Ida Gräfin Hahn-Hahn
Maria Regina. Erster Band
Ida Gräfin Hahn-Hahn

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Der Beruf.

Nachdem sich Graf Damian von der Verwunderung erholt, in welche Regina ihn versetzt hatte, überlegte er, was nun zu tun sei. Zwang, Befehl würden vergeblich sein gegen diesen festen Entschluß, das sah er ein. Auch würde Uriel darauf nicht eingehen. Widerspruch reizt zum Eigensinn, besonders so einen kapriziösen Mädchenkopf, der sich einbildet, die Welt müsse nach seiner Pfeife tanzen. Sie muß dahingebracht werden, von selbst ihre Klosterideen aufzugeben. Das dauert vielleicht ein Jahr oder zwei und dann läßt sie sich überwinden. Uriel muß Geduld haben und soll immer in unserer Nähe sein. Wäre der politische Horizont nicht so wetterdrohend, so ginge man nach Italien oder Paris und Uriel reiste mit. Es ist aber nicht geheuer in der Ferne und Fremde, man könnte in ein Wespennest hineingeraten! So mag sich denn Uriel der Gesandtschaft in Frankfurt attachieren lassen. Ein wohlerzogener Gesandtschaftsattache, aus gutem Hause, der sein eigenes Geld splendid ausgibt, ist überall willkommen. Wir gehen dann auch hin. Regina ist wie eine Festung, die man mit dem Glück, den Freuden, den Zerstreuungen und Unterhaltungen der Welt blockieren, und der man die Zufuhr religiöser Lebensmittel möglichst abschneiden muß. Mit diesem Plan zu einer Wetterkampagne gegen seine Tochter war der Graf äußerst zufrieden. Er teilte ihn Levin mit, welcher erwiderte:

»Es ist gut, daß sie geprüft werde; Gott wird ihr beistehen. Nicht umsonst heißt es in der heiligen Schrift: Das Himmelreich leidet Gewalt und nur die Gewaltigen werden es an sich reißen.«

Als Uriel erfuhr, mit welchem Rival er um Reginas Herz zu kämpfen hatte, geriet er in heftige Aufregung. Er fand es geradezu empörend. Es gefiel ihm außerordentlich gut, daß Regina so fromm war und wie in einer Glorie von Glaubensglut stand; aber, daß Gott dies gleichsam benutzte, um ihr Herz an sich zu reißen – nein! das war unerträglich! das ging über die Rechte Gottes hinaus! ein solcher Eingriff in die heiligsten Verhältnisse und süßesten Empfindungen war nicht zu dulden! Hätte sie einen anderen geliebt, nun, so resignierte man sich zum Schmerz; oder niemand geliebt, so hatte man Hoffnung! Aber Gott zu lieben, Gott allein, Gott ausschließlich und dabei gar nicht das zerstörte Glück eines Menschenherzens zu berücksichtigen – –

»Nein, lieber Onkel!« rief er, »Regina träumt, Regina irrt sich! Erlaube mir, mit ihr zu sprechen; sie wird gewiß zur Besinnung kommen.«

»Nichts ist mir lieber!« entgegnete der Graf und rieb sich vergnügt die Hände. »Ich bin froh, daß Du endlich Feuer fängst und aus Deinem blöden Schäferstand heraustrittst. Ich erlaube Dir, stante pede zu ihr zu gehen. Du wirst ein besserer Anwalt Deiner Sache sein, als der Papa ist.«

Mutig wie ein Eroberer flog Uriel im Sturmschritt die Treppen hinauf. Als er an ihre Türe klopfte und das: »Herein!« ihrer weichen Stimme hörte, sank ihm der Mut und beträchtlich herabgestimmt trat er ein und sagte:

»Verzeih', wenn ich Dich störe! der Vater schickt mich mit einer Frage.«

Regina ließ das Buch, worin sie las, auf ihre Knie sinken und sah ihn an, so unbefangen – so entsetzlich unbefangen diese Frage erwartend, daß es dem armen Uriel unmöglich war, eine andere über die Lippen zu bringen, als die:

»Welch' ein Buch liest Du?«

»Will der Vater wissen, was ich lese?« entgegnete sie. »Es ist die Philothea, vom heiligen Franz von Sales; – sieh'!«

Sie reichte ihm das Buch. Uriel nahm es und sagte, indem er in das Buch blickte:

»Ich möchte Dich um etwas bitten, Regina.«

»Was wünschest Du, lieber Uriel?« fragte sie sanft.

Er schloß das Buch, legte es auf den Tisch und sagte, indem er zum erstenmal Regina ins Auge schaute:

»Dein Herz und Deine Hand.«

Sie errötete, legte die Hand über ihre Augen und entgegnete mit gepreßter Stimme: »Nach allem, was ich dem Vater gesagt habe, hoffte ich, daß er Dir und mir diesen Augenblick ersparen und Dir meinen Entschluß mitteilen würde.«

»Er hat es getan, Regina.«

Sie ließ die Hand sinken und sagte mit ihrer gewohnten freundlichen Ruhe: »Warum fragst Du mich denn?«

»Weil ich Dich liebe, Regina!« erwiderte er aus voller Seele.

Sie schwieg; denn sie fühlte, daß das für Uriel ein giltiger Grund sei. »Und weil ich hoffe,« wollte er fortfahren.

»Nein!« unterbrach ihn Regina, »hoffe nicht!« Sprichst Du von Liebe, Uriel, so kann ich nur Gott bitten, daß er sie Dir aus Deinem Herzen nehme. Sprichst Du aber von Hoffnung – die kann ich Dir selbst nehmen!«

»So laß mich von Liebe sprechen,« entgegnete er, »vielleicht lernst Du sie verstehen.«

»Ich verstehe sie wohl – und gerade deshalb weiß ich, daß sie nicht für mich ist.«

»Weshalb willst Du Dich seitab von uns allen stellen und Dich zu jenen Ausnahmen halten, die mehr zu bewundern, als nachzuahmen sind? Denke an unsere Mütter! Gab es frömmere, liebevollere, edlere Seelen? hätten sie im Kloster vollkommener sein können, Regina?«

»Nein, sie nicht! denn Gott rief sie nicht dahin!«

»Oder glaubst Du, daß eine Frau, wie Deine Mutter – mit einem so großen Herzen, daß sie einer Schar verwaister Kinder Mutter wurde – und mit einem so demütigen Herzen, daß ihr Leben ein beständiges Opfer gewesen war – nicht sehr wohlgefällig vor Gott gewesen sei?«

»Möchte ich dereinst so wie sie vor Gott bestehen!« sagte Regina, und zwei große Tränen fielen von ihren Wimpern.

»Nun, was fürchtest Du denn, Regina? Fürchtest Du, ich könnte Deine religiösen Überzeugungen nicht teilen? aber Du weißt ja das Gegenteil! Oder ich könnte Dich in Lebensverhältnisse einführen wollen, die Dir nicht zusagen? aber ich kann sie ja so gestalten, wie sie Deiner Neigung entsprechen, und das würde zugleich immer die meine sein.«

»Ich fürchte das alles gar nicht, Uriel, aber ... ich liebe Dich nicht und werde Dich niemals lieben.« »Und ich liebe Dich so, daß ich Deinen Worten keinen Glauben schenke.«

»Ein seltsamer Beweis von Liebe!« rief sie lächelnd.

