Friedrich Wilhelm Hackländer
Reise in den Orient. Zweiter Band
Friedrich Wilhelm Hackländer

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Fünftes Kapitel. Aufenthalt in Aegypten.

Kairo. – Die Stadt. – Dr. Pruner und Fischer. – Reitesel. – Der Sklavenmarkt. – Das Irrenhaus. – Der Nil. – Die Insel Roda. – Die Pferde im Klee. – Schubra. – Aegyptische Brütöfen. – Die Citadelle. – Die Stadt der Gräber. – Die Pyramiden. – Arabische Tänzerinnen. – Abreise von Kairo. – Meine Krankheit. – Die Nilfahrt. – Alexandrien. – Audienz bei Mehemed Ali.

Nie in meinem Leben ist mir der Anblick der europäischen Luxusgegenstände, mit denen wir unsere Häuser einrichten und wohnlicher machen, so angenehm erschienen, als hier, wo wir nach der Reise durch die Wüste auf einmal in das schön eingerichtete Hôtel traten. Dort fast gar nichts, hier Alles. Wahrhaftig, ich muß gestehen, daß es mir erging, wie Jemand, der zum ersten Mal diese schönen Möbel, Betten, Teppiche und Divans sieht, und es war mir ein eigenes Gefühl, mich einmal wieder auf eine Erhöhung setzen zu können und nicht, wie in den letzten vier Wochen, fast immer am Boden kauern zu müssen. Besonders der Gedanke an ein Ding, was Bett heißt, war uns sehr fabelhaft geworden; denn die einzige Nacht, die wir auf dem Carmel in einem solchen geschlafen hatten, war durch das Vorhergehende und Nachfolgende fast verwischt worden, und schwebte nur noch als ein schöner Traum vor uns. Hier im Great-Western-Hotel war doch wirklich Alles auf's Beste eingerichtet, und man hätte es füglich in eine unserer ersten Hauptstädte versetzen können; denn außer den Divans, die übrigens sehr praktisch sind, außer dem Oberkellner, einem sehr schönen Neger, und dem Anblick des Hofes, wo Kameele um ihr Futter lagen und braune Beduinen, in ihre weiße Mäntel gehüllt, sich mit ihren langen Pfeifen beschäftigten, war hier nichts Orientalisches zu sehen. Das Innere des großen Hauses, das früher einem reichen Türken gehört hatte, war ganz auf unsere Art eingerichtet worden, hatte schöne Treppen, einen großen Speisesaal, ein kleineres Theezimmer und eine Menge anderer sehr gut eingerichteter Cabinete für die Fremden. Letztere waren mit Spiegeln, Stühlen, Waschtischen, kurz allem Möglichen versehen, was man nur bei uns findet. Um die eisernen Bettladen waren Vorhänge von dichtem grünem Gaze, die man fest verschließen konnte, um die Mücken abzuhalten.

Unser erstes Geschäft war, daß wir uns aller Kleider entledigten und sie bis zu ihrer Reinigung in ein leeres Gemach werfen ließen, denn außer dem Wüstenstaub hatten wir aus den Lagern unserer Kameraden noch viel Anderes mitgebracht, von dem sich Einiges in anständiger Gesellschaft nicht nennen läßt. Unsere Pferde waren in einem guten Stall untergebracht, und alle drei bedurften sehr der Pflege, besonders die Stute und das Fohlen, die auf dem Marsche sehr gelitten hatten. Es wurde von allen Leuten, denen wir unsere Fahrt mit diesen Thieren erzählten, als ein Wunder angesehen, daß das kleine Pferdchen überhaupt noch am Leben sei; denn es hatte die ersten vierzehn Tage seines Lebens noch mehr Entbehrungen und Mühseligkeiten auszustehen gehabt, als wir. Unser heutiges Diner an einem auf's Schönste besetzten Tische kam uns anfänglich ziemlich ungewohnt und unbequem vor, und wir fühlten Alle, daß die Manier der Orientalen, bei ihren Mahlzeiten halb zu liegen, gegen unsere Stühle doch so übel nicht sei; denn ich versichere, daß wir auf unsern Stühlen Alle müde wurden und wir uns nach der Mahlzeit gleich auf die Divans streckten, um auszuruhen. Da wir erst Nachmittags angekommen waren, so gab es mit dem Abladen der Effekten und dem Abfertigen unserer Kameeltreiber, sowie mit andern kleinen Geschäften so viel zu thun, daß der ganze Nachmittag damit hinging. Unsere Führer durch die Wüste, vor Allen der Herr Akrabut, bedauerten sehr, nun wieder allein fortziehen zu müssen, und sie sagten uns ohne Hehl, daß sie sobald nicht wieder Reisende zu geleiten hätten, mit denen sie sich in jeder Hinsicht so gut stünden, als sie bei uns gethan.

Am folgenden Morgen begannen wir bald unsere Touren durch die Stadt. Unser erster Besuch war zu einem Landsmann, einem deutschen Arzte, der sich schon seit mehreren Jahren hier in Kairo aufhält und dessen Güte, Freundlichkeit und Gefälligkeit, sowohl der Herzog Paul von Württemberg, als auch Herr von Schubert nicht genug zu rühmen wußten. Obgleich wir keine Empfehlungsbriefe an ihn hatten, nahm uns doch Dr. Pruner mit einer Liebe und Herzlichkeit auf, die besonders in einem fremden Lande so wohlthut. Mit Aufopferung seiner kostbaren Zeit zeigte und beschrieb er uns viel von den Merkwürdigkeiten Kairo's und außer mehreren Stunden, die er uns täglich widmete, brachten wir fast jeden Abend bei ihm zu, wo wir an einem andern deutschen Arzt, Dr. Fischer, eine eben so lehrreiche als angenehme Bekanntschaft machten. Beide Männer sind aus Baiern gebürtig, haben in Deutschland ihre Studien gemacht und sind nach Kairo gegangen, um neben den hier herrschenden Krankheiten orientalische Sprachen zu studiren.

Was bei den meisten orientalischen Städten den Reisenden, der sie betritt, so angenehm berührt, ist der Contrast des Innern mit dem Aeußern der Stadt, und wovon Kairo eine rühmliche Ausnahme macht. Den Ausspruch vieler Reisenden, daß Kairo das Paris des Morgenlandes sei, mußten auch wir bestätigen; denn ein solches Leben und Treiben auf den Straßen, wie hier, verbunden mit der Reinlichkeit derselben, mit dem Anblick der mannigfaltigsten Völkerstämme, den Bazars, wo zwischen den Gewölben mit Erzeugnissen des Orients Buden mit europäischen Fabrikaten, und Deutschen, Franzosen oder Engländern gehörend, sich befinden, trifft man sonst nirgend. Obgleich die Straßen ungepflastert sind, so findet man auf ihnen weder Staub noch Schmutz; ersteren nicht, weil der lehmige Boden fest zusammengetreten ist und letzterer kann nicht entstehen, weil es hier in Kairo höchst selten regnet, früher kaum drei bis vier Mal im Jahre, jetzt aber, seit Ibrahim Pascha vor der Stadt große Anpflanzungen von Bäumen namentlich von Akazien anlegen ließ, hat man die Bemerkung gemacht, daß es hier um Kairo viel öfter regne, als sonst.

Die Häuser der Stadt sind auf dieselbe Art wie die von Konstantinopel gebaut, nur daß die hiesigen viel höher und meistens aus Steinen aufgeführt sind; doch haben sie hier, so wie dort, nur kleine schmale Thüren und unregelmäßige Fenster, die nicht nur bald klein, bald groß sind, sondern auch ohne alle Symmetrie am Hause angebracht. Alle sind mit oft sehr künstlich geschnitzten Gittern versehen und viele haben obendrein noch bunte Glasfenster, so daß in den Gemächern auch beim hellen Sonnenschein ein mystisches Halbdunkel herrscht. Die gelbe Farbe des gewöhnlichen Bausteins würde den Straßen etwas Düsteres geben, wenn nicht der fast immer heitere Himmel und die helle Sonne oft zu freundlich hineinschauten. Doch macht bei der beständigen Hitze, die in einigen Monaten fürchterlich wird, das Dunkle einzelner enger Straßen keinen unangenehmen Eindruck und man wandelt in dem Schatten der hohen Häuser behaglich wie in einer Laube herum. In einigen Quartieren sind an den Dächern der Häuser große Matten und Tücher quer über die Straßen gespannt, welche dieselben freilich etwas dunkel machen, aber das Bild einer Laube, was ich vorhin erwähnte, noch mehr rechtfertigen. Der Schatten und die Kühle, die fast beständig hier herrschen, thut dem Wanderer, der von draußen herein kommt, ungemein wohl.

Das Leben und Treiben auf den Gassen und in den Bazars ist hier ebenso mannigfaltig, wie das in Stambul und Damaskus; nur sieht man hier nicht, wie in ersterer Stadt, den fatalen blauen Ueberrock der Beamten und Militärs, sondern Mehemed Ali hat seinen Leuten vernünftiger Weise die zum Klima besser passende Nationaltracht gelassen. Die Soldaten haben ihre weiten Hosen behalten, die vom Knie abwärts enge sind, und ebenso die kurzen Jacken, und er hat ihnen nur das Feß und andere Waffen gegeben. Der Beduinen, die mit ihren großen Kameelzügen oft die ganze Straße versperren, sieht man hier fast mehrere, als in Damaskus, sowie einem beinahe auf jedem Schritt schwarze Nubier und kupferfarbige Abyssinier begegnen. Was hier das Auge des Europäers vielfach auf sich zieht, ist der Kontrast des Orients und Occidents, der sich wohl nirgends näher und schroffer gegenüber steht. In den Vorstädten erregt es ein eigenes Gefühl, neben der Lehmhütte des Fellahs, die halb in den Boden gegraben ist, ein großes stattliches Gebäude zu erblicken, das ganz auf europäische Art gebaut, mit regelmäßigen Fenstern, weiß angestrichen ist und eine Geschützgießerei des Pascha enthält. Längs dem Portal, das ganz wie bei uns mit Thorflügeln versehen ist, und vor dem ein paar alte Kanonen als Ecksteine eingerammt sind, zieht eine lange Reihe Kameele vorbei, mit Erzeugnissen des Südens beladen, von Negern geführt und von Beduinen als Schutzwache umgeben, und ebenso ist es, wenn man in den englischen Parkanlagen des Pascha auf der Insel Roda, herumwandelt und sendet den Blick über die mit grünem Strauchwerk eingefaßten Schlangenlinien hinweg auf den Nil, hin zu den Pyramiden oder auf die uralten Grabeskirchen der Mamelukenkönige. Mehemed Ali's Geist hat hier in kurzer Zeit viel hervorgerufen, doch mir erscheint das ganze Aegypten nur wie ein großes Treibhaus. Während wir in den unsrigen durch künstliche Wärme Produkte des Südens ziehen wollen, will der Vicekönig durch die Wärme seines Geistes Einrichtungen des Nordens nachahmen, um Früchte von ihnen zu ziehen; doch wird der rohe unbearbeitete Boden Aegyptens den Werken Mehemed Ali's nicht gestatten, Wurzel zu fassen und sie werden unter einem neuen Herrscher dahin welken.

Wie in Konstantinopel die Kaik's die Fiaker der Stadt genannt werden können, so sind es hier die Reitesel, die an allen Straßenecken in großen Schaaren halten; ein Thier so voll Vorzügen und Tugenden, wie die einzelnen Exemplare dieser Gattung, die man bei uns sieht, voll Fehler und Laster. Schon das Aeußere des ägyptischen Esels zeigt eine gute Herkunft; er ist klein, aber äußerst lebendig und sein Haar ist so seidenartig und glatt, wie das des schönsten Pferdes. Jeder ist mit einem gepolsterten Sattel, der zwei Bügel hat, sowie mit einem gewöhnlichen Zaumzeuge versehen. In der Nähe der Gasthöfe, besonders des unsrigen, hielten sich immer eine Menge Eseltreiber mit ihren Thieren auf, und kaum hatten wir das Hotel verlassen, um einen Gang in die Stadt zu machen, so waren wir augenblicklich so umringt, daß wir im wahren Sinn des Worts nicht von der Stelle konnten, und oft, wenn wir auch gar nicht daran gedacht hatten, einen Esel nahmen, um nur fort zu kommen. Doch kostete es keine kleine Mühe, bis man in den Besitz eines solchen Thieres gelangt, indem die Zudringlichkeit der hiesigen Eseltreiber noch viel ärger ist, als die der Stambuler Pferdevermiether. Man wird gestoßen und gedrückt, und sowie man einen Esel am Zaum fassen will, wird er einem nicht selten vor der Nase fortgeschoben und man muß einen andern besteigen. Sitzt man aber auf diese Weise erst hoch zu Esel, so findet man, daß es eine sehr angenehme Art ist, sich durch das Gedränge auf den Straßen fortzubewegen. Das kleine Thier setzt sich sogleich in einen Trab, für den ich gar keine Benennung weiß; man sitzt weich, wie in einem Sessel, und die kleinen Beine des Thiers trippeln so schnell vorwärts, daß man rasch von der Stelle kommt. Neben jedem Esel läuft der Sais, der durch sein immerwährendes Geschrei die Leute aufmerksam macht und zum Ausweichen bewegt. Wenn man oft in dem Gedränge von Menschen, Kameelen, Pferden und Eseln keinen Ausweg sieht, so trabt der Esel doch lustig zu und findet immer ein Loch, durch welches er hindurch schlüpft. Daß es hiebei nicht ohne Stöße abgeht, kann man sich leicht denken; denn obgleich der Sais beständig schreit: Jemilak, Schimilak – weichet zur Rechten, zur Linken! oder einem, den man in Gefahr ist zu überreiten, zuruft: Rikle Gembek, was so viel heißen will: nimm deinen Rücken, dein Bein in Acht, so ist es doch oft nicht möglich, sogleich auf dies Geschrei bei Seite zu reiten und man carambolirt sehr unsanft mit andern Reitern.

Als wir so zum ersten Mal durch die Straßen Kairo's galoppirten, brach jeder über die komische Figur, die der Andere auf dem Esel machte, in lautes Gelächter aus, besonders unser Baron und der Maler, als die größten, sahen am sonderbarsten aus, da beide, wenn sie aus den Bügeln traten, ohne Beschwerde mit ihren Füßen hätten die Erde berühren können. An den Ecken der Straßen, wo sie scharf und ebenso rasch herumliefen, wunderte ich mich immer, daß nicht einmal eines von diesen Thieren hinstürzte, und doch ist uns dies nie passirt; selbst nicht, wenn wir an der Ecke einen andern Zug Esel trafen und wir im Galopp gegenseitig ausweichen mußten.

