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16
Der Wettlauf ums Leben

Nun bin ich endlich, wie ein schottischer Prediger, zu dem erlösenden Wort gekommen, bei dem die schläfrigste Gemeinde erwacht. Den Morgen, der diesem sonderbaren nächtlichen Zusammentreffen folgte, verbrachten Hans und ich in unserem Raum, denn es schien uralter Brauch bei den Walloos zu sein, daß, außer mit besonderer Erlaubnis, der zukünftige Ehegatte, mehrere Tage vor der Hochzeit nicht ausgehen durfte. Ich nehme an, daß dies wegen irgendeiner primitiven Ansicht angeordnet war, daß seine Zuneigung durch den Anblick fremder Schönheit abgewendet werden könnte.

Zu Mittag speisten wir, oder, was mich betraf, gab ich wenigstens vor zu essen, denn meine innere Anspannung nahm mir den Appetit. Kurze Zeit hierauf erschien zu meiner großen Erleichterung der Führer unserer Gefängniswache, dies war sie in Wirklichkeit, und meldete, daß er den Auftrag habe, uns zum Kanu zu geleiten, das uns auf die Insel bringen sollte. Ich erwiderte, daß wir gerne bereit wären zu gehen. Wir nahmen alle unsere kleinen Habseligkeiten mit uns, einschließlich des Bündels, das unsere Reservekleider und die Zweige vom Baum der Träume enthielt, brachen auf und wurden von unseren Wächtern, von deren Gesichtern ich bereits genug hatte, auf den Landungssteg gebracht. Hier fanden wir ein kleines Kanu vor, das von vier verschlossen blickenden Männern bemannt war, durchwegs kräftige Burschen, die ihre Ruder zum Gruß erhoben. Anscheinend war der Platz von Müßiggängern gesäubert worden, denn es war nur noch eine einzige Person außer uns anwesend, eine Frau, die sich in einen langen Mantel hüllte, der ihr Gesicht verbarg.

Als wir im Begriff standen, das Kanu zu besteigen, näherte sich uns diese Frau und lüftete ihre Kapuze. Es war Dramana.

»Herr«, sagte sie, »ich bin von meiner Schwester, dem neuen Walloo, ausgesandt worden, um dir zu sagen, daß du die eisernen Röhren, die Feuer ausspeien, und alles, was zu ihnen gehört, in einer Matte im Bug des Kanus finden wirst. Auch hieß sie mich, dir eine glückliche Überfahrt zu der Insel zu wünschen, die vor Zeiten heilig genannt wurde und die sie nie mehr zu sehen hofft.«

Ich dankte ihr und ersuchte sie, meiner Braut, dem Walloo, meine Grüße zu überbringen, und fügte mit lauter Stimme hinzu, daß ich hoffe, dies in kurzer Zeit selbst tun zu können, sobald »ihr Schleier fiele«.

Hierauf wandte ich mich ab, um das Kanu zu besteigen.

»Herr«, sagte Dramana mit einer krampfhaften Bewegung ihrer Hände, »ich flehe dich an, nimm mich mit dir, damit ich einen letzten Blick auf jene Insel werfen kann, auf der ich so lange als Sklavin gelebt habe und die ich noch einmal sehen möchte – jetzt, da ich frei bin!«

Instinktiv fühlte ich, daß eine Krisis eingetreten war, die energisches, ja selbst brutales Vorgehen erforderte.

»Nein, Dramana«, entgegnete ich. »Es ist immer traurig für einen entkommenen Sklaven, sein Gefängnis wieder zu besuchen, denn seine Gitter könnten sich wieder um ihn schließen!«

»Herr«, sagte sie, »der befreite Sklave ist manchmal durch die Freiheit berauscht, so daß sein Herz wieder nach Knechtung schreit. Herr, ich bin eine gute Sklavin und eine liebende. Willst du mich nicht mit dir nehmen?«

»Nein, Dramana«, entgegnete ich und sprang in das Boot. »Dieses Kanu ist vollbeladen, und dann wäre es auch weder zu deinem noch zu meinem Glück. Leb wohl!«

Sie starrte ernst auf mich, mit einer schmerzvollen Zurückhaltung, die nach und nach in Grimm überging, wie es manchmal bei einer verletzten Frau der Fall ist; hierauf murmelte sie etwas wie ›zurückgestoßen sein‹, brach in erbitterte Tränen aus und wandte sich ab. Ich gab den Ruderern ein Zeichen, ihre Kunst zu zeigen, und stieß ab, und fühlte mich als Dieb und Verräter. Dennoch war ich nicht zu tadeln, denn was hätte ich sonst tun können? Es ist wahr, daß Dramana uns eine gute Freundin gewesen war, und ich hatte sie gern. Aber wir hatten ihre Hilfe belohnt, indem wir sie aus ›Heu-Heus‹ Krallen gerettet hatten, und im übrigen mußte man ja irgendwo einen Punkt machen! Hätte sie einmal das Kanu betreten, so wäre sie, metaphorisch gesprochen, niemals mehr aus ihm herauszubringen gewesen.

