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5. Kapitel

Ich war außer mir vor Überraschung und Wut. Was hatte der Schuft Indaba-Zimbi vor? Weshalb war ich aus dem Lager gelockt und ergriffen worden, und weshalb wurde ich dann nicht sofort getötet? Sie nannten mich den »weißen Geist«. War es möglich, daß sie mich schonten, um mich zu Medizin zu verarbeiten? Ich hatte gehört, daß Sulus und ihnen verwandte Stämme dergleichen täten, und mein Blut gerann beim bloßen Gedanken daran. Was für ein Ende! Gemahlen zu werden und zu Medizin verarbeitet und schließlich gegessen!

Ich hatte jedoch wenig Zeit für weitere Reflexionen, denn nun stürmte das ganze Impi vom Donga und den Flußufern zurück, wo es sich verborgen gehalten hatte, während die List ausgeführt wurde, und wiederum formierte es sich an der Abhangsseite. Ich wurde bis auf die Höhe geführt und in die Mitte des Reservekorps gestellt, unter die ganz besondere Obhut eines riesigen Sulu mit Namen Bombyane, desselben Mannes, der als Herold fungiert hatte. Dieser Kerl schien mich mit zärtlicher Neugierde zu betrachten. Ab und zu stieß er mich mit dem Griff seines Assagais in die Rippen, als ob er sich vergewissern wollte, daß ich körperlich wäre, und mehrmals sagte er mir, ich möchte so gut sein und prophezeien, wie viele Sulus fallen würden, ehe die »Amabuna«, wie sie die Buren nannten, »aufgegessen« wären.

Erst nahm ich weiter keine Notiz von ihm und sah ihn nur finster an, aber endlich sagte ich, zur Wut gereizt, daß er in einer Stunde sterben würde!

Er lachte nur laut auf. »Oh, weißer Geist«, sagte er, »ist das so? Mir schon recht, ich bin bereits einen weiten Weg vom Sululande gewandert und bin mit der Ruhe ganz zufrieden.«

Und die wurde ihm bald gewährt, wie wir sehen werden.

Nun fingen die Sulus wieder zu singen an: »Wir haben den weißen Geist gefangen, mein Bruder, mein Bruder!

Die eiserne Zunge flüsterte von ihm, sie spürte ihn aus, mein Bruder!

Nun sind die Mabuna unser – sie sind schon tot, mein Bruder!«

So hatte mich also der verräterische Schuft Indaba-Zimbi verraten. Plötzlich hielt der Chef des Impi, ein grauhaariger Mann mit Namen Sususa, seinen Assagai in die Luft, und sofort herrschte Schweigen.

Dann sprach er mit einigen Indunas, die neben ihm standen. Sogleich liefen sie nach rechts und links das erste Glied entlang und sagten im Vorbeigehen dem Hauptmanne jeder Kompanie ein Wort. Dann gelangten sie an die Enden des Gliedes und hielten gleichzeitig ihre Speere in die Höhe. Sobald sie es taten, stürzte sich die ganze Reihe, die fast tausend Mann zählte, mit einem furchtbaren Gebrüll von »Bulata Amabuna« – »Erschlagt die Buren«, nach vorn, wie ein Bock, der aus seinem Lager gescheucht ist, und stürmte hinab auf das kleine Lager. Es war ein herrlicher Anblick, sie zu sehen, ihre Assagais glänzten im Sonnenlicht, während sie sie über die schwarzen Schilde hoben und senkten, die Kriegsfedern bogen sich im Winde zurück, und die kampfbegeisterten Gesichter blickten unverwandt auf den Feind, während die feste Erde unter dem Donner ihrer ungestüm laufenden Füße erzitterte. Ich dachte an meine armen Freunde, die Holländer, und zitterte. Was für Aussichten hatten sie gegen so viele?

