Friedrich Wilhelm Hackländer
Reise in den Orient. Zweiter Band
Friedrich Wilhelm Hackländer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel. Zug durch die Wüste.

Jaffa. – Die Pest. Unsicherheit der Straßen. – Uebergang zur ägyptischen Armee. – Gaza. – Ibrahim Pascha und seine Generale. – Die ägyptische Armee. – Schwierigkeiten mit unsern Pferden. – Fouragierungen. – Abreise von Gaza mit einem Theil der Reiterei. – Die Wüste. – Elend des mitziehenden Volkes. – El Arisch. – Der Tartar Gassi. – Die Fata Morgana. – Der Samum. – Soliman Pascha. – Ankunft in Kairo.

Zu Anfang unserer Reise war es halb und halb unsere Absicht gewesen, den Weg nach Aegypten durch die Wüste zu nehmen; wir hatten uns von diesem Zug viel Interessantes versprochen und sehr oft deßhalb Erkundigungen eingezogen. Doch je näher wir dem Sandmeer selbst rückten, je mehr stellte man uns von allen Seiten die großen Schwierigkeiten einer solchen Reise vor, und versicherte, bei der dermals herrschenden vollkommenen Anarchie in Syrien sei es ohne sehr zahlreiche Bedeckung nicht möglich, durch die Wüste zu kommen, und wir sahen wohl ein, daß dem nicht anders sein konnte. Wie sehr hatten sich sogar die besuchten Straßen Syriens in der kurzen Zeit geändert, seit Ibrahim gestürzt und die Furcht, die sein Name und Regiment rings verbreitet, verschwunden war! Wie ungefährdet, mit welcher Sicherheit reisten Schubert und Andere vor einigen Jahren durch die große Wüste von Suez nach dem Sinai, zwischen den räuberischen Horden der streifenden Araber, und durchzogen ganz Syrien! Wie erging es dagegen uns! Schon auf dem Wege nach Damaskus waren wir nahe daran, von Gesindel ausgeplündert zu werden; den Jordan besuchten wir mit einer Deckung von acht Reitern und zwölf Beduinen zu Fuß, und trotz dem, daß wir gegen zwanzig Pilger waren, von denen freilich mehrere, die sich unserem Zuge angeschlossen, keine Waffen führten, mußten wir ja das Wasser, das wir zum Andenken an den heiligen Ort in unsere Feldflaschen füllten, mit dem Säbel in der Faust vertheidigen und einigen dreißig halbnackten Arabern, die uns auf unserm Lagerplatz überfielen, ein förmliches Gefecht liefern. Auf dem Wege von Jerusalem über Namleh nach Jaffa, welche drei Orte in jenen Tagen von der türkischen Armee besetzt waren, und wo also auf einer Strecke von zwölf Stunden wohl zwanzigtausend Soldaten lagen, kamen wir an zwei Stellen vorüber, die mit noch flüssigem Blut überschwemmt waren. Wir hörten von herbeigekommenen Reitern, vor wenigen Augenblicken habe man hier einem Reisenden den Hals abgeschnitten und dort einen andern erschossen. Es war in der Nähe des Dorfes Abu Gosch und man hatte eben die Leichen dorthin geschafft. Zur Zeit Ibrahims konnte ein einzelner Mann an den Jordan gehen, ohne Gefahr, geplündert zu werden, und wer jetzt am Abend den Oelberg bei Jerusalem besteigen wollte, mußte eine Bedeckung mitnehmen; und doch lagen in der Stadt fünf bis sechstausend Mann, ich wollte sagen: türkische Soldaten.

So zwangen uns die Umstände, die Idee aufzugeben, über El Arisch durch die einsame gewaltige Sandwüste nach Kairo zu ziehen, und wir faßten schon in Jerusalem den Entschluß, in Jaffa ein Schiff zu nehmen und durch die minder öde und gefährliche Wasserwüste nach Alexandrien zu schiffen. An Joppes Strande angelangt, fanden wir, weil Alles noch immer mit englischen und östreichischen Offizieren besetzt war, nur mit Mühe in dem lateinischen Kloster Quartier, und zwar herzlich schlecht; so mußten zwei unserer Gesellschaft von der Todtenkammer Besitz nehmen. Wir sahen uns sogleich im Hafen um, ob ein Schiff von passender Größe für uns und die Pferde da sei; aber es war nichts vorhanden, und wir sahen uns schon im Geist in die Nothwendigkeit versetzt, in dieser, von Truppen strotzenden Stadt verschiedene langweilige Tage hinzubringen, als der Prior des Klosters, ein lebhafter, robuster Spanier, – es hieß, er habe früher als Kapitän gedient, – unter dem Siegel der Verschwiegenheit uns anvertraute, soeben finde im Refectorium eine Versammlung von Aerzten statt, weil in den Spitälern die Pest ausgebrochen. Dabei gab er uns den Rath, die Stadt so schleunig als möglich zu verlassen, indem dieselbe wahrscheinlich schon morgen mit einem Cordon umzogen würde und uns so leicht mehrere Monate festhalten könnte.

Bei diesen Aussichten besannen wir uns keine Minute, unsere Effekten schleunigst zusammenzupacken, und machten uns fertig, morgen in aller Frühe aufzubrechen. Aber wohin? Wir hatten zwei Wege vor uns, entweder zurück, vielleicht bis Acre oder gar bis Beirut, um dort ein Segelschiff zu suchen, das uns nach Alexandrien brachte, oder zum Feind überzugehen, d. h. zu Ibrahim Pascha nach Gaza; dort erhielten wir vielleicht die Erlaubniß, auf den ägyptischen Dampf- oder Kriegsschiffen überzusetzen, und im schlimmsten Fall konnten wir uns der Armee anschließen und mit ihr den Zug durch die Wüste machen. Wir besannen uns nicht lange; Alle stimmten für Gaza und Ibrahim, wo sich neben viel Mühseligkeiten doch die Aussicht auf manches Abenteuer zeigte. Unsere schon abgegangenen drei Pferde wurden mit vieler Mühe durch zwei Maulthiere und einen kleinen Esel ersetzt, den ich mir zum Reitpferd erkor, und am folgenden Morgen brachen wir gen Süden auf.

Wir hatten nach Gaza zwölf Stunden, und hofften heute noch nach Metschdel, das auf der Mitte des Weges liegt, zu gelangen. Die Straße lief immer zur Seite des Meeres, ohne daß wir dasselbe sahen, indem der Strand aus hohen Sanddünen bestand, die sich stellenweise bis über unsern Weg zogen und den Thieren das Gehen sehr erschwerten; besonders sank mein kleiner Esel sehr tief in den beweglichen Sand. Mir dagegen behagte die neue Reitart sehr, denn das Thier trabte ganz angenehm, es hatte einen sehr dicken Packsattel ohne Bügel, auf den man sich nach allen Richtungen setzen, sogar legen konnte; nur machte das Aufsteigen einige Beschwerlichkeit, indem man mit einem Sprung sich ganz im Sitz befinden mußte, sonst verlor der Sattel das Gleichgewicht und fiel von der Seite herunter. Der Weg war nicht sehr lebhaft und, wie uns die Mucker merken ließen, gar nicht sicher; sie baten, mit den Jagdgewehren nicht, wie wir gewohnt waren, nach Vögeln und kleinem Wild zu schießen, um die Waffen im Nothfall geladen zu haben. Dann und wann begegneten uns auch wirklich Banden von zerlumptem Gesindel, deren Aussehen wohl vermuthen ließ, daß, wo sie die Stärkeren wären, sie nicht so ruhig vorbeigehen würden, wie sie jetzt thaten. In Jaffa hatte man uns gesagt, Ibrahim werde heute oder morgen Gaza verlassen, und unsere größte Besorgniß war daher, ihn nicht mehr dort anzutreffen, wodurch sich unsere Lage wirklich sehr bedenklich gestaltet hätte. Die Auskunft, die wir von den uns Begegnenden erhielten, waren auch nicht gemacht, uns zu beruhigen. Die Einen sagten, er sei gestern aufgebrochen, andere heute Morgen, ein Dritter, er werde morgen bei Zeiten absegeln, bis uns gegen Mittag einige ägyptische Reiter entgegenkamen, die uns bestimmt versicherten, Ibrahim verweile noch in Gaza, er sei unwohl und sie deßhalb nach Jaffa gesandt, um für ihn Arzneien zu holen.

Der tiefe Sand und die sehr schwer beladenen Packpferde ließen uns nur sehr langsam vorwärts kommen, weßhalb wir erst um drei Uhr Nachmittags in Esdud, nur fünf Stunden von Jaffa, ankamen und uns durch die Führer, hauptsächlich aber durch die drohenden Wetterwolken am Himmel, überreden ließen, hier die Nacht zuzubringen. Wir suchten lange unter den Lehmhütten umher, um eine zu finden, die etwas weniger schmutzig und erbärmlich wäre als die übrigen. So wenig uns aber die Reise von Beirut nach Damaskus und Jerusalem hinsichtlich der Nachtlager verwöhnt hatte, so fanden wir es doch rein unmöglich, in eines dieser Löcher zu kriechen. Wir wandten uns deßhalb zur Moschee, die zur Seite des Dorfes auf einem kleinen Hügel stand. Sie bestand aus einer offenen Halle, ungefähr wie unsere Scheunen, in der einige Lampen an Schnüren hingen und zwei weiße Stäbe die Richtung nach Mekka bezeichneten. Wie gewöhnlich stand ihr gegenüber der Chan der Fremden, hier eine etwas größere Lehmhütte, als die übrigen Häuser, und im Hofe war neben einem vertrockneten Brunnen das Grab irgend eines türkischen Heiligen. Obgleich der Himmel mit Regen drohte, wollten wir doch lieber unser Zelt benützen, als in jenen Chan kriechen, aus dem die Mucker erst ein Dutzend zerlumpter, halbnackter Gestalten, Lahme, Wunde und Blinde jagen mußten, ehe für uns und die Bedienten mit den Sachen Platz wurde.

Wir schlugen unser Zelt unter einem majestätischen Palmbaume auf, der im Hof stand, stolz und schön neben der Erbärmlichkeit der Menschen. Vor uns hatten wir ein Thal, mit Dattelpalmen und Bananen bepflanzt, unter welchen einiges türkische Militär seine grünen Zelte aufgeschlagen hatte; südlich sahen wir die große Ebene Sephela, durch die der Askalon fließt, und östlich die Gebirge bei Jerusalem, von den letzten Strahlen der Sonne beschienen, die von dunkeln Wolken umsäumt in's Mittelmeer sank. So umgab uns die Natur erhaben und schön, wie immer in diesen Ländern; wer kann sie aber vollkommen genießen unter solchen Umgebungen! Der Regen, der während der Nacht in Strömen fiel, trieb uns schon um drei Uhr Morgens aus unserm durchnäßten Zelt und nöthigte uns in den Chan, wo die Leute ein großes Feuer angezündet hatten und den für die Reisenden in diesen Ländern so nothwendigen Kaffee bereiteten.

