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3. Kapitel

Ich mache weder mir selbst noch jemand anders gegenüber, der vielleicht in späteren Tagen diese Geschichte liest, eine Entschuldigung, daß ich die Art meines Begegnens mit Indaba-Zimbi beschrieben habe; denn erstens ist es seltsam genug, und zweitens hat er seine Hand bei den folgenden Ereignissen im Spiele. Wenn dieser alte Mann ein Schwindler war, dann war er ein sehr kluger. Wieviel Wahrheit in seinen Prätensionen überirdischer Kräfte enthalten war, steht mir nicht zu, zu entscheiden, obgleich ich meine eigene Ansicht betreffs derselben haben mag. Aber über den außerordentlichen Einfluß, den er auf die andern Eingeborenen hatte, ist kein Irrtum möglich. Auch meinen armen Vater brachte er ganz herum. Zuerst verweigerte der alte Herr ihm die Aufnahme auf der Station, denn er hatte eine große Abneigung gegen alle diese Kaffern, Hexenkünstler und Zauberer. Aber Indaba-Zimbi redete ihm vor, daß er begierig wäre, die Wahrheit des Christentums zu erforschen, und verwickelte ihn in eine Diskussion. Die Streitfrage dauerte zwei Jahre – das heißt, bis zu meines Vaters Tode. Bei dem Abschluß jeder Unterredung pflegte Indaba-Zimbi mit den Worten des Agrippa zu sprechen: »Es fehlt nicht viel, du überredest mich, daß ich ein Christ würde«, aber er wurde niemals wirklich einer – und, ich bin überzeugt, er hatte auch nie die Absicht, es zu werden. Er war es, an den mein Vater die »Briefe an einen Zweifler unter den Eingeborenen« richtete. Dieses Werk, das unglücklicherweise Manuskript geblieben ist, ist voll von weisen Reden und gelehrten Beweisen. Es müßte eigentlich zusammen mit des Zweiflers Antworten veröffentlicht werden.

So dauerte also die Streitfrage immer fort. Wenn mein Vater am Leben geblieben wäre, so würde sie selbst jetzt noch weitergeführt werden, denn die beiden Disputanten waren ganz unermüdlich. Inzwischen wurde Indaba-Zimbi gestattet, auf der Station zu leben, aber unter der Bedingung, daß er keine Zauberei triebe, denn mein Vater glaubte fest, das wäre eine Teufelslist. Er versprach, es nicht zu tun, aber niemals war ein Ochse verloren gegangen oder ein plötzlicher Tod eingetreten, wo nicht die Betroffenen ihn sofort zu Rate gezogen hätten. Als er ein Jahr bei uns gewesen war, kam eine Deputation von dem Stamme, den er verlassen hatte, denn jetzt war der Häuptling, sein Feind, gestorben. Der alte Indaba-Zimbi hörte ihnen zu, bis sie fertig waren, und währenddessen türmte er mit seinen Zehen Sand zu einem kleinen Haufen. Dann sprach er und zeigte darauf hin. »So ist euer Stamm heute.« Darauf hob er den Hacken und trat den Haufen flach. »Und das ist euer Stamm, ehe drei Monde vergangen sind. Nichts bleibt davon übrig. Ihr jagtet mich weg; ich will nichts mehr mit euch zu tun haben; aber wenn ihr getötet werdet, dann denkt an meine Worte.«

Die Boten gingen. Drei Monate später hörte ich, daß die ganze Gesellschaft durch einen andern Stamm überfallen und niedergemetzelt worden sei. –

Als ich endlich so weit war, meine Entdeckungsreise anzutreten, ging ich zum alten Indaba-Zimbi, um von ihm Abschied zu nehmen, und war im höchsten Grade überrascht, als ich ihn Medizin, Assagais und allerhand andere Sachen einwickeln sah.