Man sieht hier in Kairo wenig Pferde auf den Straßen, sondern fast alle Stände bedienen sich der Esel. Selbst Said Bey, der Sohn des Vicekönigs und Soliman Pascha begegneten uns nicht selten auf Mauleseln. Die Damen der vornehmen Klasse, die auch zu Esel in den Straßen paradiren, sind dabei seltsam vermummt. Vor dem Gesicht hängt ein dunkles Stück Tafft oder Kattun, in das ein paar Löcher für die Augen geschnitten sind, und der ganze Körper ist in ein großes Stück Seidenzeug oder dunkeln Kattun gehüllt, den sie vorn mit beiden Händen zusammenhalten, aber dabei die Arme so viel wie möglich absperren, damit ihre Figur recht breit aussieht, was ihnen nobel erscheint. So eine Reihe Weiber hinter einander sieht durch die schwarze Farbe ihrer Gewänder wie ein Leichenzug aus. Die Frauen der ärmeren Klasse und der Fellahs, die natürlich zu Fuß gehen, haben eine so einfache Kleidung, daß sie bei wenig kräftigerem und schönerem Körperbau, als man gewöhnlich bei dieser Klasse sieht, dem Auge unangenehm sein müßten. Ihr ganzer Anzug besteht nämlich aus einem baumwollenen Hemde, meist von dunkelblauer Farbe mit kurzen Aermeln, das sich überall dem Körper anschmiegt, und die meistens vollen und runden Formen leicht erkennen läßt. Der Lohnbediente unseres Gasthofes, Namens Mechmed, ein noch ziemlich junger Mensch in dem schönen malerischen Mameluken-Costüm, weiter rother Hose, weißem Unterkleid und darüber eine rothe Jacke, Alles mit Goldschnüren besetzt, ritt die ersten Tage mit uns in Kairo herum und führte uns gleich auf den Sklavenmarkt, der, wie er nicht mit Unrecht meinte, uns sehr interessiren würde. In Konstantinopel hatten wir von dieser Anstalt wenig oder gar nichts gesehen, da man dort in diesem Punkte dem Franken keine Rechte zugesteht. Hier aber in Kairo ist es anders, und es verbietet dem Europäer kein Gesetz, auf dem Sklavenmarkt zu sehen, was er will; nur hängt es natürlich von dem guten Willen des Sklavenhändlers selbst ab, ob er ihm seine schönste Waare zeigen will.

Durch einen langen dunkeln Thorweg tritt man auf einen geräumigen Hof, der rings mit Gebäuden umgeben ist. Links beim Eingange bestand das Gebäude aus einer offenen Gallerie, zu der man auf einer Treppe hinauf stieg; auf der andern Seite waren kleine Gemächer, in denen sich die schöneren Sklavinnen befanden und an den halbgeöffneten Thüren dieser Kammern standen die Sklavenhändler, meistens wild aussehende Gestalten, als Wache. Auf dem Hofe saßen die schwarzen Sklaven und Sklavinnen, von einander abgesondert, auf Matten, und die unglücklichen Geschöpfe müssen hier die Kühle der Nacht und des Morgens, sowie der Hitze des Tages ausgesetzt sitzen bleiben, bis sie verkauft sind. Die ganze Kleidung der Neger besteht aus einem grauen Stücke Packtuch, das sie um die Hüften geschlagen haben, ebenso die der Negerinnen, nur ist das Stück Zeug bei letzteren so groß, daß sie auch noch einen Theil der Brust damit bedecken können. So sitzen sie und, warten, bis ein Käufer eintritt, der sich das, was er braucht, oberflächlich heraussucht, dann aus der Reihe der Andern hervortreten läßt und wie man eine Waare untersucht, von allen Seiten genau betrachtet. Der Anblick dieser armen Menschen ist wirklich schrecklich und empörend. Ich habe gesehen, wie zwei junge Negerinnen – einer der Sklavenhändler sagte mir, es seien Schwestern – gewaltsam von einander getrennt wurden. Die eine war eine schöne volle Gestalt, die andere etwas schmächtiger, beide saßen auf der Matte und hatten sich mit ihren Armen umfaßt. Den Wink eines vornehmen Aegypters, der die schönere kaufen wollte, ließ sie, als habe sie ihr Schicksal, von der Schwester getrennt zu werden, geahnet, lange unbeachtet, bis sie der Sklavenhändler mit einem Stoße zum Aufstehen zwang. Sie wurde besehen und gekauft, worauf sich das arme Geschöpf weigerte, ihre Schwester zu verlassen, die sie gewaltsam festhielt. Es war eine empörende Scene. Man trennte sie mit Gewalt, und da sich das kräftige Mädchen heftig vertheidigte, wurde sie von zwei andern Sklaven erfaßt und unter lautem Schreien und Weinen fortgetragen.

So etwas ereignet sich häufig, so daß sich der Orientale nicht mehr darum kümmert.

Um Eintritt in die kleinen Kämmerchen, in welchen die weißen Sklavinnen und Abyssinierinnen, überhaupt die schöneren, aufbewahrt werden, zu erhalten, mußten wir nach dem Rath unseres Mechmed öfters hingehen und anfänglich nur mit den zur Wache vor der Thür stehenden Arabern sprechen, ihnen Tabak oder ein kleines Trinkgeld geben und sie von selbst davon anfangen lassen, ob wir nicht ihre Sklavinnen sehen wollten. An einem dieser Wächter, der eine Art Rang unter den andern zu behaupten schien – er trug einen grünen Turban – machten wir uns nun, gaben ihm Tabak und gewannen seine Neigung besonders durch einige Cigarren, die wir ihm spendeten. Auch nahmen wir ihn mit in ein nahe liegendes Kaffeehaus und hatten durch diese kleine Höflichkeit sein Herz bald so eingenommen, daß er uns selbst in die kleinen Zimmerchen der besseren Sklavinnen führte. Doch war gerade nicht sehr viel Schönes da; nur in einem einzigen Gemach befanden sich neben drei Abyssinierinnen, die eben nicht übel aussahen, eine Griechin und eine Mulattin, von denen die erstere noch ziemlich hübsch war. Sie waren, sowie die Mulattin, ungefähr in demselben Costüm gekleidet, wie die arabischen Tänzerinnen, hatten aber, wie alle Weiber, ein großes Stück Tafft als Mantille um sich geschlagen, das sie aber auf unsern Wunsch fallen ließen und es überhaupt gerne sahen, daß wir ihre schönen Gestalten bewunderten. Die Mulattin war selbst eine Art Tänzerin und machte mit ihrem Körper ziemlich graziöse Wendungen und Biegungen. Natürlich waren hier die Gesichter unverschleiert, was für uns das Interessanteste war. Die Haare hatten sie lang den Rücken hinabhängen und kleine Gold- und Silbermünzen darein geflochten. Der Preis einer solchen weißen Sklavin ist zwischen zwei, drei, auch sechs bis achthundert Gulden. Ausgezeichnet schöne Mädchen werden natürlich mit ganz andern Preisen bezahlt. Eine Negerin kommt nicht so theuer; sie wird mit sechszig bis dreihundert Gulden bezahlt. Die fünf Sklavinnen, die wir auf unsern Spaziergängen öfters besuchten, hielten es nicht unter ihrer Würde, uns um allerhand kleine Dinge zu bitten, die wir bei uns hatten. So gefielen ihnen hauptsächlich unsere Handschuhe, die wir ihnen schenkten und sie dadurch sehr glücklich machten.

Auf der andern Seite des Hofes, wo sich die Gallerien befanden, waren die kleinen Negerknaben zu sehen, die zum Kauf ausgestellt waren. Sie waren ebenso wenig bekleidet, wie die Schwarzen im Hofe, und da ihnen dies bei der wechselnden Temperatur, sowie bei ihrer schlechten Kost – die schwarzen Sklaven nämlich bekommen nichts als Brod und Zwiebel – sehr unangenehm vorkommen mußten, so thaten jedes dieser armen Kinder in seiner Unschuld Alles, um den Blick des Käufers auf sich zu ziehen. Einige sprangen und tanzten, Andere schnitten allerlei lächerliche Grimassen oder hüpften wie die Affen herum, wieder Andere saßen sehr gravitätisch da und grüßten uns so ehrerbietig wie möglich. Diese Kinder von acht bis vierzehn Jahren waren nach ihren Eigenschaften oder dem, was sie allenfalls gelernt hatten, in verschiedene Abtheilungen gesondert. An einer Seite saßen die, welche nichts konnten und erst bei ihrem Herrn etwas lernen mußten, dort welche, die die schwere Kunst verstanden, eine Pfeife zu stopfen oder ähnliche Kleinigkeiten zu verrichten, und abgesondert von diesen saßen die Unglücklichsten von allen, Unglückliche, denen eine barbarische Sitte Alles genommen, was ihnen die Natur gab, und sie dadurch unter das Vieh herabdrückte. Doch werden diese künftigen Haremswächter am meisten gesucht und am besten bezahlt.

Einer eigenthümlichen Sitte gemäß sind nicht alle Sklavinnen, die man auf dem Markt zum Verkauf ausgestellt sieht, wirklich zu haben, sondern unter den weißen Sklavinnen befinden sich auch welche, die zur Strafe hieher geschickt wurden, indem bei schweren Vergehungen im Harem, als: Streitigkeiten unter sich oder mit den Eunuchen, der Herr des Hauses das Recht hat, seiner Sklavin ihre schönen Kleider auszuziehen und sie auf dem Markt zum Verkauf auszustellen. Der Sklavenhändler bekommt natürlich die Weisung, sie nicht fortzugeben, sondern sie muß hier nur auf kürzere oder längere Zeit unter den Andern sitzen, wo sie in beständiger Angst schwebt, welchen Herrn sie nun bekommen wird; denn ihr ist es nicht bekannt, daß sie nur zum Schein hier dem Verkauf ausgestellt ist.

Eine andere Anstalt, die nicht weit vom Sklavenmarkte liegt und das Elend der Menschen noch viel schauderhafter zeigt, ist das Irrenhaus. Die Gemächer, in welchen sich die Wahnsinnigen befinden, liegen ebenfalls um einen großen Hof, auf welchen auch die Fensteröffnungen gehen. Da letztere sehr groß sind und mit starken Eisenstäben versehen, woran die Unglücklichen liegen und sich gegenseitig anstarren, so glaubt man bei dem immerwährenden Geheul und Zähneknirschen, das man hier hört, sich in einer Menagerie bei wilden Thieren zu befinden. Ich habe nie einen schrecklicheren Anblick gehabt, als die verzerrten Physiognomien dieser Menschen mit langem, struppigtem Haupt- und Barthaar, wenn sie an ihre Gitter stürzten und uns mit ihren rollenden, roth unterlaufenen Augen anstierten. – Doch genug von diesen Scenen!

Wir besteigen unsere Esel wieder und reiten durch die belebten Straßen Kairo's um sie ein wenig zu durchkreuzen und einige schöne Gebäude anzusehen. Das Merkwürdigste hier für Kairo ist der neue Palast Ibrahim Paschas, ganz auf europäische Art gebaut und mit heller, freundlicher Farbe angestrichen. Hohe Bogenfenster mit den schönsten Spiegelscheiben gehen auf einen freien Platz, eine Art Boulevard, der mit Akazien bepflanzt, auch mit einigen andern europäisch gebauten Häusern umgeben ist, und auf dem man glaubt, sich mitten in einer unserer größten Städte Europas zu befinden. Von hier ritten wir wieder zurück durch die Straßen und sahen das Gebäude und den Garten, auf dessen Terrasse General Kleber erstochen wurde. Durch das Thor von Boulak kamen wir jetzt auf einen schönen Weg hinaus, der rechts und links von den schönsten Gartenanlagen umgeben, nach Fostat oder Alt-Kairo, an den Nil führt. Wenn uns nicht der Kalender sagte, daß wir im Monat Februar wären, so könnte man glauben, wir hätten wenigstens schon Ende Mai, denn so üppig und schön blühte und grünte Alles um uns her. Der Klee steht fast mannshoch und die Felder find mit den schönsten Gemüsen unserer Sommermonate bedeckt. So gewährt die Gegend von Kairo einen angenehmen Anblick. In dem Klee stehen große Schaaren von Pferden und fressen ihn ab, dort arbeiten die Schöpfräder mit Ochsen getrieben und führen das Wasser des Nils aus den größeren Graben und Teichen, worin es noch von der Überschwemmung her steht, durch die kleinen Kanäle über die Felder hinweg. Bald erreichen wir Alt-Kairo mit seinen einzeln abgesperrten Quartieren und der mittelalterlich saracenischen Bauart, treten im Vorbeigehen in den Hof der Moschee Amru's, eines Generals des Omar, deren Halle von hundertvierzig Säulen getragen wird. In der Mitte erhebt sich neben einer schönen Palme ein Brunnen, wo vormals das Zelt Amru's gestanden haben soll, welches der Sage nach Ursache wurde, daß man Alt-Kairo erbaute. Auf dem Zelt des Generals nämlich ließ sich eine Turteltaube häuslich nieder, weßhalb Amru, aus Schonung für das Thier, sein Zelt nicht abbrechen ließ und um dasselbe baute sich später Alt-Kairo an, woher auch noch sein heutiger Name Fostat kommen soll, der das Zelt eines Nomaden bedeutet.

Von hier erreichten wir bald den Nil, den schönen alten Strom, die eigentliche Gottheit Aegyptens. Ohne an die Segnungen zu denken, welche dieser Fluß jährlich über das Land ausgießt, erfreut sein äußerer Anblick schon das Auge und es gibt in Europa keinen Fluß, dessen Wassermasse mit der des Nils zu vergleichen wäre. Schon bei Luxor hat seine Breite dreizehnhundert Fuß und sie steigt bei Montfalont und Syout auf zweitausend achthundert und später in der tieferen Ebene, wo keine Gebirge die Ausbreitung des Stromes hemmen, im Januar bei mittlerem Wasserstand, sogar auf zweitausend achthundert und fünfzig Pariser Fuß. Aber wenn man erst recht einsehen will, was Aegypten Alles dem Nil verdankt, so muß man nur das Land betrachten, wenn es vor der Stromschwelle, fast ohne alle Quellen, von der Sonne verbrannt und zerrissen wird. Um Ostern und Pfingsten wehen die heißen, aus Süden kommenden Chamsimwinde und unter ihrem Hauche liegt das Land wie ein in Fieberglut aufgelöster Kranker. Alles Grün auf der Erde ist verbrannt und die Landschaft, bei dem geringsten Windhauch in Staub eingehüllt, gewährt einen traurigen Anblick; nur der Palmbaum behält seine grünen Blätter, die aber auch, von der Hitze ermattet, flach herunter hängen. So dauert dieser Zustand der gänzlichen Trockenheit, wo auch die Pest und andere Seuchen gewöhnlich heftig grassiren, bis zum 17ten Juni, der Nacht des Tropfens, Leylet en Nucktah, jene unbegreifliche wunderbare Nacht, in welcher – und das wissen die ägyptischen Astrologen fast bis auf die Minute auszurechnen – der himmlische Tropfen in den Nil fällt, der, wie der Sauerteig das Brod, die Fluthen zur Gährung bringt und nach und nach überschwellen läßt.

In dieser Nacht ist Alles lauter Freude und Entzücken; man tanzt und jubelt und freut sich aufs Neue des Lebens, wie aus einer harten Gefangenschaft erlöst, und fast alle Leute bringen diese Nacht auf den platten Dächern ihrer Wohnung zu. Hier wird gegessen und getrunken und allerhand Sachen getrieben, um die Zukunft dieses neuen Erntejahrs zu erforschen. So legt man Brodteig hin, der, anschwellend, Glück und Fruchtbarkeit verkündet, im Gegentheil aber ein böses Omen ist. Auch macht man aus dem Nilschlamm Kugeln, die mit Nilwasser übergossen werden, und deren schnelleres oder langsameres Zerrinnen auch etwas bedeutet.