Gegen sieben Uhr, als der Regen etwas nachgelassen, saßen wir auf und zogen weiter, erreichten um eilf Uhr Metschdel und wurden gleich hinter diesem Dorfe von einem fürchterlichen Regenwetter überfallen, wogegen sich jeder so gut zu schützen suchte als er konnte. Ich war auf meinem Esel einige Schritte voraus, hatte einen himmelblauen Schlafrock angezogen und einen Regenschirm aufgespannt. Meine Figur auf dem kleinen Thier war so komisch, daß die ganze Gesellschaft, trotz dem Unwetter, in lautes Gelächter ausbrach. Es halfen übrigens keine Vorkehrungen, Alle waren in einer Viertelstunde völlig durchnäßt, und dabei blies der Wind so heftig, daß mein Esel förmlich laviren mußte, um vorwärts zu kommen. Endlich gegen vier Uhr Nachmittags kamen wir in die Nähe von Gaza.

Wir waren begierig, die ägyptischen Truppen kennen zu lernen, vor Allem die uns als sehr gut geschilderte Reiterei, nachdem wir bis jetzt nur einzelne Ausreißer gesehen. Wir meinten, schon eine Stunde vor der Stadt müßte man gewahr werden, daß dort ein Lager sei, wie es in Beirut, Jaffa, überall, wo Türken lagen, der Fall war. Diese trieben sich beständig auf Straßen und Plätzen herum, jagten ihre Pferde ab und belästigten die Vorübergehenden durch ihr pöbelhaftes Betragen, oder sie ritten in die Bazars, um für einen Piaster Reis zu kaufen, und hemmten da mit ihren Mähren die ganze Passage. In ihren Freistunden, deren sie vierundzwanzig am Tage hatten, lungerten sie überall herum und rannten die Spaziergänger an, und die Ermüdung, die sie sich hiedurch geholt, verschliefen sie meistens auf ihren Posten unter den Thoren oder an den Gebäuden, wo sie Wache stehen sollten. Wie gesagt, wir glaubten, die Aegypter werden sein wie unsere lieben türkischen Verbündeten, irrten uns aber sehr. Kein Lärm vor der Stadt, wohl hie und da Soldaten, die ihren Geschäften nachgingen, aber ruhig und ernst. Der Aegypter in seinem einfachen weißen Leinwandkleid sieht aus wie ein Soldat, der Türke in seiner nachgeäfften europäischen Uniform wie ein ungezogener Schuljunge. In Gaza gab uns jeder Soldat freundlich Antwort auf unsere Fragen, und einer begleitete uns sogar zur Wohnung des Muzzelin, des Gouverneurs, durch dessen Hülfe wir in der kleinen überfüllten Stadt eine, wenn auch sehr schlechte, Wohnung erhielten. Das Quartier bestand aus zwei Räumen, in denen Gerste lag, die uns erst Platz machen mußte, und war umgeben mit einer großen Mistpfütze, hier Hof genannt, deren Ausdünstung uns zwang, die Fensterläden beständig geschlossen zu halten, wodurch unsere Nasen gewannen, wir jedoch im Finstern sitzen mußten.

Ibrahim Pascha, auf den wir jetzt unser ganzes Vertrauen setzten, war wirklich noch hier, empfing den Baron v. T., der sich ihm am folgenden Morgen vorstellen ließ, auf's Freundlichste, wollte auch die Erlaubniß, auf seinem Dampfboot die Ueberfahrt zu machen, gerne ertheilen, nur unsere Pferde könne er auf keinen Fall mitnehmen, da er sogar seine eigenen mit der Armee ziehen lasse. So wurde also unser Projekt, zu Wasser nach Alexandrien zu gehen, vollkommen zu Wasser. Unsern nunmehrigen Entschluß, unter dem Schutze seiner Reiterei durch die Wüste zu ziehen, nahm er dagegen sehr gut auf, und gab später in unserer Gegenwart dem Kommandanten dieser Truppen, Walli-Bey, den gemessenen Befehl, uns allen möglichen Schutz angedeihen zu lassen. So merkwürdig und lohnend auch unter diesen Umständen der Zug durch die Wüste zu werden versprach, so waren andererseits doch auch die Bedenklichkeiten sehr groß. Neben den regelmäßigen Truppen zogen Arnauten mit, und ein gewaltiger Troß von Volk, Menschen aller Art, Weiber und Kinder des Fußvolks und der Artillerie, die Ibrahim zu Schiffe mit sich nach Aegypten nahm. Was wurde aus uns, unter diesem rohen Haufen, wenn vielleicht Mangel an allen Lebensbedürfnissen eintrat, wenn man sich, wie es bei den andern Kolonnen geschehen war, um einen Bissen Brod, einen Trunk Wasser todtschlug, wenn Hitze, Hunger und Durst alle Bande der Subordination lösten? Dergleichen Betrachtungen drängten sich uns während der sechs ewiglangen Tage, die wir in Gaza zubringen mußten, nur zu oft auf. Da wir in unserm finstern, schmutzigen Gemach nicht schreiben, nicht einmal lesen konnten, so wäre die Langeweile noch schwerer auf uns gelegen, wenn wir nicht dadurch Zerstreuung gehabt hätten, daß wir für unsern Proviant zur Wüstenreise sorgen mußten. Und das war in diesem Augenblick keine Kleinigkeit. Wir konnten dazu weder den arabischen Dolmetscher, noch einen Einwohner der Stadt brauchen, weil die Bazars von Allem entblöst waren, und man, um die nothwendigsten Artikel, wie Hühner, Brod, Eier zu bekommen, die Bauern in der Umgegend aufsuchen und selbst mit ihnen handeln mußte; denn den Arabern, ihren Landsleuten, trauten sie nicht, und gaben einem solchen, aus Furcht, nichts zu bekommen, nicht das Geringste. Uebrigens machte uns diese Fouragirung viel Spaß. Schon am frühen Morgen wurden zu diesem Zwecke Jagdpartien gemacht, d. h. wir zogen, unsern Maler, einen gewaltigen Nimrod, an der Spitze, unter die Palmen und Olivenbäume im Umkreis der Stadt und schoßen täglich viele wilde Tauben, die sich hier, besonders in der Nähe einiger zerfallenen Moscheen und Gräben in Menge aufhalten. Schon bei den ersten Excursionen der Art hatte das Knallen unserer Flinten eine Masse arabischer Knaben herbeigelockt, die sofort, durch ein geringes Bakschis (Trinkgeld) bestochen, vollständig die Rolle der uns mangelnden Jagdhunde übernahmen. Mit ihren Falkenaugen überall umherspähend, zeigten uns die kleinen Bengel die Tauben an und apportirten die geschossenen, mit einer Gewandtheit über Mauern und Gräben setzend, die unglaublich ist. Fiel ein Thier zufällig in einen umschlossenen Hof, so drangen sie hinein, und nicht selten gab es laute Zänkereien und hätte vielleicht Prügel gegeben, wenn wir nicht vermittelnd eingeschritten wären. Nachmittags kauften wir in der Umgegend und den Vorstädten, oder vielmehr Vordörfern Gaza's Hühner und Eier, so viel wir bekommen konnten, wofür wir freilich hohe Preise zahlen mußten; wir hätten aber im Nothfall für jedes Ei einen Gulden gegeben. Das Geschäft des Verkaufs besorgen meist die arabischen Weiber. Am ersten Tage waren sie sehr mißtrauisch und brachten uns nur wenig auf die Straße; als sie aber sahen, daß wir gut zahlten, wurden sie zutraulicher; auch jagten unsere kleinen Jungen stets vor uns her und brachten mit ihrem Geschrei: »die Franken wollen Eier und Hühner und zahlen gut,« die Dörfer in vollkommenen Aufruhr. Am letzten Tage, wo Dr. B. und ich die Einkäufe besorgten, hatten wir in weniger als einer halben Stunde an vierhundert Eier gekauft, und noch standen gegen zwanzig Mädchen und junge Weiber um uns her, mit verschiedenen Artikeln beladen; sie überhäuften uns mit Schmeicheleien, und zum Glück kamen wir bald auf den Grund unseres Geldbeutels, sonst hätten wir einen ungeheuern Vorrath angekauft, denn es wurde uns sehr schwer, diesen reizenden Wesen zu widerstehen. Die Araberin hat etwas ungemein Graziöses in allen ihren Bewegungen, ein angenehmes Gesicht mit den feurigsten Augen von der Welt, und die schönsten kleinen Hände und Füße. Dazu kommt ihr Anzug, ein einfaches blaues Hemd, vorn bis unter die Brust offen, welches die schlanken und doch vollen Formen ihres Körpers nur bezeichnet, nicht verdeckt. Selbst die Zudringlichkeit, mit der sie dem Fremden. von dem sie wissen, daß er sie gut behandelt, ihre Waaren anpreisen, hat nichts Plumpes und Unanständiges.

Zwischen diesen häuslichen Geschäften besahen wir die Umgebungen der Stadt und ritten zuweilen an's Meer, das eine halbe Stunde entfernt ist, um der Einschiffung der Truppen zuzusehen. Bereits dauerte dieselbe zehn Tage und war noch nicht beendigt; ein beständiger starker Westwind machte die Brandung so heftig, daß man täglich nur sehr wenige Menschen an Bord bringen konnte. Das sämmtliche Fußvolk und die Kranken der Reiterei wurden eingeschifft, sowie einige Artillerie, etwa zwanzig Kanonen ohne Bespannung, und ich bemerkte mit Vergnügen, daß trotz der hohen See die Soldaten diese Geschütze mit Leichtigkeit an Bord brachten. Zum Transport lagen da zwei Linienschiffe und drei Fregatten der ägyptischen Marine, sowie ein Dampfboot, der »Nil;« ein anderes, der »Hadschi-Baba,« zum Gebrauch Ibrahims bestimmt, kam am 17. Februar Abends. Ibrahim Pascha saß selbst oft viele Stunden des Tags auf einem Teppich am Strande und sah dem Einschiffen zu. Er bildete so mit den ihn umgebenden Offizieren immer eine sehr interessante Gruppe. Der Pascha ist ein kleiner dicker Mann; sein rothes, blatternarbiges Gesicht, von einem weißen Bart umgeben, hat wenig Ausdruck; die Augen aber, ohne gerade viel Geist zu verrathen, sind lebhaft, stechend. Er trug einen grünen Kaftan, mit Pelz besetzt, auf dem Kopfe ein Feß und um dasselbe das gelbe und rothe Tuch der Beduinen bis auf die Schulter herabhängend. Er sah mißmuthig auf's Meer, und zuweilen, während er einige Worte mit seiner Umgebung sprach, nahm er kleine Steine auf und warf sie in die Wellen. Um ihn standen Hassan Pascha, der Admiral, ein Georgier, Mahmud Bey, Oberstlieutenant der Marine, besonders wohl von ihm gelitten, und Hussein Pascha, ein Türke und auffallend schöner junger Mann.