»Leb wohl, Indaba-Zimbi«, sagte ich, »ich ziehe gen Norden.«

»Jawohl, Macumazahn«, antwortete er, den Kopf auf die Seite gelegt; »und ich auch – ich will das Land da sehen. Wir wollen zusammengehen.«

»So, wollen wir?« sagte ich; »warte doch, bis man dich dazu auffordert, du alter Schwindler.«

»Dann tust du gut, mich aufzufordern, Macumazahn, denn wenn du es nicht tust, so wirst du niemals wieder lebend zurückkommen. Jetzt, da der alte Häuptling dahingegangen ist, wo die Stürme herkommen«, und er winkte nach dem Himmel hin, »falle ich wieder in schlechte Angewohnheiten zurück. So habe ich gerade letzte Nacht die Knochen ausgestreut und über deine Reise alles erforscht, und ich kann dir sagen, wenn du mich nicht mitnimmst, so wirst du sterben, und was schlimmer ist, so wirst du eine verlieren, die dir lieber ist als das Leben. Und nur deshalb, weil du mir vor einigen Jahren den Wink gabst, habe ich mich entschlossen, mit dir zu gehen.«

»Ach, rede doch kein dummes Zeug«, sagte ich.

»Schon gut, Macumazahn, schon gut; aber was geschah meinem eigenen Volke vor sechs Monaten, und was sagte ich den Boten, das passieren würde? Sie trieben mich fort, und sie sind vergangen. Wenn du mich forttreibst, so wirst auch du in kurzer Zeit vergangen sein«, und er nickte mir mit seiner weißen Locke zu und lächelte.

Nun bin ich nicht abergläubischer wie andere Leute, aber dem sei wie ihm wolle, der alte Indaba-Zimbi machte Eindruck auf mich. Und ich wußte auch, welch außerordentlichen Einfluß er auf alle Arten der Eingeborenen hatte, und überlegte, daß er dadurch mir von manchem Nutzen sein könnte.

»Nun, mir ist's recht«, sagte ich; »dann ernenne ich dich zum Zaubermeister ohne Gehalt bei der Expedition.«

»Erst diene und dann frage um Lohn«, antwortete er. »Ich freue mich, zu sehen, daß du genug Einbildungskraft hast, um nicht ein vollständiger Narr zu sein wie die meisten weißen Menschen, Macumazahn. Ja, ja, 's ist der Mangel an Einbildungskraft, der die Leute zu Narren macht; sie wollen nicht glauben, was sie nicht verstehen können. Du kannst meine Prophezeiungen ebensowenig begreifen, wie der Narr im Kral begreifen konnte, daß ich sein Meister beim Gewitter war. Nun gut, es ist die rechte Zeit zu reisen, aber wenn ich du wäre, Macumazahn, so würde ich einen Wagen nehmen, und nicht zwei.«

»Warum?« sagte ich.

»Weil du deine Wagen verlieren wirst, und es besser ist, einen Wagen zu verlieren als zwei.«

»Ach, Unsinn!« sagte ich.

»Schon gut, Macumazahn, lebe und lerne.«

Und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging er auf den vordersten Wagen zu, legte sein Bündel hinein und setzte sich auf den vorderen Sitz.

Ich nahm noch rasch von meinen weißen Freunden Abschied, den alten Schotten inbegriffen, der sich zur Feier des Tages betrunken hatte und Burns zitierte, bis ihm die Tränen über die Backen liefen, und dann brach ich auf und reiste langsam gen Norden. In den ersten drei Wochen ereignete sich nichts Besonderes. Die Kaffern, mit denen wir in Berührung kamen, waren freundlich gesinnt, und Wild gab es in Hülle und Fülle. Kein Mensch, der jetzt in diesen Teilen Afrikas lebt, hat nur die entfernteste Idee, wie es vor nur dreißig Jahren dort war. Wie oft bin ich zitternd auf meinen Wagensitz geklettert, grade wenn die Sonne aufging und hervorlugte. – Erst sah man nichts als ein weites Feld von weißem Nebel, das nach Osten zu von einem flimmernden goldenen Schein überflutet wurde, durch den die Spitzen der steinigen Kuppen wie riesige Warnungszeichen emporragten. Durch den dichten Nebel drangen dann seltsame Töne – Schnauben, Grunzen, Gebrüll, und der Donner von zahllosen Hufen.