Rasch waren wir auf dem offenen See draußen, auf dem die kleinen Wellen hüpften und die Sonne hell schien, und ich war froh, all dieser schmerzlichen Verwicklungen ledig und wieder einmal von reinen und natürlichen Dingen umgeben zu sein. Wir ruderten gegen die Insel hin und kamen auf dem Fleck ans Land, oder besser gesagt, in seine Nähe, wo die alte, verschüttete Stadt gestanden hatte, und wo wir die versteinerten Menschen und Tiere gefunden hatten. Aber wir betraten die Insel nicht, denn überall flossen kleine Ströme glühender Lava in den See und die Ruinen waren unter einer Aschenflut verschwunden. Ich glaube nicht, daß jemals wieder jemand diese außergewöhnlichen Überreste aus unvordenklichen Zeiten erblicken wird. Wir kehrten um und ruderten langsam um die Insel, bis wir an die Stelle kamen, wo der Opferungsfelsen sich erhoben hatte, auf dem ich ein so furchtbares Abenteuer erlebt hatte. Er war verschwunden und ebenso die Mündung der Höhle, der Garten Heu-Heus, der Baum der Träume und all das reichbebaute Land. Die schäumenden und wirbelnden Wasser des Sees schlugen jetzt gegen einen felsigen Block – alles, was von der heiligen Insel übriggeblieben war. Die Katastrophe war vollkommen; der Vulkan war nichts als ein Lavaklotz, aus dessen sterbendem Herzen das flammende Lebensblut in roten verebbenden Strömen hervorsickerte. Ich weiß nicht, ob seine erstickten Feuer jemals wieder irgendwo anders hervorbrechen werden. Es könnte dies immerhin bereits irgendwo am Festland der Fall gewesen sein.

Als wir unsere Fahrt um diesen Ort beendet hatten, an dem kein lebendes Wesen übrig geblieben war – nur ein oder zweimal sah ich den aufgeschwollenen Körper eines Heuheuawilden im Wasser dümpeln –, ging die Sonne unter, und es wurde dunkel, bevor wir uns völlig von der Stadt Walloo entfernt hatten. So lange noch etwas Licht vorhanden war und wir bemerkt werden konnten, hielten wir auf den Landungssteg zu, von dem aus wir aufgebrochen waren.

Als jedoch auch dieser letzte Lichtschimmer dahingeschwunden war, begannen unsere vier Ruderer, die Exneophyten Heu-Heus, leise untereinander zu verhandeln. Dann wurde die Richtung des Kanus geändert, und wir fuhren, statt auf das Festland zuzuhalten, parallel mit diesem weiter, bis wir zum Stromlauf des Schwarzen Flusses kamen. Es war so finster, daß ich nicht die genaue Zeit feststellen konnte, zu der wir den See verließen und in den Strom hineinglitten. In der Tat, ich wußte gar nicht, daß wir uns bereits auf ihm befanden, bis mich die gesteigerte Strömung darauf aufmerksam machte. Diese Strömung war jetzt, nach der großen Überschwemmung, ziemlich stark und trug uns mit ansehnlicher Geschwindigkeit vorwärts. Ich hegte die Befürchtung, wir könnten in der Finsternis gegen die Uferfelsen geschleudert oder durch überhängende Zweige erfaßt werden, oder vielleicht auf Baumknorren auffahren. Diese vier Männer schienen jedoch jede Elle auf dem Fluß zu kennen, und brachten es zustande, uns in der Mitte des Flußbettes zu halten, wahrscheinlich indem sie der Strömung folgten, wo sie am stärksten war. So glitten wir dahin, indem wir aus Furcht vor Unglücksfällen nicht allzu stark ruderten, bis der Mond aufging, der erst seit wenigen Tagen im Abnehmen war und uns daher selbst in dieser finsteren Schlucht genügend Licht spendete. Kaum waren seine Strahlen auf uns herabgekommen, als die Ruderer mit einem Schlag ihre Ruder eintauchten und wir mit bedeutender Geschwindigkeit den angeschwollenen Fluß hinabschossen.

»Ich glaube, jetzt geht alles gut, Baas«, sagte Hans.

»Mit einem so guten Vorsprung würden uns die Walloos kaum einholen können, selbst wenn sie es versuchten. Wir haben auch Glück gehabt, denn du hast zwei Damen zurückgelassen, die dich zwischen sich in Stücke zerrissen hätten, und ich einen Ort, dessen närrische Bewohner mir derartig auf die Nerven gingen, daß ich bald gestorben wäre.«

Er hielt für einen Augenblick inne, dann fügte er mit entsetzter Stimme hinzu:

»Allemagter! Wir haben doch nicht so viel Glück gehabt! Wir haben etwas vergessen!«

»Was denn?« fragte ich besorgt.