Oestlich von der Stadt hatte Achmed Pascha Menikli mit der sämmtlichen Reiterei sein Lager gehabt, war jedoch schon vor zwölf Tagen über El Arisch nach Kairo gezogen; nur die Gardereiterei unter Wally Bey stand noch hier, den Augenblick erwartend, wo sich Ibrahim einschiffen würde, um gleich darauf aufzubrechen und Achmed Pascha zu folgen. Diese Garde (Lanzenreiter und eine Schwadron Kürassiere) bestand aus drei Regimentern, deren jedes tausend Mann stark Damaskus verlassen hatte, hier waren ihrer noch siebenhundert Mann in Allem. Wir suchten gleich in den ersten Tagen unsere neue Reisegesellschaft auf, kamen aber zum traurigen Schauspiel einer Execution. Man erschoß vor unsern Augen vier eingebrachte Deserteurs. Nördlich von diesem Lager erhob sich ein kleiner Berg mit einem alten Gebäude, angeblich Simsons Haus, von dem man eine sehr schöne Aussicht über Stadt und Meer hat.

In gleichem Falle mit uns, d. h. die Einschiffung Ibrahims erwartend, befand sich in Gaza ein englischer Oberst, ein Linienschiffslieutenant und ein englischer Arzt; letztern hatte der Pascha einer Unpäßlichkeit halber von Beirut kommen lassen; ferner Neschid Achmed Ferik Pascha, auch der Brillenpascha genannt, weil er beständig ein solches Instrument trug. Diese Herren waren von ihren Regierungen hieher geschickt worden, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen, daß Ibrahim Syrien verlasse, daß das Land von seiner Plage befreit sei, und reingewaschen in den Schooß des allein glücklich machenden türkischen Reiches zurückkehren könne.

Endlich am achtzehnten Februar Mittags um zwölf Uhr verließ Ibrahim Pascha das Land, und sogleich wurde der Aufbruch der Reiterei auf den folgenden Morgen festgesetzt. Nachdem die vielen Schwierigkeiten, die uns die Fortschaffung unserer Effekten verursachte, beseitigt waren, wozu noch der Umstand kam, daß unsere Stute den 18. Abends ein allerliebstes Fohlen warf, das man um keinen Preis zurücklassen wollte, zogen wir am 19. in aller Frühe zum Lager der Reiterei, das zum Sammelplatz der Karawane bestimmt war. Unser Zug nahm sich auch hier wieder, wie auf der ganzen Reise, wenn auch nicht sehr malerisch, doch höchst eigenthümlich aus. Syrien und Palästina hatten wir auf flüchtigen Pferden durchzogen, ein kriegerischer Reitertrupp, der in den verschiedenartigsten Costümen und Waffen den Orient und das Abendland vereinigte; jetzt waren wir allein. Fürst Aslan, unser lieber Reisegefährte, hatte in Hassan Pascha, dem Admiral, einen Landsmann gefunden und war zu Schiff nach Alexandrien gegangen; wir reisten unter dem Schutze vieler bewaffneter Reiter, friedlichen Kaufleuten gleich, nicht mehr selbstständig jeden schönen Pfad wählend, sondern ein Glied der Karawane, an diese durch die schauerlich öden Wege der Wüste gekettet, und auf hohen Kameelen ein ganz anderes Bild gebend.

Wir hatten sieben dieser nützlichen und guten Thiere, von denen drei durch den Maler, den Dr. B. und mich nebst unsern Sachen besetzt wurden; ein weiteres ritt der Reitknecht des Barons, welcher selbst den prächtigen arabischen Hengst aus Damaskus bestieg; das fünfte trug unsere in der Eile zusammengekauften Vorräthe, die in Hühnern, einem Hammel, Eiern, Brod und Kohlen bestanden. Wein oder Rum war zu keinem Preis in Gaza zu bekommen; nur einmal brachte uns ein Araber eine Flasche Champagner zum Verkauf, wahrscheinlich aus dem Keller Ibrahims gestohlen, der, obgleich ein guter Muselmann, den Champagner sehr liebt. Das sechste Kameel war mit Fourage und Wasser für die Pferde beladen, und auf dem siebenten thronte das kleine Fohlen, in einen alten persischen Teppich gewickelt. Der Schimmel, von dem ich früher gesprochen, trug die Sachen des Barons und den Dolmetscher, der die Stute, die Mutter des Kleinen, an der Hand führte. Auch hatten wir drei Kameeltreiber, Mahmud, Achmed und Akrabud, auf welche Herren ich später zurückkommen werde. Zu uns hatte sich noch von Gaza ein englischer Offizier, Kapitän E., gesellt, der nebst drei Bedienten, einem Perser, einem Griechen und einem Araber, ebenfalls nach Kairo ging. Das Lager der Reiterei bildete indessen ein wahres Chaos von Menschen und Pferden, Eseln und Kameelen, aus dem sich allmälig geordnete Züge sonderten und auf dem Wege nach El Arisch sich fortbewegten. Hier schlug man die Zelte ab und lud sie nebst Kisten und Säcken auf die geduldigen Kameele, die gruppenweise niedergekauert im Kreise lagen und zuweilen ein unwilliges Geschrei ausstießen, wenn man einen neuen Pack auf ihren Rücken legte. Dort stand ein gutmüthiger Esel und ergab sich in sein Schicksal, eine ganze Familie nebst Hausgeräth zu schleppen; außer der Dame des Hauses, die seinen Rücken eingenommen, hatte das Thier an jeder Seite einen Korb hängen, aus denen die schmutzigen Gesichter ihrer Sprößlinge heraussahen. Da waren ganze Harems auf ein einziges Kameel geladen, indem man dasselbe rechts und links mit zwei großen Kisten behängte, in denen drei, vier Weiber und verschiedene Kinder auf Bettwerk und Teppichen lagen; ein schwarzer Eunuch trieb mit seinem Stock die Familie vorwärts. Man sah mitunter die lächerlichsten Auftritte und konnte tiefe Blicke in das innere Familienleben der Araber thun. Da wurde gesungen und gelacht, erzählt und gezankt, und wer das wüthende Geschrei dieses Volks bei der friedlichsten Veranlassung kennt, kann sich einen Begriff von dem wüsten Lärm machen. Das ganze Lager war ein großer Ameisenhaufen, wo jeder sich mit gleicher Geschäftigkeit herumtrieb, vom Kameeltreiber im grauen Hemde, der nur ein ungegerbtes Schaffell besitzt, womit er nach Bedürfniß diesen oder jenen Theil seines Körpers bedeckt, bis zum ägyptischen Offizier im betreßten Kleide, dessen gold- und silbergesticktes Kopftuch hie und da hervorblitzte. Die Gardereiter standen ruhig bei ihren Pferden und warteten des Befehls zum Aufsitzen, der jedoch für unsere Ungeduld zu lange ausblieb, und da die Leibschwadron Ibrahims, unter dem Kommando eines sehr liebenswürdigen Polen, der geläufig Französisch, auch einiges Deutsch sprach, sich in Bewegung setzte, so machten auch wir Anstalten, unsere Reise anzutreten. Ich darf wohl sagen Anstalten, denn gegen die Leichtigkeit, mit der man sich auf's Pferd schwingt, ist das Besteigen eines Kameels eine wahre Arbeit und erfordert Anstalten. Das Thier liegt, von seinem Treiber festgehalten, indem ihm dieser seinen Fuß auf ein Vorderbein setzt, auf den Knieen. Zu beiden Seiten hängen die Effekten des Reiters und oben zwischen denselben bilden Matratzen, Teppiche, Pelze einen weichen Sitz. Auf diesen schwingt sich der Reiter und hält sich sogleich vorn und hinten fest; denn das Kameel, von seinem Treiber losgelassen, richtet sich plötzlich ruckweise auf, erst vorne, und man fällt beinahe auf den Rücken, dann hinten, und man würde ohne Halt unfehlbar auf den Hals des Thieres stürzen. Wir kamen alle ziemlich glücklich hinauf; nur der Reitknecht Friedrich, der sich nie durch Gewandtheit in seinen Bewegungen auszeichnete, fiel mit gewaltigem Purzelbaum in den Sand.

Endlich kam auch unser Zug in Bewegung und die Kameele gingen mit großem, ruhigem Schritt dahin, den Reiter eben nicht angenehm schaukelnd. Es braucht einige Zeit, ehe man sich an diese Art zu reiten gewöhnt. Abgesehen davon, daß das Gefühl, das Thier nicht in seiner Gewalt zu haben, sondern seinem Willen folgen zu müssen, sehr unbehaglich ist, so ist der Gang der Kameele, die nicht, wie Pferde und Esel, ihre Beine kreuzweis heben, sondern den vordern und hintern Fuß jeder Seite zugleich, im höchsten Grad unangenehm. Er bewegt den Oberleib des Reiters unaufhörlich stark von hinten nach vorne, gleich dem Schaukeln eines Nachens, und wirkt auch beinahe ebenso; denn es gibt Leute, die auf dem Kameele, diesem »Schiff der Wüste,« vollkommen von der Seekrankheit befallen werden. Indessen empfanden wir von dieser Unbequemlichkeit nicht viel, wozu wohl am meisten der erfreuliche Gedanke beitrug, das traurige Gaza hinter uns zu haben und endlich auf dem Wege zu sein, auf dem einzigen, der uns aus Syrien offen stand.

Ehe man sich, abgesehen von der unangenehmen Bewegung, auf den Kameelen heimisch und sicher fühlt, muß man sie – ich meine den Packsattel – vollständig zu seinem Gebrauch einrichten. Die Thiere sind eines hinter das andere gebunden, und so ist die ganze Reisegesellschaft getrennt; auch lassen sie sich nicht antreiben, und ich konnte nicht zu einem von unsern Freunden hinreiten, wie ich wohl früher that, wenn mir eine Pfeife Tabak oder Feuer mangelte. Mir kam mein Thier wie ein neues Haus vor, in welchem man die Ecke noch nicht gewählt hat, wo man schlafen will, und für den Hausrath noch keinen Platz weiß. Lange schob ich an meinen Teppichen hin und her, um einen etwas bequemen Sitz zu erhalten, denn ich muß gestehen, daß ich mich nichts weniger als behaglich fühlte. Die meisten Kameele hatten hinter dem Packsattel noch ein kleines gepolstertes Kissen, ungefähr wie der Bedientensitz an einem Wurstwagen, was sehr bequem ist, und dieses mangelte gerade an meinem; auch hatte noch keiner von uns die Kunst erlernt, das Kameel von vorne herein so zu packen, daß man sich bequem darauf befindet, und unsere Herren Kameeltreiber waren am Morgen immer froh, wenn sie nur die Sachen hinaufgeworfen und die Kameele in Gang gebracht hatten; denn jeder fürchtete sich, zurückzubleiben. Um auf dem Kameele einigermaßen angenehm zu sitzen, muß man den Sattel, der den ganzen Höcker bedeckt, nachdem man die Bagage zu beiden Seiten angehängt hat, hinten durch Kissen oder Teppiche erhöhen, auf die man sich setzt, und nun nicht nöthig hat, mit den Beinen das ungeheure Thier zu umklammern, sondern dieselben mehr vor sich hinstrecken kann.