Dann wurde dieser große Vorhang dünner, und endlich zerschmolz er ganz, wie der Rauch einer Pfeife in der Luft zergeht, und auf Meilen hinaus sah man das weite wellige Land, dann und wann von Gebüschen unterbrochen, sich dem Auge darbieten. Aber es war nicht herrenlos, wie heutzutage, denn so weit das Auge reichte, war es schwarz von Wild. Hier zur Rechten mochte eine Herde Wilderbeeste oder Gnus sein, die nicht weniger als fünftausend zählen konnte. Einige grasten, andere sprangen herum und fuchtelten mit ihren weißen Schwänzen in der Luft, während überall die alten Bullen auf kleinen Hügeln standen und bei der Brise argwöhnisch schnüffelten. – Da gradeaus, vielleicht tausend Schritte weit, obgleich es dem ungeübten Auge wegen der wunderbaren Klarheit der Atmosphäre viel näher erschien, war eine große Herde Springböcke, die in einer einzigen Reihe zogen. Ah, sie sind an die Wagenspur gelangt, und der Anblick gefällt ihnen nicht. Was werden sie tun? – Zurückgehen? Kein Gedanke daran. Sie ist ziemlich dreißig Fuß weit, aber was will das für einen Springbock besagen. Seht, der erste in der Reihe springt wie ein Ball in die Luft. Wie wundervoll der Sonnenschein auf seinem goldigen Felle gleißt! Er hat's erreicht, und die andern tun's ihm nach in zahlloser Folge, alle, mit Ausnahme der jungen Tiere, die noch nicht so weit springen können und die mit einem ängstlichen »Bäh« über den zweifelhaften Pfad klettern. – Was ist denn das dort drüben? Es bewegt sich über den Spitzen der Mimosen in der kleinen Einsenkung am Fuße der Kuppe. Giraffen, wahrhaftig, drei an der Zahl; da gibt's heute zum Abendessen Markknochen! Horch, der Erdboden hinter uns erzittert, und über den Rand der Erhöhung jagt eine große Herde Bläßböcke heran. Sie stürmen in vollem Galopp herbei; die langen Köpfe zur Erde gesenkt, sehen sie wie bärtige Ziegen aus. Ich dachte mir's doch – hinter ihnen ist eine Rotte wilder Hunde her, das Fell beschmutzt, die Zungen heraushängend. Sie lärmen, so laut sie können; die Giraffen hören sie, und um die Bergkuppe wogend, wie Schiffe bei schwerem Seegang, sind sie verschwunden. Nun, da gibt's zuletzt also doch keine Markknochen. – Seht, die vordersten Hunde sind dicht an einen Bock heran. Er ist weit gelaufen und abgehetzt. Einer springt ihm nach der Flanke und verfehlt ihn; der Bock stöhnt auf, blickt sich wild um und sieht den Wagen. Er scheint einen Augenblick zu zögern, dann springt er voller Verzweiflung drauf los und fällt erschöpft zwischen die Ochsen. Die Hunde ziehen sich keuchend und knurrend ungefähr dreißig Schritt zurück. Nun, Junge, die Flinte – nein, nicht die Büchse, die Jagdflinte mit Bleistücken geladen. Bum! bum! – Da, meine Freunde, zwei von euch werden nie wieder Böcke jagen. Nein, rühr den Bock nicht an, er ist zu uns gekommen, um Schutz zu suchen, und den soll er haben. – Oh, wie schön ist die Natur, ehe der Mensch kommt, um sie zu verderben.

Solch einen Anblick, wie diesen, habe ich viele hundert Male gehabt, und ich hoffe, ihn nochmals zu haben, ehe ich sterbe.

Das erste wirkliche Abenteuer, das ich auf dieser merkwürdigen Reise hatte, war mit Elefanten, und ich will es wegen seines seltsamen Ausgangs erzählen. Grade ehe wir den Orangefluß kreuzten, kamen wir an einen Strich Waldland, der so einige zwanzig englische Meilen breit war. In der Nacht, nachdem wir den Wald erreicht hatten, kampierten wir in einer lieblichen Lichtung. Wenige Schritte vom Lager wuchs Tambonkigras bis zu Manneshöhe, oder vielmehr es war da gewesen, denn jetzt war mit Ausnahme einiger Stengel alles flachgetreten. Es war schon dämmerig, als wir unser Lager aufschlugen, aber nachdem der Mond aufgegangen war, verließ ich das Feuer, um zu sehen, wie sich das zugetragen haben mochte. Ein Blick genügte für mich; eine große Herde Elefanten war augenscheinlich vor wenigen Stunden über das hohe Gras gegangen. Der Anblick ihrer Spur freute mich unendlich, denn wenngleich ich schon wilde Elefanten gesehen hatte, so hatte ich zu jener Zeit noch niemals einen geschossen. Außerdem ist der Anblick einer Elefantenspur für den afrikanischen Jäger dasselbe, was »Färbung im Schmelztiegel« für den Goldsucher ist. Vom Elfenbein lebt er, und solches zu gewinnen und damit zu handeln, ist das Hauptziel seines Lebens. Mein Entschluß war bald gefaßt. Ich wollte die Wagen eine Zeitlang im Walde lagern lassen und zu Pferde den Elefanten folgen.