»Oh, Baas, diese roten und weißen Steine, die wir holen wollten und von denen uns dieser alte kraansick Schwachkopf von Walloo so viele versprach, als wir wünschten, bevor ihm Heu-Heu den glühenden Stein auf den Kopf fallen ließ. Sabeela hätte das Boot mit ihnen vollgefüllt, wenn wir sie nur darum gebeten hätten, und wir hätten niemals mehr arbeiten müssen, sondern hätten in schönen Häusern sitzen und von morgens bis abends den besten Gin trinken können.«

Bei diesen Worten fühlte ich mich tatsächlich krank. Es war nur zu wahr! Über all den anderen dringenden Angelegenheiten, Leben, Tod, Heirat, Freiheit, hatte ich vollkommen die Diamanten und das Gold vergessen. Aber, als ich jetzt daran dachte, konnte ich doch nicht recht einsehen, wie ich mit Rücksicht auf die Art unseres Abschieds Sabeela darum hätte bitten können, obgleich es Hans bestimmt getan hätte. Dies würde den ganzen guten Eindruck zerstört und ihr einen widerlichen Geschmack im Mund zurückgelassen haben. Wie konnte sie auch weiter zu einem Mann als – nun gut, als zu etwas ganz Außergewöhnlichem – emporblicken, der sie zurückrief, um sie daran zu erinnern, daß es noch eine kleine, pekuniäre Angelegenheit zu regeln gäbe und eine Taxe für geleistete Dienste zu zahlen sei? Außerdem hätte es Verdacht erregt, wenn man uns Säcke mit Schätzen hätte schleppen sehen; wenn nicht Sabeela sie im Boot hätte unterbringen lassen, wie sie es mit den Gewehren getan hatte. Außerdem wären die Säcke schwer und unbequem zu tragen gewesen, wie ich Hans auseinandersetzte. Dennoch fühlte ich mich schwach, denn wieder einmal war meine Hoffnung auf Reichtum oder wenigstens auf eine soldige Vermögensgrundlage für den Rest meiner Tage dahingeschwunden.

»Leben ist besser als Gold«, sagte ich pathetisch zu Hans, »und große Ehre ist besser als alles beide.«

Es klang wie ein Ausspruch aus dem Buch der Sprichwörter, aber ich hatte nicht ganz genau zitiert. Doch ich überlegte, daß Hans glücklicherweise den Unterschied nicht bemerken würde. Indessen wußte er mehr, als ich dachte, denn er sagte:

»Ja, Baas, dein verehrter Vater pflegte so zu sprechen. Auch sagte er, daß es besser sei, von Brunnenkresse zu leben, so sehr sie auch unseren Magen beleidigen möge, und ein reines Gewissen zu haben, als in einem großen Haus mit einem Paar keifender Weiber zu wohnen, was bei dir der Fall gewesen wäre, wenn du in Walloo geblieben wärst. Außerdem sind wir jetzt vollkommen in Sicherheit, wenn wir auch nicht Gold und Diamanten bekommen haben, die, wie du sagst, eine schwere Last wären. So sicher, daß ich zu schlafen gedenke, Baas. Allemagter! Aber was ist denn das?«

»Nichts als diese armen, haarigen Eingeborenenweiber, die in den Wäldern ihre Toten beklagen«, erwiderte ich sorglos, denn ihre Schreie, die in der Stille des Flusses qualvoll anzuhören waren, klangen nur dumpf in meinen Ohren. Ich war noch zu sehr in Gedanken über die verlorenen Diamanten versunken.

»Ich wünschte, es wäre das, Baas, sie könnten meinetwegen heulen, bis ihnen die Köpfe herunterfallen! Aber das ist es nicht! Das sind Ruder! Die Walloos verfolgen uns, Baas. Horch!«

Ich lauschte, und zu meinem Entsetzen vernahm ich regelmäßigen Ruderschlag in ziemlicher Entfernung hinter uns. Er mußte von einer größeren Anzahl Ruderern, etwa fünfzig, herrühren; wir wurden also von einem der großen Kanus verfolgt!

»O Baas«, sagte Hans, »es ist wieder deine Schuld! Ohne Zweifel liebt dich Dramana so sehr, daß sie sich nicht entschließen kann, sich von dir zu trennen und ein großes Kanu ausgeschickt hat, um dich zurückzuholen. Wenn es nicht vielleicht«, fügte er mit einem Anfall von Hoffnung hinzu, »Sabeela ist, die uns ein Abschiedsgeschenk an Juwelen nachschickt. Vielleicht hat sie sich daran erinnert, daß wir gerne etwas haben möchten, das uns späterhin an sie erinnert.«

»Es sind diese verdammten Walloos, die uns eine Unmenge von Speeren auf den Hals schicken«, erwiderte ich grimmig und fügte hinzu: »Halte die Büchsen bereit, Hans, denn ich habe nicht die Absicht, mich lebendig fangen zu lassen!«

Was auch der Grund sein mochte, es war klar genug, daß wir verfolgt wurden, und in meinem Herzen überlegte ich, ob Dramana nicht wirklich etwas damit zu tun hatte. Zweifellos hatte ich sie roh behandelt, obwohl ich dazu gezwungen gewesen war, und die Frauen der Eingeborenen sind manchmal überaus rachsüchtig. Auch hatte Dramana unter den schurkischen Priestern eine schlechte Schule mitgemacht. Aber ich hoffte und hoffe es noch immer, daß sie an diesem Verrat unschuldig war, den wahren Sachverhalt lernte ich allerdings nie kennen.