Nun waren die Sulus, die in Form eines Bogens liefen, um das Lager, von drei Seiten zu umzingeln, bis auf siebzig Meter heran, und nun brachen aus jedem Wagen Feuerzungen. Eine Anzahl Umtetwas überschlug sich, aber die übrigen kümmerte das wenig. Weiter stürmten sie bis an das Lager heran und versuchten, sich den Eingang zu erzwingen. Aber die Buren überschütteten sie mit einer Salve nach der andern, und so dichtgedrängt wie die Sulus waren, richteten die Elefantenflinten, die mit Metallstücken und Kugeln geladen waren, schreckliche Verheerungen an. Nur ein Mann gelangte bis an einen Wagen heran, und als er es tat, sah ich eine Burenfrau ihn mit einer Axt auf den Kopf schlagen. Er sank zurück, und langsam zogen sich die Sulus, unter dem Hohngeheul der zwei anderen Glieder auf der Hügelseite, zurück.

»Laß uns gehen, Vater!« schrien die Soldaten an dem Abhänge, unter denen ich war, dem Chef, der herangekommen war, zu. »Du hast die kleinen Mädchen in den Kampf geschickt, und sie sind erschreckt. Laß uns ihnen den Weg zeigen.«

»Nein, nein!« antwortete der Häuptling Sususa lachend. »Wartet einen Augenblick, und die kleinen Mädchen werden zu Frauen heranwachsen, und Frauen sind gut genug, um gegen Buren zu kämpfen!«

Die angreifenden Sulus hörten den Spott ihrer Kameraden und stürmten wieder mit lautem Geheul vorwärts. Aber die Buren im Lager hatten Zeit gehabt zu laden, und ein warmer Empfang wurde ihnen zuteil. Sie sparten ihr Feuer auf, bis die Sulus wie Schafe in einem Kral zusammengepfercht waren, und dann schossen sie mit den Rohren mitten hinein, so daß die Krieger in Haufen fielen. Aber ich sah, daß die Umtetwas nun in Wut kamen; diesmal wollten sie sich nicht zurückschlagen lassen, und das Ende war nahe. Seht! Sechs Leute waren auf einen Wagen geklettert, hatten den Mann darauf erschlagen und sprangen in das Lager. Dort wurden sie getötet, aber andere folgten, und dann wandte ich den Kopf weg. Aber meine Ohren konnte ich den Wut- und Todesschreien nicht verschließen und dem fürchterlichen S'gieh! S'gieh! der Wilden, als sie ihre Mordarbeit vollführten. Nur einmal blickte ich auf und sah den armen Hans Botha auf seinem Wagen stehen und die Leute mit dem Flintenkolben hinunterstoßen. Dann zuckten Assagais wie stählerne Zungen nach ihm, und als ich wieder hinblickte, war er verschwunden.

Ich wurde vor Entsetzen und Wut ganz krank. Aber, ach! Was konnte ich tun? Nun waren sie alle tot, und wahrscheinlich kam ich jetzt an die Reihe, nur würde mein Tod nicht so schnell sein.

Der Kampf war beendet, und die beiden Reihen auf dem Abhänge lösten die Ordnung auf und gingen hinab ins Lager. Bald waren wir da, und ein schrecklicher Anblick bot sich uns dar. Viele der angreifenden Sulus waren tot – wenigstens fünfzig, sollte ich meinen, und wenigstens hundertfünfzig waren verwundet, und manche von ihnen tödlich. Der Häuptling Sususa gab einen Befehl, die toten Leute wurden aufgehoben und zu einem Haufen zusammengeschichtet, während die Verwundeten fortgingen, um jemanden zu finden, der ihnen die Wunden verbände. Aber den schwereren Fällen wurde eine andere Behandlung zuteil. Der Häuptling Sususa oder einer seiner Indunas betrachtete jeden Fall, und wenn er irgendwie bedenklich war, so wurde der Mann aufgehoben und in den Fluß, der in der Nähe vorbeilief, geworfen. Keiner von ihnen erhob irgendeinen Widerspruch, obgleich der eine arme Kerl ans Ufer zurückschwamm. Dort blieb er, jedoch nicht lange, denn sie stießen ihn zurück und ertränkten ihn mit Gewalt.