Ich teilte meinen Entschluß Indaba-Zimbi und den andern Kaffern mit. Die letzteren waren nicht abgeneigt, denn der Kaffer liebt die Jagd, sie bedeutet ja reichlich Fleisch zum Essen und angenehme Beschäftigung, aber Indaba-Zimbi wollte seine Meinung nicht kundtun. Ich sah, wie er sich zu einem kleinen Feuer zurückzog, das er für sich allein angezündet hatte, und sich mit ganz geheimnisvollen Verrichtungen mit Knochen und Erde, die mit Asche gemischt wurde, beschäftigte, natürlich von den Kaffern mit dem größten Interesse beobachtet. Endlich erhob er sich, und indem er auf mich zukam, sagte er, es wäre alles in Ordnung, und ich täte recht daran, die Elefanten zu jagen, da ich eine Menge Elfenbein gewinnen würde; aber er riet mir, zu Fuß zu gehen. Ich sagte, ich dächte gar nicht daran, sondern wollte reiten. Jetzt bin ich klüger; das war das erste- und letztemal, daß ich je versucht habe, Elefanten zu Pferde zu jagen.

Demgemäß brachen wir beim Morgengrauen auf, ich, Indaba-Zimbi und drei Leute; die übrigen ließ ich bei den Wagen. Ich war zu Pferde, und ebenso mein Treiber, ein guter Reiter und für einen Kaffern ein geschickter Schütze, aber Indaba-Zimbi und die anderen gingen zu Fuß. Vom Morgengrauen bis Mittag folgten wir den Spuren der Herde, die so klar wie eine Chaussee vor uns lag. Dann sattelten wir ab, ließen die Pferde fressen und sich ausruhen, und zogen um drei Uhr wieder los. Wieder verging ungefähr eine Stunde, und immer noch war nichts von Elefanten zu sehen. Augenscheinlich war die Herde schnell und weit gezogen, und ich fing an zu denken, daß wir es aufgeben müßten, als ich plötzlich eine braune Masse gewahrte, die sich durch die Dornenbäume an dem Abhänge eines Hügels ungefähr eine Viertelmeile von uns entfernt bewegte. Mein Herz schien mir bis in den Mund zu schlagen. Wo ist der Jäger, dem es nicht beim ersten Anblick eines Elefanten ebenso gegangen ist? Ich rief Halt, und dann machten wir uns, da der Wind günstig war, daran, den Bullen zu verfolgen. Sehr leise ritt ich den Hügel hinab, bis wir an seinen Fuß kamen, der dicht mit Gesträuch bewachsen war. Hier sah ich, daß die Elefanten gefressen hatten, denn zerbrochene Zweige und umgestürzte Bäume lagen rings umher. Ich gab aber nicht sonderlich acht darauf, denn all meine Gedanken galten dem Bullen, den ich verfolgte. Plötzlich machte mein Pferd einen Sprung und warf mich beinahe aus dem Sattel, während ein mächtiges Rauschen sich hören ließ und etwas sich vor mir erhob. Ich blickte auf, da war der hintere Teil eines zweiten Elefantenbullen nicht vier Schritte von mir entfernt. Ich konnte grade noch seine ausgestreckten Ohren zu beiden Seiten des Körpers gewahren. Natürlicherweise wäre es das klügste gewesen, ihn laufen zu lassen, aber ich war in jenen Jahren dumm und töricht und hob mein Rohr oder meine Elefantenflinte und feuerte über meines Pferdes Kopf hinweg auf das große Untier. Der Rückstoß der Flinte schleuderte mich beinahe vom Pferde. Ich erholte mich jedoch, und währenddem sah ich den Bullen vorwärtsstapfen, denn das Eindringen einer drei Unzen schweren Kugel in die Flanken wird selbst die Bewegungen eines Elefanten beschleunigen. Inzwischen war mir die Torheit meines Schusses klargeworden, und ich hoffte inbrünstig, der Elefant möchte keine weitere Notiz davon nehmen. Aber er hatte eine andere Ansicht von der Sache. Er schlug verschiedentlich mit den Beinen aus, und dann wandte er sich um und kam mit ausgestreckten Ohren und erhobenem Rüssel auf mich zu und brüllte ganz fürchterlich. Ich war vollständig wehrlos, denn meine Flinte war leer, und mein erster Gedanke galt der Flucht. Ich drückte meine Sporen tief in die Weichen meines Pferdes, aber es rührte sich keinen Zoll breit. Das arme Tier war vor Schrecken gelähmt und stand still mit weitausgestreckten Vorderbeinen und zitterte wie Espenlaub.