Unser Mundvorrath, den wir in Gaza treu und redlich getheilt hatten, bestand für die Person in sechzig bis achtzig Orangen, gegen vierzig hartgesottenen Eiern, einem Sack voll Brod und einer Flasche mit Essig, welche Sachen, nebst Tabak und Pfeife, jeder auf seinem Kameel so vertheilte, daß er ohne Mühe etwas davon hervorlangen konnte. Wir hatten uns zu dem Behufe weiße leinene Säcke machen lassen, die rechts und links an den Packsattel gebunden wurden.

Wir hatten schon eine ziemliche Strecke zurückgelegt auf einem Terrain, das wenig von dem Weg zwischen Jaffa und Gaza verschieden ist. Es besteht, wie dort, aus beweglichem Sand, doch sah man an den Seiten noch grüne Felder, Palmen- und Olivenbäume; auch war der Boden der Straße stellenweise von hartem Kies, der den Kameelen das Gehen sehr erschwerte. Diese merkwürdigen Thiere scheuen die geringste Senkung des Weges und gehen sogar unsicher, wo er recht glatt und eben ist. Baron von T. war mit unserem neuen englischen Freunde noch zu Wally Bey gegangen, um mit ihm und seiner Reiterei zugleich aufzubrechen. Doch dauerte dies länger, als sie gedacht, weßhalb sie uns bald darauf allein nachgesprengt kamen. Der Engländer hatte drei Bedienten bei sich, wovon zwei auf Kameelen saßen und der dritte, sein Kammerdiener, auf einem großen Maulthiere hinter ihm drein zog. Er erkundigte sich, wie uns die neue Reitart behage, und als ich ihn versicherte, ich habe in meinem Leben nie so schrecklich unbequem gesessen, so bot er mir das Maulthier seines Dieners an, das, mit einem englischen Sattel versehen, sich gar nicht unvorteilhaft ausnahm. Auch schien sein Inhaber mit dem Tausch sehr zufrieden; er lachte mich heimlich aus, wie er auf mein Kameel stieg, ordnete oben Teppiche und Decken anders, und warf mir mitleidige Blicke zu, als ich den Esel bestieg. Dieser hatte auch merkwürdig schöne Eigenschaften. Er hatte unförmlich lange Ohren und war sehr hartmäulig, was daher kam, daß er als Thier des Dieners gewöhnt war, stets dicht hinter dem des Herrn zu laufen. Machte nun der Engländer, wie er sehr häufig that, rechts und links einen Abstecher, in den Klee oder unter die Palmen, so mußte ich ihm folgen, wollte ich mich mit dem Esel nicht abarbeiten. Traf er mich aber bei solchen Anlässen, wie es zuweilen vorkam, schlecht gelaunt, so daß ich ihm seine Unarten nicht hingehen ließ, so stieß er, wenn er das andere Pferd davon traben sah, ein jämmerliches Geschrei aus, ein Geheul, so ohrenzerreißend, wie ich es selbst bei einem Esel nie vernommen.

Durch unser Warten auf die Kavallerie Ibrahims, die uns noch immer nicht nachfolgte, waren wir ganz ans Ende des Zugs gekommen, der sich unabsehbar über die vor uns liegenden Höhen fortbewegte. Ein buntes Gemisch von Kameelen, Pferden, Eseln und Trachten in allen möglichen Farben. Wir freuten uns auf die sonderbaren Scenen, die uns der Zusammenfluß so vieler für uns fremdartiger Menschen versprach, da es uns auf unsern Pferden leicht wurde, bald hier, bald da den Zug zu durchkreuzen, oder ein Stück vorgaloppirend, ihn theilweise an uns vorbeiziehen zu lassen. Doch sparten wir dies Vergnügen für den folgenden Tag auf; denn wir hatten heute viel zu thun, um unsere Vorkehrungen für die nächste Nacht, sowie die Vertheilung unseres mäßigen Proviants für die Wüstenreise zu besprechen. Wir hatten in Gaza ein kleines Zelt gekauft, unter welchem, wenn man sich auch sehr dicht zusammen legte, kaum vier Personen Platz hatten. Auch war es in einem etwas defekten Zustand und würde einen ziemlichen Platzregen nicht abgehalten haben. Ein zweites besaß der Engländer, das, wie alle Reisegeräthe dieses praktischen Volkes, sich im besten Zustande befand. Als ein sehr artiger Mann schlug er uns gleich vor, mit ihm unter seinem Zelte zu hausen und der Dienerschaft das unsrige zu überlassen.

Wir wurden heute auf unserem Marsch einigemal durch das kleine Fohlen aufgehalten. Das Thierchen hatte, obgleich es am Morgen sehr gut aufgepackt und erst einen Tag alt war, in seinem Teppich so gezappelt und sich gedreht, daß die Stricke am Packsattel des Kameels los geworden waren und das geduldige Thier sich mehrmals legen mußte, damit man den Sprößling frisch aufbinden oder an der Stute saugen lassen konnte. Es war wirklich rührend, mit welcher Sorgfalt und Liebe die Araber, besonders unsere Kameeltreiber, sonst die rauhesten Menschen von der Welt, das kleine Thier behandelten und pflegten. So ging ihm immer einer zur Seite und beobachtete alle seine Bewegungen; dann und wann wurde die Stute gemolken und sie gaben die in einem Löffel aufgefangene Milch dem Kleinen aufs Kameel. Gelangten wir Abends ins Lager, und die Nacht kam, wie immer in Syrien, mit empfindlicher Kälte heran, so versuchten sie nicht selten, das Pferdchen mit ihren warmen Lumpen zu bedecken; ein Manöver, das jedoch nicht half, denn wir mochten ihm noch so fest seinen persischen Teppich umhängen, so schlüpfte es beständig hinaus.

Es war erst gegen zwei Uhr, als wir schon den Ort unseres heutigen Nachtlagers, ein armseliges Dorf, vor uns liegen sahen. Dasselbe war kaum vier Stunden von Gaza entfernt. Wir waren zwar Morgens um vier Uhr aufgebrochen, aber das Bepacken der Kameele und die Verzögerung des Abmarsches durch die Reiterei hatte so viel Zeit weggenommen, daß wir uns erst um acht ein halb Uhr in Bewegung setzten. Als wir das Dorf erreichten, war bereits eine große Haide hinter demselben von den uns vorangegangenen Zügen bedeckt: ein buntes, geräuschvolles Gewimmel, Männer, Weiber und Kinder in der lebhaftesten Bewegung. Man lud Kameele ab, schlug die Zelte auf, dort loderten Feuer, hier bemühten sich einige kleine Buben, auf dem Bauche liegend, eines anzublasen. An ernstlichen Streitigkeiten fehlte es auch nicht, und wir waren froh, als wir den Schwarm durchzogen hatten und am Ende der Haide zu der Leibschwadron Ibrahims kamen, bei der wir, nach einer Bestimmung des Pascha, unser Zelt aufschlagen sollten. So war denn glücklich der erste Tag unserer Wüstenreise vorüber. Der heutige Marsch war so still und ruhig gewesen, daß unsere Besorgnisse für die künftigen anfingen sich zu zerstreuen. Wir glaubten nun ungefähr ausrechnen zu können, wann wir in Kairo eintreffen würden, und ich dachte nur an die schönen Bilder, die während des Zugs zu sammeln wären, und an das alte Wunderland Aegypten, das wir bald betreten sollten. So wie unsere Kameele sahen, daß wir an Ort und Stelle waren, ließen sie sich gleich nieder und harrten ruhig, bis wir sie ihrer Last entledigten. Unsere Leute schlugen beide Zelte auf, und die Kameeltreiber ordneten Gepäck und Proviant, wie es ihnen für die Nacht am zweckmäßigsten däuchte. So wurde der gemeinschaftliche Proviant, der in einem gekochten Hammel, Kaffee und Zucker bestand, in das Bedientenzelt geschafft, unsere Nachtsäcke und Kohlen zu beiden Seiten des Eingangs aufgepflanzt und um das Zelt im Kreise unsere sieben Kameele gelagert, eine ruhige, wiederkäuende Wache.

Unter dem Zelte des Engländers begann sich jetzt ein Comfort zu entwickeln, den wir uns auf unserer Reise durch Syrien ganz abgewöhnt hatten und zu dessen Fortsetzung es bei der Einrichtung unseres Reisegeräthes wenigstens sechs Pferde bedurft hätte, wogegen bei dem praktischen Engländer Alles in eine einzige Kiste gepackt war. Er hatte schon viele Reisen durch die Wüste gemacht und war also mit Allem, was dort nothwendig ist, besser vertraut als wir. Es ist schlimm, daß fast in keinem Reisehandbuch über den Orient die Gegenstände erwähnt sind, deren der Reisende wirklich bedarf. Wir schleppten eine ganze Küche mit, theils in Säcken, theils an die Kameele gehängt, Teller, Messer, Gläser, Flaschen, Casserole etc. Wir hatten Teppiche, Decken, Pelze bei uns, der Engländer hingegen nur eine einzige Kiste, aus welcher sich aber eine Menge von Sachen entwickelte, die uns unglaublich schien. So war der halbe Boden des Zelts mit einem Teppich bedeckt, worauf eine zwei Finger dicke roßhaarene Matratze lag, mit Kopfkissen, Leintuch und einer Decke versehen. Einige Leuchter wurden auf den Boden gesetzt, und außer dem nöthigen Kochgeschirr, nebst Tellern, Messern und Gabeln kam im Laufe des Abends noch ein Kaffee- und Theeservice, eine kleine Punschbowle, sowie die Leibtoilette des Engländers zum Vorschein.

Dieser hatte, wie die meisten seiner Landsleute, seine Eigenheiten. Er war Kapitän in Diensten der ostindischen Compagnie und hatte öfters Reisen zwischen Bagdad, Bombay und Kalkutta gemacht. Seine drei Bedienten, die nichts zu thun hatten, als seiner Person aufzuwarten, waren ein Indier, den er aus Bombay mitgebracht und der etwas Persisch verstand, was auch der Kapitän sprach, ferner ein Grieche, sein Koch und Dolmetscher, und endlich ein Araber, den er in Gaza aufgegriffen hatte und blos mit nach Kairo nehmen wollte. Der Engländer war ein Mann von etwa siebenundzwanzig Jahren, sprach geläufig französisch und verstand, wie wir erst am Ende der Reise erfuhren, ganz gut, was wir Deutsche zusammen sprachen. Warum er dies früher nicht merken ließ, weiß ich nicht; er hat durch diese Verläugnung unserer edeln Muttersprache manchen kleinen Stich hinnehmen müssen. So gutmüthig er von Natur war, so machte es ihm doch ein eigenes Vergnügen, seine Bedienten und die Leute, mit denen er in Berührung kam, durch allerhand kleine Geschäfte stets in Athem zu halten, ja sie fast zu quälen. So hätte er nie selbst Hand an seine Sachen gelegt; er stieg vom Pferde, warf dem Araber den Zügel zu, sagte zum Griechen: »Hussein, Mantel und Säbel!« welche Gegenstände dieser ihm abnehmen sollte, während der Indier ihm die gestopfte Pfeife fast in den Mund stecken mußte, und blieb dann stehen, bis das Zelt aufgeschlagen war, worauf er sich auf seine Matratze streckte und durch allerhand Kleinigkeiten die Drei stets auf den Beinen zu erhalten wußte.