Unsere Mannschaft, die aus fliehenden Spionen der Priester bestand, hatte auch das Geräusch der Ruder vernommen, denn ich sah die erschrockenen Blicke, die sie einander zuwarfen und die angespannte Energie, mit der sie sich ihrer Arbeit widmeten. Guter Gott, wie sie ruderten! Denn sie wußten, daß ihr Leben von unserem Entkommen abhing! Stunde um Stunde sausten wir den angeschwollenen brausenden Fluß hinab, während hinter uns, von Minute zu Minute immer näher, der Schlag der hartnäckigen Ruder zu vernehmen war. Unser Kanu war schnell, aber wie konnten wir hoffen, einem Boot zu entgehen, das von fünfzig Männern vorwärts getrieben wurde, wo uns nur vier zur Verfügung standen?

Eben als wir an dem Ort vorbeiglitten, wo wir auf unserer Reise stromaufwärts genächtigt hatten – denn wir hatten jetzt bereits den Wald hinter uns gelassen und befanden uns zwischen den Felsen – erblickte ich das uns verfolgende Boot etwa eine halbe Meile hinter uns und sah, daß es eines der größten von der ganzen Wallooflotte war. Hierauf verlor ich das große Kanu, da der Mond jetzt in dieser engen Schlucht die Oberfläche des Wassers nicht mehr beleuchtete, für längere Zeit aus den Augen. Aber ich vernahm, wie es näher und immer näher kam, gleich einem sicheren, tödlichen Bluthund, der die Spur eines fliehenden Sklaven verfolgt.

Unsere Mannschaft begann zu ermüden. Hans und ich übernahmen die Ruder zweier von ihnen, um ihnen etwas Zeit zur Ruhe und zum Essen zu verschaffen; hierauf taten wir dasselbe mit den anderen zweien. Dieser Umstand ließ uns allerdings etwas an Vorsprung einbüßen, denn Hans und ich waren keine geübten Ruderer, obwohl hier infolge der Flut der Fluß so schnell dahinfloß, daß unser Mangel an Geschicklichkeit nur wenig ausmachte.

Schließlich kam das Tageslicht und nahm zu, bis uns sein Schimmer in unserer Kluft erreichte und bei dieser ungewissen Dämmerung erblickte ich die Verfolger kaum hundert Yards hinter uns. Es war in seiner Art ein zauberisches, eindrucksvolles Schauspiel. Die abstürzenden, turmhoch aufragenden Felswände, zwischen, oder besser gesagt, über denen eine Linie des blauen Himmels sichtbar wurde; der finstere, angeschwollene, schäumende Fluß, und auf seiner Oberfläche unser kleines Boot, das von vier müden, schwitzenden Männern vorwärtsgetrieben wurde, während hinter ihm das große Kriegskanu daherkam, dessen Gegenwart an einer undeutlichen Umrißlinie und an dem weißen Schaum des Wassers beim Schlag seiner Ruderer wahrgenommen werden konnte.

»Sie kommen uns schnell näher, Baas, und wir haben noch einen weiten Weg zurückzulegen; bald werden sie uns einholen, Baas.«

»Dann müssen wir versuchen, sie für eine Zeitlang aufzuhalten«, entgegnete ich grimmig. »Reich mir die Expreß-Büchse, Hans, und nimm selbst die Winchester!«

Hierauf legten wir uns im Kanu nieder und warteten eine günstige Gelegenheit ab, indem wir die Büchsen auf den Bord auflegten. Plötzlich kamen wir an eine Stelle, wo einst ein Felsabsturz stattgefunden hatte, denn hier engten seine Trümmer den Fluß ein und verwandelten ihn jetzt, da er so voll war, in einen tosenden Wirbel. Hier erreichte uns auch wegen der Verbreiterung der Kluft mehr Licht, so daß wir unsere Verfolger erblicken konnten, die nur noch etwa fünfzig Yards von uns entfernt waren. Zwar konnte man sie nicht deutlich sehen, aber gut genug für unsere Zwecke.

»Ziel tief und feuere mitten in sie hinein, Hans!« rief ich und drückte gleichzeitig beide Läufe der Expreß-Büchse auf die vordersten Ruderer ab. Hans folgte der Aufforderung, und da die Winchester fünf Patronen enthielt, fuhr er fort, zu feuern.

Der Erfolg war ein augenblicklicher. Einige Männer sanken um, mehrere Ruder fielen ins Wasser – ich kann nicht sagen, wie viele – und ein gellender Schrei ertönte aus dem Mund der Getroffenen oder ihrer Gefährten. Der Mann, der steuerte oder das Kanu vom Bug aus kommandierte, war anscheinend unter den Getroffenen. Das Boot fiel ab und lag eine Zeitlang mit der Breitseite gegen den Strom, wo es umzukippen drohte und uns seinen Boden zuwandte. Ich hatte wieder geladen und sandte zwei Explosivgeschosse in den Kiel, da ich hoffte, auf diese Weise ein Leck in das Boot zu schlagen. Doch war ich meines Erfolges nicht sicher, denn das Holz dieser Kanus ist sehr dick. Dennoch glaube ich, daß es mir gelang, denn als es die Verfolgung wieder aufgenommen hatte, kam es bedeutend langsamer vorwärts, und ich glaubte, einen Mann Wasser schöpfen zu sehen.

