! Hedwig war auch ganz weg!

Hedwig die inzwischen an ihrem Bild gearbeitet hat Dorothee! Ich muß dich wirklich bitten ...

Dorothee Na, na, beiß' mich nur nicht!

Marenholdt Ich kann mir aber doch denken, daß das alles zusammen ziemlich unbequem ... ziemlich störend sein kann. Besonders für die Dame des Hauses.

Dorothee Er hat ja so eine Dumme gefunden, die's aushält!

Wiegand Verlästere doch nicht dein eigenes Leben! Schließlich hast du's doch drei Jahre gelebt.

Dorothee Aber wie!

Wiegand Umsonst ist der Tod, und Opfer fordert jede große Sache.

Marenholdt Sonst wäre wohl auch kein Verdienst dabei. Möchtest du mir jetzt vielleicht den Weg zeigen?

Wiegand Gern! Wegweisen ist ja mein Beruf. Also komm'! Er führt ihn links vorn hinaus, ab.

Dorothee zu Hedwig So! Jetzt können wir weiterarbeiten. Sie setzt sich in den Korbsessel, nimmt ihre vorige Stellung ein Wie gefiel er dir denn?

Hedwig Ich habe nun mal eine angeborene Abneigung gegen alles, was von heißt.

Dorothee Er hat sich doch nicht selbst gemacht! ... Trottel!

Hedwig Ich kann's nicht leiden, wenn jemand so erhaben auf unsere Gemeinschaft herabschaut!

Dorothee Hat er vielleicht nicht recht?

Hedwig Das sollte dein Mann hören!

Dorothee Bruno fühlt das selbst am allertiefsten. Er ist bloß zu stolz, um sich's einzugestehen.

Hedwig Also ringsum Lug und Trug! Weshalb geht man dann nicht seiner Wege!

Dorothee Bruno zwingt sich zu etwas, was er innerlich nicht mehr glaubt. Deshalb hab' ich Marenholdt gebeten, herzukommen.

Hedwig Du hast Marenholdt gebeten ...? Also daher der Besuch?

Dorothee Bruno wirft seine besten Jahre und seine schönste Kraft weg. Das muß ein Ende haben, so oder so! Sonst geh' ich!

Dubsky streckt den Kopf rechts hinter der Portiere der Bücherei hervor Guten Morgen, meine Damen!

Dorothee Wer ist denn da?

Hedwig Dubsky.

Dorothee über die Schulter nach rückwärts Immer herein in den Taubenschlag! Zu Hedwig Malst du nicht mehr?

Hedwig schiebt die Staffelei nach hinten Nein! Es ist ja alles Dreck! Sie packt ihr Malzeug zusammen.

Dubsky hat sich von der Portiere losgelöst, kommt näher Von Dreck bist du! Zu Drecke sollst du wieder werden! Und das ist gut. Denn wo sollte all der neue Dreck herkommen, den die Welt braucht, wenn der alte abgenutzte Dreck nicht immer wieder auf den Dunghaufen müßte! Es gäbe ja längst keine sogenannten Menschen mehr.

Dorothee Dubskys Morgenpredigt!

Dubsky Die Schöpfung macht es wie eine vernünftige Badedirektion. Die gebrauchten Moorbäder werden in den Sumpf zurückgekarrt, sozusagen zur Masse geschlagen. Nach fünfzig Jahren sind sie vollständig wie neu. Die zimperlichste Jungfer kann sich hineinlegen. Er tritt zur Staffelei, die von Hedwig gegen die Wand gekehrt ist Darf man das Bild nicht sehen? Er will das Bild umwenden.

Hedwig dazwischentretend Ich verbitte mir das! Verstanden?

Dubsky zähnefletschend Du hassest mich, Hedwig! Hab' ich dich durch das Wort Jungfer beleidigt? Sei nicht böse! Es bezog sich ja nicht auf dich.

Hedwig Unverschämtheit! Sie nimmt ihren Malkasten, geht ohne sich umzusehen durch die Tür links hinten ab.