Der Elefant stürzte auf uns zu, entsetzlich anzusehen; ich machte noch einen vergeblichen Versuch, das Pferd anzuspornen. Nun schwebte der Rüssel des großen Bullen über meinem Kopfe. Ein Gedanke zuckte durch mein Hirn, und schnell wie der Blitz rutschte ich aus dem Sattel. Neben dem Pferde lag ein umgefallener Baum, so dick wie ein Mann ungefähr. Der Baumstamm war ein wenig vom Erdboden entfernt, durch die abgebrochenen Zweige, die seine Last trugen, und mit einer einzigen Bewegung, so flink ist man, wenn Not an Mann kommt, schwang ich mich unter denselben.

Als ich es tat, hörte ich den Rüssel des Elefanten mit einem mächtigen Krach auf den Rücken meines armen Pferdes fallen, und im nächsten Augenblick war ich beinahe von Finsternis umgeben, denn das Pferd, dessen Rückgrat gebrochen war, fiel quer über den Baum, unter dem ich mich versteckt hatte. Aber es blieb nicht lange da liegen. In zehn weiteren Sekunden hatte der Bulle seinen Rüssel um meines Kleppers Hals geschlungen und schleuderte ihn mit einer mächtigen Anstrengung von dem Baume fort. Ich rutschte soweit als ich konnte zurück nach den Wurzeln des Baumes zu, denn ich wußte, was er vorhatte. Und schon sah ich die rote Spitze seines Rüssels sich nach mir ausstrecken. Wenn es ihm gelang, ihn um irgendeinen Teil meines Körpers zu haken, dann war ich verloren. Aber bei der Stellung, die ich einnahm, war ihm das grade unmöglich, obgleich er niederkniete, um sich das Geschäft zu erleichtern. Wieder kam die schnappende Spitze, wie das weit offene Maul einer Schlange; sie schloß sich über meinem Hute, und er verschwand. Nochmals wurde der Rüssel hinabgesenkt, und ein Wutschrei erklang daraus, vier Zoll von meinem Kopfe entfernt. Nun schien er sich noch zu verlängern. O Himmel, nun hatte er mich beim Haar, das, zum Glück für mich, nicht sehr lang war. Dann war ich an der Reihe, zu schreien, denn im nächsten Augenblick wurde ein halber Quadratzoll Haare von meinem Skalp mit den Wurzeln ausgerissen. Ich wurde bei lebendigem Leibe gerupft, wie ich manchmal grausame Kaffernküchenjungen das Geflügel hatte rupfen sehen. Der Elefant, der von dem mäßigen Resultate enttäuscht war, änderte seine Taktik. Er schlang seinen Rüssel um den gefallenen Baum und hob ihn. Er rührte sich, aber zum Glück hielten ihn die gebrochenen Zweige, die in dem schlammigen Boden eingesenkt waren, und einige Wurzeln noch fest und verhinderten, daß er umgekehrt wurde, obgleich er ihn so hoch hob, daß, wenn es ihm jetzt eingefallen wäre, er mich leicht mit seinem Rüssel hätte darunter hervorfischen können. Wieder zog und hob er mit all seiner gewaltigen Kraft, und ich sah, daß der Baum nachgab, und schrie laut um Hilfe. Einige Schüsse fielen als Antwort in unmittelbarer Nähe, aber wenn sie den Bullen trafen, war ihr einziger Effekt, daß sie seine Tatkraft zu noch größerer Leistungsfähigkeit anspornten. Noch wenige Sekunden, dann war mein Schutz fortgerissen, und um mich war's geschehen. Kalter Schweiß brach mir aus, als es mir klar wurde, daß ich verloren war. Da plötzlich entsann ich mich, daß ich eine Pistole im Gürtel hatte, die ich oft benutzte, um angeschossenes Wild völlig zu töten. Sie war geladen und abgestellt. Diesmal wurde der Baum so weit gehoben, daß ich die Hand leicht bis zu der Pistole bringen und sie aus ihrem Futteral ziehen konnte. Ich schob die Sicherung zurück und spannte den Hahn. Jetzt gab der Baum nach, und da, drei Fuß von meinem Kopfe entfernt, war der große braune Rüssel des Elefanten. Ich hielt die Mündung der Pistole nur einen Zoll davon entfernt und feuerte los. Der Erfolg war ein augenblicklicher. Herunter sank der Baum und quetschte mein Bein ganz tüchtig, und im nächsten Augenblick hörte ich ein krachendes Geräusch. Der Elefant war hingestürzt.