Wir fuhren weiter und nützten den Vorteil, den dieser Schlag uns gewährte, möglichst aus. Aber jetzt waren unsere Leute bereits sehr müde und ihre Hände vollkommen von Blasen aufgesprungen, so daß sie nur noch die Todesfurcht zwang, das Rudern fortzusetzen. Wirklich wurde zuletzt unser Fortschritt sehr langsam und war mehr der Strömung des Wassers als unseren eigenen Anstrengungen zuzuschreiben. Infolgedessen kam uns das folgende Kanu, das, wie es bei Walloobooten dieser Größe üblich war, wahrscheinlich Reserveruderer mitführte, wieder näher.

Hier wand sich der Fluß jedoch zwischen seinen Felswänden, so daß wir es nur von Zeit zu Zeit erblicken konnten. So oft es in Sicht kam, ergriff ich die Winchester-Büchse und feuerte, und ohne Zweifel fügte ich ihm einigen Schaden zu und hielt es auf. Schließlich hörten die Windungen auf, und wir erreichten die letzte Strecke, einen geraden Flußlauf von der Länge etwa einer Meile, bevor sich der Fluß in den Sumpf ergoß, den ich bereits beschrieben habe.

Jetzt fuhren jedoch Verfolger und Verfolgte bereits nur noch langsam, denn wir ließen uns mehr treiben, als daß wir ruderten, da alle völlig erschöpft waren. So oft ich einen Schuß anbringen konnte, feuerte ich, aber dennoch kamen unsere Verfolger mit düsterer Entschlossenheit und vollkommenem Schweigen immer näher, bis sie nur mehr zwanzig Schritte von uns entfernt waren und einige von ihnen bereits Speere schleuderten. Einer dieser Speere blieb im Boden unseres Bootes knapp neben meinem Fuß stecken. Jetzt traten die Felsen an ihrer Spitze wieder so nahe aneinander heran, daß ich nicht mehr zielen konnte und, da ich keine Patronen zu verschwenden hatte, entschloß ich mich, die noch übrigen für die Abwehr des letzten Angriffs aufzusparen.

Plötzlich waren wir im Endlauf des Flusses angelangt, und fuhren eben auf die erste Schlammbank des Sumpfes auf. Die noch unverletzten Walloos machten eine letzte Anstrengung, um uns zu überholen; bei dem klaren Licht, das jetzt auf dieser offenen Strecke herrschte, konnte ich sehen, wie ihre Augen aus den Höhlen traten und ihre Zungen vor Erschöpfung heraushingen. Ich schrie einen Befehl.

»Nehmt alles, was wir haben, und lauft voraus!« rief ich und ergriff meine Büchse und andere Gegenstände, die in meiner Nähe waren, einschließlich der übriggebliebenen Patronen.

Die anderen taten dasselbe, und ich glaube nicht, daß etwas anderes als die Ruder im Kanu zurückblieben. Dann sprang ich an Land und lief nach rechts, den Rand des Sumpfes entlang, und die anderen folgten mir. Nach etwa fünfzig Yards sank ich infolge völliger Erschöpfung auf einer kleinen Erhebung nieder, denn meine ermüdeten Füße konnten mich nicht länger tragen. Ich blickte zurück und beobachtete, was geschehen würde. Ich war tatsächlich so ausgepumpt, daß ich fühlte, ich würde lieber sterben, wo ich war, als weiter fliehen. Wir lagerten uns alle an dieser Stelle und warteten auf die Entscheidung, denn ich war überzeugt, daß wir angegriffen werden würden. Aber nein, dies geschah nicht! An der Schlammbank gaben die verfolgenden Walloos ihre Bemühungen auf.

Kurze Zeit saßen sie niedergeschlagen in ihrem Fahrzeug, bis sie wieder Atem geschöpft hatten. Hierauf gaben diese stummen Jagdhunde das erstemal Laut, denn sie schrien uns und besonders unseren vier Ruderern, den Jüngern Heu-Heus, Verwünschungen nach und sagten, obwohl es ihnen das Gesetz verböte, uns zu verfolgen, müßten wir sterben, wie Issicore, der das Land verlassen hatte. Einer unserer Leute ließ sich in den Wortwechsel ein und schrie rachsüchtig hinüber, daß ganz im Gegenteil einige von ihren Leuten gestorben seien, als sie versucht hätten, uns zurückzuhalten, was sie feststellen könnten, wenn sie ihre Ruderer zählten. Auf diese offenbar richtige Behauptung gaben die Verfolger keine Antwort und unterließen es auch, uns aufzuklären, wer sie uns nachgesandt hatte. Sie fischten unser kleines Kanu auf, beluden es mit einigen Toten, die unter Hansens und meinen Kugeln gefallen waren und ruderten langsam stromaufwärts, nachdem sie es ins Schlepptau genommen hatten. Dies war das letztemal, daß ich ihre hübschen fanatischen Gesichter und ihr verdammtes Land erblickte, in dem ich so nahe daran gewesen war, zu sterben, oder für mein Leben ein Gefangener zu werden, was noch schlimmer gewesen wäre.