Dubsky ihr nachsehend Diese Herbheit! Diese Sprödigkeit! Ah! Er schnalzt mit der Zunge, tritt dann zu Dorothee, betrachtet sie Du siehst entzückend aus mit den Rosen im Haar, Dorothee!

Dorothee nimmt den Kranz ab Geh' nur ab! Fang' nicht mit mir an! Du kannst einen Menschen bis aufs Blut reizen!

Dubsky feixt Ich bringe eben Leben in die Bude! Ich bin der Sauerteig in eurem Glückseligkeitsstrudel! ... Brunos Verdienst in allen Ehren! Er hat die Sache hier begründet. Das ist ja auch keine Kunst. Auf diesen Kohlrabi- und Roterüben-Kommunismus würd' ich mir wirklich nichts einbilden. Aber da die Geschichte einmal gemacht ist, so bin ich es, der sie in Gang hält. Ohne mich liefe die Karre keine acht Tage weiter.

Dorothee Versuch' es doch mal! Reise ab!

Dubsky mit pathetischer Geste Warum liebst du mich nicht, Dorothee?

Dorothee Weil ich dich nicht ernst nehmen kann.

Dubsky Natürlich! Wenn ihr nicht gleich den Blutgeruch wittert ...

Dorothee Du bist einfach nicht mein Geschmack.

Dubsky So schaff' dir doch einen bessern Geschmack an!

Dorothee Außerdem stellt man der Frau seines Freundes nicht nach. Das ist gemein!

Dubsky zähnefletschend Gemein ist es nur, wenn man damit abfällt. Gibt es denn eine günstigere Gelegenheit? Wozu hat denn dein Mann diese Gemeinschaft freier und erleuchteter Geister gegründet? Wir wollen hier doch keine Maskerade aufführen. Was nützt es, daß wir mit Hacke und Spaten hantieren ...

Dorothee Auf deinem Distelbeet!

Dubsky Daß wir uns physisch auf die Natur zurückziehen, wenn wir's nicht geistig und moralisch tun! Und die Natur ist polygamisch. Polygamisch bis auf die Knochen!

Dorothee Meine Natur ist leider monogamisch bis auf die Knochen. Ich wünschte, es wäre anders!

Dubsky Wenn wir auf der Insel der Seligen noch nicht soweit sind, dann pfeif ich auf die ganze Seligkeit!

Wiegand erscheint wieder von links vornher Ah, da ist ja auch Dubsky!

Dubsky zähnefletschend Ja, ich habe eben Dorothee ins Gewissen geredet.

Dorothee steht auf, geht auf Wiegand zu Dubsky findet mich altmodisch.

Wiegand zu Dubsky Du hattest wohl wieder deine bekannte Walze aufgezogen?

Dubsky mit hochgezogenen Brauen Auf dieser Walze spielt sich das Leitmotiv der Schöpfung ab. Er feixt. Übrigens ist Dorothee unzugänglich. Sonst hätte es den vereinten Bemühungen deiner Freunde schon längst gelingen müssen ...

Wiegand lachend Bemüht euch nur weiter, mein bester Dubsky!

Dubsky pädagogisch Eine Frau ist jung, solange ihr Besitz noch irgendeinem Manne begehrenswert erscheint. Es ist also eine einfache Artigkeits- und Anstandspflicht, einer Dame Anträge zu machen.

Dorothee Für den Anstand bedank' ich mich! Aus Artigkeitsrücksichten lasse ich mich nicht verführen.

Wiegand zu Dubsky Auf wann war doch die Sitzung heute nachmittag angesagt?

Dorothee Ich glaube auf vier Uhr.

Wiegand Dubsky ins Auge fassend Hast du irgend etwas von ... gewissen Plänen gehört?

Dubsky eilfertig Mir ist nichts davon bekannt.

Wiegand Du läßt mich nicht ausreden, lieber Dubsky. Ich meine Pläne, die unsere Zukunft betreffen, die Zukunft unserer Gemeinschaft, unsere Ausgestaltung hier. Es soll nämlich derartiges bei uns umgehen?