Wir waren auf diese Art bei ihm gut eingerichtet und mit Beiziehung unseres eigenen Mobiliars unter seinem Zelt ganz vergnügt. Das Erquickendste auf dem ganzen Zug war der Kaffee, den unser Giovanni, falls er bei guter Laune war, sogleich bereitete. So saßen wir denn unter dem Zelte, dessen Oeffnung regelrecht vom Winde abgekehrt war, in den Händen die kleinen türkischen Täßchen und rauchten behaglich aus dem Nargileh. Draußen hatten die beiden Kochkünstler kleine Gruben in den Sand gemacht, in denen sie Holzkohlen anglühten, um darüber die Speisen zuzubereiten. Scham, der Hengst, wälzte sich vor Vergnügen auf dem Boden und das kleine Fohlen sog an seiner Mutter, – ein Familienbild. Im Hintergrunde war das buntscheckige Lager mit hunderten von Feuern. Die Leibschwadron Ibrahims hatte ihre Pferde in ein Viereck gestellt und sie auf die übliche Art an einem Hinterfuß gefesselt. Die Leute lagen ohne Zelte in diesem Carré. Sie hatten ihr Gepäck fast wie unsere Kavallerie im Lager geordnet, auf den Sattel Mantelsack, Säbel und Pistolen gelegt und die Lanze mit der rothen Fahne daneben gesteckt. Ihr Oberst, der Pole, lag in der Mitte in einem großen Pelze und um ihn standen ein paar Negerknaben, die ihn zu seiner Bedienung begleiteten.

Wählend wir alle diese Gegenstände mit Muße betrachteten, schlug plötzlich eine schmetternde, jedoch nicht unangenehme Hornmusik an unser Ohr. Es war die Reiterei unter Ali Bey, die jetzt nachkam. Da sie, wie wir später erfuhren, nicht eher von Gaza abmarschiren konnte, als bis das Dampfboot, der Hadschi Baba, auf welchem Ibrahim sich befand, das Signal gegeben hatte, daß es abgefahren sei, und dasselbe, obgleich sich der Pascha am achtzehnten eingeschifft hatte, erst am neunzehnten wirklich abfuhr, so hatten sie bis gegen zehn Uhr auf den Signalschuß warten müssen und rückten jetzt erst ein, nachdem wir schon ein paar Stunden im Lager waren. Hinter der Musik ritt der Pascha, ein Mann mit großem Bart, umgeben von mehreren Ober- und Unteroffizieren; dann die Lanciers, in recht gutem, in Betracht ihres fürchterlichen Rückzugs sogar vortrefflichem Zustand. Sie hatten alle ihre Waffen, Säbel, Pistole und Lanze, sowie jeder eine lederne Wasserflasche; Geschirr und Sattelzeug der Pferde war in Ordnung, die Uniformen ziemlich gut, und jeder hatte außer einer Art Mantel noch eine Kaputze, die er über den Kopf ziehen und auf der Brust befestigen konnte. Die zweite Abtheilung bestand aus reitender Artillerie, vielen Kürassiren ohne Helm und Küraß; nur einige wenige hatten denselben umgeschnallt, andere sogar an den Sattelknopf gehängt. Diese Waffengattung ist aber auch wohl die unzweckmäßigste für heiße Länder, wie Syrien und Aegypten. Dann kamen wieder Lanzenreiter, und den Beschluß machte die Bespannung von achtzig bis neunzig Geschützen je zu vier Maulthieren, deren Geschirre sich in der besten Ordnung befand. Pferde und Maulthiere hatten sich in Gaza wieder erholt und sahen gut genährt, frisch und munter aus. Später kam noch ein kleines Piket Reiter, die eine Masse Reitpferde der Pascha's begleiteten; doch war keines darunter, das unseren arabischen Pferden zu vergleichen gewesen wäre, was die Türken und Aegyptier selbst anerkannten. Sie umgaben diese Thiere oft Stunden lang, besahen den schönen Bau, die starken, reinen Beine, und strichen mit dem öftern Ausruf: Ei w' Allah! (bei Gott, das ist schön!) über die feine Haut und die seidenartige Mähne. Dabei war es sehr eigenthümlich, daß die Beduinenschechs dem Hengst den Vorzug gaben, die ägyptischen und türkischen Pascha's dagegen die Stute für vorzüglicher erkannten. Oft hielten sie vor unsern Zelten lange Debatten hierüber, welche wir am besten schlichten konnten, indem wir sie auf das Fohlen aufmerksam machten, dessen starke Glieder, sowie der wunderschöne, edle Kopf, einst die Vorzüge beider vereinigen würden, was sie zugaben.

Wir machten noch einen Gang durch sämmtliche Lager, sowie ins Dorf, wo wir einen Topf voll Milch einkauften, um daraus für den Abend einen Riz an lait bereiten zu lassen. Der Tränkungsplatz war uns heute das Interessanteste; dort standen die kleinen Esel und Pferde des ärmeren Volks in erster Reihe, um getränkt zu werden, weil sie zuerst angekommen waren; dann kamen die Pferde der Kavallerie und hinter ihnen die geduldigen Kameele, welche bis zuletzt warten mußten. Das Wasser befand sich in einer Art Teich, um welchen die Thiere gereiht wurden, so daß sich eine große Zahl zugleich tränken ließ, weßhalb heute das Gezänk und Geschrei nicht sehr groß war. Das Wasser, obgleich matt, wie fast an der ganzen syrischen Küste, ließ sich dennoch genießen.

In unser Zelt zurückgekehrt, nahmen wir unsere Abendmahlzeit ein, die aus Reis bestand, worin ein Stück Hammelfleisch gekocht war, ferner aus ein paar Hühnern, Orangen, getrockneten Feigen, Rosinen und Datteln. Während wir bei Tische saßen, kam unser Dolmetscher, meldete, unsere Nachtwache sei angekommen, und fragte, ob er ihnen etwas Kaffee zubereiten und den übriggebliebenen Pillau geben dürfe. Natürlich ließen wir ihn diese großmüthige Idee ausführen, Und bald bezogen die ägyptischen Lanciers ihren Posten um unser Zelt. Ihren Wachtkommandanten, seines Ranges Hauptmann, luden wir zu uns und bewirtheten ihn mit Punsch, den unser Engländer zubereitet hatte. Der Araber erzählte uns durch den Dolmetscher Einiges vom fürchterlichen Rückzug über Damaskus, rauchte seine Pfeife und zog sich dann wieder zurück, wobei er in ehrerbietiger gebückter Stellung rückwärts das Zelt verließ. Wir legten unsere Teppiche auf den Boden, scharrten einen Haufen Sand zu einem Kopfkissen zusammen, worauf der ausgezogene Rock gelegt wurde, und bereiteten so unsere Lagerstätte. Dann traten wir nochmals vor's Zelt, um den wundervollen, sternhellen Himmel zu betrachten. Ich habe die Sterne, besonders die Venus, nie herrlicher glänzen sehen, als in den Nächten, die wir in der Wüste zubrachten: wir haben Versuche gemacht, und gefunden, daß ihre Strahlen hell genug waren, um, wie das Mondlicht, einen wenn auch schwachen Schatten auf unsere weiße Zeltwand zu werfen. Unsere Wache bestand aus zehn Mann, die im Kreis um unsere Zelte postirt waren und, in weiße Mäntel eingehüllt, regungslos an ihren Lanzen lehnten.

Die Nacht verging ziemlich ruhig, und ich hörte nur zuweilen das Geschrei einiger Hunde, die sich bei unsern Zelten herumbalgten, sowie das entfernte Geheul der Schakals, Töne, welche mit nichts Anderem zu vergleichen sind. Es ist ein heiseres, pfeifendes Bellen; doch hielten die vielen Wachtfeuer diese Thiere heute Nacht in Respekt. Der Aufbruch der Karawane war auf fünf Uhr bestimmt, und schon um vier fing Alles im Lager an sich zu regen. Man packte auf, riß die Zelte ein, die meisten tränkten ihre Pferde noch einmal, und um fünf bewegten sich die Kolonnen nach einer vom Pascha getroffenen Einrichtung vorwärts. Wally Bey nämlich, ein sehr vernünftiger Mann, befahl, daß sich die kleinen Thiere, Esel, schlechten Pferde, gleich am Morgen an die Spitze des Zugs stellen sollten, um zuerst abzumarschiren. Dann kamen die Kameele und zuletzt die Reiterei. Er wollte damit bezwecken, daß die Esel, die mit den Kameelen und Pferden nicht gleichen Schritt halten konnten, wenigstens am Morgen einen Vorsprung hätten und man nicht genöthigt sein möchte, jene zu weit zurückzulassen und sie so den Angriffen der Beduinen bloßzustellen. Dennoch überholten Kameele und Pferde sie im Lauf des Marsches, und die Spitze des Zugs, wie er sich Morgens in Bewegung gesetzt, kam am Abend zuletzt auf den Lagerplatz. Diese Anordnung des Pascha war sehr gut, und er sorgte auch so ziemlich dafür, daß sie befolgt wurde. Es waren aber auch wirklich manche Lastthiere zum Erbarmen bepackt, Kameele wie Esel.

Wir ließen Alles an uns vorüberziehen und waren im besten Packen begriffen, um mit der Leibschwadron aufzubrechen, als unser Dolmetscher und Koch dem Baron den leeren Korb zeigte, worin noch gestern der so schön geschlachtete und gekochte Hammel gewesen war. Man hatte uns keine Faser gelassen; wir begriffen aber nicht, wer der Dieb sein könne; ein gewandter auf jeden Fall, denn unser Fleischkorb hatte unter unsern Bedienten mitten im Zelt gestanden, um welches obendrein noch die zehn Lanciers Wache hielten. Im Stillen hatten wir auf diese edlen Kriegsknechte selbst den Verdacht geworfen; doch sagte uns im Laufe des Tages der polnische Obrist, als wir es ihm erzählten, es werden wohl Hunde gewesen sein, die sich in großer Menge bei den Zelten herumtrieben. Wir ritten mit dem Polen fort, den ich im Verlauf der Reise recht lieb gewann. Er hatte merkwürdige Schicksale gehabt, war Renegat und hieß jetzt Husseyn Effendi, was so viel heißen will, als Herr Husseyn. Er führte zwei sehr schöne arabische Windhunde mit sich, die glücklich den Rückzug überlebt hatten. In den Tagen, ehe wir an die eigentliche Wüste gelangten, wie heute, wo der Weg dann und wann an grünen Wiesen und Haiden vorbeilief, schossen die beiden flinken Thiere zuweilen in merkwürdigen Sprüngen den Gazellen nach, die sich am Horizont in Heerden von zwanzig bis dreißig Stücken sehen ließen; doch erreicht der Hund höchst selten eine Gazelle, es sei denn, der Boden wäre ziemlich weich oder das Wild erkrankt.