»Baas«, sagte Hans, seine Pfeife entzündend, »das war eine große Reise und eine, über die es angenehm sein wird, nachzudenken, jetzt, wo sie vorbei ist. Dennoch wünschte ich, wir hätten mehr von diesen Menschendieben getötet.«

»Ich wünsche es nicht, Hans; es war mir zuwider, daß ich gezwungen war, sie zu erschießen«, entgegnete ich, »und ich wünsche auch nie mehr an diese Rasse zu denken, solange ich lebe, außer, sie käme als Alpdruck zurück, wogegen ich nichts tun kann.«

»Wünschst du dies wirklich nicht, Baas? Ich finde derartige Gedanken angenehm, wenn die Gefahr vorbei ist, und wir, die sterben hätten können, uns noch am Leben befinden, während die anderen, die am Leben waren, jetzt tot sind und die ganze Geschichte ihrem Heu-Heu erzählen.«

»Jedermann nach seinem Geschmack; deiner ist nicht der meine«, brummte ich.

Hans paffte eine Zeitlang an seiner Pfeife und fuhr fort:

»Es ist drollig, Baas, daß diese Kerle nicht aus ihrem Boot stiegen und herankamen, um uns mit ihren Speeren zu töten. Ich denke, sie hatten Angst vor den Gewehren.«

»Nein, Hans«, entgegnete ich, »das sind tapfere Männer, die aus Furcht vor den Geschossen nicht haltgemacht hätten. Sie fürchteten sich vor mehr als vor diesen: Sie scheuten den Fluch, der jeden, der das Land verläßt, mit dem Tod bedroht! Diesmal hat Heu-Heu uns einen guten Dienst erwiesen, Hans.«

»Ja, Baas, ohne Zweifel ist er an dem Ort der ›Ewigen Feuer‹ ein guter Christ geworden und vergilt Böses mit Gutem, indem er uns auch die andere Wange zum Streiche hinhält, Baas. Schlechte Leute werden oft fromm, wenn sie vor dem Tod stehen, Baas. Auch mir ist es ähnlich ergangen, als ich dachte, daß diese Walloos uns fangen würden. Aber jetzt denke ich ganz anders darüber. Erinnerst du dich, Baas, wie dein verehrter Vater zu sagen pflegte, daß, wenn du Gott liebst, Gott nach dir sieht und dich aus jedem Schlammloch herauszieht? Deshalb kann ich hier rauchend sitzen, Baas, statt den Krokodilen ein Mahl abzugeben. Wenn nicht die vergessenen Juwelen wären, könnten wir sagen, daß er sich unser ganz gut angenommen hat; aber hier gibt es wohl so viele Edelsteine, daß vielleicht auch der liebe Gott nicht an sie gedacht hat.«

»Nein, Hans«, sagte ich. »Gott dachte daran, daß, wenn wir versucht hätten, Säcke mit Steinen aus dem Boot fortzuschleppen, wie wir es mit Zikalis Medizinen und den übrigen Sachen getan haben, uns die Walloos gefangen hätten. Sie waren bereits ganz nahe, Hans!«

»Ja, Baas, du hast recht, das war sehr nett vom lieben Gott. Und jetzt, Baas, glaube ich, tun wir besser daran, fortzuziehen. Diese Walloos könnten in kurzer Zeit den Fluch vergessen und zurückkehren, um uns zu suchen. Der Himmel ist ein sonderbares Ding, Baas, manchmal ändert er ganz plötzlich sein Antlitz und wird grimmig gerade so wie Dramana, als du ihr gestern sagtest, daß du sie nicht im Kanu mitnehmen würdest.«

 

Allan hielt inne, um sich eine schwache Mischung Whisky und Wasser zu nehmen; darauf sagte er in seiner unvermittelten Art:

»So, das ist das Ende der Geschichte, und ich bin darüber froh, denn meine Kehle ist vor lauter Sprechen ausgetrocknet. Wir kamen nach verschiedenen Schwierigkeiten und einem ermüdenden Marsch durch die Wüste glücklich zum Wagen zurück, und es war höchste Zeit, denn bei unserer Ankunft war unsere Munition auf drei Patronen zusammengeschmolzen. Ihr wißt ja, daß wir gezwungen gewesen waren, eine Unzahl von Schüssen auf die Heuheuas abzugeben, als sie uns auf dem See angriffen, und später auf die Walloos, um uns vor der Gefangennahme zu bewahren. Hier jedoch hatten wir mehr davon im Wagen, und ich schoß vier Elefanten auf unserer Heimkehr. Sie hatten ziemlich große Stoßzähne, die ich später verkaufte und deren Erlös hinreichte, um die Kosten der Expedition zu decken.«

»Ließ Sie der alte Zikali die Ochsen bezahlen?« erkundigte ich mich.