Nun war ich erlöst von Not und Angst und gerettet. Ich weiß nicht mehr, wie ich unter dem gefallenen Baume hervorgekommen bin, noch irgend etwas, das nachher geschah, bis ich mich auf dem Erdboden sitzend und Pfirsichschnaps aus einer Flasche trinkend fand. Der alte Indaba-Zimbi saß mir gegenüber und schüttelte weise seine weiße Locke, während er moralische Reflexionen über die Rettung aus höchster Gefahr und meinen Mangel an Klugheit zum besten gab, daß ich nicht seinem Rate gefolgt und zu Fuß gegangen war. Dabei fiel mir mein Pferd ein, und ich stand auf, um mich nach ihm umzusehen. Es war vollständig tot, der Schlag von des Elefanten Rüssel war auf den Sattel gefallen, hatte ihn zerschlagen und unbrauchbar gemacht. Ich dachte darüber nach, daß er in zwei weiteren Sekunden auf mich gefallen wäre. Ich rief Indaba-Zimbi herbei und fragte ihn, nach welcher Richtung die Elefanten gezogen wären. »Dorthin«, sagte er und wies mit der Hand die Talmulde entlang, »und wir täten besser, ihnen zu folgen, Macumazahn. Wir haben Unglück gehabt, nun ist das Glück an der Reihe.«

Darin lag Philosophie, obgleich ich, die Wahrheit zu gestehen, im Augenblick nicht grade sehr auf Elefanten erpicht war. Mir schien, als hätte ich genug davon gehabt. Aber freilich, es tat nicht gut vor den Kaffern, so als Hans Hasenfuß aufzutreten, und so stimmte ich äußerlich höchst bereitwillig zu; nun brachen wir auf, ich auf dem zweiten Pferde und die andern zu Fuß. Als wir eine Stunde lang das Tal hinabgezogen waren, stießen wir ganz plötzlich auf die ganze Herde, die einige achtzig Stück umfassen mochte. Grade vor ihnen war das Gebüsch so dick, daß sie zögerten, ob sie hineingehen sollten, denn die beiden Seiten des Tales waren an dieser Stelle so felsig und steil, daß sie dieselben unmöglich erklimmen konnten.

Sie gewahrten uns in demselben Augenblick, wie wir sie, und ich fürchtete im geheimen, sie könnten sich's in den Kopf setzen, wieder umzukehren. Aber das taten sie nicht; indem sie laut trompeteten, stürzten sie sich in das dichtverwachsene Gestrüpp, und das sank vor ihnen nieder wie Korn vor der Sichel. Ich kann mich nicht entsinnen, daß ich je in meinem Leben einen ähnlichen Lärm gehört habe wie den, welchen sie nun beim Zertreten und Zerstampfen all der Bäume und Büsche verursachten. Vor ihnen war eine dichte Waldkoppel von hundert oder hundertfünfzig Fuß Breite. Während sie weiter stampften, fiel der Wald, und hinter ihnen blieb nichts als ein breiter, ebener Weg, der mit gefallenen Bäumen und zerbrochenen Zweigen bestreut war, nur hier und da stand ein Baum, der selbst für sie zu stark gewesen war, inmitten der allgemeinen Verwüstung. Weiter gingen sie, und trotz der Beschaffenheit des Bodens, über den sie ziehen mußten, blieben sie immer gleich weit vor uns. So ging es ein oder zwei Meilen weit, und dann sah ich, daß sich vor den Elefanten das Tal verbreiterte und mit Schilf und Gras bewachsen war – das Stück Land da mochte fünf oder sechs Morgen groß sein – und nachher lief es wieder eng weiter.