»Denn ich traue mir zu, in die Schranken zu treten und Dich Gott abzuringen, ohne das Heil Deiner Seele zu gefährden. Im Kloster kannst Du Dich allein heiligen; in der Ehe auch mich, und zwei Seelen sind mehr wert als eine. Das bring' in Anschlag bei Deinen egoistischen Projekten, die Du gewiß in aufrichtiger Frömmigkeit, aber im Mangel eines gründlichen Verständnisses gemacht hast. Du bist nicht vereinzelt auf der Welt und hast folglich auch kein Recht, Dich und Dein Glück in der Vereinzelung zu erfassen. Das tut nur die Blüte des Egoismus: blinde Leidenschaft.«

Regina hörte ihn ruhig an: »Es geht mir wie dem großen Freund Gottes, dem armen Job,« sagte sie endlich: »ich kann Dir auf Tausend nicht Eins antworten. Alles, was Du sagst, ist richtig; aber innerhalb gewisser Schranken irdischer Glücksbedürftigkeit, irdischer Lebensauffassung und der Annahme, daß man Gott nicht ausschließlich lieben könne, ja kaum dürfe und daß das Geschöpf ein höheres Recht an uns habe, als der Schöpfer. Diese Annahme ist aber nicht in göttlicher Wahrheit begründet, was uns das Evangelium durch den heiligen Apostel Paulus lehrt, der ausdrücklich den jungfräulichen Stand über den ehelichen stellt, und zwar deshalb, weil dieser seine Richtung auf das Wohlgefallen des Geschöpfes, jener auf das des Schöpfers nehme. Wer das Verlangen nach irdischem Glück spürt, wähle den Stand, der es ihm durch das Geschöpf und durch menschliche Verhältnisse darbietet; das tun viele Millionen, und wir wollen ihnen von Herzen wünschen und hoffen, daß sie sich heiligen. Diese in's Ordensleben zu versetzen, wäre grausam und unsinnig. Wer aber sagt und mit dem Herzen sagt: Solo Dios basta, und die jungfräuliche Gottesmutter und den heiligen Apostel Paulus, und Tausende von Heiligen und von frommen Ordensleuten, und den ganzen Priesterstand der heiligen Kirche für sich hat und leben will wie sie: der faßt es nicht, lieber Uriel, wie man ihm ein solches Leben als Egoismus vorwerfen könne, weil, so lange die Welt steht, der egoistische Mensch sein Glück nicht in Gott gesucht hat, sondern in allem anderen, was Gott nicht ist.«

»Das geb' ich zu, Regina; aber das opferwillige Herz findet in allen Verhältnissen Veranlassung zu Entsagung.«

»Ja,« sagte sie, »es wird sich mannigfachen Entsagungen unterziehen; aber es macht nicht, wie das Ordensleben, seinen Stand und seine Pflicht aus der vollkommenen Weltentsagung.«

»Es ist schwerer zu entsagen inmitten großer Versuchungen, als hinter Klostermauern.«

»Das zu entscheiden ist nicht meine, sondern Gottes Sache, bester Uriel. Ich denke ja nicht daran, eine Heldin zu werden, nur eine demütige Braut Christi. Das hab' ich dem Vater gesagt und das wiederhole ich Dir.«

»Du beraubst den Vater seiner liebsten Hoffnung und zerreißt ein Band, welches zwei Familien in zärtlicher Übereinstimmung geknüpft haben.«

»Ich weiß es, Uriel!« rief sie schmerzlich, »und gäbe es nichts Höheres als den Wunsch der Eltern, o glaube mir, ich gehorchte. Nun aber geht es mir, wie dem heil. Pionius bei seinem Martertode, als er sagte: Ich fühle wohl die Wunden und den Schmerz, aber mein Gott ruft mich zu sich.«

»Du bist eine himmlische Schwärmerin,« sagte er, in ihren Anblick verloren; »aber die Erde hat auch Rechte an Dich.«

»Ich entziehe mich ihnen nicht, Uriel; denn ich leide und werde noch viel mehr leiden. Das ist mein Anteil an den Rechten der Erde.«

»Leid ohne Liebe, das ist fürchterlich!« rief er in heftiger Bewegung.

»O Du Tor!« sagte sie lieblich und mit einem seligen Lächeln, »kannst Du wähnen, daß der göttliche Vielgeliebte keine Liebe zu seiner Braut hat?«

Uriel schüttelte leise den Kopf und erwiderte:

»Regina, Du machst mir den Eindruck einer Nachtwandlerin, die mit leichtem und sicherem Schritt am Rande eines Abgrundes geht, wohin kein menschlicher Fuß sich wagt. Sie geht sicher, so lange sie nicht sieht; schlägt sie aber ihre Augen auf und wird den Abgrund gewahr, so ergreift sie Schwindel und sie stürzt hinab. Deshalb ist es wohl recht wunderbar, sie wandeln zu sehen; aber man erschauert vor Angst.«

»Lieber Uriel, die Mondsucht ist eine körperliche Krankheit, durch die ich weiß nicht was für Kräfte im Menschen geweckt, hingegen seine Willensfreiheit gefesselt wird. Daher entsetzt sich der Mondsüchtige über seine Wege und Stege, wenn er plötzlich geweckt wird, denn er hat sie nicht mit Bewußtsein gewählt. Dein Vergleich paßt also nicht auf mich.«

»Doch!« sagte er traurig; »Du wandelst in Nacht; die Sonne der Liebe ist Dir nicht aufgegangen.«

»Du hast so ganz nicht Unrecht mit der Nacht;« erwiderte sinnend Regina. »Ja, Uriel, ich wandele in Nacht, in der heiligen Sternennacht des Glaubens, und Du wirst wohl wissen, daß dessen Gestirne lichter und treuer sind, als die Sonne der Welt.«

Mit einer trostlosen Bewegung bedeckte Uriel sein Gesicht mit beiden Händen und seufzte beklommen:

»Ich fasse es nicht, daß ich Dich verlieren soll.«

»O nein!« rief sie lebhaft, »nicht verlieren, Uriel! ich bleibe mit Euch allen in süßer Verbindung.«

»Mit uns allen!« sagte er bitter. »Hättest Du doch wenigstens gesagt: mit dir, Uriel! Sag' es, Regina, sage wenigstens das!«

Regina schwieg. Er ließ seine Hände vom Gesicht sinken und sah sie an. Seine schönen Züge voll Adel und Empfindung wurden noch schöner und seelenvoller durch den Ausdruck von Trauer und Bitte in seinen Augen.

»Nun?« sagte er, »sind drei Worte zu viel für mich?«

»Auch mit Dir, Uriel,« sagte Regina leise.