Dubsky Ich bin jedenfalls nicht mit im Spiel.

Wiegand So? Also nicht! Hm! ...

Dubsky Du weißt, daß ich deine Autorität hier immer rückhaltslos anerkannt habe.

Wiegand O bitte! Ich verlange nur offene Karten. Weiter nichts.

Dubsky Die Insel der Seligen ist dein Werk. Du hast sie in die Welt gesetzt. Dir gehört das Verdienst. Ich werde der letzte sein, der deine Kreise stört.

Dorothee mit einem Ausbruch halb komischer Empörung auf Dubsky zu Du bist doch wirklich ein ganz abgefeimter ...

Dubsky feixend Schurke ... Halunke ... Gauner ... Bitte zur Auswahl!

Dorothee Alles zusammen reicht noch nicht aus!

Wiegand Aber Dorothee!

Jürgen vierzehnjähriger Junge, kommt schnell von rechts her durch den Garten gelaufen Mutter! Mutter! Ist der Vater da?

Dorothee Hier hängt er! ... Wo brennt's denn?

Wiegand Ja, etwas in Ruhe abmachen gibt's nicht!

Dorothee kriegerisch Er ist eben der Sohn seines Vaters.

Wiegand Bumms! Hat man sein Teil weg! Der Junge ist tabu wie ein Negerfetisch!

Dorothee zu Jürgen Den ganzen Vormittag sieht man dich nicht! Wo hast du dich wieder herumgetrieben?

Wiegand Ja, wo hast du dich wieder herumgetrieben? Ich werde dir nächstens die Geige wegnehmen. Du lernst ja doch nichts.

Dorothee zu Wiegand Da bin ich auch noch da! Zu Jürgen Der Vater hat recht! Du taugst auch wirklich nichts!

Jürgen der inzwischen in den Saal gekommen ist und unbehaglich zugehört hat Bitte sehr! Ich hab' zwei Stunden im Wald gesessen und geübt. Nachher hat der Himmel so heruntergelacht und so ein schöner Bergwind ist gegangen, da bin ich in den Kahn gesprungen und hab' Segel aufgesetzt ...

Dorothee aufgebracht Diese verdammte Seglerei und Kahnfahrerei! Wie oft hab' ich dir das verboten!

Wiegand So etwas läßt sich ein Junge nicht verbieten. Ein Junge, der ein Mann werden will.

Dorothee Bravo! Steh' ihm nur bei!

Wiegand Wir tun ja alle nichts anderes, segeln ins Unbekannte.

Jürgen Ins Unbekannte segeln! Fein! Sowas hab' ich mir auch gedacht, wie ich über den See geflitzt bin im hellen Sonnenschein, unser Haus ist immer kleiner geworden und unsere Insel immer tiefer untergetaucht ... Da nach Westen, da ist der See ja ganz unabsehbar, da kann man fahren und fahren!

Dorothee So ein Hundejunge! Na warte!

Jürgen Nachher ist auch der Dampfer gekommen, mit dem du den Onkel Marenholdt erwartet hast.

Dubsky zu Wiegand Ist denn euer edler Baron eigentlich angelangt?

Wiegand Ja, er zieht sich oben um.

Dubsky Die Insel der Seligen hat Glück.

Wiegand Wieso?

Dubsky Der Intimus des regierenden Fürsten von Teklenburg steigt zu den Petroleusen herab! Der Grandseigneur fraternisiert mit Anarchisten und Demokraten!

Wiegand Marenholdt war immer ein freier Geist. Sonst hätte er wohl mit einem ausgewiesenen und vorbestraften Revolutionär nicht so gute Freundschaft gehalten.

Dubsky Vorbestraft und ausgewiesen sind wir hier wohl so ziemlich alle.

Wiegand Eben deshalb! Mir scheint, das spricht für Marenholdt.

Dubsky reibt sich die Hände Ich suche schon lange nach einem neuen Stoff für meine Flugblätter zur Zeitgeschichte. Meine Leser draußen werden schon ungeduldig. Wo bleibt denn Herostrat? heißt es.