Nach dieser Nacht des Tropfens hören, nach dem Glauben der Aegyptier, alle Krankheiten auf, ansteckend und tödtlich zu sein, und alle Kranken, selbst die von der Pest befallenen, verlassen ihre Häuser und treten wieder in Berührung mit den übrigen Menschen. Von diesem Zeitpunkt an beginnt aber auch wirklich durch die ganze Natur ein neues Leben zu pulsiren. Das Steigen des Nils, das anfangs sehr langsam vor sich geht, aber immer rascher und stärker wird, und zu Anfang Juli schon recht bemerkbar ist, wird täglich durch besonders hiezu angestellte Ausrufer den Leuten nach dem Maße des Nilmessers auf der Insel Roda verkündet. Dieser Ausrufer geht mit einem Knaben durch die Straßen, und nachdem Beide ein Wechselgespräch mit einander gehalten haben, in welchem sie die Gottheit preisen, die fließendes Wasser gab und den Nil übertreten ließ, verkündet der Munnadi en Nil, d. h. der Ausrufer des Nils, wie hoch das Wasser gestiegen sei, wobei er aber oft, um den Leuten eine Freude zu machen oder ein höheres Trinkgeld zu bekommen, gewaltig lügt. Das Steigen und Fallen des Nils ist der eigentliche Kalender der ägyptischen Bauern, denn nach der Höhe des Wasserstandes säen sie ihr Getreide. So wird schon im August die Moorhirse, sowie einige andere Gewächse gesäet, deren bald nachher aufsprossendes Grün am besten unter der Decke des später anströmenden Wassers fortkommt. Im Monat September erreicht das Wasser des Nils seinen höchsten Stand. Das untere, flachere Nilthal sieht schon wie ein See aus und längs des ganzen Stroms, von Oberägypten an bis in's Delta, beginnen Freudenfeste aller Art. Die frischen Nordwinde, die nun wehen, stellen die Communication zwischen Oberägypten, die der heiße Südwind abgebrochen hat, wieder her, und eine Menge von Booten mit großen dreieckigten Segeln fährt, von diesem Winde getrieben, rasch nach Oberägypten. Für Kairo bereitet sich an diesem Tag ein besonderes Fest vor, d. i. die Durchstechung des Dammes bei Alt-Kairo, was mit großen Feierlichkeiten vor sich geht. Schon Tags vorher läuft der Munnadi mit seinem Knaben festlich geputzt durch die Straßen und verkündet in einer blumenreichen Redeart, daß das Wasser den höchsten Stand erreicht habe. So beginnt z. B. der Munnadi: »Gott ist Gott. Er breitete den Erdkreis aus und sein Ruhm sei hochgepriesen!« worauf der Knabe antwortet: »Ja, und gab fließende Wasser, durch welche die Gefilde grün werden,« und das geht so fort. Am Ende preist er noch den Freigebigen, der ihm ein gutes Trinkgeld geben wird, und bittet Gott, ihn nicht vor die Thüre des Geizigen zu führen, »der,« so sind ungefähr seine Worte, »das Wasser im Kruge mißt, oder die Brode noch im Teige zählt, oder die Katzen zur Essenszeit hinausschließt und die Hunde von seiner Mauer hinwegtreibt.« Dagegen ermahnt er auch alle, sich bestens zu schmücken, um die großen Festlichkeiten bei Durchstechung des Dammes nicht zu versäumen. »Seht nur!« ruft er,, »wie sich die Welt geschmückt hat – die Damen haben sich geputzt – der Junggeselle sieht sich nach der Gesellin um – der Jungfrau bereitet man den Brautschatz.« In Alt-Kairo geht es sehr lustig her. Hier sind in der Nähe des großen Dammes Zelte aller Art aufgeschlagen und Gaukler, Tänzer treiben überall ihr Wesen. In großen Buden sind Kaffeehäuser und Scherbetbereiter, und es geht da zu, wie auf einem großen Jahrmarkte bei uns. In dem noch trockenen Kanal ist die Arusch oder Braut des Nils aufgestellt, das Andenken an eine alte barbarische Sitte, nach welcher jährlich dem überschwellenden Flusse eine Jungfrau geopfert wurde. Die jetzige Nilbraut aber ist nur eine aus Lehm und Nilschlamm zusammengesetzte Figur, die an der Stelle sitzt, wo der Damm durchstochen wird, und ruhig ihr Schicksal erwartet. Um sie herum tanzt und jubelt das jüngere Volk bei Musik und Feuerwerk, das die Nacht vor dem festlichen Tage abgebrannt wird, bis zum nächsten Morgen, wo bei den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne von der Zitadelle der Donner der Kanonen erschallt und unter dem ungeheuren Jauchzen der Menge in Gegenwart der hohen Behörden der Damm durchgestochen wird. Ganze Schaaren Kinder stehen entkleidet in dem trockenen Kanal und erwarten das strömende Wasser, indem sie zuerst herumwatend einander hinwerfen, allerlei Balgereien treiben und die arme Nilbraut necken, die schon von den ersten Fluthen des Wassers aufgelöst wird und in Nichts zerrinnt. Endlich, wenn das Wasser höher und höher steigt, läuft das lustige Volk entweder an's Ufer oder umschwimmt schreiend das geschmückte Schiff Akabah, das ebenfalls von den Wellen flott gemacht wurde und auf dem strömenden Wasser unter lärmender Musik dahin fährt. Das Wasser fließt nun durch den großen Kanal in die kleineren und dann in die Gräben der Felder, und in kurzer Zeit ist alles Grün um Kairo mit Wasser bedeckt. In den letzten Tagen des Monats September fängt das Wasser schon allmälig an wieder zu sinken. Die höher liegenden Felder treten hervor. Gegen Ende Dezember sieht man fast noch überall kleine Seen und Teiche, die allmälig verschwinden und gegen Anfangs März fließt der Strom wieder ruhig in seinem alten Bette dahin.

Von Alt-Kairo aus besuchten wir die Insel Roda, wo sich der uralte Nilmesser befindet und wo Ibrahim Pascha in neuerer Zeit einen botanischen Garten angelegt hat. Ersterer ist einer großen Cisterne ähnlich, deren aus Quadersteinen aufgeführte Wände mit Bildhauerarbeiten verziert sind. Da das Bauwerk oben offen ist, so sieht man unter den Wasserspiegel, in dessen Mitte sich eine achteckige Säule erhebt, worauf Namen und Zeichen eingegraben sind, nach denen man weiß, wie hoch das Wasser steht. Doch sind an dieser Säule keine Maße angegeben, sondern nur die Namen der verschiedenen Höhen des Nilufers, sowie der Dörfer, die das Wasser in der Wirklichkeit dann erreicht, wenn der Spiegel desselben in dem Nilmesser bis zu dem betreffenden Namen gestiegen ist. An drei Mauern dieses Behälters finden sich Nischen und an der vierten eine Treppe, auf welcher man zu dem Wasser hinabsteigen kann. Oben um den Rand sind Koransprüche mit sehr zierlicher Schrift in den Stein gehauen.

Der Garten des Pascha ist, wie ich schon früher bemerkte, halb auf englische Art angelegt und soll schon jetzt einen ziemlichen Reichthum von verschiedenen Gewächsen enthalten. Gegen Alt-Kairo bestehen die Ufer der Insel aus schönen, massiven Mauern, die den Garten umgrenzen, und sind mit bequemen Treppen versehen, um vom Boote aus bequem in den Garten steigen zu können. Die Einfassungen verschiedener Partien dieser Anlagen bestehen aus Gittern, die sehr künstlich aus Rohr geflochten sind. Bei unserem Klima und seinem immerwährenden Regen würden diese Gitter halb verfaulen, aber hier halten sie, wie uns der jetzige Gärtner, ein Franzose, versicherte, viele Jahre. An einem Theil des Gartens befinden sich große Boskets von Palmen, Sycomoren, Feigen und Orangen und zwischen diesen Bäumen hat der Pascha ein Gartenhaus gebaut, das auf der einen Seite einen Saal, auf der andern aber eine Grotte hat, die mit den schönsten Muscheln und Korallen aus dem rothen Meer verziert ist. Es gewählte uns ein wahrhaftes Vergnügen, auf den grün angestrichenen Bänken dieses Gartens zu sitzen, dessen Einrichtung uns so ganz an die Heimath erinnern würde, wenn sich nicht neben uns schlanke Palmen erhöben und man nicht auf dem andern Ufer die Pyramiden in majestätischer Reihe sähe. – –

Obgleich wir schon eine ganze Pferdefamilie beisammen hatten, war es doch das erste Geschäft unseres Barons, Erkundigungen nach guten Pferden selbst einzuziehen, oder durch Leute, die sich hiezu gleich anboten, einziehen zu lassen. Zu Letzteren gehörte in erster Reihe der Schwabe, von dem ich bei unserer Ankunft in Kairo sprach; er war Thierarzt und kannte die Pferde der Stadt so ziemlich. Hauptsächlich war es ein brauner Hengst, den der Baron suchte, doch wollte er nur ein Pferd von der edelsten Race, die hier eben so selten sind, wie bei uns. An Leuten, die ihre Thiere präsentirten, fehlte es auch hier, wie überall, nicht; oft wurden solche als das Schönste, was man sehen könne, angekündigt, und wenn man sich nun die Mühe gab, sie zu besehen, waren es die erbärmlichsten Pferde. So erinnere ich mich unter Anderem, daß der Lohnbediente Mechmed eines Morgens uns schon um fünf Uhr aus dem Schlafe weckte, um einen Arnautenschech zu melden, der, wenn es dem Baron genehm sei, einen prachtvollen braunen Hengst vorführen wolle. Sein Wunsch wurde ihm natürlich gewährt. Der Baron zog sich nach einiger Zeit an und ging hinunter. Doch kam er bald darauf wieder zurück und erzählte mir mit lautem Lachen: der prachtvolle braune Hengst sei ein ganz miserabler Fuchswallach gewesen, für den der Arnaut noch obendrein eine unmäßige Summe gefordert habe. So ging es zuweilen den ganzen Tag fort und der Baron konnte kaum die Zeit auftreiben, um alle die Pferde anzusehen, die ihm vorgeführt wurden. Es war überhaupt jetzt nicht die geeignete Zeit, um die Pferde der reichen Paschas und Kaufleute, worunter doch am ersten etwas Vorzügliches zu finden war, anzusehen; denn in diesen Monaten waren die Pferde nicht mehr in der Stadt, sondern man hatte sie, nach ägyptischem Ausdrucke, in den Persim gethan.

Wenn nämlich, wie jetzt, der Klee recht hoch steht, schickt der vornehme Aegypter seinen ganzen Marstall auf's Land, entweder in seine eigenen Kleefelder oder in andere, die er zu diesem Zwecke miethet. Hier werden die Pferde, reihenweise an einem Hinterfuße gefesselt, auf das Kleefeld gebracht, wo sie so viel fressen können, wie ihnen beliebt oder so viel sie den Tag erreichen können. Am folgenden Morgen rückt man mit ihnen vorwärts und so immer weiter, bis das ganze Kleefeld abgefressen ist. Die Sais wohnen unter einem Zelt dabei, um die Pferde beaufsichtigen zu können. So sieht es in dieser Jahreszeit um Kairo aus, als haben lauter Nomadenstämme hier ihren Weideplatz erwählt. Doch wird dadurch das Besichtigen der Pferde äußerst erschwert, da man oft Stunden lang zu reiten hat, um von einem Persim zum andern zu gelangen.

Die Gestüte Mehemed Ali's, die um Schubra, dem Sommerlandsitz des Paschas, auf den Kleefeldern sich befanden, mußten natürlich auch angesehen werden, weßhalb wir an einem schönen Morgen auf Reiteseln dahin aufbrachen. Längs dem Ufer des Nils ritten wir auf einer sehr schönen Straße, die mit einer Reihe dicht belaubter Akazien besetzt war, nach dem Landsitze des Pascha. Er besteht aus einer großen Gartenanlage mit Wohnhäusern des Pascha und aus mehreren Höfen, die umher liegen. Auf einem derselben befindet sich ein Elephant, den wir im Vorbeigehen ansahen. Das große, sehr starke Thier befand sich auf dem Hofe und war mit einer schweren Kette, die es um den Hinterfuß hatte, an eine Sycomore befestigt. Ein Junge, der höchstens acht oder neun Jahre alt war, spielte mit ihm. Es war komisch anzusehen, wie der kleine Kerl an dem Rüssel, den er wie einen Baum mit Händen und Füßen umklammerte, auf die langen Stoßzähne kletterte, von da die Ohren ergriff und seine Beine an den Kopf stemmend, auf denselben gelangte. Das riesenhafte Thier ließ Alles geduldig mit sich vornehmen, kniete auf das Geschrei seines kleinen Wärters nieder, stand wieder auf und am Ende nahm es den Knaben mit seinem Rüssel vom Kopfe herunter und setzte ihn sanft auf die Erde.

Wir verließen den Hof wieder und erreichten bald darauf Schubra, wo uns der Eintritt in die Gärten ohne viele Schwierigkeiten erlaubt wurde. Diese sind in gemischtem Geschmack, bald italienisch, bald englisch, bald orientalisch angelegt, gewähren aber im Ganzen einen sehr schönen Anblick. Das Wohnhaus des Pascha ist auf Terrassen gebaut, die mit hohen, schlanken Gängen von Rebenlaub bedeckt sind. Eben solche gewölbte Lauben führen fast durch den ganzen Garten und selbst die Beete haben je nach ihren Figuren solche Laubbögen über sich. Der interessanteste Theil des ganzen Gartens ist der neue Pavillon des Pascha, der in einem Gebüsche von Palmen, Orangen, Feigen, Sycomoren, Platanen und noch andern dichtbelaubten Bäumen versteckt liegt.

Das Gebäude, fast ganz aus Stein aufgeführt, ist von sehr beträchtlicher Länge und Breite. Seine vier Seiten gleichen durch die vielen hohen Bogenfenster langen Gallerien. An den vier Ecken des ganzen Gebäudes befinden sich andere Pavillons, die auf dieselbe Art vorspringen, wie die Bastionen bei den Festungswerken. Auf breiten Marmortreppen gelangt man an die Thore des Gebäudes, deren sich auf allen vier Seiten befinden, und bleibt beim Anblick des Hofes überrascht stehen, so sinnreich und prachtvoll ist die Construction desselben erdacht und ausgeführt. Das Innere des ganzen Gebäudes bildet nämlich ein ungeheures Marmorbecken, das von den vier Seiten des Gebäudes, welche Bogengänge bilden, die nach Innen von schlanken Säulen getragen werden, umgeben ist.

Auf allen Seiten sind große Röhren angebracht, die geöffnet werden können und aus denen sich dann der Hof in kurzer Zeit mit Wasser füllt. In der Mitte desselben ist ebenfalls aus schönem Marmor eine Art Insel aufgeführt, die mit Orangenbäumen besetzt ist und auf der sich, wie überall an den Ufern dieses künstlichen Sees, Ruheplätze befinden. Dieser Pavillon ist zu großen, glänzenden Abendgesellschaften bestimmt, und dann muß der Anblick des Hofes wirklich zauberhaft sein. Das Ganze war in dem Augenblick, wo wir es besahen, noch nicht fertig, und man legte eben die letzte Hand an die Einrichtung und die Röhren, um das Gebäude mit Gas beleuchten zu können. An den vier Ecken des Hofes sind kolossale aus Stein gehauene Löwen, die immerfort Wasser in das Becken speien, und noch mehrere andere dergleichen Fontänen, und bei jeder derselben sind Gaslampen angebracht, deren Flamme unter dem Wasserstrahl brennen soll, was einen ungemein schönen Anblick gewähren muß. Die Eckpavillons sind halb europäisch, halb orientalisch eingerichtet, mit Divan und Teppich, Spiegel und Kronleuchter.