»Nein, dies tat er nicht, denn ich sagte ihm, daß ich ihm in diesem Falle das ›Mouti‹-Bündel, das wir vom ›Baum der Träume‹ abgeschnitten und den ganzen Weg hindurch mitgeführt hatten, nicht geben würde. So machte er mir denn die Ochsen zum Geschenk, da er auf die Medizin sehr erpicht war. Auch fand ich meine eigenen Ochsen wieder vor, die inzwischen fett und stark geworden waren. Es war wirklich sonderbar, aber der alte Schuft schien fast alles zu wissen, was geschehen war, bevor ich ihm noch davon Mitteilung machte. Vielleicht hatte er es von einem dieser Heu-Heu-Anbeter erfahren, die mit uns geflohen waren. Ich vergaß zu erzählen, daß diese Männer – sehr verschlossene Leute übrigens – auf unserer Heimreise verschwanden. Plötzlich fehlten sie. Ich nehme an, daß sie sich von uns trennten, um sich irgendwo auf eigene Rechnung als Hexenmeister niederzulassen. Wenn diese Annahme stimmte, konnte wohl der eine oder andere von ihnen, noch bevor ich den Black Kloof erreichte, mit Zikali zusammengetroffen sein, der das Haupt dieser Klasse in jenem Teil Afrikas war.

Die erste Frage, die er mir stellte, war:

»Warum hast du gar kein Gold und keine Diamanten mitgebracht? Hättest du dies getan, wärest du jetzt reich, Macumazahn, und so mußt du arm bleiben.«

»Ich habe vergessen, nach ihnen zu verlangen«, sagte ich.

»Ja, ich weiß, daß du vergessen hast, nach ihnen zu fragen. Deine Gedanken waren so sehr von dem schmerzvollen Abschied von jener wunderschönen Dame, deren Name ich nicht kenne, in Anspruch genommen, daß du es ganz vergessen hast. Das sieht dir ähnlich, Macumazahn, ha ha! Das sieht dir ähnlich!«

Hierauf starrte er eine Zeitlang ins Feuer, vor dem er wie gewöhnlich saß, und fügte hinzu:

»Und doch, glaube ich, daß dich einmal Diamanten reich machen werden, wenn kein Weib im Spiele ist, von dem du Abschied nehmen mußt, Macumazahn.«

Dieser Schuß traf ins Schwarze. Wie ihr Burschen wißt, traf dies auch bei König Salomons Minen ein, nicht wahr, als tatsächlich keine Frau im Spiele war, von der ich Abschied nehmen mußte?«

Hier wandte Good sein Antlitz ab und Allan beeilte sich fortzufahren, denn anscheinend erinnerte er sich ›Foulatas‹ und sah, daß seine unüberlegte Bemerkung ihm weh getan hatte.

Zikali zeigte großes Interesse für unsere Geschichte und hielt mich einige Tage in Black Kloof zurück, damit ich ihm jede Einzelheit berichten konnte.

»Ich wußte, daß Heu-Heu ein Götzenbild war«, sagte er, »doch wünschte ich, daß du von selbst darauf kommen solltest, und sagte dir deshalb nichts darüber; ebenso wußte ich, daß jener hübsche Mann, Issicore, sterben müsse. Aber ich habe ihm davon nichts gesagt, denn siehst du, wenn ich es getan hätte, wäre er gestorben, bevor er dir den Weg in jenes Land gezeigt hätte, und dann hätte ich mein Mouti nicht bekommen, das ich notwendig brauche. Und wie sollte ich sonst noch Bilder in mein Feuer zaubern? Aber gut, du hast mir ein ziemlich großes Bündel von Blättern gebracht, das für meine Zeit ausreichen wird; und da der Baum der Träume verbrannt ist und es keinen zweiten auf der Welt gibt, werden niemals mehr welche zu bekommen sein. Ich bin froh, daß er verbrannt ist, denn ich wünsche nicht, daß ein Zauberer aufsteht, der ebenso groß ist wie Zikali, der ›Eröffner der Wege‹. Solange dieser Baum wuchs, war der Hohepriester Heu-Heus fast ebenso groß. Aber jetzt ist er tot, und der Baum verbrannt, und ich, Zikali, bin unumschränkter Herrscher! Das war es, was ich wünschte, Macumazahn, und deshalb habe ich dich ins Heuheualand gesandt!«

»Du schlauer alter Bösewicht!« rief ich.

»Ja, Macumazahn, ich bin ebenso schlau, wie du einfältig bist, und mein Herz ist schwarz wie meine Haut, so wie deines weiß ist wie deine Haut! Deshalb bin ich groß, Macumazahn, und habe Macht über Tausende; deshalb kann ich meine Wünsche erfüllen, während du klein bist, keine Macht hast und mit unerfüllten Wünschen sterben wirst! Und doch, am Ende, wer weiß, wer weiß? Vielleicht mag es im Land dort jenseits anders sein. Auch Heu-Heu war groß, und wo ist Heu-Heu heute?!«

»Es hat niemals einen Heu-Heu gegeben«, sagte ich.