»O schweige!« rief er heftig; und nach einer Pause setzte er hinzu: »Regina, Du bist allzu vollkommen! Lassen wir das; aber hör' mich an. Du glaubst mir keine Hoffnung, auch nicht die allergeringste, geben zu können; doch ich, ich lasse sie mir noch nicht nehmen. Du bist erst siebenzehn Jahre alt: ich warte. Bei siebenzehn Jahren kann jeder Tag sowohl eine Revolution in der inneren Welt machen, als auch eine allmälige Umgestaltung derselben bewirken. Und darauf wart' ich.«

»Uriel,« sagte Regina beängstigt, »wenn Du vergebens wirst gewartet haben, so gib dereinst nicht mir die Schuld für die verlorenen Jahre. Ich weiß nicht, wann ich des Vaters Einwilligung bekomme. Hab' ich sie aber, so gehe ich in's Kloster. Ach Uriel, warte nicht.«

»Laß mich warten,« sagte er, »das ist schon eine Art von Glück.«

»Welche Qual bereiten sich die Menschen unter der Firma: Liebe!« seufzte Regina aus tiefster Brust.

»So jung und schon so weise!« rief er mit einem Anflug von Spott. Sie verteidigte sich nicht; als ob sie wisse, daß sie in seinem Herzen ihren sichersten Verteidiger habe. Er setzte auch gleich zärtlich hinzu: »Du bist bei den Engeln in die Schule gegangen und hast bei ihnen so viel Himmlisches gelernt, daß Du wohl die Dinge der Erde richtiger betrachten magst, als wir.«

»Sage das dem Vater, lieber Uriel!« sagte sie. Er wollte sie nicht verstehen. Er wollte da bleiben, in dem stillen Zimmer, wo er nichts sah, nichts hörte, nichts dachte, nichts wußte, als sie! gleichviel ob mit Schmerz, mit Leid, mit Freude, mit Wonne, nur sie! das war genug. Er liebte sie eben. Da stand Regina auf, legte ihre Hände bittend zusammen und winkte so leise mit ihrem Blick nach der Türe, daß man ihr recht tief in's Auge sehen mußte, um sie zu verstehen. Uriel gehorchte der leisen Bewegung ihrer Augenwimpern; er ging; aber er sagte:

»Weil Du meine Königin bist, Regina.«

Der Graf hörte Uriels Bericht gelassen an und sprach tief seufzend: »Wir müssen uns mit Geduld waffnen. Es ist eine gute Vorschule für Deinen Eintritt in den Ehestand. Welch ein Maß der Geduld man der Frau gegenüber haben muß, davon weiß nur der Eheherr ein Lied zu singen! Heute Migräne, morgen Nervenweh, übermorgen ein Raptus für eine höchst gleichgiltige Sache und übermorgen gegen eine sehr wichtige! Bald Enthusiasmus ohne Ziel, bald Abneigung ohne Grund! Jetzt Tränenströme um ein Nichts, dann Skrupel um ein Garnichts! Zur Ehre der Wahrheit muß ich sagen, daß ich von dem allen bis jetzt keine Spur bei Regina gefunden habe; allein der Trotz, der Eigensinn, die bei ihr zum Vorschein kommen, zeigen deutlich, daß es Dir an einem Hauskreuz nicht fehlen wird, was freilich kein Verliebter glaubt! Nun wollen wir aber ihrem Trotzkopf einen so weiten Spielraum öffnen, daß er vor Ermüdung zusammenbrechen muß. Ich werde ihr erklären, daß ich ihre Klosteridee auf eine zehnjährige Prüfung setze. Das hält sie nicht aus! Nichts macht die gespannten Kräfte so gründlich morsch, als langes Warten in's Blaue hinein. Ein Jahr, auch zwei und sogar drei Jahre warten auf die Erfüllung des Lebensglückes, das hat etwas Reizendes, davor schreckt niemand zurück; allein zehn Jahre ....« –

»Lieber Onkel!« unterbrach ihn Uriel, »ich warte mit Freuden zehn Jahre auf Regina.«

»Die Freuden werden doch wohl mit einiger Ungeduld vermischt sein,« entgegnete der Graf. »Uebrigens findest Du denn doch am Ende von zehn Jahren in Regina eine Realität; aber was würde sie bei ihren Karmelitessen finden? eine Chimäre, vor der sie selbst sich entsetzen würde. Das wird sie auch schon einsehen und zu rechter Zeit Kehrt machen.«

Er kündigte ihr seinen Entschluß an. »Zehn Jahre sollst Du Dir die Welt und die Menschen ansehen und Dich besinnen über Glück und Pflicht,« sagte er.

»Und dann darf ich mit Deiner Einwilligung zu den Karmelitessen?« fragte Regina gespannt.

»Ja,« sagte der Graf; »wenn Du uns allen während zehn Jahren das Leben verbittert hast, anstatt es, wie eine gute Tochter, zu verschönern: dann will ich Dir erlauben, Deine Verkehrheit in einem beliebigen Kloster zu beweinen.«

Regina sank vor dem Grafen auf die Knie und bedeckte seine Hände mit Küssen und Tränen, indem sie rief:

»O, mein lieber Vater! wie dank' ich Dir! so ist es recht; so muß es sein: über allerlei Dornen geht mein Weg; aber ich komme zum Ziel .... ich danke Dir.«

Was war mit einer Person anzufangen, die sich für jedes rauhe Wort bedankte und in jeder Strenge eine Gnade sah! Dieser Charakter ging über des Grafen Maßstab und Erfahrungen so weit hinaus, daß es ihm manchmal ganz unheimlich war, der Vater einer solchen Tochter zu sein. Er teilte inzwischen der ganzen Familie die Parole aus, um einen Chor der Klage über Regina's Entschluß zu bilden: die Baronin Isabelle, Corona, Orest, Florentin, sogar einige der alten treuen Dienstboten, deren Leben mit dem Leben der Familie zusammen gewachsen war, und die mit einem rührenden Gemisch von Stolz und Zärtlichkeit die Kinder des Hauses »unsere Kinder« nannten: alle sollten bei jeder passenden Veranlassung ein Klagelied anstimmen über die Kalamität, welche Regina über ihre ganze Familie verhänge, was natürlich ihrem Herzen sehr wehe tun mußte. Und mit seltener Übereinstimmung gingen alle auf die Absicht des Grafen ein, jeder in seiner Weise. Niemand machte ihr Vorwürfe, aber niemand – Levin und Hyazinth ausgenommen – sympathisierte mit ihr. Wie mit einer Kranken, deren elenden Zustand man beweint und auf deren Genesung man sehnlichst hofft, ging man mit ihr um. Und keineswegs auf Befehl des Grafen, sondern aus eigenem Antrieb! Er hatte nur die allgemeine Gesinnung gleichsam organisiert und in eine und dieselbe Richtung gewiesen. Das vollkommene Opfer ist eben die Sache, von welcher der göttliche Heiland gesagt hat: »Wer es fassen kann, der fasse es.« Damit ist ausgesprochen, daß wenige es verstehen werden, und eine Sache, die kein Verständnis findet, leidet Widerspruch. Nur für Hyazinth wurde sie die Veranlassung, seinen Entschluß zur Reife zu bringen und auszusprechen. Er wollte in den geistlichen Stand treten und bat den Onkel Levin, dem Grafen diese Mitteilung zu machen. Es geschah.