An einer andern Stelle des Gartens zeigte man uns ein Plätzchen, das sehr gemüthlich war, wo nämlich der Pascha, wenn er sich in Schubra aufhält, gewöhnlich sein Morgen- und Abendgebet verrichtet. Es ist ein kleines Rondel mit dicken Hecken umgeben und auf seiner Mitte befindet sich ein Divan aus Rasen und Moos mit einem Geländer aus zusammengewachsenen Baumstämmen. Die Richtung nach Mekka wird hier durch eine Sycomore bezeichnet, die, wie man sagt, vor dem väterlichen Hause des Vicekönigs gestanden haben soll und die er zum Andenken hieher verpflanzen ließ.

Wir bestiegen unsere Esel wieder und trabten um Schubra herum nach einigen großen Gebäuden, die mitten in den Feldern liegen und wo sich die Gestüte Mehemed Ali's befinden. Die weitläufigen Gebäude schienen mir ziemlich gut eingerichtet. Sie umschlossen mehrere hintereinanderliegende Höfe, auf denen sich eine große Anzahl kleiner Fohlen herumtrieb. Die Stallungen sind anders und wie es mir schien, zweckmäßiger eingerichtet, als die unsrigen, und sie haben statt einer Stallgasse, wie bei uns, deren drei, indem nämlich an dem mittleren Gange die Pferde auf beiden Seiten stehen, mit den Köpfen gegeneinander gekehrt, und an jeder der beiden Wände des Stalles ist gleichfalls eine Gasse frei gelassen, so daß man auch hinter den Pferden her gehen kann.

Auf den Feldern, die zum Gestüte gehören, waren die Hengste und Stuten von einander abgesondert, auf dieselbe Art in dem Klee angebunden, wie ich es schon früher beschrieb. Wir ritten zu ihnen hinaus und wunderten uns sehr, so wenig oder fast gar nichts vollkommen Edles unter diesen Thieren zu finden. Von den Stuten war keine einzige da, die der Mühe werth gewesen wäre, daß man sie mit nach Europa genommen hätte; unter den Hengsten dagegen befanden sich wohl einige sehr starke und edle Thiere, aber diese waren in den früheren Kriegen mit den Mechabiten erbeutet worden und schon in einem Alter von achtzehn bis zwanzig Jahren, deßhalb für uns nicht zu brauchen.

Auf dem Rückwege nach Kairo führte uns Mechmed in eines jener Häuser, in dem sich die merkwürdigen Brütöfen befanden, in welchen die Aegyptier schon seit uralter Zeit die Hühner durch künstliche Wärme fabrikmäßig aus den Eiern hervorlocken; eine Erfindung, die selbst einen Engländer befriedigt haben würde. Die Hitze in den Gängen zu diesen Oefen war ziemlich stark und die ganze Einrichtung so eng und winklich, daß ich nur mit vieler Mühe mit unserem Mechmed hinein kriechen konnte, um wenigstens einen kleinen Begriff von dieser Anstalt zu bekommen. Zu beiden Seiten eines engen Ganges befinden sich kleine Kammern und über jeder derselben ein runder gewölbter Ofen. Der Boden dieser beiden Kammern ist mit feinem Stroh oder Binsen bedeckt, auf welche, nachdem der Ofen mit Mistkuchen geheizt worden ist, die Eier reihenweise neben einander gelegt werden. Doch wird anfänglich nur die Hälfte dieser Oefen geheizt, unter denen die Eier bis zum eilften Tag liegen bleiben; dann läßt man das Feuer oben ausgehen und bringt die Eier aus der Kammer auf die Backsteine des Ofens selbst, die von der Heizung der vorigen Tage noch eine ziemliche Wärme behalten. Jetzt wird auch die andere Hälfte der Kammern geheizt und ebenfalls mit Eiern belegt. Da die Oefen mit einander in Verbindung stehen, so erhalten die, in welchen das Feuer jetzt ausgegangen ist, von den andern noch immer so viel Wärme, als die kleinen Hühner zum Auskriechen bedürfen, was ebenso wie unter der Henne am zwanzigsten oder einundzwanzigsten Tage geschieht. Von hundert Eiern kriechen gewöhnlich sechzig bis siebzig Küchlein aus, und da dem Bauer für zwei Eier, die er gebracht, eines dieser Thierchen gegeben wird, so hat der Staat an den übrig bleibenden noch einen ziemlichen Nutzen, wenn man bedenkt, daß in Unter- und Oberägypten jährlich sechzehn bis siebenzehn Millionen dieser Hühner ausgebrütet werden.

Unser Rückweg nach Kairo auf der guten Straße neben dem Nil war heute in den spätern Nachmittagsstunden reizend und schön. Das Wasser, von den letzten Strahlen der Sonne vergoldet, floß zwischen seinen üppigen grünen Ufern so still und ruhig dahin, und auf ihm schwammen die kleineren Boote, mit Frucht oder verschiedenem Grün beladen, das, hoch aufgethürmt, dem Boot mit einer schwimmenden grünen Insel viele Aehnlichkeit gibt. Ohne diese Fahrzeuge mit ihren kurzen Masten, an denen sich aber eine ungeheuer lange Segelstange befindet, kann man sich den Nil gar nicht denken. Wo man im Hintergrunde die Pyramiden siehe, dürfen diese seltsamen Segelstangen auch nicht fehlen. Die Fellahs, die ihre Geschäfte in Kairo besorgt hatten, kamen einzeln und in Schaaren zurück; die Weiber trugen Krüge und Körbe auf der Achsel und auf der Schulter, was bei der Geschicklichkeit, mit der sie diese Sachen zu balanciren wissen, sehr artig aussteht. Diese Weiber der ärmeren Klasse haben, wie ich schon früher bei Gaza bemerkte, etwas sehr Graziöses, ja Elegantes in ihren Bewegungen, besonders wenn sie mit ihren hohen Krügen über Gräben und Hecken daher springen. Bei solchen Gelegenheiten habe ich sie oft gesehen, wo sie ohne Zuthat das schönste Bild abgegeben hätten. So begegneten uns noch heute Abend dicht vor Kairo zwei junge Weiber in eifrigem Gespräch und sehr raschem Gange und eine trug einen flachen Korb auf dem Kopfe; dicht vor uns sprangen sie die Straße hinab und schlugen einen Feldweg ein, der tiefer lag, wodurch wir in den Korb sehen konnten. Statt Früchte oder sonst etwas, das wir darin vermuthet hatten, war der Boden mit etwas Klee bedeckt, auf dem ein kleines nacktes Kind von einigen Monaten lag, das sich mit beiden Händen am Rand festhielt und vergnügt in die Welt sah.

Bei den Thoren der Stadt verließen wir unsere Esel, um noch einen Gang auf die Acropolis oder die Citadelle der Stadt zu machen, welche an einem Abhange des majestätischen Mokkatams liegt. Dieser alte Bau, von Sultan Saladin gegründet, hat schon viele Veränderungen erlitten und Ströme von Blut fließen sehen. Auf einem breiten gepflasterten Wege steigt man hinan und kommt oben zum großen Burgthor, vor dem sich links die Menagerie des Pascha befindet. Wir konnten sie nicht sehen, da der Wärter abwesend war.

Von den älteren Bauwerken hier oben sieht man nur noch einige Ruinen von dem Palaste Saladin's; sonst ist Alles, was an die Sarazenen erinnern könnte, bei der Umwandlung der Citadelle in eine moderne Festung nach europäischer Art gänzlich verschwunden. Von neueren Gebäuden ist hier oben die Residenz Mehemed Ali's, sowie die Sitzungssäle für den obersten Gerichtshof und für den Oberrichter oder Kadi der Stadt. Jetzt läßt der Vicekönig aus prächtigem Alabaster, der in der Umgegend gefunden wird, eine neue Moschee bauen, zu welcher auch die noch übrigen Granitsäulen vom Palaste Saladins verwendet werden. Mechmed führte uns an eine Stelle der Festungswerke, wo die Mauern, dann der Felsen des Berges über hundert Fuß tief senkrecht hinabgehen und erzählte uns, daß, als Mehemed Ali die Mameluken hieher gelockt und den größten Theil niedergemacht, hier an dieser Stelle ein alter Schech mit seinem Pferde hinabgesprungen und glücklich entkommen sei. Das Schönste, was wir auf dieser Stelle genossen, ist die ungeheure Aussicht, die man rings herum hat. Wie immer sind es auch die Pyramiden, die zuerst den Blick auf sich ziehen und die man hier an den Ufern des mächtigen Stromes in West und Südwest in ihrer ganzen Ausdehnung vor Augen hat. Dort sieht man die drei großen Pyramiden von Ghizeh mit den sechs kleineren, die daneben stehen; dann weiter gen Süden die Gruppe der Pyramiden von Abusir und endlich ganz in der Ferne die Pyramiden von Sakkarah sich scharf am Horizont abzeichnen. Vor uns am Fuße jener ersten Pyramiden, die mitten in dem gelben Sande stehen, der sich hinter ihnen tausende von Meilen weit ausdehnt, liegt das Dörfchen Ghizeh, dessen saftig grüne Felder von jenem verbrannten Gelb scharf abstechen. Sie werden von den Fluthen des Nils bespült, der, ein mächtiger Zauberer, zu beiden Seiten grüne Felder und schlanke Dattelpalmen in dichten Reihen hervorruft. Jenseits des Stromes liegt Fostat und zu unsern Füßen im weiten Kreis die ägyptische Hauptstadt Kairo, ihrem Namen nach die Siegreiche, aber nach einer andern Bedeutung des Worts auch die Geplagte und oft Beunruhigte. Gegen Nordost sieht man gleich vor den Mauern der Stadt den großen Kirchhof von Bab en Nusr, der aber nicht, wie gewöhnlich, nur Grabsteine hat, sondern sich durch die Masse seiner thurmartig gewölbten Familienbegräbnisse auszeichnet. An ihn stößt ein anderes noch weit prächtigeres Todtenfeld, die Gräberstadt der Mamelukenkönige, und man kann diesen Grüften mit Recht den Namen einer Todten- oder Gräberstadt geben. Auf einer Länge von fast einer Stunde Weges sieht man dort große stattliche Gebäude mit gewölbten Kuppeln, hohen Minarets, die mit der schönsten Bildhauerarbeit bedeckt sind, in denen Niemand wohnt und in denen jene Herrscher beigesetzt wurden, nachdem ihnen der Tod den Säbel entwunden. Man hätte zu diesen Wohnungen der Todten nicht leicht einen ruhigeren, stilleren Platz wählen können. Er liegt an einem Abhange des Mokkatamberges, Sand' im Sande, aus dem sich die Gebäude selbst, meistens aus graugelben Steinen erbaut, von gleicher, öder, trauriger Farbe erheben. Hinter ihnen beginnt die syrische Wüste, durch die wir hergezogen, eine weite Fläche, auf der man von hier aus kleine Oasen sieht, einzelne Palmgruppen und dazwischen die weißen Gebäude, ebenfalls nur mit dürftigem Grün umgeben, an denen wir vor einigen Tagen vorübergezogen.

Die Residenz des Pascha's, aus vielen größeren und kleineren Sälen bestehend, ist theilweise ganz orientalisch, theils halb europäisch eingerichtet. In den großen Gerichts- und Audienzsälen sieht man nur Divans und Teppiche, in den Privatgemächern des Vicekönigs dagegen hat man mit Spiegeln, Kronleuchtern, Teppichen ec., einen wahren Luxus getrieben. Das Schlafgemach des Pascha's ist klein, mit einem sehr dicken persischen Teppich bedeckt und in der Mitte desselben ist auf diesem das Lager, aus einigen dicken Matratzen bestehend, über die seine Decken gebreitet sind, auf welchen wieder eine Menge kleiner Kissen liegen. An den vier Ecken dieses Lagers erheben sich schlanke, vergoldete Säulen, die einen gewölbten Baldachin unterstützen, von dem nach allen Seiten seine Seitenflore herabhängen, um den Schlafenden vor den zudringlichen Mücken zu bewahren, die ebenso wenig den Herrscher wie den Fellah verschonen.

Neben diesem Schlafgemach war ein anderes Zimmerchen mit kleinen Divans, einem Tisch, Fauteuils und einem prächtigen französischen Kamin aus weißem Marmor. Sehr schön eingerichtet waren die Badgemächer, die aus drei hintereinander liegenden Zimmerchen bestehen, von denen die Wände, Fußboden und Decke der beiden letzteren aus sehr schön gesprenkeltem, glänzend polirtem Alabaster bestehen. Die Einrichtung zum Baden selbst bestand, wie bei uns, aus einer großen Wanne; doch war eine Vorrichtung da, um das letzte Kabinet nach türkischer Art mit Wasserdämpfen füllen zu können.

Das älteste Gebäude auf der Citadelle ist der sogenannte Josephsbrunnen, der nach Einigen vom Sohne Jakobs seinen Namen haben soll, nach Andern aber vom Sultan Saladin, der ebenfalls den Namen Jussuff – Joseph hatte. So viel ist gewiß, daß der Kalif, der vielleicht hier die Ueberreste der alten Bauwerke gefunden haben mag, ihn erweitern und vom Sande der Wüste reinigen ließ. Dieser Brunnen ist eine trichterartige Schlucht in den Felsen, deren unterste Tiefe bei zweihundert und fünfzig Fuß betragen soll. Da es unten nichts anderes zu sehen gab, als gewöhnliches Nilwasser, so stiegen wir nicht hinab.