Der seltsamste Fall war der von des Häuptlings Bruder. Er war Hauptmann der Kolonne gewesen, und sein Knöchel war durch eine Kugel zerschmettert. Sususa trat zu ihm heran, und nachdem er die Wunde untersucht hatte, schalt er ihn tüchtig aus, daß er beim ersten Ansturm zurückgeschlagen worden wäre.

Der arme Kerl sagte zur Entschuldigung, es wäre nicht seine Schuld gewesen, da die Buren ihn beim ersten Anlauf verwundet hätten. Sein Bruder gab die Wahrheit dieser Behauptung zu und sprach freundschaftlich mit ihm.

»Nun«, sagte er zu guter Letzt, indem er ihm eine Prise Schnupftabak anbot, »du kannst nicht wieder gehen.«

»Nein, Häuptling«, sagte der verwundete Mann und blickte auf seinen Knöchel.

»Und morgen müssen wir weit gehen«, fuhr Sususa fort.

»Ja, Häuptling.«

»Nun, sage also, willst du hier im Tale bleiben, oder –«, und er nickte nach dem Flusse zu.

Für einen Augenblick senkte der Mann seinen Kopf auf die Brust, als ob er nachdächte. Dann hob er ihn und blickte Sususa gerade ins Gesicht.

»Mein Knöchel schmerzt mich, mein Bruder«, sagte er; »ich denke, ich will nach dem Sululande zurückgehen, denn dort ist der einzige Kral, den ich sehen möchte, selbst wenn ich wie eine Schlange darin herumkriechen muß!« Die Sulus glauben, daß ihre Seelen nach dem Tode in die Körper großer grüner Schlangen, die in den Kralen herumkriechen, ihren Einzug halten. Diese Schlangen zu töten, ist große Sünde.

»'s ist gut, mein Bruder«, sagte der Häuptling. »Ruhe sanft«, dann schüttelte er ihm die Hand, gab einem der Indunas einen Befehl und wandte sich ab.

Die Leute kamen, stützten den verwundeten Mann und halfen ihm hinab bis ans Flußufer. Hier banden sie auf seine Bitte einen schweren Stein um seinen Hals und warfen ihn dann an einer tiefen Stelle in den Fluß. Ich sah die ganze traurige Szene, und das Opfer zuckte nicht ein einziges Mal. Es war unmöglich, den außerordentlichen Mut des Mannes nicht zu bewundern, und man konnte auch nicht umhin, von der kaltblütigen Grausamkeit seines Bruders, des Häuptlings, frappiert zu werden. Und doch war die Tat von seinem Gesichtspunkte aus unvermeidlich. Entweder mußte der Mann schnell sterben oder dem Hungertode preisgegeben werden, denn kein Suluregiment wird sich mit verwundeten Leuten beladen. Jahre voll unbarmherziger Kriegszüge hatten dies Volk so verhärtet, daß es den Tod gering achtete und ebenso bereit war, ihn zu ertragen, wie ihn andern zuzufügen.

Als dieses selbige Impi von dem Sulukönige Dingaan entsandt worden war, bestand es aus mehr als neuntausend Mann. Nun zählte es noch ungefähr dreitausend, und alle die übrigen waren tot. Was hatte das weiter zu bedeuten? Sie lebten durch Krieg, um im Blute zu sterben. Es war ihr natürliches Ende. »Töte, bis du getötet wirst.« Das ist das Motto des Sulusoldaten. Es hat das Verdienst der Einfachheit.

Mittlerweile durchsuchten die Krieger die Wagen, meinen eigenen ebenfalls, nachdem sie erst all die toten Buren auf einen Haufen geworfen hatten. Ich sah den Haufen an; alle waren da, auch die zwei dicken Frauen, die armen Dinger. Aber ich vermißte eine Leiche, die von Hans Bothas Tochter, der kleinen Tota. Eine wilde Hoffnung durchzuckte mein Herz, daß sie gerettet sein könnte; aber nein, es war unmöglich. Ich konnte nur beten, daß sie schon zur ewigen Ruhe eingegangen war.