Wiegand Ich stelle also Herrn Herostrat den Fall Wiegand-Marenholdt zur Verfügung.

Dubsky mit Brustton Du weißt sehr gut, lieber Bruno, daß mir der Begründer der Insel der Seligen viel zu hoch für so etwas steht.

Wiegand Bitte, ich verlange keine Schonung. Habe nie dergleichen verlangt. Schlimmstenfalls werd' ich mich zu wehren wissen. Er wendet sich zu Jürgen Du riefst doch vorhin nach mir?

Jürgen Ach ja! Onkel Marquardt will dich sprechen.

Wiegand Wo ist denn Marquardt?

Jürgen Beim Bau natürlich! Beim neuen Sonnentempel! Wird der aber kurios!

Wiegand zu Dubsky Gehst du mit?

Dubsky Wenn du erlaubst. So oft ich das Monstrum sehe, schießen mir die Tränen in die Augen. Die Dummheit der andern ist schließlich noch das einzige, was man vom Leben hat. Beide gehen die Treppe hinunter, verschwinden nach rechts im Garten.

Jürgen sieht ihnen nach Ich hab' noch was im Kahn vergessen. Das muß ich holen.

Dorothee Du willst doch bloß hinterher. Was hast du denn vergessen?

Jürgen Mein Notizbuch! Im Kahn liegt's!

Dorothee fährt mit einem schnellen Griff in seine Tasche und holt ein Buch heraus Faule Ausrede! Da steckt's ja!

Jürgen Das ist doch wirklich stark! Einem in die Tasche zu fassen!

Dorothee durchblättert das Buch flüchtig und findet eine eingeschlagene Photographie Was ist das?

Jürgen Gib das Bild her!

Dorothee Jetzt gerade nicht! Sie zieht das Bild aus dem Umschlag Das ist ja der Vater! Das Bild betrachtend Werd' nur so wie der! Dann geht's schon! Sie gibt ihm Buch und Bild zurück.

Jürgen Du bist doch eigentlich ganz vernünftig.

Dorothee Wirklich? Sehr liebenswürdig!

Jürgen stockend Ich wollt' dich schon lang was fragen, Mutter.

Dorothee Losgeschossen!

Jürgen Weshalb heißen wir eigentlich die Insel der Seligen, Mutter?

Dorothee auflachend Das möcht' ich auch wissen!

Jürgen Die Seligen, das sind doch eigentlich die Götter auf dem Olymp oder so was?

Dorothee Siehst du, die Menschen möchten eben Götter werden. Statt froh zu sein, daß sie Menschen sind, möchten sie am liebsten in den Himmel fliegen. Das geht aber nicht. Und wenn sie dann herunterpurzeln, dann kommen sie hierher, setzen sich zusammen, reden und tun und schimpfen und machen sich die Hölle heiß und möchten gleich aus der Haut fahren ... Na, und das heißt dann die Insel der Seligen! Das ist doch ganz einfach!

Jürgen Ich weiß, wenn ich groß bin, ich setz' mich nicht auf so eine Insel! Ich geh' in die Welt hinaus! Es gibt so ein Märchen von tausend Meilen hinter Weihnachten. Es ist ja natürlich nur ein Märchen. Aber da möchte man wohl hin.

Dorothee Viel Glück auf die Reise!

Jürgen Daß Vater jetzt hier so festsitzt! Ich erinnere mich, wie ich klein war, sind wir immer von einer Stadt zur andern gezogen. Fein war das!

Dorothee trocken Sehr fein! Ja! Wo wir hinkamen, wurden wir ausgewiesen. Sie dachten, wir werfen gleich Bomben.

Jürgen Ihr seid doch auch mal in Persien gewesen?

Dorothee Das war vor deiner Geburt. Da war dein Vater noch bei der Mission.

Jürgen Daß Vater auch mal Pastor gewesen ist, kann man sich gar nicht vorstellen.

Dorothee Und ich Frau Pfarrer! ... Ja, was dein Vater nicht alles gewesen ist! Sogar Prinzenerzieher!