»Nein, Macumazahn, es hat niemals einen Heu-Heu gegeben, doch gab es Priester Heu-Heus. Ist es nicht dasselbe mit vielen von den Göttern, die die Menschen über sich setzten? Auch diese gibt es nicht, und gab es niemals, aber es gibt ihre Priester, und sie schütteln den Speer der Macht und durchbohren die Herzen der Menschen mit Entsetzen. Was liegt also an den Göttern, die kein Mensch sieht, wenn der Priester da ist und den Speer seiner Macht schüttelt, um die Herzen ihrer Anbeter zu durchbohren? Der Gott ist der Priester, oder der Priester ist der Gott – Leg es aus, wie du willst, Macumazahn.«

»Nicht immer, Zikali.« Dann fragte ich, da ich mich über einen solchen Gegenstand nicht mit ihm in eine Diskussion einlassen wollte: »Wer hat die Statue Heu-Heus in der Höhle der Träume ausgehauen? Die Walloos wußten es nicht.«

»Auch ich weiß es nicht, Macumazahn«, entgegnete er. »Die Welt ist alt, und es hat Völker auf ihr gegeben, von denen wir nichts gehört haben, so sagt mir wenigstens meine Sehergabe. Ohne Zweifel hat es eines jener Völker vor Tausenden von Jahren ausgehauen, ein Volk, das von Norden einbrach, das letzte seiner Rasse, das von irgendwoher vertrieben worden war, und dessen Überlebende, nach Süden ziehend, sich vor ihren Feinden an einem Ort verbargen, der von derartig scheußlichen Wilden bewohnt war, daß er als von Dämonen heimgesucht galt. Hier schnitzten sie in einer Höhle in der Mitte des Sees, wo sie nicht überfallen werden konnten, ein Bild ihres Gottes, oder vielleicht des Gottes der Wilden, denen es anscheinend glich.

Es kann sein, daß die Wilden ihren Namen von Heu-Heu ableiteten oder daß Heu-Heu den seinen nach ihnen bekam. Wer kann es sagen? Auf alle Fälle machen Menschen, die einen Gott suchen, sich einen, der ihnen ähnlich, nur größer, schauerlicher und böser ist, Macumazahn, wenigstens hier in unserem Land. Denn was sie in anderen Ländern tun, weiß ich nicht. Auch behaupten sie oft, daß dieser Gott einst ihr König war, denn im Grunde genommen beten alle ihre Vorfahren an, die ihnen das Leben gaben, wenn sie überhaupt etwas anbeten. Oft denken sie auch, daß diese Teufel gewesen sein müßten, weil sie ihnen das Leben geschenkt hätten. Große Vorfahren waren die ersten Götter, Macumazahn, und wenn sie nicht böse gewesen wären, wären sie nie groß gewesen. Sieh Chaka an, den Löwen der Zulus! Er wird groß genannt, weil er so böse und grausam war, und so war es und ist es noch mit anderen, wenn sie Erfolg haben. Doch mißlingt ihr Werk, dann sprechen die Leute anders über sie.«

»Das ist kein schöner Glaube, Zikali«, sagte ich.

»Nein, Macumazahn, aber dann ist nur wenig in der Welt schön außer der Welt selbst. Die Heuheua sind nicht schön, oder besser gesagt, waren es nicht; denn ich glaube, daß du den größten Teil von ihnen getötet hast, als du den Berg in die Luft sprengtest, und das ist gut so. Heu-Heu war nicht schön, noch waren es seine Priester. Nur die Walloos und besonders ihre Frauen sind schön geblieben, denn altes Blut fließt in ihren Adern, das vornehme alte Blut, das Heu-Heu aus ihren Herzen sog!«

»Und nun, Zikali, da Heu-Heu dahin ist, was wird aus den Walloos werden?«

»Ich kann es nicht sagen, Macumazahn. Aber ich erwarte, daß sie Heu-Heu nachfolgen werden, der ihre Seelen in Besitz genommen hat und sie nachziehen wird. Doch was macht dies aus, da sie doch bloß der faulende Strunk eines Baumes sind, der einst groß und schön war? Der Staub der Zeit verbirgt manch solchen Strunk, Macumazahn. Es schadet nichts, denn andere schöne Bäume wachsen auf, Bäume, die einst zu ihrer Zeit auch Strünke werden! Und so geht es fort in alle Ewigkeit.«

 

So fuhr Zikali fort, doch habe ich vieles von dem, was er sagte, vergessen. Ich muß sagen, daß er recht hatte, aber ich erinnere mich, daß sein melancholisches, pessimistisches Geschwätz mich niederdrückte, und daß ich es so kurz wie möglich machte. Auch gab er mir letzten Endes keine Aufklärungen, denn er konnte mir nicht sagen, wer die Walloos oder die haarigen Leute seien, oder warum sie ›Heu-Heu‹ anbeteten, was ihr Ursprung war und was ihr Ende sein würde.

Alle diese Dinge blieben und bleiben unter dem Schleier eines Geheimnisses verborgen, denn ich habe niemals mehr etwas von ihnen gehört. Wenn ihr also mehr über diese Geschichte zu erfahren wünscht, so müßt ihr selbst ausziehen und trachten, es herauszufinden. Nur ich würde, wie ich bereits gesagt zu haben glaube, nicht mehr mitmachen.

 

»Bravo«, sagte Kapitän Good, »dies ist ein wundervolles Garn! Ich lasse mich hängen, wenn ich es hätte besser erzählen können.«

»Nein, Good«, entgegnete Allan und entzündete eine Kerze, »ich bin überzeugt, daß Sie dies nicht hätten tun können. Sehen Sie, Tatsachen sind eine Sache, und das, was Sie ›Garne‹ nennen, eine andere. Ich wünsche euch eine gute Nacht!«

Und er begab sich zu Bett.


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