Grade in dem Augenblick kam der große Sulu Bombyane, der mich verlassen hatte, um sich ebenfalls der angenehmen Beschäftigung des Wagendurchstöbems hinzugeben, aus einem derselben heraus und schrie, daß er die »kleine Weiße« gefunden hätte. Ich blickte hin, er trug Tota, indem er ihren Rock in einer seiner schwarzen Hände hielt. Er kam bis zu uns heran und hielt das Kind dem Häuptling hin. »Ist es tot, Vater?« sagte er. Nun sah ich gut genug, daß das Kind nicht tot war, sondern verborgen worden und vor Furcht ohnmächtig geworden war.

Der Häuptling blickte flüchtig darauf hin und sagte: »Untersuche es mit deinem Kerrie.«

Dem Winke folgend, hielt der schwarze Teufel das Kind in die Höhe und wollte es eben mit seinem Knotenstock töten. Das war mehr, als ich ertragen konnte. Ich. sprang auf ihn zu und schlug ihn mit voller Wucht ins Gesicht, und kümmerte mich wenig drum, ob ich gespießt werden würde oder nicht. Er ließ Tota auf die Erde fallen.

»Oh!« sagte er, indem er die Hand an die Nase hielt, »der weiße Geist hat eine harte Faust. Komm, Geist, ich will mit dir um das Kind kämpfen.«

Die Soldaten stimmten jubelnd zu und lachten. »Ja, ja!« sagten sie, »laßt Bombyane mit dem weißen Geist um das Kind kämpfen. Laßt sie mit Assagais fechten.«

Einen Augenblick zögerte ich. Was hatte ich für Aussichten gegen diesen schwarzen Riesen? Aber ich hatte dem armen Hans versprochen, das Kind, wenn ich könnte, zu retten, und was kam darauf an? Es war ebensogut, jetzt zu sterben, wie später. Aber ich war doch klug genug, um die Gelegenheit für mich auszunützen, und ließ dem Häuptling durch Indaba-Zimbi sagen, daß ich bereit wäre, mich herabzulassen, Bombyane zu töten, unter der Bedingung, daß mir, wenn es mir gelänge, des Kindes Leben gehören sollte. Indaba-Zimbi verdolmetschte meine Worte, aber ich bemerkte, daß er währenddessen nicht nach mir hinblicken wollte, sondern sein Gesicht mit den Händen bedeckte und von mir sprach als »der Geist« oder der »Sohn des Geistes«, Aus einem Grunde, den ich nie recht begreifen konnte, willigte der Häuptling in das Duell. Ich denke mir, er hielt mich für unsterblich und wollte sehr gern Bombyane getötet sehen.

»Laßt sie fechten«, sagte er. »Gebt ihnen Assagais und keine Schilder; das Kind soll dem Sieger gehören.«

»Ja, ja!« schrien die Soldaten. »Laßt sie fechten.«

»Ängstige dich nicht, Bombyane; wenn er ein Geist ist, so ist er ein sehr kleiner.«

»Ich habe mich niemals vor einem Manne oder einem wilden Tiere gefürchtet und werde nicht vor einem weißen Geist davonlaufen«, antwortete der furchtlose Bombyane, während er die Schneide seines scharfen Assagais prüfte.

Dann bildeten sie einen Ring um uns, gaben mir einen ähnlichen Assagai und stellten uns zehn Schritte voneinander auf. Ich hielt mein Gesicht so ruhig als ich konnte und versuchte, keine Zeichen von Furcht sehen zu lassen, obgleich ich mich im Herzen schrecklich ängstigte. Nach menschlichem Ermessen war meine letzte Stunde gekommen. Der riesige Krieger vor mir hatte den Assagai seit seiner Kinderzeit geführt – ich hatte keinerlei Übung mit der Waffe. Und wenn ich auch schnell und gewandt war, so war er zum mindesten doppelt so stark als ich. Jedoch da gab es keinen Ausweg mehr, so biß ich die Zähne aufeinander, ergriff den großen Speer, sagte ein Gebet und wartete.