Wir hatten heute eine lange Tour gemacht und beeilten uns deßhalb, nach unserem Hôtel zurückzukommen, wo die Fleischtöpfe Aegyptens auf uns warteten. Etwas Anderes, was wir bei unserer Zurückkunft fanden und was uns noch mehr erfreute, als das wirklich gute Diner, war unser lieber Fürst Aslan, der heute von Damiette, wohin er von Gaza mit dem Dampfschiffe Ibrahim Pascha's gegangen war, hier ankam. Er wollte sich eine Zeit lang in Kairo aufhalten, und wußte noch nicht, wo er von hier aus seinen Stab hinsetzen würde. Wir hatten zum Diner unsere Freunde Pruner und Fischer eingeladen und unterhielten uns mit ihnen und dem Fürsten von unsern Abenteuern auf der Wüstenreise, als plötzlich der Chef unserer Karawane, der Tartar-Gassi, in den Saal trat, der uns aufgesucht hatte, und wir verlebten alle zusammen einen fröhlichen, aber etwas theuren Abend; denn den vaterländischen Wein, den wir tranken, es war Hochheimer, ließ sich unser englischer Wirth mit fünfzehn Gulden die Flasche bezahlen. Wenn ich jetzt in der Heimath von einem Besuch der ägyptischen Pyramiden, jener uralten Bauwerke, erzähle, so liegt mir das wieder ebenso fern und hinter Traumschleiern verborgen, und ich könnte in Versuchung kommen, jene Zeit, wo wir uns einen Esel satteln ließen, um jene Weltwunder, die dicht vor unsern Augen lagen, zu besuchen, für eine fabelhafte zu halten, wenn nicht zuweilen dieser ganze merkwürdige Tag und das Bild dieser kolossalen Steinhaufen, von lebhafter Erinnerung beleuchtet, hell und klar vor mein Inneres träte. Unser Mechmed hatte schon den Tag vorher für dauerhafte, starke Esel gesorgt, von denen wir jeder einen bestiegen, und der übrigbleibende mit Eßwaaren beladen wurde, da wir erst am Abend zurückkommen konnten. Wir waren mit dem englischen Kapitän und Mechmed zu sechs. In Alt-Kairo, wo wir uns mit den Thieren mittelst einer Barke über den Strom mußten setzen lassen, gab es bei dieser Gelegenheit eine lustige Scene; denn um die Esel in das Boot zu bringen, mußte man zur Gewalt seine Zuflucht nehmen, wobei es denn äußerst komisch aussah, wenn so ein Thier, von zwei Mann am Kopf und Schweif gehalten, in das Fahrzeug geschleppt wurde. Auf dem andern Ufer des Nils ritten wir eine Zeit lang unter zahlreichen Palmen dahin und erreichten in Kurzem das Dorf Ghizeh, wo sich die größten Brütöfen befinden, denn hier allein werden jährlich an hundert und dreißigtausend Eier ausgebrütet. Bei diesem Dorfe und schon früher auf den Feldern hatte sich unsere Gesellschaft mit jedem Schritte vermehrt; denn alle Fellahs, die uns erblickten, verließen ihre Arbeit und liefen uns nach. Einige boten kleine aus Thon gebrannte Mumien zum Verkauf an, Andere eben solche Käfer, Ohrgehänge, kleine Figürchen, die man in Mumien gefunden; aber die meisten wollten uns begleiten, um uns beim Ersteigen der Pyramiden oder beim Hineinklettern in's Innere hülfreiche Hand zu leisten. Bald hatten wir aber, besonders von diesen Letzteren, so viele um uns, daß auf jeden von uns, Mechmed eingerechnet, wenigstens zehn gekommen wären, weßhalb dieser, da sich der Haufen noch immer mehrte und uns mit lautem Geschrei umschwärmte, einschritt und einen Theil fortzujagen suchte. Doch dies war nicht so leicht geschehen, obgleich unser Kapitän dabei aus allen Kräften half. Wenn das Volk auch vor dem hochgeschwungenen Stocke Mechmeds einen Augenblick zurückwich, so waren sie doch gleich wieder in der Nähe und die Bemühungen des Kapitäns, sie fortzujagen, waren wirklich lächerlich. Er ritt sein eigenes Pferd und verfolgte damit zuweilen die Einzelnen, die sich zu nahe an uns gedrängt, über Klee- und Fruchtfelder hinweg, ohne jedoch einen mit der geschwungenen Peitsche zu treffen; denn obgleich sich das Pferd sehr schnell wandte, so waren doch die Fellahs viel geschwinder und fingen an, ihn weidlich zu necken.

Bald hatten wir die Pyramiden vor uns liegen, und was ich schon früher einmal bemerkte, daß sie aus einiger Entfernung dem Auge nicht so kolossal erscheinen, mag wohl daher kommen, daß jede ihrer Seiten ein regelmäßiges Dreieck bildet. Ein Arm des Nils trennte uns noch von ihnen. Da keine Brücke über ihn führte, so mußten wir ihn auf den Eseln durchwaten; doch war das Wasser schon so klein, daß wir ohne viele Mühe hindurchkamen. Nur gewährten uns einige Weiber, die vor uns wateten, einen lächerlichen Anblick; diese, um ihr blaues Hemd nicht naß zu machen, hoben es in die Höhe und waren schon fast in der Mitte des Wassers, als sie uns am Ufer ansichtig wurden. Sie erhuben ein lautes Geschrei und wir sahen ihnen an, daß sie lange schwankten, was schlimmer sei, ihre Kleider naß zu machen oder unsern Blicken ausgesetzt zu bleiben; doch mußte ihnen das erste als das größte Uebel erscheinen, denn sie blieben in ihrer früheren Position und erreichten das jenseitige Ufer glücklich mit Ausnahme einer einzigen, die beim Hinaufspringen auf das Gesicht fiel.

Das jenseitige Ufer war sehr schmal von Grün eingefaßt, auf dem sich noch einige Palmen erhoben; dann fing die Sandregion an, in welcher auch die Pyramiden stehen, graugelb wie der Boden. Je näher man nun diesen Kolossen kommt, je riesenhafter dehnen sich die Formen nach allen Seiten aus, und als wir um den Fuß der größten Pyramide, der des Cheops, herumritten und an den Steinmassen emporsahen, kamen sie mir nicht mehr wie ein Gebäude vor, sondern wie ein Gebirge, dem die Natur eine regelmäßige Form gegeben. Man muß aber auch bedenken, daß die Basis dieser Pyramide einen viereckigen Platz bildet, wie wir selbst in unsern größten Städten fast keinen größeren haben. Jede ihrer Seiten mißt dreihundert Schritte und die ganze Fläche umfaßt fünfmalhundert fünfzigtausend Pariser Quadratfuß. Jetzt, wo sich durch die Winde der Wüste an allen Seiten große Sandhaufen um den Fuß der Pyramide gehäuft, haben ihre Seiten unten nur noch siebenhundert sechzehn Pariser Fuß; doch braucht man noch immer eine gute Viertelstunde Zeit, um das ganze Gebäude zu umgehen. Die Höhe der Pyramide des Cheops beträgt nach den neuesten Messungen vierhundert sechzig Pariser Fuß.

Ueber dem Eingang bieten herabgefallene Baustücke eine ziemliche Fläche dar, auf welche wir uns setzten, um unser Frühstück zu verzehren. Mechmed war beschäftigt, die Beduinen, die uns ins Innere sowie auf die Pyramide hinauf begleiten sollten, auszusuchen, was unter einem unerhörten Schreien und Lärmen vor sich ging. Die Ausgewählten machten einen fürchterlichen Skandal, indem sie zu uns heraufschrieen, daß sie auf alle Fälle die besten und stärksten seien und Mechmed mit vieler Umsicht gewählt habe. Die Andern dagegen schimpften auf ihn und prophezeiten uns nichts Gutes, wenn wir uns solchen schwachen Kerls anvertrauen wollten.

Der Kapitän, der es nicht lassen konnte, die Leute auf alle erdenkliche Art zu necken, fing auch hier wieder sein Spiel an. Mechmed hatte die Leute, die er für uns ausgesucht, zu unsern Füßen an den Eingang der Pyramide gestellt, und die Andern umgaben diese in einem weiten Kreise; auch hatten sich eine Masse Weiber eingefunden, die auf den Steinen umherkauerten und uns bald Wasserkrüge zum Trinken anboten, bald aus ihren Schleiern kleine Figürchen und Münzen hervorwickelten, die wir ihnen abkaufen sollten. Anfangs amüsirte sich der Kapitän damit, daß er die Ueberreste unseres Frühstücks unter das Volk vertheilte, wobei er hauptsächlich gegen die »Damen« galant war und ihnen die besten Brocken an den Kopf warf. Doch als er so alle Eßwaaren verschleudert hatte, begann er den unter uns stehenden Fellahs Sand auf die Köpfe zu scharren, worüber diese ein lautes Geschrei erhoben, was ihn aber so amüsirte, daß er, glaube ich, dies Spiel lieber den ganzen Tag fortgesetzt hätte, als die Pyramiden zu besteigen.

Mechmed traf jetzt die Anstalten, das Innere der Pyramiden zu besehen, wozu er die mitgenommenen Lichter anzündete und unter den Fellahs vertheilte. Außer diesen wurden jedem von uns zwei dieser Leute zugetheilt, von denen der eine vorausging und der andere nachfolgte, um uns so eingeschlossen vor dem Fallen auf dem glattgeschliffenen Granitboden zu verwahren.

In das Innere der Pyramide führt ein Gang, der so hoch und schmal ist, daß man sich eben darin fortbewegen kann. Seine vier Wände bestehen aus dicht an einander gefügten Granitstücken, die geglättet sind, und da obendrein dieser Gang in einem Winkel von siebenundzwanzig Grad abwärts führt, so kann man sich leicht denken, daß es nöthig ist, sich vor dem Ausglitschen zu bewahren. Außer den dichten Staubwolken, die unsere Fußtritte in dem Gebäude aufwühlten und dem Willkommen, den uns einige große Fledermäuse spendeten, indem sie um unsere Köpfe flogen, machte eine Hitze von 23° Reaumur, welche als die mittlere Temperatur des Landes beständig in diesem Gebäude herrscht, das Hineinkriechen äußerst beschwerlich und unangenehm. Auf diese Art führt der Gang hundert Schritte abwärts, und man muß alsdann unter demselben Winkel an der andern Seite wieder aufwärts steigen, um in die oberen Gemächer zu gelangen. Doch ist dies letztere noch bei Weitem beschwerlicher und wirklich gefährlich; denn der Boden dieses aufwärts steigenden Ganges ist horizontal, und an seinen Wänden finden sich kleine Vorsprünge, auf welche man die Füße stellt und so mit gespreizten Beinen aufwärts gelangt. Auch hier hat man vor und hinter sich einen der Fellah, was sehr nöthig ist, da dieser Vorsprung aus Granit besteht und ebenfalls geglättet ist. So krochen wir gebückt einer hinter dem andern her, von Staub und Hitze belästigt und fast ganz im Dunkeln; denn unsere armseligen Wachskerzen erhellten den Raum nur spärlich, auch war ein Theil der Fellahs, welcher sie trug, voraus in das obere Gemach geeilt. Plötzlich hörten wir von dort einen tiefen Ton erschallen, dumpf und zitternd, gleich dem einer großen zersprungenen Glocke, der sich mit voller Gewalt durch die Gänge des ungeheuern Gebäudes fortpflanzte. Es waren unsere Fellahs, die mit einem Stein gegen die Wände des Sarkophages schlugen, der hier oben steht. Jetzt erreichten auch wir das obere Gemach, die Kammer des Königs genannt. Seine Wände, Decke und Fußboden bestehen aus geschliffenem Granit, auf welchem die Besucher der Pyramide mit Kohle und Kreide ihre Namen und Bemerkungen geschrieben. Der leere Sarkophag, von dem ich oben sprach, besteht auch aus geschliffenem Granit, ist sieben Fuß lang und drei Fuß breit und hoch. Wenn man die kleine Thüröffnung sieht, die kaum so breit ist, wie dieser Sarg, so kommt man auf die Vermuthung, daß dieser Stein ebenso wie die Gänge und Kammern während dem Bau der Pyramide aufgestellt wurde und sich der obere Theil allmälig darüber erhob. Auf die ersten Besucher dieser Grabeskammer wird es einen freudigen Eindruck gemacht haben, beim Oeffnen des in dem Sarkophag befindlichen Mumienbildes eine Mumie zu finden, mit einem goldenen, von Edelsteinen glänzenden Brustharnisch, der mit unbekannten Charakteren beschrieben war. Jetzt ist der Sarkophag natürlich leer. Wir stiegen wieder abwärts und besuchten die Kammer der Königin, die am Ende des horizontalen Ganges liegt, von dem ich oben sprach. Sie enthält weiter nicht viel Merkwürdiges und man sieht dort nur vier nackte glatte Wände. Unterhalb dieser Kammer und oberhalb der des Königs hat man vor noch nicht langer Zeit andere Gemächer entdeckt, zu welchen schachtartige Oeffnungen führen, die man vermittelst Querhölzer, die wie Leitersprossen übereinander stehen, erreichen kann. Da diese Sache jedoch, wie uns Mechmed versicherte, ziemlich gefährlich und dagegen wenig belohnend ist, indem man in diesen beiden Gemächern auch weiter nichts sieht, als die nackten Wände, so unterließen wir diese Partie und krochen durch den Gang, zu welchem wir hereingekommen, wieder an die freie Luft, die uns nach der dumpfen heißen Atmosphäre, die drinnen herrscht, angenehm und erfrischend war.

Wir setzten uns an den Fuß der Pyramide hin, um von den überstandenen Mühseligkeiten auszuruhen, und ließen dabei unsern Blick auf dem ungeheuern Bau umhergleiten. Wenn man die kolossalen und doch so regelmäßigen Formen der Pyramide eine Zeit lang genau betrachtet hat, so wird die riesenhafte Größe dieser Bauwerke dem Auge erst recht klar, und man muß in Erstaunen gerathen über die damalige Zeit, der es möglich war, solch' ein Werk aufzuführen; denn außer dem Aufbauen der Pyramide selbst wie das Anfertigen und Herbeischaffen des Materials, war das Errichten der schiefen Fläche, die mit dem Bau wuchs und auf welcher die Steine bequemer hinausgeschafft wurden, eine ebenso große Arbeit. Nach Herodot brauchten hunderttausend Menschen zehn Jahre Zeit, um die Steine aus dem arabischen Gebirg heranzuschleppen, und dann wieder zwanzig Jahre, um die Pyramide selbst aufzurichten. Früher, als das Aeußere derselben noch mit geglätteten Granitplatten belegt war, fand sich auf einer derselben eine Rechnung eingehauen, woraus man ersah, daß die ganze Beköstigung der Arbeitsleute an der großen Pyramide nur für Zwiebel, Rettig und Knoblauch an fünfmalhunderttausend Gulden gekostet hat. Danach kommt freilich auf jeden jährlich ein Gulden fünf Kreuzer und also in fünf Tagen ein Kreuzer, woraus man gewöhnlich die außerordentliche Wohlfeilheit in jenen Zeiten zu belegen sucht; doch scheint es mir viel eher, als habe man mit jener Rechnung die ungeheure Summe anzeigen wollen, die das Ganze gekostet, wenn man schon für diese Kleinigkeiten so viel ausgab; denn Herodot fährt, nachdem er Obiges erzählt, fort: »und wenn sich dieses so verhält, wie viel muß nicht sonst noch aufgewendet worden sein für Eisen zum Arbeitszeug und für Speise und Kleidung der Arbeiter!« Es ist mir unbegreiflich, wie man schon so viel hat schreiben und sprechen können und Vermuthungen aufstellen über den Zweck, den die ägyptischen Könige bei Erbauung der Pyramiden vor Augen gehabt. Wer die alte Geschichte dieses Landes und das Land selbst kennt, wo man auf jedem Schritte die fast abgöttische Verehrung findet, welche die Aegypter mit ihren Todten trieben, und wie sie Allen, bis zu den Leichnamen der Thiere hinab, die sie verehrten oder fürchteten, nach Kräften und Vermögen Grabgewölbe oder Denkmale erbauten, der wird, wenn er das Innere der Pyramiden kennt, nicht daran zweifeln, daß es gewiß weit eher Grabgewölbe sind, die sich die Eitelkeit der Könige erbaute, als Deckel von Ungeheuern Cisternen oder gar natürliche Formationen der Kalksteingebirge, was auch schon behauptet wurde. Das Ersteigen der Pyramiden, zu dem wir nun schritten, ging mit viel weniger Schwierigkeiten vor sich, als das Hineinkriechen in dieselben. Man klettert an einer der Ecken hinauf und wir hatten, um den Sonnenstrahlen auszuweichen, die nördliche gewählt. Obgleich aus der Entfernung die Seiten dieser Gebäude ganz glatt aussahen, so bilden doch die auf einander gethürmten Steine fast regelmäßige Staffeln von zwei bis drei Fuß Höhe und eben solcher Breite, über welche man, wie auf einer Treppe, zum Gipfel der Pyramide hinansteigt. Zu den Fellahs, die uns in das Innere derselben begleitet, hatten sich unter allerhand Vorwänden noch eine Menge anderer gesellt, die sich weder durch die drohende Miene unseres Mechmeds, noch durch die Reitpeitsche des Kapitäns hinwegtreiben ließen. Unter den vielen Weibern und Mädchen, die uns mit ihren Wasserkrügen umstanden, waren mehrere von hübscher Figur und frischem Gesicht. Einer derselben, sie hieß Miriam, kaufte ich einige der kleinen aus Thon gebrannten Mumien ab und sagte ihr durch Pantomimen etwas Schönes, worauf sich meine Begleitung, die schon aus drei Fellahs bestand, sogleich noch um einen vermehrte, der mir, als ich ihn wegweisen wollte, mit ziemlich begreiflichen Geberden sagte, er sei ja der Bruder des Mädchens, das ich so eben angesprochen.