Die Herde erreichte den Saum dieses Flachlandes und blieb für einen Augenblick, scheinbar mißtrauisch zögernd, stehen. Meine Leute brüllten laut, wie es eben nur Kaffern können, und das trieb sie zum Entschluß. Geführt von dem verwundeten Bullen, dessen kriegerische Hitze, wie meine eigene, auch etwas abgekühlt war, breiteten sie sich aus und gingen in den verräterischen Sumpf, denn ein solcher war es, obgleich man grade da kein Wasser sah. Einige Schritt weit ging alles ganz gut, obgleich sie das Gehen beschwerlich fanden; dann sank plötzlich der große Bulle bis an den Bauch in den steifen morastigen Boden und blieb stecken. Die andern, ganz toll vor Furcht, kümmerten sich nicht um sein Trompeten und seine Anstrengungen loszukommen, sondern stapften weiter, um dem gleichen Schicksal anheimzufallen. In fünf Minuten war die ganze Herde hoffnungslos im Schlamme versunken, und je mehr sie sich freizumachen versuchten, je tiefer sanken sie. Nur einer machte eine Ausnahme: eine Kuh mit einem Kalbe hatte es möglich gemacht, das feste Ufer zu erreichen, und hob ihren Rüssel, um uns beim Herankommen anzugreifen. Aber in dem Augenblicke hörte sie das Schreien ihres Kalbes und stürzte zu seinem Beistande herbei, um ebenso wie die andern steckenzubleiben.

Eine solche Szene habe ich nie vorher und nie wieder gesehen. Der ganze Sumpf war mit den großen Gestalten der Elefanten bedeckt und die Luft dröhnte von ihren Wut- und Angstschreien, während sie die Rüssel wild hin und her schwangen. Dann und wann machte eins von den Ungeheuern eine riesige Anstrengung, sich aus dem moorigen Boden loszumachen, um bei dem nächsten Schritt wieder festzusitzen. Es war ein jämmerlicher Anblick, obgleich er die Herzen meiner Leute mit Freude erfüllte. Selbst die besten der Eingeborenen haben wenig Mitgefühl mit dem Leiden der Tiere.

Nun, das übrige war leicht. Das Marschland, das die Elefanten nicht tragen wollte, trug uns leicht genug. Vor Mitternacht waren alle tot, denn wir erschossen sie beim Mondenschein. Ich hätte gern die Jungen und einige der Kühe geschont, aber das hätte nur sie dem Hungertode preiszugeben bedeutet; es war besser, sie gleich zu töten. Den verwundeten Bullen erschlug ich eigenhändig, und ich kann nicht behaupten, daß ich mich dabei zerknirscht gefühlt hätte. Er erkannte mich wieder und machte eine verzweifelte Anstrengung, sich auf mich zu stürzen, aber ich kann frohen Herzens sagen, daß ihn der Morast festhielt.

Die Niederung bot am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang einen seltsamen Anblick. Dank dem Halt, den der Boden gewährte, war keiner der toten Elefanten umgefallen; da standen sie alle, als ob sie eingeschlafen wären.

Ich sandte zurück nach den Wagen, und als sie am andern Morgen ankamen, schlugen wir ungefähr eine Meile entfernt ein Lager auf. Dann machten wir uns an die Arbeit, die Zähne der Elefanten auszuschneiden; wir brauchten über eine Woche dazu, und wie man sich leicht denken kann, war es eine widerwärtige Arbeit. Und wenn uns nicht einige wandernde Buschmänner geholfen hätten, die sich durch Elefantenfleisch bezahlt machten, dann glaube ich nicht, daß wir es je hätten schaffen können.

Endlich war es vollbracht. Das Elfenbein nahm viel zu viel Platz weg, als daß wir es hätten mit uns nehmen können; so vergruben wir es, nachdem sich die hilfreichen Buschmänner verabschiedet hatten. Meine Diener wollten, ich sollte nach dem Kap zurückkehren und es verkaufen, aber ich war zu sehr auf meine Reise versessen, um es zu tun. Das Elfenbein lag fünf Jahre vergraben. Dann kehrte ich zurück und grub es aus; es hatte wenig gelitten. Zuletzt verkaufte ich es für etwas über zwölfhundert Pfund Sterling – gar keine schlechte Bezahlung für die Jagd eines Tages.

So fing ich meine Laufbahn als Elefantenjäger an. Noch viele Hunderte habe ich seitdem geschossen, aber nie wieder habe ich's zu Pferde versucht.


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