Der Riese stand eine Weile still und sah mich an, und währenddessen schritt Indaba-Zimbi durch den Kreis, und während er hinter mir vorbeiging, flüsterte er: »Bleib kaltblütig, Macumazahn, und warte seinen Angriff ab.«

Da ich nicht die geringste Absicht hatte, den Kampf anzufangen, so fand ich den Rat gut.

O Himmel! Wie endlos lang schien mir die halbe Minute! Jahre sind vergangen, seit es geschah, aber die ganze Szene tritt, während ich schreibe, vor mein geistiges Auge. Da hinter uns war das blutgetränkte Lager, und daneben lagen Haufen von Leichen; ringsherum zog sich Reihe hinter Reihe von federgeschmückten Wilden, die schweigend dastanden, um den Ausgang des Duells abzuwarten, und in der Mitte stand der grauhaarige Häuptling und General Sususa in all seinem Kriegsschmuck und einen Mantel von Leopardenfell um die Schultern. Zu seinen Füßen lag die bewußtlose Gestalt der kleinen Tota, zu meiner Linken hockte Indaba-Zimbi, der seine weiße Locke bewegte und irgend etwas murmelte – wahrscheinlich Beschwörungen; während vor mir mein riesenhafter Gegner stand, der den Speer in die Höhe hielt, während seine Federn sich unter der sanften Brise bogen. Dazu schien über alle, über den grasbewachsenen Hang, den Fluß und die Bergkuppen, über die Wagen des Lagers, die Totenhaufen, die dichten Reihen der Lebenden, das ohnmächtige Kind, über uns alle die leuchtende unparteiische Sonne und blickte herab wie das große gleichgültige Auge des Himmels auf die Lieblichkeit der Natur und die Grausamkeit der Menschen. Drunten beim Flusse wuchsen Dornenbüsche, und von ihnen schwebte der süße Duft der Mimosablüten und der Klang girrender Turteltauben herüber. Ich kann nie diesen Duft riechen oder diesen Ton hören, ohne daß die Szene mir wieder ins Gedächtnis käme, bis ins kleinste Detail getreu.

Plötzlich schüttelte Bombyane ohne einen Laut von sich zu geben, seinen Assagai und stürzte auf mich los. Ich sah seine riesige Gestalt kommen, wie jemand, der im Traume ist; ich sah den breiten Speer hoch in der Luft leuchten; nun war er heran. Dann fiel ich durch eine Eingebung der Vorsehung getrieben auf die Knie und streckte schnell wie der Blitz meinen Spieß aus. Er hatte auf mich gezielt: die Schneide fuhr über meinem Kopfe hin. Ich fühlte auf meinem Assagai ein Gewicht: er wurde mir aus der Hand gerissen, und sein schwerer Stiel schlug gegen mich. Ich bückte mich um. Bombyane schwankte, den Kopf in den Nacken geworfen, die Arme, denen der Speer entfallen, weit von sich gestreckt. Sein Speer war gefallen, aber der meinige steckte zwischen seinen Schultern – ich hatte ihn durchbohrt. Er stand still, drehte sich um, als ob er nach mir sehen wollte, dann sank der Riese mit einem Seufzer zu Boden – tot.

Für einen Augenblick herrschte tiefes Schweigen; dann ließ sich ein lauter Schrei hören – der Schrei: »Bombyane ist tot. Der weiße Geist hat Bombyane erschlagen. Tötet den Zauberer, tötet den Geist, der Bombyane durch Zauberei erstochen hat.«

Sofort war ich von zornigen Gesichtern umringt, und Speere glänzten vor meinen Augen. Ich kreuzte meine Arme und stand ruhig da, das Ende erwartend. In einem Augenblick mußte es da sein, denn die Krieger waren ganz toll, als sie ihren Kämpen so schnell überwältigt sahen. Aber alsbald hörte ich durch den Tumult die hohe blecherne Stimme Indaba-Zimbis.