Jetzt fingen wir an hinaufzuklettern, was durch die Unterstützung der Fellahs, jeder von uns hatte wenigstens drei, sehr rasch von Statten ging. Zwei hatten meine Arme erfaßt, sprangen eine Staffel hinan und zogen mich so mit lautem Geschrei hinauf, wobei die Andern nachschoben. Ich machte ihnen verständlich, daß ich gern zuerst oben sein möchte und versprach ihnen dafür eine Kleinigkeit mehr. Das wirkte und ich hatte vor allen Andern den Gipfel erreicht. Dieser bildete eine breite Platte, worauf man bequem ein kleines Haus bauen könnte; doch liegen einige große Steinblöcke hier herum, hinter welche ich mich setzte, um mich vor dem Wind, der hier oben etwas stark wehte, zu schützen. Bald kamen auch die Andern nach und der Kapitän, der keinen Fellah mit sich genommen hatte, war der Letzte. Außer den Beduinen, die Mechmed zu unserer Führung angenommen hatte, war eine gewiß noch eben so große Anzahl für ihre eigene Rechnung mit hinauf gesprungen, so daß wir mit einem großen Gefolge hier oben anlangten. Sogar von den Weibern kletterten viele, flink wie die Gemsen, zwischen den Männern mit hinauf, was bei der Geschicklichkeit, mit der sie dabei ihren Wasserkrug zu halten wußten, nicht übel aussah. Sie setzten sich dieser Strapatze nur deßwegen aus, um vielleicht für einen Trunk, den wir oben aus ihren Krügen thun würden, einige Para zu bekommen. Die Aussicht hier oben ist sehr schön, doch ist das Gefühl, die Pyramiden bestiegen zu haben, belohnender, als der Anblick des flachen Landes mit dem Nil, der sich wie ein silbernes, grün eingefaßtes Band durch den gelben Sand hinzieht.

Auf der einen Seite haftet der Blick an Kairo, und auf der andern Seite irrt er in der großen lybischen Wüste herum, in die man von hier aus ziemlich weit hineinsieht. Neben uns lag die Pyramide des Cephren, die an vierhundert Fuß hoch ist, sowie die des Mykerimus, die noch um ein Bedeutendes kleiner ist, als jene, aber vor Alters die prächtigste gewesen sein soll; denn ihr Ueberzug bestand aus geschliffenem Porphyr, Sienit und Granit. Bis jetzt hat man in ihr Inneres noch keinen Weg gefunden. Auf einem der Blöcke, von weichem Kalkstein, die hier oben lagen, schnitzten wir mit dem Messer unsere Namen ein. Das Hinabsteigen ging noch rascher vorwärts, als das Hinaufklettern, und ich muß gestehen, daß die Fellahs für das Wenige, was sie verdienten, sich große Mühe gaben. Ich zählte bei dem Herabspringen zweihundert und sechs dieser Lagen von Werkstücken oder Staffeln.

Nach einigen Streitigkeiten, die wir unten noch mit unsern Begleitern hatten, indem sie unter allerlei Vorwänden außer ihrer vorher bestimmten Bezahlung noch etwas verlangten, gingen wir um die Pyramide herum, wo auf der andern Seite, bei dem bekannten ungeheuern Bilde der Sphinx, unsere Eseltreiber mit den Thieren waren. So kolossal diese Figur ist, so steht sie doch neben den Pyramiden kleinlich, fast unscheinbar da. Nach Wilkensons chronologischen Tafeln ist dies Werk, das jüngste von allen, von Thotmes IV. aus der Masse eines hier stehenden Felsen ausgehauen worden. Dies Denkmal ist schon häufig beschrieben worden, doch leidet das Bild durch die Barbarei mancher Besucher und den Sand. Besonders das Angesicht ist sehr verstümmelt, die Nase fehlt ihm ganz und der Kopfschmuck, der wahrscheinlich von Metall und eingefugt war, ist völlig verschwunden. Von dem Altar und der Tafel, welche man zwischen den vordern Löwenfüßen wieder aufgefunden hat, sieht man nichts mehr; denn der Sand der Wüste häuft sich um die Sphinx immer tiefer an. Am Fuße der Pyramiden sind viele Grabkammern in den Felsen gehauen, aus denen man die Mumien weggeführt. In einer derselben setzten wir uns hin und tranken die letzte Flasche unseres mitgenommenen Cyperweins dem Andenken der Todten, die hier nach mehrtausendjähriger Ruhe ihren Gräbern entrissen worden waren, und uns in ihren kühlen Wohnungen einen Platz zum Ausruhen gönnten.


Vor ungefähr zehn Jahren war noch in Kairo unter der Regierung des alten Mehemed eine gar schöne, lustige Zeit. Die Kultur hatte noch keine Polizei dort eingeführt, und die Leute konnten in ihren vier Pfählen so ziemlich thun, wozu sie Lust hatten. Oeffentliche Tänzerinnen, Sängerinnen, Alles dergleichen war privilegirt. Es wurden Karten in ungeheurer Menge gelöst, und es war dies eine große Finanzspekulation des Pascha. Es muß damals in der alten Kalifenstadt ein Leben gewesen sein, als ob sich das Paradies zur Erde herabgelassen und die Langeweile in den Himmel gezogen wäre. Dies dauerte aber nicht lange; denn da diese Betreiber der schönen Künste allmälig zu laut wurden, mischten sich die Consuln der fremden Mächte hinein, und der Pascha, vielleicht selbst geärgert durch das Unwesen, das er hervorgerufen, befahl von heute auf morgen: alle ausgegebenen Erlaubnisscheine sind erloschen, und wer trotzdem sein Geschäft forttreibt, wird exemplarisch bestraft. Und wirklich, die Bestrafungen wurden ganz originell ausgeführt; die Regierung ließ am folgenden Tag Alles, was sich durch den Empfang einer Karte als Tänzerin, Sängerin etc. selbst angezeigt hatte, und noch in Kairo oder dessen Umgebung zu finden war, aufgreifen, nach Oberägypten abführen und dort mit Soldaten verheirathen, aus welcher glücklichen Verbindung wohl ein neues Heroengeschlecht seinen Ursprung nehmen wird.

Wer nur, wie wir, die schönen Araberinnen kennt, wer so oft gesehen, wie sie die geringfügigsten Dinge mit einer gewissen Grazie und Leichtigkeit ausführten, wer so viel gehört hat von den reizenden Tänzen dieser Houris, der kann sich denken, wie leid es uns that, einem solchen Ballet nicht beiwohnen zu können. Daß sich viele dieser Tänzerinnen noch heimlich in Kairo aufhielten, wußte jeder; es hielt aber bei der wachsamen Polizei sehr schwer, sie, besonders vor den Augen der Christen, zum Tanzen zu bewegen. Ein deutscher Bekannter jedoch, den wir dort trafen und der so ziemlich eingebürgert war, forschte einige Zeit herum, und kam endlich eines Abends, uns anzuzeigen, daß er mit Hülfe einiger ägyptischen Bekannten des andern Tags eine Unterhaltung der Art zu arrangiren suchen werde.

Am folgenden Abend holte er uns in Begleitung eines andern Deutschen ab, der sich uns als der Mann präsentirte, welcher uns den Genuß einer ächt levantinischen Abendunterhaltung, von den Arabern, wie alle gesellschaftlichen Vergnügungen, Phantasie genannt, bereitet habe. Dies war indessen nur auf die vielfachen Verwendungen seiner Frau, einer Kophtin, möglich geworden. Unser neuer Bekannter hatte diese würdige Dame auf die unter jener Christensekte gewöhnliche Weise, nämlich nur auf beliebige Zeit, zum Weibe genommen, wofür er ihren Eltern, da sie sich weder durch Schönheit noch Jugendfrische gerade auszeichnete, die mäßige Summe von zehn Thalern beim Empfange und ebensoviel bei der Zurückerstattung, ob mit oder ohne Kindern, zu entrichten hatte. Während der Ehe mußte er sie gehörig nähren, kleiden und sonst gut behandeln, was von ihr durch Treue, Liebe und thätigste Besorgung des Hauswesens nach ihrem Vermögen dem theuern Herrn und Gatten vergolten wurde. Dieses musterhafte Wesen hatte uns durch wirksame Empfehlungen den Eintritt in den Harem des armenischen Münzdirektors, der ein entlegenes Quartier der Stadt bewohnte, verschafft.

Das Haus hatte alle für den Zweck erforderlichen Eigenschaften. Es lag so weit von der Stadt ab, daß man die schreienden Töne der Violinen nicht hören konnte; auch war es mit hohen Mauern umgeben, welche keine neugierigen unbefugten Blicke hineinließen. Wir traten in ein Zimmer, recht hübsch nach orientalischem Geschmacke eingerichtet, in welchem sich bereits etwa zwanzig Personen befanden, und wurden vom Hausherrn, nachdem wir uns neben ihm niedergelassen, nach den hergebrachten Formeln freundlichst bewillkommt. Drei Seiten des Zimmers waren mit dem unentbehrlichen Divan besetzt, worauf des Armeniers Familie und einige seiner Bekannten lagen und saßen. Die Zahl der Damen mochte etwas weniger als die Hälfte der ganzen Versammlung betragen. Auf der Seite des Zimmers, wo kein Divan war, saßen am Boden drei arabische Musiker mit Tambourin und Violinen aus Kokusnußschaalen, mit zwei Saiten bespannt, die sie mit ziemlicher Fertigkeit spielten und dann und wann mit Gesang begleiteten. Von der Decke hingen ein paar Leuchter und der Fußboden war mit hübschen Teppichen belegt.

Sobald wir nach allen Seiten, durch Auflegen der Hände auf das Herz und dann auf den Kopf, gegrüßt, wurden uns von den Frauen Pfeifen und Kaffee gereicht, sowie auch bald von der einen bald von der andern Branntwein in kleinen Gläsern, der in unglaublicher Menge getrunken wurde. Dazwischen mußten wir Mandeln und Oliven essen, welche letztere man mit den Fingern aus der Brühe holen mußte, und hinterher kam stets ein goldgesticktes Tuch, um die Hände zu reinigen. Dies ging den ganzen Abend mit kurzen Pausen so fort, und die Höflichkeit verlangte, so wenig als möglich abzuschlagen.

Die weibliche Gesellschaft, die wir heute zum erstenmal in ziemlicher Freiheit und Natürlichkeit sahen, trug reiche orientalische Kleidung, weite seidene Beinkleider, gold- und silberdurchwirkte Jäckchen und Cachemirshawls als Gürtel. Einige hatten das Haar gescheitelt und das auf den Rücken lang hinabwallende mit seidenen Schnüren, an denen Gold- und Silbermünzen hingen, durchflochten. Die bemerkenswertheste der Damen war die jüngste Tochter des Hauses, ein jugendfrohes Mädchen von vierzehn Jahren, Bamba mit Namen, aus deren einnehmenden Zügen noch Frische und Sanftmuth sprachen. Eine andere interessante Figur war die Schwiegertochter, ein junges Weib von ungefähr zwanzig Jahren, die sich durch sehr schönen Wuchs, anständiges Benehmen und edle Gesichtszüge auszeichnete. Was mich an ihr besonders anzog, war eine tiefe Melancholie, die auf ihrem ganzen Wesen lag, ein Zug, den man bei den Orientalen so selten findet. Endlich muß ich noch einer hübschen, aber sehr beleibten Frau von gleichem Alter erwähnen, welche eine Art von schwarzseidenem Schleier, den sie über dem Kopf trug, nur dazu zu benützen schien, um den Schnee eines sehr stark entblößten Busens von seltener Fülle, durch periodisches, nur einen Augenblick dauerndes Bedecken desto mehr hervorzuheben. Sie blieb so kokettirend fast den ganzen Abend am nämlichen Platze sitzen und rauchte mitunter eine Pfeife. Die Physiognomien der ältern Frauen waren sehr uninteressant und trugen den Stempel gewöhnlicher Leidenschaften und eine Schlaffheit in den Zügen, welche durch die bei den Türkinnen fast immer herunterhängende Unterlippe noch stärker markirt wird.

Von den Männern möchte ich nicht viel sagen. Unser Wirth war ein wohlbeleibter Armenier, der uns alle ihm zu Gebot stehende Aufmerksamkeit erwies, und unter den übrigen habe ich auch kein ausgezeichnetes Gesicht bemerkt. Bamba hatte sich neben mich gesetzt und suchte mich durch allerhand kleine Aufmerksamkeiten zu unterhalten. Bald klopfte sie in ihre Händchen und verlangte vom eintretenden Schwarzen, er solle mir Nohr (Feuer) bringen, indem sie glaubte, meine Pfeife sei ausgegangen, bald bot sie mir ein Krystallgläschen voll Dattelbranntwein, und da sie zu hübsch war, um ihr etwas abzuschlagen, so nahm ich, was sie mir reichte.

Plötzlich ging die Musik, welche uns bisher nur mit verschiedenartigen Phantasien und arabischen Melodien beglückt hatte, in taktgerechte tanzbare Weisen über. Die Thür öffnete sich, und zwei arabische Tänzerinnen traten herein. Es waren junge Mädchen zwischen sechzehn bis zwanzig Jahren, von ungemein schönem und schlankem Körperbau. Sie trugen weite, weiß seidene, mit Gold gestickte Beinkleider, welche jedoch nicht unten zusammengeschnürt waren, sondern frei um die kleinen Füßchen hingen, die ohne Strümpfe nur mit einem rosaseidenen Schuh bekleidet waren. Den Oberkörper bedeckte eine Art Weste oder Mieder, das sehr tief ausgeschnitten war, von gelber Seide, auf der Brust mit goldenen Troddeln besetzt. Die beiden Kleidungsstücke wurden durch einen rosaseidenen Gürtel, der sehr knapp um die Hüften gelegt war, zusammengehalten. Ihre Jäckchen, von rother Seite mit Silberstickerei, hatten weite weiße Aermel, welche bis über die Finger herabfielen; doch waren sie nicht um die Hand befestigt, sondern flatterten bei jeder Bewegung zurück und zeigten die wohlgeformten Arme, an welchen goldene und silberne Spangen glänzten. Ihre nicht sehr dunkeln Gesichter hatten etwas Edles; besonders die scharf geschnittenen zierlichen Braunen über den glühenden Augen, sowie der fein gespaltene Mund waren voll Lieblichkeit und Anmuth.