»Mein Gott!« seufzte der Graf tief niedergeschlagen, »welch ein Geist übertriebener Frömmigkeit fährt denn gerade in meine armen Kinder und fanatisiert sie! .... Hyazinth geistlich! der blutjunge Mensch! Es ist ein wahrer Jammer.«

»Tröste Dich,« sagte Levin lächelnd; »ich glaube nicht, daß Du um Hayzinth großen Jammer wirst auszustehen haben!«

»Lieber Onkel, das verstehen Sie nicht! der gute Junge tut mir unaussprechlich leid. Zu Ihrer Zeit galt der geistliche Stand noch etwas. Da fing man mit dem Domherrn an und wurde Churfürst, Erzbischof, Bischof, wenigstens Weihbischof; aber jetzt! wie gering sind die Aussichten für eine Karriere! der arme Junge muß mit dem Kaplan anfangen und mit dem Pfarrer enden. Schrecklich, lieber Onkel, schrecklich! Sagen Sie mir aufrichtig, aber nehmen Sie die Frage nur nicht übel: ist Hyacinth einfältig?«

»Ich glaube, daß er einen klaren, feinen Verstand hat,« entgegnete Levin.

»Oder hat er nichts gelernt? mag er nicht studieren?«

»Ich glaube, daß er mehr Neigung und Talent für ernste Studien hat, als seine Brüder.«

»Was in aller Welt bringt ihn denn zu dem desperaten Entschluß! Sollte er vielleicht eine unglückliche Liebe haben? eine Neigung für Regina z. B., und geistlich werden wollen, weil sie in's Kloster will? Er ist freilich sehr jung, um eine so formidable Leidenschaft zu empfinden; aber er muß doch einen Grund haben.«

»Lieber Damian, sein Grund ist der: Christus ruft ihm zwei Worte zu: »Folge mir nach!« und: »Weide meine Lämmer!« Orest will Soldat werden, Florentin Arzt; sie wählen ihren Beruf, wie er ihren Neigungen und Fähigkeiten zusagt. Hyacinth tut dasselbe; nur mit dem Unterschied, daß jene in ihrer Laufbahn sogenanntes irdisches Glück zu finden hoffen und daß er darauf verzichtet.«

»Das macht aber einen ungeheuren Unterschied aus!«

»Allerdings, die Kluft ist groß, ist so groß, wie sie eben besteht zwischen Seelen, die Gott lieben und Gott nicht lieben.«

»Man kann recht sehr Gott lieben,« sagte der Graf empfindlich, »ohne geistlich zu werden.«

»Gewiß!« entgegnete Levin. »In dem Maß aber, wie man Gott mehr liebt, widmet man sich ihm auch mehr; und wer ihn ausschließlich lieben will, widmet sich ihm ausschließlich. Das tut Hyazinth. Er sagt auch: Solo Dios basta. In ihm, wie in Regina, ist das übernatürliche Leben, welches aus der Gnade fließt, so stark, daß die Bestrebungen und Wünsche absterben, welche auf dem natürlichen Leben und den irdischen Daseinsbedingungen beruhen. Bei Orest und Florentin ist es umgekehrt: das Gnadenleben tritt bei ihnen in den Hintergrund und das natürliche Leben in den Vordergrund, Sie fragen nicht; was gottgefällig sei: sondern leben nach Lust und Laune, und haben, um ungestört mit allen Segeln der Leidenschaften fahren zu können, Gott als unbequemen Ballast über Bord geworfen. Hyacinth und Regina fragen hingegen, was am allergottgefälligsten sei und am allervollkommensten das himmlische Ebenbild in ihnen herstelle; und da das die Nachfolge und Nachahmung des Gottessohnes, die opferfreudige Wahl der Entsagung aus Liebe, die Demut der Krippe und das Leiden von Golgatha ist: so verschmähen sie das, was ihnen von den Freuden und Genüssen der Welt erlaubt wäre, weil dadurch ihre Vereinigung mit Gott gewiß nicht gefördert, aber sehr leicht gemindert, wohl gar ganz aufgehoben wird.«

»Könnte der arme Junge sich in seinem kaplanischen Elend wenigstens damit trösten, daß er heiratete;« sagte der unverbesserliche Graf.

»Dann dürfte er eben nicht Priester werden,« erwiderte Levin. »Es ist die Glorie der Kirche, daß sie die unirdische geheimnisvolle Feier des unblutigen Opfers nur denen anvertraut, welche freiwillig den Stand der Virginität aus Liebe zu Gott gewählt haben, und es ist ein Zeichen ihrer göttlichen Weisheit, daß sie diese freiwillige Wahl, als einen Prüfstein, der nicht umgangen werden kann, vor die Stufen des Altars legt. Der zweifelhafte Beruf, der irdische Sinn, der schwankende Charakter schrecken vor ihm zurück. Das reine Herz nicht. Die reinen Herzen aber, mein lieber Damian, sind, so lange die Welt steht, auch die starken Herzen, und starke Herzen braucht die Kirche in ihren Priestern, in den Stellvertretern des ewigen guten Hirten.«

»Es ist freilich nicht schwer einzusehen,« sagte der Graf, »daß das Entsagungsleben in Permanenz, wie der Priester es führt, ihn zu den größten Opfern fähig und tüchtig macht. Allein ich beklage unseren armen Hyazinth, daß er ein solches Leben führen soll.«

»Nun, Du würdest doch nie wünschen,« entgegnete Levin lächelnd, »ihn als einen mit Weib- und Kindersegen erfreuten Priester zu sehen. Das Leben der Kirche ist all' ihren Kindern, wenn dieselben auch nicht übermäßig eifrig sind, nicht wahr, lieber Damian? doch zu sehr in's eigene Leben übergegangen, um ihnen nicht Mißtrauen und Widerwillen gegen die Priesterehe einzuflößen, die nur ganz verkommenen Subjekten, gleichviel welchen Taufscheines, und den Radikalen in der Politik, so wie den Rationalisten in Glaubenssachen erwünscht wäre; den einen, damit der Weltsumpf, der ihr Behagen und ihr Ziel ist, sich um so mehr ausbreite, als die Tradition von Opfer, von Hingebung, von Lauterkeit, die durch den Cölibat in jedem Priester auf's neue in's Leben tritt, aus der Welt verschwände; den anderen, damit ein Eckstein aus dem Bau der heiligen Kirche gebrochen werde, die in ihren ehelosen Priestern freie Männer zu Dienern hat, welche nicht zu beugen und nicht zu knechten und nicht in armselige Abhängigkeit von irdischer Macht hinein zu ängstigen sind. Den Männern des modernen freien Denkens sind solche Männer des freien Willens verhaßt und zwar deshalb, weil diese mit ihrer unverwüstlichen Selbstständigkeit in dem unverwüstlichen Fundament des Glaubens an eine geoffenbarte Religion wurzeln, ein Fundament, welches von jenen gerade bestritten, geleugnet, bekämpft wird, nicht gelten soll, nicht da sein soll, und dennoch sich nicht hinweg räsonnieren und revolutionieren läßt. Der ärmste und verlassenste Priester in dem ärmsten und entlegensten Dörfchen macht durch sein schlichtes Dasein alle Theorien falscher Wissenschaft zu Schanden. Er lebt ein übernatürliches Leben, dessen Quell und dessen Ziel der Gottmensch Christus ist, wie der Glaube ihn offenbart, und das ohne diesen ganzen, vollen, gewaltigen Glauben nicht gelebt werden kann. Wer nun dies himmlische Prinzip leugnen will, der wird ungemein in seinen Theorien gestört, wenn er dasselbe in voller Triebkraft wirksam sieht. Was bleibt ihm übrig? Von zwei Dingen eines; entweder die Verleugnung aufgeben, das himmlische Prinzip anerkennen und sich unterwerfen; oder es hassen, wie nun einmal die Finsternis das Licht und Belial – Christus hassen muß, muß – weil das Böse, die freiwillige Abwendung vom Guten, den Haß des Guten in sich schließt. So lange noch ein frommer Priester auf der Welt ist, der mit reiner Hand das ewige Opfer darbringt, fühlt sich der Unglaube als Lüge gebrandmarkt. Daher seine Neigung, den Priesterstand zu verdächtigen, zu unterdrücken, zu verfolgen, wo möglich zu ersticken und auszurotten. Dazu ist ihm jedes Mittel willkommen, wie eben die Umstände es gestatten! Bald wird er verleumdet, bald lächerlich gemacht, bald guillotiniert. Dazwischen sucht man ihn durch heuchlerisches Mitleid zu gewinnen und ihm das Bild eines Familienvaters als höchstes Ziel alles Glückes hienieden vorzuhalten, damit er von selbst versinke in die Niedrigkeit der Leidenschaften und in die Gemeinheit des Alltagslebens.«