Jürgen Toll!

Marenholdt tritt von links her wieder ein, er ist gewählt gekleidet, reibt sich behaglich die Hände So! Das wäre in Ordnung! Er bemerkt Jürgen Ah! da ist ja auch Jürgen! ... Teufel! Bist du groß geworden! Er geht auf ihn zu, reicht ihm die Hand.

Jürgen Ich kann mich noch ganz genau besinnen, wie der Onkel Marenholdt uns das letztemal besucht hat.

Marenholdt Vor sechs Jahren. Ja.

Dorothee Ehe Bruno die Erbschaft machte. Das war unsere schlimmste Zeit.

Jürgen Wir haben Onkel Marenholdt noch zur Bahn gebracht. Grüß' die Heimat! sagte der Vater noch.

Dorothee Ja, damals durfte man nicht zurück, und heut', wo man's könnte, heut' will man nicht. Eine verrückte Welt!

Marenholdt Man wird schon wieder wollen. Es muß nur einer kommen, der die Fäden herüber hinüber spinnt

Dorothee zu Jürgen Geh' doch mal und bestell' was zum Frühstück.

Marenholdt Danke! Ich frühstücke nie.

Dorothee Aber ein Glas Wein! Zu Jürgen Du weißt ja Bescheid im Keller.

Jürgen Na und ob! Er geht links hinten ab.

Marenholdt sieht ihm nach Wie das heranwächst! Wie das heranwächst, Dorothee! Jeder trägt ja seine Lebensuhr in sich selbst. Sonst könnte man an denen da Stunde und Minute ablesen.

Dorothee Ich mag gar nicht zurückdenken. Es scheint alles wie gestern. Plötzlich ist es zehn, fünfzehn Jahre her. Mir schwindelt's manchmal!

Marenholdt Ja, wir sitzen im Expreßzug und rasen dahin. Am besten, man macht die Augen zu und denkt an was Stilles, Angenehmes. Bei mir ist jetzt das schöne Stadium angebrochen, wo alles mindestens fünfundzwanzig, bald dreißig Jahre her ist.

Dorothee lächelnd Du hast eben früh angefangen.

Marenholdt nachdenklich Wir beide kennen uns doch auch schon ... über fünfzehn Jahre wird es sein. Bruno lud mich ein. Ich glaube, es war dein Geburtstag. Man mußte hübsch Treppen steigen ...

Dorothee Ich dachte mir, wen schleppt denn Bruno da mit! Es sollte doch so geheim bleiben. Ein Prinzenerzieher und zukünftiger Pastor, der eine Liebste hat ... Ich bitte dich!

Marenholdt Später ist es ja doch herausgekommen.

Dorothee Weißt du noch, wie du uns zuerst die Nachricht brachtest, Bruno wird nach Armenien geschickt?

Marenholdt Ich habe Bruno verschiedene wichtige Nachrichten gebracht.

Dorothee Ja, durch dich kam er ja auch an den Hof. Der alte Fürst hätte doch sonst nie daran gedacht.

Marenholdt Vielleicht kann ich Bruno wieder so eine wichtige Nachricht bringen.

Dorothee sieht ihn erstaunt an Wie meinst du das?

Marenholdt Du schriebst mir doch, ich möchte euch besuchen. Es schien mir dringend.

Dorothee Weil Bruno mir nicht gefällt! Weil er mit sich uneins ist! Weil das Leben hier nicht so weitergehen kann! Kurz ... du weißt, ich bin keine große Briefschreiberin. Einen andern hatte ich nicht, da wandte ich mich an dich.

Marenholdt Du siehst, ich bin da, und vielleicht, wie gesagt, nicht mit leeren Händen.

Dorothee Still! Er kommt! ... Kannst du mir's nicht schnell noch sagen?

Marenholdt Du wirst es schon erfahren.

Dorothee Eine wichtige Nachricht?

Marenholdt lächelnd O Neugierde! ... Nimm an, ich bin auf die Welt gekommen, um Bruno wichtige Nachrichten zu bringen. Das ist ein Beruf wie andre.