Der Tanz begann, und Anfangs waren ihre Bewegungen, die sie nur mit dem Oberleib und den Armen ausführten, abgemessen und ruhig, bald aber wurden sie lebhafter und je länger je leidenschaftlicher. Ihre Augen flammten; ihre Brust hob sich zum Athmen hoch empor und ihr Körper nahm die mannigfachsten Stellungen und Biegungen an. Sie drehten sich schlangenartig mit einer Gewandtheit und einem Anstand um einander, wie ich es nie gesehen. Jetzt sanken ihre Arme herunter und der ganze Körper schien ermattet zusammen zu fallen; dann glaubte man zu sehen, wie sich ein neuer Gedanke in ihnen entwickelte und sich durch die leidenschaftlichsten Bewegungen auszudrücken suchte. Dazu spielte die Musik unermüdet fort, und je einfacher ihre Weisen waren, um so mehr traten aus diesem einfarbigen Hintergrund die glühenden Mädchen hervor. Wie die Spanierinnen ihre Castagnetten, so trugen sie an dem Daumen jeder Hand eine kleine silberne Glocke, mit welcher sie durch Anschlagen der Finger die Musik begleiteten. Je vollendeter in ihrer Art diese Tänze ausfielen, je größer war das Beifallrufen der versammelten levantinischen Gesellschaft, besonders des weiblichen Theils derselben. Nur Bamba legte sich zuweilen in den Divan zurück und sah mich lächelnd mit einem seltsam forschenden Blicke an.

Nach einer Pause begann der zweite Tanz, dessen Touren eine Idee ausdrückten und also einigermaßen zu beschreiben sind. Eine der Tänzerinnen nahm ein kleines, mit Rosenwasser gefülltes Gläschen zwischen die Zähne, mit welchem sie, ohne einen Tropfen zu verschütten, die raschesten, schwierigsten Bewegungen ausführte. Sie wiederholte beinahe ganz den frühern Tanz, und es war gewiß keine Kleinigkeit, dabei beständig das Gläschen so zu halten, daß sein Inhalt nicht herausfloß. Endlich trat sie vor einen der männlichen Gäste und faßte ihn mit beiden Armen um die Mitte des Leibes, wobei sie den Oberleib zurückbog und ihre Bewegungen ohne Unterbrechung fortzog; zuletzt beugte sie sich über ihn; goß langsam das Rosenwasser über seine Kleider, ließ das Gläschen fallen und sprang, nachdem sie ihn auf die Lippen geküßt hatte, in die Mitte des Zimmers zurück.

Jetzt trat die zweite auf, machte zuerst wieder einen unbeschreiblichen Pas, bückte sich immer tiefer, und je näher sie dem Boden kam, je ruhiger, ich möchte fast sagen, absterbender, wurden ihre Bewegungen. Plötzlich sank sie ganz auf den Teppich nieder und blieb da in einer malerischen Stellung regungslos, worauf die andere hinzusprang, sie um die Mitte des Leibes faßte, und es versuchte, sie durch die zärtlichsten Liebkosungen ins Leben zurückzurufen, wobei ihre Gesichtszüge Schmerz und Verzweiflung mit ergreifender Wahrheit ausdrückten. Allmälig belebte sich die scheinbar Ohnmächtige wieder, erhob sich zuerst langsam mit sichtbarer Ermattung, aber von Augenblick zu Augenblick wurden ihre Bewegungen stärker, bis endlich beide den Tanz, als wollten sie ihre Freude ausdrücken, mit noch größerer Glut als früher beendigten, was von der Gesellschaft durch ein vielfaches »Maschallah« (Gott ist groß) belohnt wurde.

In einer andern Tour näherte sich eine der Tänzerinnen einem auf dem Divan sitzenden alten Kophten und machte ihm pantomimisch eine Liebeserklärung, die er jedoch zu verschmähen schien, worauf sie alle Künste der Verführung anwandte, um sich den Widerspenstigen geneigt zu machen. Sie umkreiste ihn mit flehenden Mienen, beugte den Kopf beinahe auf seinen Schoos und sah ihn von unten herauf an, wobei sie zuweilen die Augen schloß, die Lippen öffnete und bei einem unbeschreiblichen Lächeln die schneeweißen Zähne sehen ließ, bis sie ihn am Ende wirklich erweicht hatte, und er die Bittende vom Boden aufhob. Zuweilen wurden ihnen von den Männern Goldstücke auf die Wangen und zwischen die Lippen gelegt, und in den Zwischenpausen spielten sie auf ihren Tambourins, womit sie einen traurigen eintönigen Gesang begleiteten.

Auch das Publikum war nicht ganz müßig; hie und da sprang eine von den Damen vom Divan auf und mischte sich in den Tanz; wir sogar mußten einmal daran Theil nehmen. Später führte die ganze Gesellschaft eine Pantomime oder auch nur ein Tableau auf, indem die Männer mit den Tänzerinnen auf dem Teppich dabei Stellungen annahmen, die nach europäischen Begriffen eben nicht alle anständig waren. Andere bildeten auf dem Divan mit den Frauen die malerischsten, phantastischsten Gruppen, welche in guter Ordnung und, wie es mir schien, nach einer Verabredung sehr häufig wechselten. Unser deutscher Freund sagte uns später, es seien Scenen aus arabischen Märchen, und bei jedem dieser Bilder recitirte ein alter Kophte, unter Begleitung der Musik, Stellen daraus, um sie verständlicher zu machen.

Endlich wurden wieder Pfeifen und Kaffee gebracht, und der Deutsche erzählte uns noch Einiges vom orientalischen Familienleben, woraus wir ersahen, daß dasselbe fast ganz materiell ist. Unter Anderem rechnete er uns vor, was die reiche Weste und der Shawl seiner Frau koste, und konnte uns nicht genug rühmen, wie vortheilhaft es für uns wäre, für einige Zeit eine Heirath mit einer Kophtin zu schließen, wie er gethan. Mir schlug er dazu die kleine Bamba vor, und das arme Mädchen zeigte sich gar nicht abgeneigt dazu. Der Mann verstand es, recht artige Luftschlösser zu bauen.

So war es zwei Uhr geworden. Wir beurlaubten uns bei unserem freundlichen Wirthe, der uns heute einen interessanten Blick in das Leben der Orientalen hatte thun lassen, wie es selten einem Reisenden vergönnt ist. Als wir aus dem Hause traten, stand der Mond über Kairo. Die sonst so lebendige Stadt war wie ausgestorben und als wir durch die gelben Gräber der Kalifen, die mit ihren Minarets und Kuppeln eine kleine Vorstadt bilden, dem Thore zuschritten, das zunächst unserer Wohnung lag, hörten wir nichts, als das Geheul der Schakals aus der Wüste von Suez, welche, vom Mondlicht beleuchtet, sich unermeßlich vor uns ausdehnte. Die Nacht war schön; wir warfen noch einen Blick zurück auf das Haus des Armeniers, dessen vergitterte Fenster noch erhellt waren. Keiner sprach ein Wort. Dort die eben genossene wilde Abendunterhaltung, hier der Nil und die Pyramiden in ihrer ruhigen Größe – welch ein Contrast!

Auf unserer ganzen Reise bei allen Mühseligkeiten und Strapatzen, die wir ausgestanden, war ich, Gott sei Dank! beständig sehr wohl gewesen, ja, was wirklich auffallend war, selbst auf dem Meer, wo sich doch fast jeder dem mächtigen Element beugen und ihm durch die Seekrankheit seinen Tribut entrichten muß, konnte ich in voller Gesundheit all' das Schöne genießen, was uns umgab. Da aber alle unserer Gesellschaft mehr oder minder von dem Klima gelitten hatten und krank gewesen waren, Doktor B. und Maler F. während unseres Aufenthalts in Beirut, der Baron zwischen dem Libanon und Antilibanon, so wunderte ich mich gar nicht, daß ich hier in Kairo, als wir uns gerade auf der Citadelle befanden, um noch einmal die schöne Aussicht zu genießen, von einem plötzlichen Unwohlsein befallen wurde, das ich den ersten und zweiten Tag gar nicht achtete, sondern mit den Freunden die gewöhnlichen Spaziergänge machte. Selbst unser lieber Freund Dr. Pruner, den wir nach wie vor jeden Abend besuchten, meinte anfänglich, ich hätte mir nur eine kleine Erkältung zugezogen; doch wurde ich den dritten Tag plötzlich so krank, daß ich mich zu Bette legen mußte, und da ich bis zu unserer Abreise von Kairo nicht wieder aufstand, nahmen für mich die Herrlichkeiten Aegyptens ein schnelles und trauriges Ende. Ich dachte anfänglich wohl an die Pest, die in Kairo wieder einmal ausgebrochen war, und das war das Einzige, was mich beunruhigte, doch zeigte sich meine Krankheit bald ganz anderer Art: es war ein Ruhranfall, der aber so heftig war, und sich überhaupt in diesem Klima so gefährlich äußert, daß, wie mir nachher unser Doktor sagte, er während ein paar Tage für meine Wiederherstellung nicht viel Hoffnung gehabt hatte. So angenehm mir Anfangs der Aufenthalt in Kairo gewesen, so war er mir doch jetzt etwas verleidet, und da Dr. Pruner obendrein gesagt hatte, sobald ich mich in der reinen frischen Luft des Nils befände, würde die Krankheit fast von selbst aufhören, so kann man denken, daß ich mich sehr nach der Abreise sehnte, die auch unser guter Baron um meinetwillen sehr beschleunigte. Es wurde eine Barke gemiethet, mit den nöthigen Rudern und Lebensmitteln für einige Tage versehen, die uns auf dem Strome in drei Tagen nach Adfeh, wo der große Mammuthkanal beginnt, bringen sollte. Am 15. März des Morgens wurden unsere beiden Pferde mit dem Fohlen, das sich von den Strapatzen der Wüstenreise sehr erholt und wieder ganz munter war, auf dem Fahrzeuge eingeschifft. Der Baron hatte bei einem deutschen Schreiner in Kairo für jedes der Pferde einen Kasten machen lassen, wovon der für die Stute so breit war, daß das Fohlen ebenfalls Platz darin hatte; er mußte dafür aber die ungeheure Summe von vierundsechzig spanischen Thalern bezahlen. Die Freunde packten mir meine Sachen zusammen und ich erhob mich Nachmittags wieder zum ersten Mal aus dem Bette, um einen Esel zu besteigen und mit den andern nach Boulak zu reiten, wo unsere Barke lag.

Anfänglich konnte ich mich kaum auf dem Sattel erhalten, doch als ich der frischen Luft wieder etwas gewohnt war und aus der Stadt hinaus in die Felder kam, wo der frische Duft des Klees und die Wohlgerüche der Orangen- und Citronenbäume auf mich einströmten, wurde mir allmälig wohler. Die Bemerkung, die schon so oft gemacht worden ist, daß nichts so sehr eine Erinnerung aufzufrischen vermag, als der Sinn des Geruchs, kann ich besonders im Andenken an diesen Tag bestätigen, denn wenn im Allgemeinen kein Bild, keine Beschreibung der Gegenden, wo wir waren, dieselben zu vergegenwärtigen im Stande ist, wie der Geruch einer Blüthe, den wir auch da genossen, oder auch nur der Rauch des Tabaks, den wir aus jenen Ländern mitbrachten, so taucht mir doch von all' diesen Erinnerungen keine lebendiger auf, als der Tag unserer Abreise ans Kairo, wo ich seit mehreren Tagen wieder zum ersten Mal aus dem dumpfen Krankenzimmer in die frische Luft trat, wenn ich heute bei einem Kleefeld vorübergehe oder der süße Duft der Orangenblüthe mich unweht.

Unsere Barke war eine der größten, die auf dem Nil fahren, um Passagiere oder Güter nach Alexandrien zu bringen. Vorn standen die Kasten mit den Pferden und an der Spitze des Fahrzeugs war der Kochherd für unsere Ruderer, sowie die Plätze, wo sie abwechselnd schliefen und ausruhten. Hinten befand sich auf dem Fahrzeug ein Kajütehäuschen, das aus zwei Zimmern bestand, einem größern und einem kleinern; das erstere nahmen die Reisegefährten in Beschlag und in dem hintersten quartirte ich mich ein, bildete aus meinem Pelz und meinem Teppich ein Lager, worauf ich mich sogleich hinstreckte, denn der Ritt von Kairo hieher hatte mich doch etwas angegriffen.

Unsere guten Bekannten aus Kairo, die Doktoren Pruner und Fischer, sowie unsere Reisegefährten durch Syrien und die Wüste, der Fürst Aslan und der Kapitän E., die beide noch in Kairo bleiben wollten, begleiteten uns an Bord und nahmen herzlichen Abschied von uns. Die beiden ersten, unsere Landsleute, verließen uns mit herzlichem Händedruck, wobei wir gegenseitig die Hoffnung aussprachen, uns später einmal im Vaterland wieder zu sehen. Auch der englische Kapitän, der schon mehrere Jahre in Bombay stationirt war, sprach seine Hoffnung aus, bald wieder nach England zurückzukehren und dann durch Deutschland reisend uns zu besuchen; nur unser guter Georgier, der Fürst Aslan, den wir so lieb gewonnen hatten, wie er uns, nahm mit dem Gedanken, daß er uns nimmer wiedersehen würde einen recht traurigen Abschied von uns. Die Thränen rollten ihm über den großen schwarzen Bart, als er uns alle nacheinander umarmte, und als er sich an mein Lager setzte, rief er einmal über das andere aus: O mon dieu! o mon dieu! und setzte in seinem gebrochenen Französisch hinzu: »Wir sind so lange zusammengeritten, und haben so viele Lieder mit einander gesungen; jetzt muß ich allein ziehen und weiß noch nicht wohin. Ihr geht alle nach Haus, und ich darf nicht mehr in meine Heimath zurückkehren.« Er hatte den Baron gebeten, seinen Bruder Skandar mit nach Alexandrien zu nehmen, der dort einige Geldgeschäfte besorgen sollte, was dieser natürlich gerne gethan hatte. Doch war es uns unangenehm, daß Skandar sein dienstfertiges Benehmen gegen uns noch immer beibehielt, und uns fortwährend die kleinen Gefälligkeiten erwies, die wir wohl von dem Kammerdiener, aber nicht von dem Bruder des Fürsten Aslan annehmen konnten. So schlief er auch bei den Bootsleuten, und da der Baron seinem Bruder versprochen hatte, sich nicht merken lassen zu wollen, daß er um die Sache wisse, so durften wir ihn nicht zu auffallend hervorziehen.

Gegen vier Uhr holte sich unser Reis oder Schiffshauptmann vom Baron die Erlaubniß zum Abfahren, und ließ, da wir einen schwachen, und auch nicht ungünstigen Wind hatten, das große Segel aufziehen, die Ruderer fingen an zu arbeiten und wir hatten bald Boulak im Rücken. Auf der ganzen Fahrt nach Adfeh sah ich von der Gegend nicht viel; denn obgleich, wie Dr. Pruner mir vorhergesagt hatte, die frische Luft des Nils recht wohlthuend auf mich einwirkte, so wehte der Wind beständig so stark, daß mir unser Dokter B. verbot, mein Zimmer zu verlassen und mich der Luft auszusetzen. Von den wirklich reizenden Ufern des Nil, von dem frischen grünen Klee und den unzähligen Palmbäumen, unter denen dem Strome entlang zahlreiche Dörfer liegen, von den blühenden Mimosen und den weißbedeckten Baumwollstauden sah ich nur hin und wieder eine Gruppe, die bei meinem kleinen Kajütenfensterchen dann und wann wie ein schöner Traum vorbeiflog.