»Bester Onkel, es gibt in anderen Religionsgesellschaften äußerst achtbare Männer unter den Geistlichen und sie leben, mit wenigen Ausnahmen, sämtlich im Ehestande.«

»Lieber Damian, wir sprechen aber nicht von anderen Religionsgesellschaften, sondern von dem Priesterstand der heiligen katholischen Kirche, dem unser Hyacinth sich anschließen will. Außerhalb der Kirche wird, wie Du weißt, nirgends die Feier unserer heiligen Geheimnisse des Altars begangen, nirgends in heiliger Messe das unblutige Opfer, diese Fortsetzung jenes blutigen auf Golgatha, in lebendiger Wesenhaftigkeit dargebracht. Wo das Opfer fehlt, kann es keinen Priesterstand geben, denn der Priester ist eben der unmittelbare Darbringer des Opfers. Was also außerhalb der Kirche geschieht oder nicht geschieht, ist für uns nichts weniger als maßgebend, denn sonst könnte man Uriel mit dem Vorschlag der Vielweiberei beglücken wollen, welche die Sekte der Mormonen lehrt, was Dir nicht sehr wünschenswert im Hinblick auf Regina erscheinen würde. Also was draußen geschieht, lassen wir auf sich beruhen. Aber wir, wir haben das heilige Opfer und dies Opfer ist das Lamm Gottes und der Darbringer dieses Opfers ist der Priester, der glückselige, der begnadete Priester, der täglich in die unmittelbare Vereinigung mit dem Allerheiligsten eingeht, in seiner Hand den heiligen Fronleichnam hält, mit seinen Lippen ihn berührt, in seinem Herzen ihn aufnimmt. Lieber Damian, für einen solchen Priester ziemt es sich wohl, sollte ich meinen, daß er im Heiligtum bleibe, die Kraft und Wärme seines Herzens dem Dienste seines göttlichen Meisters widme und die Behaglichkeit des häuslichen Herdes denen überlasse, die ihm den Altar überlassen haben.«

»Gott hat auch den häuslichen Herd durch das Sakrament der Ehe zu einer heiligen Stätte erhoben,« wendete der Graf ein.

»Das ist schon wieder eine Verteidigung, wo kein Angriff geschah,« erwiderte Levin lächelnd. »Du wirst mir nicht zutrauen, daß ich die heilige Berechtigung des häuslichen Herdes unterschätze. Aber ich muß abermals sagen: wir sprechen vom Priester. Die Kirche zwingt niemand geistlich zu werden und geht nicht voreilig bei der Aufnahme zu Werk. Sie sagt dem Adspiranten: Überlege und besinne dich. Sie erteilt ihm die niederen Weihen und sagt abermals: Prüfe dich, denn du kannst noch umkehren, und lockt dich die Welt, so wende dich ihr zu. Hat er sich aber entschieden und ist er in's Heiligtum eingetreten, so verlangt sie, daß er in demselben so diene, wie er gewußt hat, daß er dienen müsse: frei von jenen Leidenschaften, die das, was am Höchsten im Menschen ist – seine Liebe, zu Gunsten dessen, was am Niedrigsten in ihm ist, in Sklaverei bringen. Nun wirst Du mich gewiß verstehen, wenn ich wiederhole, was ich vorhin sagte: für den Priester wäre die hausväterliche Existenz ein Versinken in Erniedrigung, denn er würde himmlische Verpflichtungen aufgeben, um irdische einzugehen; ein göttliches Joch, das Christus mit ihm trägt, abwerfen, um ein menschliches anzunehmen. Er steht nun einmal am Altar, d. h. um ein paar Stufen höher als die Weltlichen. Was bedeutet das? Glaubst Du etwa, das bedeute, daß er auf sie herab blicken und sich um so viel höher schätzen soll? O nein! es bedeutet das, was er täglich in der heiligen Messe betet: Sursum corda! Empor die Herzen! empor du mein glückseliges Herz und reiße alle die, welche auf dich als ihren Hirten sehen, mit dir aufwärts zu Gott, der dich in seine gnadenvolle Nähe gestellt hat, damit du, angeglüht von der Flamme seines Opfers, andere Seelen anfeuerst und dereinst auf dem Erntefeld der Ewigkeit mit vollen Garben erscheinest, mit einem Geleit liebentzündeter Herzen, die durch dich für die göttliche Liebe gewonnen sind. Und er sollte, von der Altarstufe herabsteigend, angeglüht von der Flamme des Opfers seines Gottes, sie ersticken lassen in der Schwüle erdentstammter Liebe? Nein! wer dem Priester so etwas wünschen kann, der hat es entweder schlimm mit ihm im Sinn, oder urteilt, ohne die Sache zu kennen, oder spricht, wie Du, lieber Damian, unter dem Einfluß übergroßer, natürlicher Zärtlichkeit, und deshalb verkehrt.«

»Sie sind nun einmal begeistert für Ihren Stand, weil Sie selbst eine Art von Ideal desselben sind ....«

»Da irrst Du sehr!« unterbrach ihn Levin lebhaft; »ich bin ja gar nichts: nicht Pfarrer, nicht Ordensmann, nicht Missionär! ich bin nur ein unnützer Knecht. Aber mit Hyazinth wird es anders sein; der wird brauchbar werden! und ist er das, so findet sich die Begeisterung für seinen Stand von selbst, denn man arbeitet alsdann für Gott und für das ewige Leben, ohne auf besonders große Resultate hienieden zu rechnen und ohne besonders glückliche Erfolge zu erwarten, und das gibt Freiheit und Freude im Geiste.«

»Und wenn ihm sein Beruf mit der Zeit zu schwer fiele! Das Leben ist lang, die Welt ist bunt! Wenn Hyazinth ein schlechter Priester würde, bester Onkel, welch' ein Skandal! Ein schlechter Priester – auf den sind die Augen der ganzen Welt gerichtet, als ob es nur den einen einzigen auf Erden gäbe! und wenn das nun ein Windecker wäre!«