Wiegand ist die Gartentreppe heraufgekommen, tritt in den Saal, zu Marenholdt Nun? Wie gefällt dir dein Zimmer? Bist du zufrieden?

Marenholdt Oh! Wunderschön! Der Blick nach dem See und den Bergen ist prima. Da begreif ich, daß ihr euch wie im Märchen vorkommt und nicht fort wollt.

Jürgen erscheint links hinten mit einer Weinflasche und Gläsern auf einem Tablett In der Küche zanken sie sich wie verrückt! 's Bärbeli hat dem Aferl eine runtergehauen, Aferl hat den Feuerhaken genommen ...

Dorothee So eine Bande! Na warte! Sie nimmt Jürgen das Tablett ab Weshalb bringt Bärbeli das nicht? Sie trägt das Tablett zu einem Tischchen rechts vorn.

Jürgen nahe der Tür Weil sie keine Zeit hat! Weil sie sich durchhauen müssen! Man hört durch die halb offene Tür fernes Gekeif.

Marenholdt Viel Temperament!

Dorothee Das gibt's bei uns alle Tage. Keilerei und Tanzvergnügen! Natürlich! Man muß ja die Mädchen zum Bewußtsein ihrer Menschenwürde bringen!

Wiegand Das verstehst du nicht. Das sind eben noch die Eierschalen der früheren Sklaverei.

Dorothee Ich werde ihnen die Eierschalen schon abklopfen! Sie läuft zur Tür links, von wo jetzt das Gekeife lauter ertönt.

Wiegand Himmeldonnerwetter! Maul halten! laß ich sagen, sonst komm' ich und bring' sie zur Räson!

Dorothee Nötig tät's! Sie läuft hinaus.

Jürgen Jetzt steigt Mutter ihnen auf den Kopf! Das muß ich mit ansehen! Er läuft hinterher, die Tür wird geschlossen, das Gekeife hört bald auf.

Wiegand mit heftigen Schritten auf und ab Menschenpack! ... Wann wird das mal erzogen werden!

Marenholdt Meinst du, daß es sich überhaupt lohnt?

Wiegand Man kann sie doch nicht so lassen. Man muß sie doch mal herausholen. Schon im eigenen Interesse! Der Übergang ist ja nicht grade erfreulich.

Marenholdt Und dauert auch ein bißchen lange.

Wiegand Die Entwicklung vom Höhlenmenschen bis heute hat noch länger gedauert. Er tritt zum Tisch, schenkt die Gläser voll.

Marenholdt Dann find' ich, sollten wir uns erst recht nicht übereilen. Dann hat es ja Zeit.

Wiegand Rauchst du?

Marenholdt Eine Zigarette, wenn du erlaubst. Er nimmt eine Zigarette, zündet sie an.

Wiegand erhebt sein Glas Trinken wir, alter Freund! Trinken wir!

Marenholdt Also auf den Fortschritt der Menschheit, wenn du absolut willst!

Wiegand Ah bah! Auf Vergessenheit! Auf weiter nichts!

Marenholdt Na, der Trank entgeht uns ja nicht. Er trinkt, setzt sich in den neben ihm stehenden Korbsessel.

Wiegand setzt sich ebenfalls Wie schmeckt dir der Wein?

Marenholdt Ausgezeichnet! Wohl Eigenbau?

Wiegand Selbst gezogen! Selbst gekeltert! Selbst gelagert ... Ja, die Mutter Erde! In der täuscht man sich nicht. Alles andre, die Menschen ... na! Die Erde ist ehrlich! Die Erde ist zuverlässig! Sie gibt einem wohl mal einen schlechtem Jahrgang. Gut! Aber sie lügt einem nicht vor. Man kann ihr glauben.

Marenholdt Ihr baut hier viel Wein?

Wiegand deutet in den Garten Dort hinten, das sind alles Reben. Und Obst natürlich.

Marenholdt Wirklich ein prachtvolles Besitztum! ... Hast du dir das mal träumen lassen?

Wiegand Wie sollt' ich! ... Und wäre sie nicht gewesen ...