Als das wirksamste Mittel zu meiner Wiederherstellung hatte mir Dr. Pruner das strengste Fasten anbefohlen, was mir in der schlimmsten Zeit der Krankheit auf meinem einsamen Zimmer in Kairo nicht schwer fiel; doch hier, wo mein Appetit wieder stärker wurde, reizte mich der Anblick des Kochfeuers, daß Giovanni in einigen irdenen Töpfen vor der Thür der Kajüte angelegt hatte, und worin Kartoffeln gekocht und Hühner gebraten wurden, so mächtig, daß mir mein Brodwasser gar nicht mehr schmecken wollte; selbst die Bootsknechte beneidete ich um ihren Pillau mit Mischmilch, getrocknete und zusammengepreßte Aprikosen, Datteln und Mandeln.

Am dritten Tage unserer Fahrt, des Morgens, war das Wetter so warm und angenehm, daß ich meine Kajüte verlassen und mich auf das Deck derselben setzen konnte. Selten hat mich der Anblick einer schönen Gegend so erfreut, wie heute der des klaren Stroms mit seinen schönen Ufern. Vor uns auf der linken Seite lag Adfeh mit seinen großen Schleusenwerken, welche die Fluth des Nils in den Mammuthkanal lassen, der das Trinkwasser nach Alexandrien führt, und mit einigen wohl aussehenden Häusern, um welche die kleinen sonderbar geformten Hütten des ägyptischen Landvolkes herum lagen. Letztere haben nirgends eine so seltsame Form wie hier. Sie sind zuckerhutförmig aus Nilschlamm und großen irdenen Krügen zusammengesetzt und besser zum Aufenthalt der unzähligen Tauben, die der Fellah zum Verkauf aufzieht, als zur Wohnung der Menschen selbst eingerichtet. In Adfeh mußten wir unsere Pferde ausschiffen, um sie auf eine andere Barke im Kanal zu bringen, was letzteres große Schwierigkeiten verursachte; denn die Thiere, besonders der Hengst, denen der Aufenthalt in den Kästen nicht mochte behagt haben, waren nur mit der größten Mühe wieder hineinzubringen. Das Uebersiedeln aus einem Boote in das andere hatte uns mehrere Stunden Zeit gekostet, und es war Mittags drei Uhr geworden, als wir unsere Fahrt auf dem Kanal fortsetzten. Obgleich die Bootsleute ein Segel aufzogen, war doch der Wind so schwach, daß sie fast jeden Augenblick an's Ufer springen mußten, um die Barke vorwärts zu ziehen.

Dieser Kanal, besonders für das Land hier, ist ein ungeheures Werk, was wir erst recht am andern Morgen erkannten, als wir zu beiden Seiten die großen Wasserflächen des Abukir- und Maeotissees sahen, welche der schmale Damm trennt, auf den der Kanal gegraben ist. Er ist breiter als unsere meisten Kanäle und wäre als das Werk des schaffenden Geistes Mehemed Ali's noch mehr zu bewundern, wenn einem nicht unwillkürlich dabei einfiele, daß von fünfundzwanzigtausend Arbeitern, die damit beschäftigt waren, vielleicht ein Fünftheil während der Arbeit umgekommen ist. Je näher wir Alexandrien kamen, je mehr zogen sich die kleinen Hütten der Fellahs zurück; an ihrer Stelle erfreuten schön angelegte Gärten mit weiß angestrichenen, auf europäische Art erbauten Häusern das Auge und erinnerten an die Heimath, der wir mit jedem Schritte näher kamen. Bald sahen wir die auf der flachen Gegend einsam und kolossal emporragende Pompejussäule, die uns jetzt bis Alexandrien beständig im Gesichte blieb. Da ich mich hier auch noch in Acht nehmen mußte, viele Wanderungen zu unternehmen, so habe ich sie später nicht besuchen können. Ihr riesenhafter Schaft besteht bei einem Durchmesser von acht Fuß und bei achtundsechzig Fuß Höhe aus einem einzigen Stück rothen ägyptischen Granits.


Um Mittag waren wir bei Alexandrien angelangt, die Pferde wurden ausgeschifft, der Baron bestieg den Hengst und ich als Kranker setzte mich auf die Stute. Die Andern blieben bei dem Gepäck und wir ritten voraus, um Quartier zu bestellen, das wir auch bald und auf's Beste eingerichtet im Gasthofe »Croce di Malta« fanden.

Alexandrien, die einst so prächtige und große Stadt, bietet jetzt, besonders von Außen, dem Auge nicht viel Angenehmes dar. Die Umgegend ist sehr flach und sandig und entbehrt fast gänzlich des Anblicks grüner Bäume und blühender Gartenanlagen, wie man um Kairo so viele sieht. Nur an dem Mammuthkanal sieht man, wie ich auch schon früher sagte, Anpflanzungen und Landhäuser, die das Auge, nachdem es sich an dem gelben Sand und den Wassermassen des Meeres, sowie der beiden Seen gesättigt hat, zu erfrischen im Stande sind. Die beiden Häfen, die Alexandrien schon in der ältesten Zeit hatte, werden noch jetzt gebraucht, und die Einfahrten derselben sind noch ebenso durch verborgene Klippen und Untiefen den größern Schiffen gefährlich, wie damals. Der westlich von der Stadt liegende sogenannte alte Hafen ist besser als der neue äußere Hafen; doch ist die Einfahrt in ersteren sehr gefährlich; denn obgleich er dem Auge in West ganz geöffnet erscheint, gehört doch ein sehr geschickter Pilot dazu, um schwere Schiffe hinein zu bringen. Dieser fährt in einer kleinen Barke voraus und zeigt den Fahrzeugen mit einer Fahne den Weg. Dies Manöver sieht aus, als fahre man zum Vergnügen in dem Hafen herum, denn die Untiefen verengen die Einfahrt nach so verschiedenen Richtungen, daß das Schiff sich in Schlangenwindungen auf dem Wasser fortbewegt.

Im Innern der Stadt ist das Türkenviertel, von winklichten, engen Straßen durchzogen, an denen sich die Bazars befinden, sowie die leicht gebauten mit Erkern versehenen Häuser der Orientalen, wie wir sie schon oft gesehen. Das Frankenviertel ist hier viel wohnlicher und reinlicher gebaut, als selbst in Smyrna, und stößt an einen Platz oder vielmehr an eine breite Straße, wo man sich plötzlich nach einer der prächtigsten Städte Europas versetzt glaubt, denn hier ließ Ibrahim Pascha die schönsten, stattlichsten Paläste massiv aus Steinen aufführen, die er dann an die Generalconsuln oder an Privaten vermiethete. Hier lag auch unser Gasthof, der, was das Gebäude selbst, sowie die innere Einrichtung anbelangte, den in Kairo bei weitem übertraf, ja sich mit den ersten Gasthöfen am Rhein messen konnte.

Am Tage nach unserer Ankunft machten wir die Bekanntschaft der Herren Generalconsuln von Dumreicher und Anastasi, welche uns mit Freundschaft und Artigkeiten überhäuften. Da wir in Kairo nicht Gelegenheit gehabt hatten, den Vicekönig zu sehen, der sich jetzt gerade hier in Alexandrien befand, so war uns das Anerbieten des Herrn Anastasi, uns eine Audienz bei Mehemed Ali zu verschaffen, sowie uns selbst hin zu begleiten, sehr erwünscht. Da der Vicekönig es liebt, Fremde zu sehen, und obendrein der Baron einen Brief des Herzogs Paul von Württemberg an ihn abzugeben hatte, so machte es nicht viel Schwierigkeiten, die Erlaubniß zu erlangen, ihm vorgestellt zu werden.

Am folgenden Morgen holte uns Herr Anastasi in seinem Wagen ab, und es war für uns Alle ein eigenes Gefühl, nach langer Zeit wieder einmal in einer bequemen Wiener Kalesche zu sitzen. Wir fuhren nach dem Hafenpalaste, einem großen, weitläufigen Gebäude mit hohen Bogenfenstern, an das ein kleiner Garten stößt, in welchem sich der Harem des Pascha befindet. Wir stiegen zu einer breiten, gewölbten Treppe in den ersten Stock, wo die Gemächer Mehemed Ali's sind. Sie sind ebenso wie die seiner Residenz zu Kairo eingerichtet; nur befanden sich hier neben den andern Geräthschaften und Verzierungen nach europäischem Geschmack in einigen Zimmern große Mahagonitische, auf denen prächtige Uhren und Vasen standen. In einem Vorgemach, wo einige Diener am Boden saßen, mußten wir einen Augenblick warten, und wurden dann in ein anderes Zimmer geführt, zu welchem eine große Flügelthüre, die offen stand, in einen Saal führte, dessen Fenster auf den Hafen gingen, und der an allen Wänden Divans hatte.

So oft ich früher an Mehemed Ali gedacht und von den Werken gelesen, die sein großer Geist und seine kräftige Hand in's Leben gerufen, hatte ich mir mit denselben analog unter dem Vicekönig einen großen, starken Mann mit kräftiger Stimme und gebietendem Wesen vorgestellt, und da es meinen Gefährten auch so gehen mochte, so sahen wir uns anfänglich in dem Saale nach dem Vicekönig um, der dort sein sollte, wobei wir zwei kleine schmächtige Männer übersahen, die in unscheinbarer Kleidung in einer Ecke des Zimmers am Divan standen und angelegentlich zusammen sprachen. Der eine von diesen war der Vicekönig selbst und der andere sein vertrauter Geschäftsmann, Boghos-Jussuff, der schon seit langen Jahren alle Stürme des Lebens mit ihm ausgehalten. Der Minister entfernte sich bei unserem Eintritt, und der Vicekönig wandte sich rasch gegen uns, wobei er uns zur Begrüßung mit beiden Händen entgegen winkte. Er trug ein braunes Oberkleid mit weiten Aermeln und auf dem Kopfe das Feß. Sein Dolmetscher trat zu einer andern Thüre herein, und nachdem der Baron dem Pascha seinen Brief gegeben, wurden wir ihm Alle vorgestellt, wobei der alte Herr freundlich lachte. Dann sprang er mit einer Geschwindigkeit, die mich in Erstaunen setzte, auf den Divan, schlug die Beine übereinander, und lud uns mit einer Handbewegung ein, zur Rechten und zur Linken Platz zu nehmen. Der Baron und der Herr Anastasi saßen an seiner Seite und der Dolmetscher stand mit dem Briefe des Herzogs Paul vor dem Divan und übersetzte ihn dem Vicekönig, der zuweilen wohlgefällig seinen Kopf wiegte und uns der Reihe nach freundlich ansah. Dann sagte er einige Worte über den Herzog, den er liebgewonnen hätte, und erkundigte sich nach seinem Befinden und seinem Aufenthalt. Was die Natur der Figur dieses Mannes versagte, ein imponirendes Aeußere, das hat sie seinem Kopfe in desto größerem Maße gegeben. Ich habe nie ein Gesicht gesehen, das neben so gutmüthigen, Vertrauen erweckenden Zügen so viel Geist und so viel Klugheit, ich möchte sagen Schlauheit, ausdrückte. Es war nicht voll, ohne darum mager zu sein und, hatte eine frische, gesunde Farbe, und seine Züge, obgleich sich schon das vorgerückte Alter darin aussprach, hatten doch einen frischen, kräftigen Ausdruck. Am lebhaftesten sprachen seine Augen, die er aber auch zu Beobachtungen zu gebrauchen wußte; denn außer daß er uns der Reihe nach scharf und durchdringend ansah, wenn uns der Dolmetscher seine Reden übersetzte, als wolle er auf unserem Gesicht den Eindruck lesen, den seine Worte auf uns gemacht, so fixirte er uns auch jedesmal, wenn wir leise zusammen einige Worte deutsch sprachen. So sagte ich dem Maler unter Anderem einige lächerliche Worte über die komischen Bewegungen, die der Dolmetscher mit seinen Händen machte, wenn er sprach, natürlich ohne dabei aber nur eine Miene zum Lachen zu verziehen, doch mochten meine Augen vorher mit etwas muntererem Ausdruck auf dem Dolmetscher geruht haben, genug, der Pascha sah mir die Worte vom Munde ab und als hätte er sie verstanden, fing er an leise zu lachen und sah darauf den Dolmetscher wieder an. Er schien überhaupt den Morgen sehr gut gelaunt und lachte bei den Erzählungen, die ihm der Baron über den Wüstenzug machte, wobei er von dem guten Zustand der Soldaten sprach und auch einiger komischen Auftritte erwähnte, die vorgefallen, oftmals laut auf, wobei er sich seinen langen schneeweißen Bart strich. Das Gespräch drehte sich hauptsächlich um die letzten Kriegsereignisse und um den Rückzug seiner Armee, über welchen zu sprechen er gar keinen Anstand nahm. Doch schloß er hiebei zuweilen seine Augen und zuckte die Achseln.

Nachdem wir beinahe eine kleine Stunde bei ihm gewesen, Kaffee getrunken und eine Pfeife geraucht hatten, bei welchem letztern wir die prachtvollen Mundstücke bewunderten – sie bestanden aus ungeheuern Bernsteinstücken, die mit goldenen Ringen umgeben und mit Diamanten und Rubinen besetzt waren – erhob sich der Pascha etwas von seinem Divan, und wir standen auf, um uns zurückzuziehen. Dem Baron und dem Herrn Anastasi reichte er seine Hände hin und begrüßte uns zum Abschiede durch Auflegen derselben an Brust und Stirn.

Wir zogen uns in's Vorzimmer zurück, wo sich Boghos-Jussuff noch befand, von dem wir uns ebenfalls verabschiedeten. Dieser merkwürdige Mann ist um Weniges größer, als der Vicekönig und hat, wie dieser, einen schneeweißen langen Bart. Seine Kleidung bestand aus einem hellgelben Kaftan und auf dem Kopfe hatte er einen dicken weißen Turban. Diese beiden Männer haben lange Jahre mit einander gearbeitet und sich allmälig so verstanden, daß sie jetzt fast wie Freunde zusammen leben. In früheren Jahren, wo das Blut Beider noch jugendlicher strömte und leichter aufzureizen war, hat es oft arge Händel zwischen Herr und Diener gesetzt, und als ich bei unserem Eintritt in den Saal die Beiden so lebhaft zusammen sprechen sah, wobei der Pascha im Eifer des Gesprächs an dem Kleide des Ministers zupfte, fiel mir die Zeit ein, wo einstmals dieselbe Hand über dem Kopfe Jussuff's die verdächtige Bewegung des Enthauptens machte. Doch wurde damals der Vezier von seinen Freunden gerettet, indem man ihn verborgen hielt und die Mienen des Pascha beobachtete, als man ihm hinterbrachte, jener sei enthauptet worden. In derselben Stunde liefen andere üble Nachrichten ein von einem neuen Aufstand der Wechabiten, sowie von Unordnung der Mameluken in Kairo, so daß der Pascha ausrief: »O hätte ich meinen Jussuff noch!« den man jetzt natürlich hervorbrachte, worauf er wieder zu Gnaden angenommen wurde.

Seit jener Zeit fielen zwischen dem Herrn und dem treuen Diener keine Mißhelligkeiten mehr vor, Boghos-Jussuff stieg von Tag zu Tag in der Gunst des Vicekönigs, und sein guter Rath soll auch jetzt zur endlichen Entwickelung der türkischen Angelegenheit viel beigetragen haben.


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