Das Terrain zeigte heute, wie schon gesagt, hie und da noch einiges Grün, jedoch höchst sparsam, und man sah an den Haiden, auf denen kein Gras, sondern nur kleine, stachlichte Gesträuche wuchsen, sowie am feinen Sand, der alle Wege einige Zoll hoch bedeckte, daß wir uns der großen Wüste näherten. Palmen trafen wir nur wenige, zerstreut in einer Vertiefung des Terrains, wo sich das Regenwasser sammeln konnte. Auch weiß ich nicht, ob's Einbildung von mir war oder Wirklichkeit, daß ich bei jedem gelinden Windhauch, der uns von der Wüste entgegen kam, die schon sehr starke Hitze noch bedeutend verstärkt zu fühlen glaubte. Der ganze Charakter der Natur war, obgleich großartig, doch heute schon sehr einförmig, ein bedeutungsvolles Vorspiel zu dem, was unser in den nächsten Tagen harrte. An Schatten war natürlich den ganzen Tag nicht zu denken und die Hitze quälte mich schon jetzt bedeutend. Das Schlimme in jenen Ländern ist, daß man sich nicht der Witterung gemäß kleiden darf. Während des Tages drückt die glühende Hitze, trotz der leichtesten Kleidung, fast zu Boden, und sobald die Sonne sinkt, fällt der Thau und die Nacht tritt mit einer Frische, ja mit einer Kälte ein, die einen dicken Mantel nothwendig macht. Der Sand wird ein paar Zoll tief feucht, und wir benützten dies, unsere welk gewordenen Orangen, die Wasserschläuche und den zu Staub verbrannten Tabak wieder aufzufrischen.

Nachdem wir eine Zeit lang neben unserm Obrist hingeritten waren, ließen wir unsere Pferde einen stärkern Schritt gehen, um an die Spitze des Zugs zu kommen, und obgleich wir zuletzt scharfen Trab ritten, brauchten wir doch gegen anderthalb Stunden, um dieselbe zu erreichen. Welche Trachten, welche Physiognomien, interessante und höchst gemeine, welches Elend neben Pracht und Luxus wir hinter uns ließen, ist mit keiner Feder zu beschreiben. Den Vortrab bildeten einige fünfzig junge Türken und Araber, meistens Oberoffiziere Mehemed Ali's, die ohne ihre Truppen nach Aegypten zurückzogen. Die Herren waren ziemlich gut gelaunt und beschäftigten sich, trotz des unermeßlichen Elends, das hinter ihnen zog, mit allerlei Kindereien, jagten einander nach und belustigten sich vorzüglich mit dem Dscherid, einem Wurfspieß von ungefähr drei Fuß Länge mit stumpfer, eiserner Spitze, den sie einander zuschleuderten, um ihn, sich vom Sattel zur Erde biegend, wieder aufzuheben.

Auch Wally Bey litt voran und hatte heute, sowie mehrere andere Generale, die ohne Kommando mitzogen, ein Reitkameel bestiegen. Neben ihm ritt der Tartar-Gassi (Chef der Tartaren), oder, wenn man will, der Generalpostmeister. Er war ein schöner Mann in reichem Costüm, und ich werde, da er uns später viele Freundschaft erwies, auf ihn zurückkommen. Wir stiegen ab und setzten uns unter eine gewaltige Aloe am Weg, um die Menge an uns vorbeiziehen zu lassen und wieder zu unsern Freunden zu gelangen. Nach einer mäßigen Schätzung ergaben sich ungefähr zweitausend Kameele und gegen dreitausend Pferde, Maulesel und Esel, die Kavallerie nicht gerechnet. Fast sämmtliche Lastthiere dienten zur Fortschaffung von Menschen, nur einige ganz kleine Waarenzüge waren dabei. Weiber und Kinder mochten es an viertausend sein, sowie zwei tausend Männer von fast allen Nationen. Nichts interessanter, als die großen Harems der Paschas, die, größtentheils auf Kameele geladen, an uns vorüberzogen. Da trug ein armes Kameel drei, vier Weiber mit einigen Kindern, und die ganze Familie scherzte und lachte; auch kokettirten sie von ihrem Sitz herunter, sowie ein Europäer zu ihnen hinaufsah, besonders drei türkische Damen, mit denen sich unser Engländer viel zu schaffen machte. Sie waren auf ein Kameel geladen und gaben uns für Orangen, die wir ihnen reichten, kleine Confituren oder auch die leeren, aber sehr niedlichen Hände. Von der ärmeren Klasse hatten meistens zwei oder drei Weiber zusammen einen Esel, auf dem sie abwechselnd ritten. Andere waren sogar genöthigt, den ganzen Weg zu Fuß zu machen, und ich habe Weiber gesehen, die außer zwei Kindern, die sie fast beständig tragen mußten, noch ihren Mundvorrath nebst Kochgeschirr schleppten. Woher sollten sich diese Armen mit Wasser versehen? Doch gingen sie dahin unter dem Schütze ihres geliebten Wortes: »Bakulum,« »wir wollen sehen!« Und die, welche wirklich sehend Aegypten erreichten, konnten sich glücklich schätzen; denn manche schlossen ihre Augen in der Wüste und sahen ihr Heimathland, das Delta mit seinen üppigen Feldern und grünen Palmen, nicht wieder. Wir hatten heute einen Marsch von sieben Stunden gemacht; da aber Wally Bey sich alle Mühe gab, den ihm anvertrauten Troß so glücklich als möglich nach Aegypten zu bringen, und deßhalb öfters am Tage die Spitze halbe Stunden lang halten ließ, um die Nachzügler zu sammeln, so gelangten wir erst um drei Uhr auf den Lagerplatz.

Wir zogen auf eine große Haide, die rings von Sandhügeln eingeschlossen war, und in deren Mitte ein altes, zerfallenes Gebäude stand, mit dicken Mauern und einem Graben, das ein Fort gewesen zu sein scheint. Unser Lager glich dem gestrigen. Nachdem unsere Anstalten getroffen waren, machten wir unserem Oberst einen Besuch, der, wie gestern, in der Mitte seiner Lanciers lag und uns von seinen beiden Negersklaven mit Kaffee und Pfeifen bewirthen ließ. Die Reiter tränkten ihre Pferde, was heute schon mit mehr Schwierigkeiten verbunden war, als gestern; der Brunnen, den wir vorfanden, war sehr schlecht und schlammig, und dabei so klein, daß es bis morgen früh gedauert hatte, bis alle Thiere getränkt gewesen wären. Deßwegen machten die Araber große Gruben, etwa drei Fuß tief, in den Sand, in denen sich, weil wir noch in der Nähe des Meeres waren, Wasser sammelte, das, obgleich durch den Sand etwas filtrirt, doch immer noch salzig und so übelschmeckend war, daß wir selbst Kaffee und Thee, den wir damit bereiteten, trotz seiner Stärke kaum genießen konnten.

Als das Lager etwas ruhiger geworden war, machten wir einen Gang durch dasselbe und sahen den Soldaten und Weibern bei ihrer Abendmahlzeit oder ihrem Kochgeschäfte zu. Die meisten der letztern hatten nichts als einen großen irdenen Topf, in dem sich Oliven befanden, die sie mit den Fingern herausholten und zu einem Stück Brod aßen; Andere kochten ein Gericht Zwiebeln mit Hammelfett, was schon besser war, und die, welche Reis auf dem Feuer hatten, gehörten zur wohlhabendern Klasse. Hie und da bereitete ein Schwarzer das Abendessen für seinen Herrn, den Pascha, und solche Herde waren stets von einer Masse kleiner ägyptischer Kinder umringt, denen zuweilen vergönnt wurde, die am Topf herunterlaufende Brühe mit einem Stück Brod abzuwischen, was die armen Geschöpfe sehr glücklich machte. Es war oft rührend anzusehen und ein Beweis von der Gastfreundschaft, die seit undenklichen Zeiten in diesen Gemüthern herrscht, daß uns selbst die Aermsten mit freundlicher Geberde von ihren Zwiebeln oder Oliven anboten; ja ein Abyssinier, der an seinem Feuer kauerte und sein Stück trocken Brod aß, winkte uns mit vielsagendem Blick heran und wickelte aus seinen Lumpen ein Stück Zucker, von dem er etwas abbrach und uns reichte. Auch die ägyptischen Soldaten fühlten sich durch den Besuch, den wir ihnen abstatteten, sehr geehrt und umstanden uns haufenweise, wobei sie es gern sahen, wenn wir uns nach ihren Chargen erkundigten.

Es kam mir anfangs eigen vor, so viele ägyptische Soldaten mit Kreuzen und Sternen geschmückt zu sehen; ich konnte mich keiner Affaire entsinnen, in der sie sich in jüngster Zeit so mit Ruhm bedeckt hätten, um diese Ehrenzeichen zu verdienen. Doch klärte sich die Sache bald auf: jede Charge in der türkischen und ägyptischen Armee wird nicht wie bei uns durch Tressen am Kleid, sondern durch ein kleines messingenes oder silbernes Ehrenzeichen von verschiedener Gestalt bezeichnet. So trägt der Corporal ein kleines Sternchen von Messing, der Sergeant dasselbe von Silber, und der Feldwebel noch einen kleinen Halbmond darunter; der Lieutenant (On-Baschi) hat Stern, Halbmond, und bei der Artillerie zwei Geschützröhren, bei der Kavallerie zwei Säbel; der Kapitän (Jüs-Baschi) dasselbe in größerem Maßstab, mit einigen Kugeln versehen, der Major (Bim-Baschi) die Spitzen des Kreuzes mit kleinen Diamanten besetzt, und der Obrist (Miralaje) das ganze Kreuz nebst Halbmond von Brillanten, so daß es beinahe aussieht wie der türkische Orden, den man gewöhnlich fälschlich Nischah nennt. Nischah heißt blos Zeichen, und so werden alle Sterne und Kreuze genannt, die einen Rang bezeichnen. Der eigentliche Orden heißt Nischah-Eftendar (Zeichen der Ehre). – Die Geschirre der Kavalleriepferde und der Artilleriebespannung sind sehr einfach, aber stark und zweckmäßig; der Sattel hält die Mitte zwischen einem ungarischen Bock und dem deutschen Sattel, und die Bügel sind etwas länger geschnallt, als wie sie der Beduine der Wüste gebraucht. Die Truppen, welche mit uns zogen, waren nicht mit Zelten versehen, alle bivouakirten.