»Du fürchtest nicht, daß Orest von seiner Fahne desertiere, wenns zur Schlacht geht; so hoffe doch auch für Hyazinth den notwendigen Kampfesmut, um seinem Panier zu folgen. Hat er den, so ist er unüberwindlich, weil die Gnade noch nie den Beharrlichen verlassen hat. Nur der treulose Feigling verläßt die Gnade. Das ist richtig: auf einen solchen sieht die halbe Welt. Welch eine unabsichtliche Glorie für den geistlichen Stand! Tausende fallen in der Welt zur Rechten, tausende zur Linken, stehen auf, fallen wieder – niemand sieht hin, kaum die allernächsten, man zuckt die Achseln, man spricht ein paar Worte schwacher Mißbilligung, schwächlichen Mitleids, und man vergißt, eingedenk eigener Gebrechlichkeit. Aber für den Priester macht man eine Ausnahme. Er ist dermaßen im allgemeinen Bewußtsein anerkannt als der Repräsentant der Heiligkeit, daß ein sittlicher Makel an ihm mit endlosem schadenfrohen Triumph von allen Glaubensfeinden bejubelt, mit unsäglichem Schmerz von den Gläubigen beweint wird. Unsere Glaubenslehre ist etwas so Göttliches, daß die Welt sich gar nicht der Vorstellung erwehren kann, deren Organ, der Priesterstand, müsse Anteil haben an deren Erhabenheit; und darin hat sie vollkommen recht! wer sich vorzugsweise mit Gott und göttlichen Dingen beschäftigt, ohne nach innerer Heiligung zu trachten, ist seines himmlischen Berufes nicht wert. Darin aber hat die Welt vollkommen unrecht, daß sie wähnt, der einzelne schlechte Priester sei ein Beweis für die Ungöttlichkeit seiner Glaubenslehre. Sie vergißt bei einem solchen Urteil den Verrat des Judas und die Verleugnung des Petrus, d. h. sie vergißt, daß der Mensch aus Schwäche fallen und aus Bosheit abfallen kann, weil er keine Maschine ist, die von äußerer Kraft in Bewegung gesetzt wird, sondern weil er seinen Willen zur Beharrlichkeit im Guten brauchen muß und zur Wahl des Bösen mißbrauchen kann. Sei getrost, lieber Damian, und bedenke eines: das Werk, welches Hyazinth beginnen will, beginnt in ihm die göttliche Gnade, und mit ihr, der er vertraut, auf die er sich stützt, wird er es zu Ende führen. Ein solcher Entschluß entspringt nicht aus Gedanken von dieser Welt, und darin liegt seine weltüberwindende Kraft.«

»Ja, ja!« seufzte der Graf kopfschüttelnd; »das ist alles sehr gut und klingt ganz schön. Aber! aber! .... der arme Junge!« –

Die übrigen Mitglieder der Familie nahmen Hyazinths Entschluß sehr verschieden auf, aber nicht mit der allgemeinen Mißbilligung, die auf Regina ruhte, weil Hyazinth nicht anderweitige Pläne durchkreuzte. Unter anderen Umständen würde sich Uriel herzlich gefreut und in dem Beruf seines Bruders eine große Gnade erkannt haben. Jetzt aber schien es ihm bedenklich, allzu große Zufriedenheit zu äußern – Reginas wegen, die durch Hyazinths Entschluß leicht in dem ihren bestärkt werden konnte. Orest äußerte ein grenzenloses Erstaunen, Florentin Zorn, die Baronin Isabella zaghafte Freude; Corona beklagte, daß Hyazinth nicht auf der Stelle seine Primiz feiern und sie seine Kerzenträgerin sein dürfe. Regina lobte Gott.

»Was fängst Du denn an mit Deinen Hunden?« fragte Orest ganz verblüfft; und wo läßt Du denn Dein Gewehr? Dem Reiten und Jagen mußt Du wohl auf immer Valet sagen und Burschenlieder darfst Du wohl auch nicht mehr singen?«

»Du bist aber allzu kurzsichtig, Hyazinth!« eiferte Florentin. »Siehst Du denn nicht, daß es mit der katholischen Kirche zu Ende geht? Siehst Du denn nicht, daß sie zitternd zusammenbröckelt vor dem klirrenden Schritt und dem Weckruf der Freiheit? Siehst Du nicht, daß sich Deutschland nimmermehr den Ultramontanismus wird gefallen lassen, und daß der römische Papst, vom großen Geiste des Jahrhunderts ergriffen, in einen Liberalismus verfällt, der, unvereinbar mit katholischer Finsternis und Knechtschaft, ihn unfehlbar in die Arme des Protestantismus liefert? Dieser aber bildet die erste Stufe zum Sozialismus, in dem nicht Religionssysteme, sondern die Ausführung großer Ideen ihren Kultus haben werden, dessen Priester jeder Einzelne sein wird! Siehst Du das nicht?«

»Nein!« sagte Hyazinth gelassen, »das alles sehe ich gar nicht; denn es sind nur Phantasmagorien: künstliche Fratzenbilder, welche sich außerhalb der Finsternis des Unglaubens nicht wahrnehmen lassen. Ich sehe vielmehr, daß nichts auf Erden Bestand, nichts eine Zukunft hat, als einzig und allein die katholische Kirche und alles, was aus ihrem Mutterschoß Lebenskraft schöpft.«

»Bei der Erhabenheit des priesterlichen Berufes würde mich das Bewußtsein meiner Schwäche ängstigen, ob ich ihm auch immer mit ganzer Treue anhinge,« sagte Uriel. »Stets das Ewige und Unvergängliche vor Augen haben, scheint mir übermäßig ernst und schwer.«

»Wenn Du heiratest,« entgegnete Hyazinth, »mußt Du Deiner Frau ewige Treue versprechen und bleibst unauflöslich mit ihr verbunden: das müßte Dich dann auch in Angst versetzen.«

»O nein!« rief Uriel; »da verbinde ich mich mit meinem zeitlichen und ewigen Glück, das der Sehnsucht des ganzen Menschen entspricht.«

»Und ich,« sagte Hyazinth, »lasse das unsichere zeitliche Glück ganz und gar beiseite und wähle das unvergängliche: Gott zu dienen aus Liebe, welches der ächten Sehnsucht des erlösten Menschen gewiß am allertiefsten entspricht.«

»Dann bin ich nicht erlöst,« rief Orest, »denn ich erschaudere vor Deiner Sorte von Glück! Nein, Hyazinth! lustig leben gehört auch zum Leben, und eine Existenz ohne Hühner- und Parforcejagd, ohne Steelpe chase und sonstige Pferderennen, ohne Oper und Ballet, ohne Austern und Champagner – aber non-mousseux! – die ist zum Totschießen.«

»Das ist die Gesinnung der Welt,« entgegnete Hyacinth. »Sie behauptet, es gebe kein anderes Glück als das, welches die fünf Sinne genießen und der natürliche Verstand begreift. Das ist aber grundfalsch, denn das Unsterbliche im Menschen wird durch die Genüsse der Vergänglichkeit nicht befriedigt, sondern elend gemacht. Tausend Mal ist das gesagt und bewiesen worden; allein Worte ohne Tat bedeuten nicht viel. Deshalb muß gegen den Ausdruck jener Gesinnung der Welt ein beständiger tatsächlicher Protest abgelegt werden, und das tun die, welche mit Gottes Gnade und um Gottes Willen ihr entsagen: Priester und Ordensleute.«