»Haltet ein, ihr Narren!« rief er; »kann denn ein Geist getötet werden?«

»Spießt ihn! Spießt ihn!« brüllten sie voller Wut. »Laßt uns sehen, ob er ein Geist ist? Wie kam's, daß ein Geist Bombyane mit dem Assagai erschlug? Spieße ihn, Regenmacher, und dann werden wir es sehen!«

»Steht zurück«, rief Indaba-Zimbi wieder, »und ich will euch zeigen, ob er getötet werden kann. Ich werde ihn selbst töten und ihn vor euren Augen zum Leben zurückrufen. Macumazahn, vertraue mir«, flüsterte er mir in der Sisutsusprache ins Ohr, weil die Sulus die nicht verstanden. »Vertraue mir; knie vor mir ins Gras, und wenn ich dich mit dem Speere treffe, dann schlage über wie ein Toter; dann, wenn du meine Stimme wieder hörst, stehe auf. Vertraue mir – es ist deine einzige Hoffnung.«

Da ich keine Wahl hatte, so nickte ich zustimmend mit dem Kopfe, obgleich ich keine Ahnung hatte, was er tun wollte. Der Tumult ließ etwas nach, und die Krieger zogen sich ein Stückchen zurück. »Großer weißer Geist – Geist des Sieges«, sagte Indaba-Zimbi, indem er mich laut anredete und sein Gesicht mit der Hand bedeckte, »höre mich und vergib mir. Diese Kinder sind aus Torheit blind und halten dich für sterblich, weil du einem Sterblichen, der dir zu widerstehen wagte, den Todesstreich versetzt hast. Geruhe vor mir zu knien und laß mich dein Herz mit diesem Speere durchbohren, und dann, wenn ich dich wieder anrufe, dann erhebe dich unverletzt.«

Ich kniete nieder, nicht weil ich gern wollte, sondern weil ich mußte. Ich hatte nicht gar zu viel Vertrauen in Indaba-Zimbi und hielt es für leicht möglich, daß er allen Ernstes mit mir ein Ende machen wollte. Aber ich war von all der Furcht so niedergedrückt, die Schrecken der Nacht und des Kampfes hatten meine Nerven derart erschüttert, daß mir ziemlich gleichgültig war, was aus mir wurde. Als ich also ungefähr eine halbe Minute gekniet hatte, sprach Indaba-Zimbi:

»Volk des Umtetwa, Kinder des T'Chaka«, sagte er, »zieht euch noch ein wenig mehr zurück, damit euch kein Unglück befällt, denn die Luft ist voll von Geistern.«

Sie wichen ein Stück zurück und ließen uns in einem Kreise von ungefähr zwölf Metern im Durchmesser.

»Seht auf ihn, der vor euch kniet«, fuhr Indaba-Zimbi fort, »und hört auf meine Worte, auf die Worte des Hexenmeisters, die Worte des Regenmachers Indaba-Zimbi, dessen Ruhm euch bekannt ist. Er scheint ein Mann zu sein, ist es nicht so? Ich sage euch, Kinder des Umtetwa, er ist kein Mann. Er ist der Geist, der den weißen Männern den Sieg verleiht, er ist es, der ihnen Assagais gab, die donnern, der sie lehrte, wie sie kämpfen müssen. Warum wurde die Impis Dingaans am Blutflusse zurückgeworfen? Weil er dort war. Warum schlugen die Amabuna das Volk Mosilikaatzes zu Tausenden? Weil er dort war. Und so sage ich euch das. Hätte ich ihn nicht vor noch nicht drei Stunden durch Zauberkraft aus dem Lager geholt, so würdet ihr überwältigt worden sein – ja, ihr wäret weggeweht wie der Staub vom Winde; ihr wäret verbrannt wie das trockene Gras im Winter, wenn das Feuer darin angefacht ist. Ach, weil er nur überhaupt dort gewesen war, wurden viele eurer bravsten Leute getötet, indem sie nur wenige besiegten – ein Häufchen Männer, die man an den Fingern herzählen konnte. Aber weil ich euch liebte, weil euer Häuptling Sususa mein Halbbruder ist – denn hatten wir nicht einen Vater? –, kam ich zu euch und warnte euch. Dann batet ihr mich, und ich zog den Geist fort. Aber ihr wäret nicht zufrieden, als der Sieg euer war, als der Geist von all eurer Kriegsbeute ein einziges kleines Ding erbat – ein weißes Kind, das er haben und opfern wollte, um die Medizin seines Zaubers daraus zu machen.«