Marenholdt Deine Jugendfreundin?

Wiegand zeigt auf ein Ölbild an der rechten Wand Dort hängt ihr Bild. Du hast sie ja auch gekannt?

Marenholdt Flüchtig! Du brachtest mich einmal mit ihr zusammen.

Wiegand Sie hatte jahrelang mit einem reichen Jungen gelebt. Plötzlich starb der, wurde überfahren oder sowas, und hinterließ ihr das ganze Vermögen. Damals lernte ich sie kennen. Und beinahe zwanzig Jahre später werd' ich ihr Erbe! ... Wär's nicht so vertrackt, man könnte an eine Vorsehung glauben!

Marenholdt Waren denn keine Verwandten da?

Wiegand Ganz entfernte nur! Die hatte sie mit Legat abgefunden.

Marenholdt Sie muß dich doch ... ziemlich gern gehabt haben?

Wiegand Vielleicht ... Vor langer Zeit!

Marenholdt Und es war nicht Bedingung, daß du das Geld hier in diese Gründung stecktest?

Wiegand Nein! Das war mein freier Wille. Ich hatte zehn Jahre geredet und geschrieben: Gebt mir die Mittel, dann zeig' ich euch, was ich kann, zeig' euch, was sich aus den Menschen machen läßt, wenn man die Natur zu Hilfe nimmt! Und jetzt, wo ich die Mittel hatte, sollte ich auf einmal kneifen? Sollte wie der erste beste Spießbürger nur an meinen eigenen Bauch denken? Nein, das ging nicht! Das wäre Verrat an mir selbst und an meinen Ideen gewesen! Deshalb hab' ich das hier gekauft und so langsam alles begründet ... was sich jetzt so herrlich ausgewachsen hat!

Marenholdt Sehr siegesfreudig klingt das grade nicht. Vorhin, als ich kam, sprachst du anders.

Wiegand Man denkt eben nicht immer gleich. Manchmal glaubt man ja, man sei auf dem rechten Wege und es kann noch alles gut werden. Aber wenn man dann näher zusieht und das Fazit zieht ...

Marenholdt Hast du nun alle deine Freunde ...

Wiegand Freunde!

Marenholdt Sagen wir also Genossen! Hast du die hier in deinem Hause untergebracht?

Wiegand Nein! Grundsätzlich nicht! Die Bedürftigsten natürlich ja! Die hab' ich aufgenommen und tue, was ich kann. Die übrigen wohnen hier so herum, bei Bauern oder sonstwo. Ich stelle Feld, Garten, Weinberge zur Verfügung. Jedem gehört, was er aus dem Boden herauszieht. Aber das ist ja eben der Streitpunkt. Einer von den Streitpunkten! Sie sind nicht zufrieden! Sie wollen mehr! Ich soll ganz für sie aufkommen! Ich soll sie füttern! Soll womöglich auch mein anderes Hab und Gut mit ihnen teilen! Es wird gewühlt und gewühlt! O, man lernt die Menschen kennen!

Marenholdt Das ist das Leben. Man darf auch dafür dankbar sein. Wir haben ja nichts anderes als das Leben. Jetzt sage ich dir: Nimm's als einen Übergang!

Wiegand Das kann ich eben nicht! Ich habe das Gefühl, es geht nicht mehr weiter! Es steht mir nichts mehr bevor!

Marenholdt lächelnd Einer, der noch nicht vierzig Jahre alt ist!

Wiegand faßt Marenholdts Arm Du bist älter als ich. Sag' mir, ist das nur so eine Mittagsmüdigkeit, die vorübergeht, und kommt noch etwas danach, oder ist wirklich schon alles zu Ende? Zu Ende, eh' es noch richtig angefangen hat! Es ist ja nur ein Augenblick, den man gelebt hat. Soll nichts Neues, Großes mehr bevorstehen? Ist wirklich schon alles zu Ende?