»Hyazinth!« rief Florentin feurig und schlang den Arm um seine Schultern, »lege ab Deine Gottesideen, mache die Menschheit zu Deiner Gottheit und ihre Berechtigung zu allgemeiner und allseitiger Beglückung zu Deinem Kultus, so kannst Du ein ausgezeichneter Mann der Zukunft werden.«

»Nein, armer Florentin,« entgegnete Hyazinth zärtlich, »das ist unmöglich! Wer Christus erkannt hat, dient in Seinem Namen mit tausend Freuden und so weit die Kräfte reichen in aller Demut einer Menschheit, die der Gottessohn geheiligt hat, indem er sich zu ihresgleichen machte und für sie lebte und starb; das gehört zur praktischen Nachfolge Jesu. Aber aus der Menschheit einen Moloch zu machen, der, ich weiß nicht was für unsinnige, sakrilegische Opfer verlangt, das ist unverträglich mit der ewigen Wahrheit. Christus hat die Selbstverleugnung als den Weg des Heiles gelehrt, als das einzige Mittel zur Beglückung der Menschheit für Zeit und Ewigkeit. Von einer Beglückungstheorie, welche allen zum allseitigen Genutz irdischen Wohlbehagens behilflich wäre, weiß die Lehre des Kreuzes nichts.«

»Deshalb eben nimmt sie auch nur einen ganz untergeordneten Rang und längst überwundenen Standpunkt in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit ein!« rief Florentin. »Sieh'! bereits vor mehr als dreihundert Jahren entwickelte sich in der Menschheit jene gewaltige Bewegung, welche anzeigte, daß sie der Lehre vom Kreuz, der Selbstverleugnung, satt sei; es war die Reformation. Alle und jede Selbstverleugnung konzentriert sich im Gehorsam, und da die Kirche ihn von der ganzen Welt im Namen des gekreuzigten Gottes forderte, so sagte ihr die Reformation den Gehorsam auf, um anzuzeigen, daß sie mit der Lehre vom Kreuz breche. Und das bewies sie tatsächlich. Wer sich zu ihr bekannte, war der Selbstverleugnung überdrüssig und folgte dem Zug der Freiheit, für die der Mensch geschaffen ist. Die Fürsten sagten dem Kaiser den Gehorsam auf, die Bauern den Edelleuten, die Ritter ihren Lehensherren, die Städte ihren Bischöfen und Äbten, die Priester ihren Oberhirten, die Mönche und Nonnen ihren Gelübden. Durch den erhabenen Akt, dem römischen Papst den Gehorsam aufzusagen, fiel selbstverständlich das Joch knechtischer Selbstverleugnung von Millionen, die nun wieder frei aufatmen und sich ihrer Menschenrechte erfreuen konnten; denn vom römischen Papst ging ja eben der ganze christliche Lebensorganismus aus, der während anderthalb Jahrtausenden die Menschheit wie ein Spinngewebe umfing. Die Reformation blieb freilich nicht auf ihrer Höhe. Sie machte klägliche Versuche, den entfesselten Geist wieder einzufangen und in die Botmäßigkeit ihrer Bibel, die politischen Verhältnisse in die Abhängigkeit von den Fürsten, die sozialen Verhältnisse in die Fesseln verkehrter, weil auf papistischen Ansichten beruhender altmodischer Gesetze zu bringen; allein sie erwarb sich doch unsterblichen Ruhm und den Dank künftiger Jahrhunderte dadurch, daß sie zeigte, wie verhaßt die Lehre vom Kreuz der Menschheit sei, und daß sie jenen Protest gegen heilige Rechte, von dem Du vorhin sprachst, aufhob, indem sie keine Priester, keine Ordensleute mehr duldete. Denn kein Mensch will seiner Natur gehorchen, keiner arm sein, keiner den irdischen Freuden entsagen, und was der vernünftige Mensch nicht will, das soll er auch nicht.«

»Wenn er nun aber dennoch will,« entgegnete Hyazinth gelassen.

»So darf er nicht!« rief Florentin.

»Das wollte ich eben hören!« sagte Hyazinth ruhig. »Euerer Beglückungstheorie hat man zu gehorchen: dann ist man glücklich, und Euerer Despotie in Durchführung Euerer Ideen sich zu fügen: dann ist man frei. Die Sprache kennt man, mein Florentin. Deine hochgepriesenen Reformatoren in Deutschland und England führten sie auf dem Gebiete des Glaubens und sagten: Glaubt an uns; das ist der wahre Glaube. Deren Nachfolger, die Revolutionsmänner in England zuerst und dann in Frankreich, sagten auf dem politischen Gebiet: Nehmet unsere Ideen an: das ist Freiheit. Und wehe denen, welche es wagten, der neuen Glaubenslehre und den neuen Freiheitsansichten nicht beizustimmen! ihr Ungehorsam wurde mit Verbannung, gewaltsamer Unterdrückung, Martertum und Tod von denjenigen gestraft, welche den Ungehorsam gegen die Anstalt Gottes, die heilige Kirche, hohe Tugend nannten. Das haben wir gelernt in den drei Jahrhunderten, auf welche Du pochst, und welche in unserem Jahrhunderte nach der Vervollständigung trachten, die eine Revolution in den sozialen Verhältnissen, den kirchlichen und politischen Revolutionen geben würde. Wehe denen, die Euerem Joch verfallen! Ihr macht aus Eueren Ideen ein Bett des Procrustes, in welches Ihr die Menschheit hineinzwängen wollt und sie zu diesem Zweck verrenkt und verstümmelt, und dann nennt Ihr diese kläglichen und unvollständigen Gebilde Ideale von Schönheit und Würde, weil sie in Eure Schablonen passen. Aber eben deshalb fehlt ihnen in Wirklichkeit beides, denn Ihr gönnt ihnen keine Selbständigkeit, um zu lieben, und keine Freiheit, um zu gehorchen, da doch die ganze Schönheit der Menschenseele in ihrer Liebe, und ihre ganze Würde im Gehorsam liegt.«

»Was die Liebe betrifft,« entgegnete Florentin, »so geben die Prinzipien des Sozialismus ihr einen ganz ungeheuren Spielraum.«

»Keineswegs! sie verflachen und verflüchtigen die Liebe in die Weite und Breite und berauben sie ihres ewigen Quelles und ewigen Gegenstandes – Gottes. Ohne Kalvarienberg gibt es keine wahre Liebe.«

»Und was den Gehorsam betrifft, so ist der nach den Prinzipien des Sozialismus für das Individuum durchaus überflüssig, indem der Staat, d.h. die gesamte Vergesellschaftung, alle Verhältnisse so harmonisch ordnet, daß jeder einzelne in seiner Berechtigung geschützt ist, niemand beeinträchtigen kann und von niemand beeinträchtigt wird.«

»Das muß eine Art von idealischem Zuchthaus werden, und die gesamte Vergesellschaftung muß darin an Ketten liegen, jeder auf seinem Fleck, denn sonst sehe ich nicht ein, wie diese sämtlichen Gleichberechtigten mit einander Friede halten werden,« sagte Orest.«

»Das ist ganz in der Ordnung,« sagte Hyazinth; »ja, es muß ein Zuchthaus werden, aber ein höchst reelles. Wer die Selbstverleugnung verachtet, den Gehorsam verwirft, in der Losgebundenheit von göttlichen Gesetzen einen Fortschritt sehen will, der muß durch äußeren Zwang in Zucht und Ordnung gehalten werden und der Tyrannei eines Despoten verfallen, wie der sozialistische Staat eben ist.«

»Ihr vergeßt, daß eine nach sozialistischen Prinzipien gebildete und in deren Schulen unterrichtete Menschheit allmählig eine ganz andere, edlere sein wird, als die von heutzutage in ihrer Verdummung und ihrer Unwissenheit,« entgegnete Florentin.