Hier konnte ich mich kaum enthalten, ihn zu unterbrechen, aber ich hielt es doch für ratsamer, zu schweigen.

»Ihr sagtet ihm nein; ihr sagtet: ›Laßt ihn mit unserem tapfersten Manne kämpfen, laßt ihn mit Bombyane, dem Riesen, um das Kind fechten.‹ Und er hat sich herabgelassen, Bombyane zu erschlagen, wie ihr gesehen habt, und nun sagt ihr, ›erschlagt ihn; er ist kein Geist‹. Nun werde ich euch zeigen, ob er ein Geist ist; denn ich werde ihn vor euren Augen erschlagen und ihn wieder zum Leben zurückrufen. Aber ihr habt es nun mit ihm verscherzt. Hättet ihr ihm geglaubt, hättet ihr den Geist nicht beleidigt, dann wäre er bei euch geblieben, und ihr wäret unüberwindbar geworden. Nun wird er sich erheben und euch verlassen, und Wehe über euch, wenn ihr ihn zu halten versucht. Nun, all ihr Leute«, fuhr er fort, »blickt eine Zeitlang auf diesen Assagai, den ich in die Luft halte«, und er hob den Bangwanar des verstorbenen Bombyane hoch über seinen Kopf, so daß die ganze Menge ihn sehen konnte. Jedes Auge war auf den breiten leuchtenden Speer geheftet. Für eine Weile hielt er ihn still dann bewegte er ihn im Kreise umher, indem er vor sich hin murmelte, und noch immer folgten ihm ihre Blicke. Ich für meinen Teil folgte seinen Bewegungen mit der größten Angst. Dieser Assagai war mir schon näher auf dem Leibe gewesen, als mich angenehm dünkte, und ich hegte keinerlei Wunsch, seine weitere Bekanntschaft zu machen. Und ich war auch keineswegs sicher, ob mich Indaba-Zimbi nicht doch töten wollte. Ich konnte sein Vorhaben nicht im geringsten verstehen, und ich konnte auch keinen Geschmack daran finden, den corpus vile bei seinen Zauberexperimenten zu spielen.

»Seht! Seht! Seht!« schrie er.

Dann flog der große Speer plötzlich hernieder auf meine Brust. Ich fühlte nichts, aber es schien, als wenn er mich durchbohrt hätte.

»Seht!« schrien die Sulus. »Indaba-Zimbi hat ihn durchspießt; der rote Assagai steht an seinem Rücken heraus.«

»Schlag zurück, Macumazahn«, zischte Indaba-Zimbi in mein Ohr, »schlag zurück und tue, als ob du stirbst – flink, flink!«

Ich verlor keine Zeit, diese seltsamen Instruktionen zu befolgen, sondern fiel auf die Seite, schlug die Arme weit weg, streckte die Beine von mir und starb so kunstgerecht, wie ich konnte. Dann hatte ich einen Bühnenschauer und lag still.