Marenholdt Vielleicht kann ich dir eine Art von Antwort darauf geben. Ich habe dich nämlich im Namen deines alten Zöglings zu fragen, ob du zu ihm kommen willst? Ob du sein Vertrauensmann, sein erster Beamter ... sein ... das Wort klingt dir hoffentlich nicht zu hart ... sein Minister werden willst?

Wiegand starrt ihn an Von wem sprichst du?

Marenholdt Von deinem einstigen Zögling. Von Hans Joachim. Du weißt, er ist vor einem halben Jahre zur Regierung gekommen.

Wiegand Und du sprichst in seinem Auftrag?

Marenholdt Ja natürlich! Als teklenburgischer Grundbesitzer hab' ich doch auch ein Interesse daran.

Wiegand Das ist stark! ... Das ist stark! Er läßt sich in seinen Sessel zurückfallen.

Marenholdt Wieso? Er will frische Luft in sein Land bringen. Er will Reformen einführen. Daß er dabei an dich denkt als dein Schüler ... Weißt du auch, daß dein Buch über Bodenbesitz und Arbeit seit Jahren auf seinem Schreibtisch liegt? Auch sonst ... Wir haben viel über dich gesprochen, damals als du die große Landgenossenschaft organisiertest, und später die Geschichte hier ... Glaube mir, der Junge ist über alles informiert und weiß ganz genau, was er will!

Wiegand aus seiner Erstarrung heraus Und du? ... Was sagst du dazu?

Marenholdt Mein Gott, es hat schon Fürsten mit dümmeren Einfällen gegeben.

Wiegand Ich soll Minister in Teklenburg werden? ... Das ist stark!

Dorothee öffnet die Tür links hinten, kommt schnell herein Die Afra müssen wir entschieden wegschicken, Bruno! Das ist ja der reine Kobold in Menschengestalt! Jetzt hat sie der Bärbeli eine ganze Tüte voll Juckpulver hinten ins Genick gestreut! Sie ist näher gekommen Was habt ihr beide denn? Ihr sitzt ja da wie die Bildsäulen!

Marenholdt Ich habe Bruno einen Antrag gemacht.

Wiegand Marenholdt will mich für den Staatsdienst einfangen. Ich soll Minister in Teklenburg werden. Das kommt davon, wenn man Prinzen erzieht und mit Standesherren umgeht!

Dorothee Donnerwetter noch eins! Mir hat mal vor vielen Jahren ein altes Weib aus den Karten prophezeit, ich bekomme einen Minister zum Mann. Wie hab' ich die ausgelacht!

Wiegand Lach' sie nur weiter aus! Er steht auf Aus der Geschichte kann nie und nimmer etwas werden! Das ist meine Antwort!

Marenholdt Übereile dich doch nicht! Den Korb kannst du mir ja immer noch geben.

Wiegand legt Marenholdt die Hand auf die Schulter Du bist immer ein großer Humorist gewesen, mein lieber Marenholdt. Ich kann mir denken, wie der Auftrag dich gereizt hat. Der Werwolf, der an die Kette gelegt wird! Der alte Verschwörer, der sich an der Staatskrippe mästet! Hohngelächter der Hölle! ... Nein, nein, suche dir ein passenderes Objekt für deine satirischen Einfälle!

Marenholdt Du sagst wie Posa, ich kann nicht Fürstendiener sein. Das ist sehr billig. Aber auch sehr unfruchtbar.

Wiegand Soll ich mich zum Kinderspott machen? Soll ich abschwören, was mir ein halbes Menschenalter heilig gewesen ist? ... Niemals! Niemals! Er geht schnell nach rechts in die Bücherei ab.

Kurze Pause.

Dorothee So ein Dickschädel!

Marenholdt Jetzt müßte ich wohl abreisen?

Dorothee Unsinn! Wir haben dich eingeladen! Du bleibst hier!

Marenholdt Gut! Richten wir uns auf den Belagerungszustand ein. Ich werbe dich zur Bundesgenossin!

Dorothee schlägt in seine Hand ein Topp! Es gilt!

Marenholdt lächelnd Ob deine alte Kartenlegerin wohl recht behalten wird?

Vorhang.


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