»Wissen und Wollen sind aber zwei sehr verschiedene Fähigkeiten,« rief Hyazinth. »Entwickelst Du in Deiner Menschheit zuerst und zuletzt das Wissen, so ist es sehr wahrscheinlich, daß Du sie eher zu Teufeln als zu Engeln bildest; denn das Wissen nährt den Hochmut und der ist die Schoßsünde des Menschen. Unser Stammvater im Paradiese wußte sehr gut, was verboten und was geboten war; allein da die Schlange sagte, durch ein noch höheres Wissen würde er wie Gott sein: so ließ er seinen Willen für's Gute durch diese Vorspiegelung lähmen – und fiel. Und so und noch viel schlimmer wird es der Menschheit gehen, wenn man sie in den Wahn einlullt, mit dem Wissen des Guten sei dessen Ausübung gleichsam von selbst verbunden. Ein kleines Kind kann diese Behauptung Lügen strafen: es weiß recht gut, daß es nicht naschen darf, und dennoch nascht es, als ein kleiner Sklave der bösen Begierlichkeit, die dem Menschen seit der Erbsünde innewohnt und die nur durch den Willen zum Guten, d. h. durch Gehorsam aus Liebe zu Gott, überwunden werden kann. Aber Ihr leugnet einen außerweltlichen Gott und einen menschgewordenen Gottessohn und Erlöser, der Euch die Gnade erworben hat, Euren Willen im Guten zu festigen und von der Knechtschaft der bösen Begierlichkeit zu befreien. Jedoch wünscht Ihr für sehr vortreffliche und edle Menschen zu gelten, und da Ihr keinen Erlöser habt, der von Sünde befreit, so leugnet Ihr frischweg die Sündhaftigkeit des Menschen und lehrt: nur aus Unwissenheit würden Fehltritte begangen; Aufklärung! Aufklärung! dann sei die Tugend schon vorhanden.«

»Deine Barbarei übersteigt alle Begriffe!« rief Florentin mit höchster Entrüstung. »Tausendfache Erfahrung hat bewiesen, daß die schwersten Verbrechen von Menschen begangen wurden, die in krasser Unwissenheit und ohne Erziehung aufwuchsen.«

»Das ist etwas ganz anderes,« erwiderte Hyazinth. »Wir hatten bei Deinen Bildungsplänen die ganze Menschheit, nicht einzelne Verbrecher im Auge, deren Missetaten allerdings oft aus trauriger Unwissenheit hervorgehen, indem sie nichts wissen von den göttlichen Lehren des Christentums und daher keiner Entwickelung sittlicher Kraft gegen ihre bösen Begierden fähig sind. Das Leben im Glauben aber und nicht das Wissen vom Glauben, gibt jene Kraft und sie äußert sich durch Gehorsam gegen die Glaubenslehre. Bildest Du Deine Menschheit außerhalb jenes Lebens, so wird sie mit all' ihrem Wissen vom Glauben und von sonstigen hohen und tiefen Dingen an sittlicher Kraft, d.h. an Widerstandskraft gegen die böse Begier, so arm sein, daß sie sich blind von ihren Leidenschaften beherrschen läßt und durch dieselben in Eueren Zuchthausstaat hineintaumelt, für den sie reif ist, weil sie verschmäht, folgsam in der Freiheit des Christentums zu leben.«

»Und folgsam fühlt' ich immer meine Seele am schönsten frei,« sagte auf einmal mit ihrer sanften Stimme Regina, die in der Tiefe einer Fensternische mit ihrem Stickrahmen wie in einer kleinen Zelle saß.

»Was sagst Du da, Regina?« rief Uriel, sprang auf und setzte sich ihr gegenüber; »es klingt alles, was Du sagst, wie Musik, aber dies ganz besonders.«

»Es wird wohl die Ansicht irgend eines Heiligen oder eines mittelalterlichen Skribenten sein,« bemerkte Florentin wegwerfend.

»Ratet!« rief Regina lachend.

»Klingt es nicht so gewiß Schillerisch?« fragte Orest.

»Nein, nein, nein!« rief Florentin, »das ist von Unsereinem nicht zu erraten! in die Poesien der Heiligen vertiefen wir uns nicht.«

»Auch nicht in die des heiligen Göthe?« fragte Regina schalkhaft.

»Göthe?« riefen alle aus einem Munde.

»Ja, Göthe, meine Herren! Göthe in der Iphigenia, Akt. V Scene 3. Schlagt nach, wenn's Euch beliebt. Ja, Göthe, der sein Ideal einer reinen Seele in der Iphigenia aufstellt, die doch gewiß nicht vom Christentum befleckt ist, nicht wahr, Florentin? Göthe läßt sie jene Worte aussprechen: »Und folgsam fühlt' ich immer meine Seele am schönsten frei.« Das gefiel mir so gut, weil es so wahr ist, daß ich es behalten habe.«

Uriel, der ein leidenschaftlicher Bewunderer Göthe's war, fragte doch etwas erstaunt:

»Regina, liest Du Göthe?«

»Onkel Levin hat mir Iphigenia und Tasso gegeben, um mir eine Idee beizubringen von der vollendeten Schönheit, deren unsere Sprache fähig ist.«

»Die beiden Tragödien find' ich herzlich langweilig,« sagte Orest. »Aber der Faust, erster Teil, der gefällt mir.«

»Und mir Egmont und Götz von Berlichingen!« rief Florentin; »das sind meine Leute: Kämpfer für die Freiheit!«

»Nämlich für die Unabhängigkeit von Kaiser und Reich und von der gesetzmäßigen Regierung,« sagte Uriel.

»Gib doch den beständigen Streit mit Florentin auf«, sagte Regina leise zu Uriel. »Er setzt sich dadurch mehr und mehr im Widerspruch fest.«

»Er wirft immer zuerst den Fehdehandschuh hin,« erwiderte Uriel, »und noch dazu mit Behauptungen, die entweder ganz falsch oder verdrehte Wahrheiten sind. Er ist überfüllt von jener furchtbaren Intoleranz, die dem Geist der Lüge eigen ist, weil er weiß, daß er nur durch gewalttätige Unterdrückung der Wahrheit zur Herrschaft kommen kann. Das darf man sich nicht gefallen lassen.«

»Ach, Uriel! wie viel Intoleranz muß sich die Kirche gefallen lassen! und sie schweigt dazu, nach dem Beispiel des göttlichen Heilandes, der auch duldete durch den Lügengeist und dennoch schwieg. Was wird nur aus dem armen Florentin werden!«

»Ein Opfer des freien Denkens, womit er prahlt.«


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