Noch machten wir Wally Bey einen Besuch, und der Baron hatte die bei unsern kleinlichen Vorräthen kühne Idee, ihn und seinen Adjutanten, einen alten Miralaje, sowie den Obristen der Leibwache, zum Souper einzuladen, was die Herren annahmen. Bei unsern Zelten angekommen, trafen wir sogleich alle Anstalten, um die edlen Gäste bestmöglichst zu bewirthen. Unsere letzten Hühner wurden gebraten, Pillau gekocht und ein Reisbrei ohne Milch zubereitet. Auch schmorte der Koch aus Orangen, Cibeben, Feigen, und Gott weiß was sonst noch, ein Compot zusammen. Wir schaufelten an den Wänden des Zelts den Sand etwas in die Höhe, um eine Art Divan zu bilden, stopften alle vorräthigen Pfeifen und erwarteten unsere Gäste. Sobald es dunkel wurde, kam der Pascha mit einem Gefolge von acht oder neun Adjutanten und Sklaven, die ihm Säbel, Mantel, Orden, Pfeifen nachtrugen. Er wurde an der Schwelle empfangen und auf unsern Sanddivan geleitet, eine Einrichtung, die den dicken Mann zu lautem Gelächter veranlaßte. Sein elfter Adjutant setzte sich am Eingang des Zelts auf die untergeschlagenen Beine und die Sklaven lagerten sich draußen bei unsern Bedienten um's Feuer. Kurz darauf erschien auch der Obrist, und die Pfeifen wurden in Bewegung gesetzt. Der englische Kapitän und der Obrist Husseyn Effendi machten die Dolmetscher und wir unterhielten uns mit Sr. Excellenz recht angenehm. Der aufgetragene Pillan schien dem Pascha nicht sehr zu schmecken, wogegen er dem süßen Reis sehr zu Leibe ging. So waren wir im besten Speisen begriffen, als sich vor unsern Augen ein großes Wunder begab. An der Thür erschien einer der ägyptischen Lanciers und trug unter jedem Arm ein Ding, das ich beim nähern Betrachten mit freudigem Schreck für eine Champagnerflasche erkannte. Und dem war so. Der Soldat murmelte einige Worte, die wir nicht verstanden, und

»Wie ein Gebild aus Himmels Höhen,«

standen die beiden Flaschen auf der Erde. Wir sahen einander an; keiner wußte, woher diese Gabe kam. Wir dachten an den Pascha, doch ließ dieser mit einem langgezogenen Maschallah seine Finger ruhen, und seine Ueberraschung war zu ungekünstelt. Dagegen machte Husseyn Effendi ein halb lächelndes Gesicht, und als wir ihn bestürmten, gestand er, die Flaschen rühren von ihm her und seien ein Geschenk Ibrahim Paschas. Champagner in der Wüste! eine Idee, so seltsam als angenehm! Wir ließen die Pfropfen fliegen und tranken den sehr guten Wein auf das Wohl Ibrahims, unserer Gäste und der Lieben zu Hause.

Wir hatten einen sehr vergnügten Abend. Der Engländer schlug Waffenproben vor, der Pascha ließ seine Pistolen holen, und da draußen die Nacht zu dunkel war, um eine Schießbahn zu arrangiren, so meinte der Engländer in beliebter Kürze, man könne vor die Zeltthür ein Licht stellen und darnach schießen, eine Idee, die ohne Gefahr für unsere Umgebung ausgeführt werden konnte, da die Thür vom Lager abwärts nach der Wüste gekehrt war. So schoßen wir, und ich muß mit Stolz erklären, daß der Occident den Orient überbot. Der Pascha schoß mehrmals vorbei, und als ihn dies ärgerte und er genauer zielte, schlug seine Kugel an den Fuß des Leuchters und warf ihn um, daß das Licht erlosch, wogegen Baron T. beim zweiten Schuß die Wachskerze mitten auseinander riß. Dieser Jubel und der Champagner machten uns sehr lustig, und ich muß den Arabern nachsagen, daß sie der Sieg des Abendlandes nicht ärgerte, sondern sie ihren Beifall in vielen Ausrufungen kund gaben. Der Baron hatte eine kleine Pistole, welche ohne Pulver nur mit dem Zündhütchen geladen wurde und eine Kugel von der Größe der schweren Rehposten schoß. Da ich den Schützen kannte, so hielt ich ihm mit der Hand ein Stück weißes Papier an die Zeltthüre, das er in der Mitte durchschoß, eine That, die den Pascha ungemein überraschte. Es war schon spät, als wir uns trennten und unsere Sandbetten einnahmen.

Morgens, als wir unsere Kameele beluden, hatten wir eine merkwürdige Scene mit einem Araber, der aus dem Lager zu uns kam und etwas in seinen Burnus gewickelt trug. Es war ein armes kleines Fohlen, das er vor uns hinlegte und dem Baron zum Kauf anbot, wobei er erzählte, die Stute, welche das Thierchen vor zwei Tagen geworfen, sei gefallen und er habe es gestern mit Kuhmilch erhalten. Da aber jetzt die Wüste komme, wo nichts dergleichen zu haben sei, so wolle er das Fohlen, das von sehr edlen Eltern abstamme, uns um zehn Piaster – ungefähr einen Gulden – verkaufen; unsere Stute sei im Stande, die beiden zu ernähren. Dieser Vorschlag war natürlich nicht annehmbar; doch dauerte uns das arme Thier, und wir versuchten, ihm einige Milch, die wir von der Stute nahmen, einzustoßen. Aber es war schon zu schwach, und als der Araber sah, daß wir den Kauf nicht eingehen wollten, sagte er, er schenke es uns, und lief eilends davon. Was sollten wir mit dem armen Geschöpf machen? Es mitnehmen, war unmöglich; wir hatten mit dem unserigen Sorge und Mühe genug; ließ man es liegen, so mußte es elend verschmachten oder wurde noch lebendig von den Schakals zerrissen. Nach kurzem Rath beschlossen wir, es schnell zu tödten, und unser Maler erschoß es mit zwei Schüssen aus seinem Doppelgewehr.

Schon um sieben Uhr war heute die Hitze fast unerträglich. Die Beduinen und Araber hatten, von der vielleicht richtigen Idee geleitet, daß, was die Kälte abhalte, auch die Hitze nicht durchlasse, sich bis über den Kopf in ihre Mäntel und Decken gehüllt und zogen schweigend dahin. Auch die Türken und Araber an der Spitze trieben heute nicht ihre Spiele, sondern ritten einzeln und schienen ernst gestimmt durch den Gedanken an die nahe Wüste, in deren eigentliches Gebiet wir noch heute gelangen sollten. Schon jetzt hatte alle Vegetation aufgehört, und der Sand war so tief, daß uns das Gehen, was wir den Tag über zuweilen versuchten, sehr beschwerlich wurde. Auch zog sich durch dieses schlimme Terrain und die große Hitze die Karawane sehr auseinander, und wenn man früher die Leute in Gruppen plaudernd und lachend zusammenreiten sah, so trennte sich heute Alles, und man ritt so einsam wie möglich. Jeder schien zu fürchten, dem Andern verpflichtet zu werden und ihm kleine Gefälligkeiten in den folgenden schweren Tagen mit Wucher zurückgeben zu müssen. Auch wir waren durch eine Nachricht, die uns heute Morgen der Obrist mitgetheilt hatte, ziemlich verstimmt. Die Reiterei, hieß es, werde wahrscheinlich auf dem heutigen Lagerplatz in der Nähe eines größern, aber armseligen Dorfes, El Arisch, drei Tage liegen bleiben, um die dort befindlichen, für den syrischen Krieg aufgehäuften Vorräthe aufzuzehren, weil sie der Pascha nicht nach Aegypten nehmen könne.

Von drei Uhr Nachmittags an hatten wir ein kleines Vorspiel der Wüste: rings um uns her war gelber, feiner Sand. Indessen wurden die Schrecken dieser Umgebung durch große grüne Palmenwälder gemildert, die sich am Horizont vor unsern Blicken erhoben. Wir erreichten sie um fünf Uhr und sahen, daß sie sich bis an's Meer erstreckten, dem wir heute noch einmal recht nahe kamen; der Strand war keine hundert Schritte von unserm Wege entfernt. Hinter diesem Palmenwald war wieder eine ziemliche Sandebene, in deren Mitte El Arisch lag, ein Haufen von etwa zweihundert Häusern, »gelb, wie der Sand, der sie umweht,« niedrig und schmutzig.

Wir waren mit etwa hundert Reitern dem Zuge vorangeeilt, unter ihnen der Tartar-Gassi, der uns winkte, ihm zu folgen. Im Angesicht des Dorfes ließ er seinem Pferde den Zügel und jagte dahin; wir folgten ihm. Es war ein prächtiger Anblick: der aufwallende Sand, die Beduinen mit ihren langen Lanzen und fliegenden Mänteln, die Araber mit den goldgestickten Uniformen und gelb- und rothseidenen Kopftüchern, Alles bunt durcheinander in vollem Galopp dem Dorfe zueilend. So muß ein Angriff der alten Mamelucken ausgesehen haben. Wir wußten nicht recht, was sie zu solcher Eile antrieb, denn wir waren der Karawane weit voraus. Hinter uns erstiegen die ersten Kameele in breiten Reihen die Sandhügel, und es war ein äußerst lebendiges Schauspiel, wie jeder einzelne Reiter, der zwischen ihnen auftauchte und uns so in vollem Jagen sah, ebenfalls sein Pferd ausgreifen ließ und uns zu erreichen suchte. Aber der Tartar-Gassi, ein umsichtiger Mann, war mit Baron T., der ihn im Augenblick überholt hatte, der erste im Dorf und bemächtigte sich gleich des Brunnens, den er mit Wachen umstellte, um seine und unsere Pferde zuerst tränken zu können. Dieses Wasser, in einem Schöpfbrunnen, dessen Rad durch ein Kameel gedreht wurde, war ziemlich gut, und die Pferde, nachdem sie ein wenig abgekühlt waren, erquickten sich sehr daran. Dann überließen wir den Brunnen den Nachfolgenden, die immer zahlreicher wurden und gingen vor's Dorf, wo eine einzelne Sycomore mitten im Sand stand, von großen und kleinen Aloen umgeben. Hier wollten wir die Karawane erwarten, und einstweilen versuchten wir mit den Arabern, die uns neugierig umstanden, einige Käufe abzuschließen. Dank unserer Gelehrsamkeit in der arabischen Sprache, machten wir ihnen ungefähr begreiflich, daß wir einen Hammel, Hühner, Eier etc. wünschten, und kamen nach vielen Pantomimen auch wirklich damit zu Stande. Sie brachten uns die verlangten Artikel, wofür sie unsinnige Preise verlangten und natürlich auch erhielten; denn bei einem so großen Markte, wie er sich heute und morgen hier eröffnen mußte, war an kein Feilschen zu denken.

Nachdem wir anderthalb Stunden gewartet, in welcher Zeit uns der ganze Troß mit Bequemlichkeit hätte einholen können, waren wohl viele einzelne Reiter, aber weder fremde noch unsere eigenen Kameele zur Stelle. Der Tartar-Gassi hatte sich von uns getrennt, um die Postetape in El Arisch zu besichtigen. Postetape in der Wüste mag sonderbar klingen, aber es ist so, und ich werde später darauf zurückkommen. Wir erstiegen eine kleine Höhe vor El Arisch, auf welcher der Friedhof lag, und sahen, daß die Karawane uns nicht folgte, sondern beschäftigt war, ihr Lager bei den oben erwähnten Palmen aufzuschlagen; ein sehr vernünftiger Gedanke, um dessen willen wir gern die halbe Stunde wieder zurückritten. Man war auf dem Platz, wie immer bei der Ankunft, in voller Thätigkeit, und Alles beschäftigte sich mit Abladen der Thiere und Aufschlagen der Zelte. Die Kavallerie bildete ein ungeheures Viereck, in dem sich der größte Theil des Trosses befand, uns eingerechnet. Einige waren bis vor El Arisch gezogen, um ganz in der Nähe des Orts besser Lebensmittel erhalten zu können.