»Seht!« sagten die Sulus, »er ist tot, der Geist ist tot. Seht auf das Blut an dem Assagai!«

»Bleibt zurück! Bleibt zurück!« schrie Indaba-Zimbi, »oder der Geist wird euch verfolgen. Ja, er ist tot, und nun will ich ihn wieder ins Leben zurückrufen. Seht!«, und indem er seine Hand niederhielt, zog er den Spieß da heraus, wo er stak, und hielt ihn in die Luft. »Der Speer ist rot, nicht wahr? Paßt auf, Leute, paßt auf! Er wird weiß!«

»Ja, er wird weiß«, sagten sie. »Oh, er wird weiß.«

»Er wird weiß, weil das Blut dorthin zurückkehrt, wo es hergekommen ist«, sagte Indaba-Zimbi.

»Nun, großer Geist, höre mich. Du bist tot, der Atem ist aus deinem Munde entflohen. Dennoch höre mich und erhebe dich. Erwache, weißer Geist, erwache und zeige deine Macht. Erwache! Erhebe dich unverletzt!«

Ich begann bereitwillig dieser freundlichen Aufforderung Folge zu leisten.

»Nicht so schnell, Macumazahn«, flüsterte Indaba-Zimbi.

Ich befolgte den Wink und hielt erst den Arm in die Höhe, dann hob ich den Kopf und ließ ihn wieder zurückfallen.

»Er lebt! Beim Haupte T'Chakas, er lebt!« brüllten die Soldaten, von tödlicher Furcht ergriffen.

Dann erhob ich mich langsam und mit der größtmöglichsten Würde, streckte meine Arme aus, gähnte, wie jemand, der aus tiefem Schlafe erwacht, wandte mich um und blickte sie gleichgültig an. Als ich es tat, gewahrte ich, daß der alte Indaba-Zimbi fast vor Erschöpfung ohnmächtig wurde. Schweißtropfen standen auf seiner Stirn, seine Glieder zitterten, und seine Brust keuchte. Was die Sulus anbetrifft, so warteten sie nicht auf mehr. Mit einem Schreckensgeheul wandte sich das ganze Regiment und floh den Abhang hinauf, so daß wir mit dem ohnmächtigen Kinde allein zurückblieben.

»Wie um Himmels willen hast du denn das gemacht, Indaba-Zimbi?« fragte ich voller Erstaunen.

»Frage mich nicht, Macumazahn«, stöhnte er. »Ihr weißen Leute seid sehr klug, aber ihr wißt doch nicht alles. Es gibt Menschen in der Welt, die andere Leute glauben machen können, daß sie Dinge sehen, die sie nicht sehen. Laß uns gehen, während wir noch können, denn wenn diese Umtetwas ihre Furcht überwunden haben, so werden sie zurückkehren, um die Wagen zu plündern, und dann werden sie vielleicht Fragen stellen, die ich nicht beantworten kann.«

Und hier kann ich gleich erwähnen, daß ich niemals eine genauere Auskunft über diese Sache vom alten Indaba-Zimbi erhielt. Aber ich habe meine Gedanken darüber, und hier sind sie. Ich glaube, daß Indaba-Zimbi die ganze Menge der Zuschauer hypnotisierte und sie glauben machte, daß sie den Assagai in meinem Herzen und das Blut auf der Klinge sähen. Der Leser lacht vielleicht und sagt: »unmöglich«; aber ich frage ihn, wie die indischen Gaukler ihre Kunststücke machen, wenn nicht durch Hypnotismus. Die Zuschauer scheinen den Knaben unter den Korb gehen und dort von Dolchen durchbohrt werden zu sehen, sie scheinen die Frau in Verzückung in der Luft und auf der Spitze eines einzigen Schwertes schweben zu sehen. An sich sind diese Dinge unmöglich, die zerstören die Naturgesetze und müssen deshalb auf Einbildung beruhen. Und so schien das Sulu-Impi durch den Zauber, der durch Indaba-Zimbis Willen sie bannte, mich durch den Assagai, der mich niemals berührte, durchbohrt zu sehen. Wenigstens ist dies meine Theorie; wenn irgend jemand eine bessere hat, so mag er sie behalten. Die Erklärung liegt zwischen Illusion und Zauberei von ungewöhnlicher Art, und ich ziehe vor, die erste Alternative anzunehmen.


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