Zum erstenmal war heute die Umgebung unseres Lagers wahrhaft malerisch. Nördlich erblickten wir zwischen zwei großen Sandhügeln, von denen einer mit einer halb zerfallenen Moschee und vielen umgestürzten Leichensteinen bedeckt war, das Meer; südlich und westlich umgaben uns die dichten Palmenwälder, östlich sahen wir gegen die Wüste. Sobald unser Zelt aufgeschlagen war, nahm ich das Gewehr, um einen kleinen Ausflug in die Umgegend zu machen. Ich erstieg die Moschee, die sich in der Nähe besser ausnahm, auf mich aber dennoch einen sehr traurigen Eindruck machte. Ich trat in das offen stehende Gebäude; vom Meer her strich ein frischer Luftzug durch die Halle und bewegte eine der kleinen hölzernen Lampen, die an Schnüren von der Decke hingen, knarrend hin und her. Ich lehnte lang an einem Pfeiler der Thür und sah über das Meer hin. Beim genauen Betrachten der umherliegenden Grabsteine fand ich einen, dessen ausgehauener Turban mir sagte, ein Muselmann ruhe darunter; aber auf der andern Seite des Steins war mit einem scharfen, schneidenden Instrument, vielleicht einem Säbel oder Dolche, ein Kreuz eingegraben. Einige Zeit stand ich und dachte nach, was diese beiden Symbole auf einem und demselben Grabe zu bedeuten hätten, bis mir endlich einfiel, ähnliche Gräber in Konstantinopel gesehen zu haben. Es waren Renegaten, die dort lagen, und als man sie unter dem Turban zur Ruhe gebracht, hatten ihre Angehörigen oder Freunde mit frommer Sorgfalt später ein Kreuz auf ihre Leichensteine gekritzelt. Es muß ein sonderbares Schauspiel am Tage der Auferstehung sein, wenn sich, durch die beiden Zeichen irre geführt, zwei Auferstehungsengel dem Grabe nähern und jeder mit dem Finger an die Seite klopft, wo sein Zeichen steht. In diesem Augenblick bewegte sich etwas hinter mir: ich wandte mich um, es war der polnische Obrist Husseyn Effendi, der, vielleicht meine Gedanken halb und halb errathend, mich mit einem sonderbaren Blick ansah. Ich suchte mit einem Scherz seinen Gedanken eine andere Wendung zu geben, und lief, ihn am Arme nehmend, den Sandhügel gegen das Meer hinab.

Wir gingen eine Zeit lang an demselben fort und ich las kleine Steinchen und Muscheln aus dem Sande, um sie zum Andenken mitzunehmen. Der Pole trug mein Gewehr und schoß nach einem großen Vogel, der sich aus den Palmen erhob. Die Tränkungsanstalten für Menschen und Vieh waren in diesem Wald eingerichtet; man hatte große Löcher in die Erde gegraben und mit Baumstämmen eingefaßt, um dem Verschütten vorzubeugen. Als ich mich den Palmen näherte, konnte ich mit Freiligrath sagen:

Hört ihr aus dem Palmendickicht
Das Gebrüll und das Gestampf?

Obgleich sich hier kein Löwe und kein Leopard um den Leichnam eines Weißen zankten, so stritten sich doch Beduinen und Araber mit viel lauterem Gebrüll um einige Tropfen Wasser. Es war mir stets lächerlich, dem Wortgemeng und Gezänke dieser Leute zuzuhören; beim geringsten Anlaß fuhren sie geifernd gegen einander, aber so erbost sie auch oft waren, zu Prügeln, wie bei uns, kam es sehr selten. Viel eher konnte einer seine Pistole oder den Yatagan vom Gürtel reißen und seinen Gegner plötzlich erschießen oder niederstechen.

Bei unsern Zelten hatte der Koch Giovanni unsern eingekauften Hammel abgezogen und in einer großen Kasserole über das Feuer gehängt, um das Fleisch abzukochen und es so besser mitnehmen zu können. Um ihn standen ein Dutzend Weiber und Kinder, welche sich die unbrauchbaren Abfälle erbettelten und freudig davontrugen. Wir beschlossen unser Tagewerk wie gewöhnlich, speisten etwas zu Nacht, rauchten unsere Pfeifen, und dabei wurde, wie der gute Baron sich ausdrückte, große Oper gehalten, das heißt, wir ergötzten uns an deutschen Liedern und Arien, die wir uns gegenseitig vortrugen. Doch war diese Unterhaltung heute Abend nicht recht lebhaft; die Bestätigung der Nachricht, daß die Reiterei drei Tage hier liegen bleiben werde, hatte uns verstimmt. Allein die Nacht deckte uns mit ihrem Schleier zu und wir schliefen ruhig. Am andern Morgen wurde mit Wally Bey Kriegsrath gehalten. Der Gedanke, für nichts und wieder nichts drei volle Tage zu verlieren, war uns sehr peinlich; zu unserer größten Freude eröffnete uns aber der Pascha, daß nur er mit dem größten Theil der Kavallerie liegen bleibe, daß aber der Tartar Gassi mit einigen hundert Reitern und dem ganzen übrigen Trosse schon morgen mit dem Frühesten wieder aufbrechen werde. So war uns demnach wieder geholfen und ein Rasttag kam den armen Pferden, besonders der Stute mit dem Fohlen, sehr zu statten. Den Tag über beschäftigten wir uns damit, vor Allem unsere Kleider aus verschiedenen Ursachen genau zu untersuchen, sowie auch unsere Waffen in den besten Stand zu setzen; denn wir hatten jetzt eine Strecke von drei Tagreisen zurück zu legen, auf der es die Beduinen meistens unternehmen, die Karawanen anzufallen. So hatten sie vor kaum vierzehn Tagen einen Trupp von achtzig Kameelen theils aus einander gesprengt, theils geplündert.

Der Aufbruch der Truppen, denen wir uns anschließen wollten, war auf vier Uhr bestimmt und der Sammelplatz das Dorf El Arisch. Es war noch Nacht, als wir unsere Zelte abbrachen und uns anschickten, den Lagerplatz der Reiterei zu verlassen. Vom Meere her pfiff ein scharfer Wind, gegen den ich mich nur durch meine dicke wollene Decke schützte, in welche ich mich wickelte, während ich, auf einem alten Sacke sitzend, dem Beladen der Kameele zusah. Mir war es diesen Morgen vorgekommen, als seien unsere Kameele nicht mehr alle beisammen; sonst lagen, wie schon gesagt, diese Thiere rings um unser Zelt, heute aber umgaben sie nur einen Theil desselben und ließen gegen El Arisch zu eine Lücke. Vielleicht daß unsere Kameeltreiber heute Morgen noch einige zur Tränke geführt hatten; doch war dies unwahrscheinlich, da sie es früher nie gethan. Ich theilte meine Besorgniß dem Kapitän E. mit; dieser übersah mit einem Blick die Kameele, schnallte darauf mit stillem Lächeln einen Riemen von seinem Sattel los, den er zu einem gewissen Zweck dort verwahrte, und entfernte sich. Nicht lange, so hörte ich die Stimme des Kapitäns mit einigen Sekter Besewenk's, was etwa so viel heißen will, als: »Geh zum Teufel, Schuft!« eigentlich aber unübersetzbar ist. Auch vernahm ich einen klatschenden Laut, wie wenn sein Riemen mit irgend einem andern Leder in Berührung gekommen wäre.

Ich sprang auf und fand den Engländer beschäftigt, mit seinem unerschütterlichen Gleichmuth einen unserer Kameeltreiber, es war Herr Akrabut, zu peitschen, wobei er immer rief: »Die Kameele, die Kameele!« Der Araber, ein ungemein starker Mensch mit Muskeln wie von Stahl, der den Engländer zermalmt hätte, wand sich schreiend unter den Streichen und überschüttete ihn mit einer Fluth uns unverständlicher Worte. Auf unser Befragen stellte es sich heraus, daß wirklich drei Kameele fehlten, und gerade zwei des Engländers. Er hatte den Kameeltreiber darnach gefragt, und da dieser zur Antwort gegeben, sie werden wahrscheinlich gestohlen sein oder sich verlaufen haben, so hatte er in der angegebenen Weise seinen Riemen gebraucht. Der Kameeltreiber mochte noch so oft betheuern, er wisse nichts von den Kameelen, die Hand des Kapitäns ruhte nicht, und wenn sich einer der andern Araber darein mischen wollte, so bekam dieser ebenfalls sein Theil zugemessen. Da wir wußten, daß der Kapitän schon manche Reise der Art gemacht, und er sich in allen Sachen sehr praktisch zeigte, so ließen wir ihn gewähren; denn wenn die Kameele wirklich gestohlen waren, so saßen wir in der allerunangenehmsten Klemme, indem es wohl nur durch die allergrößten Geldopfer gelungen wäre, vom Trosse andere zu bekommen. Der Lärm des eben geschilderten Trauerspiels hatte unterdessen die nächsten Soldaten herbeigezogen, diese wieder andere, und so waren wir bald von einem großen Kreise umgeben. Auch unser Bekannter, der dicke Obrist, durch den Lärm aus seiner Nachtruhe gestört, trat aus dem Zelt, und kaum hatte er gehört, um was es sich handle, so nahm er sein kurzes Pfeifenrohr, das ihn nie verließ, und fing an, den zweiten unserer Kameeltreiber, den Herrn Mahmud, durchzuhauen. Dieser war aber nicht so standhaft wie sein Kamerad; denn kaum hatte er einige Streiche empfangen, so fiel er auf seine Knie und rief, er wolle die Kameele wieder herbeischaffen, und nach Verlauf einer guten Viertelstunde brachten sie die Thiere wirklich herbei. Die Hallunken, in El Arisch zu Hause, hatten während der Nacht die drei Kameele dahin geführt und glaubten, unter dem Vorwand, sie seien gestohlen, von uns Geld zum Ankauf anderer zu erpressen. Doch, Dank dem Riemen des Kapitäns! wir erhielten sie wieder. Wir hatten aber durch das Intermezzo eine halbe Stunde verloren und mußten uns jetzt beeilen, um zur rechten Zeit nach El Arisch zu kommen. Dort standen schon die meisten Züge geordnet und erwarteten das Signal zum Aufbruch.

Noch war es ziemlich dunkel und kalt. Vor uns im Osten begann sich der Himmel etwas aufzuklären und ließ uns kaum erkennen, daß das Terrain aus lauter Sandhügeln bestehe. Wir gingen einem großartigen Schauspiel entgegen, der eigentlichen Wüste, und die Nacht als Vorhang, der sich langsam hob, ließ uns nicht plötzlich in jene einförmige Dekoration schauen. Nach und nach röthete sich der Himmel, und als wir die Hügel erstiegen hatten, die hinter El Arisch liegen, warf die Sonne ihren ersten Strahl über das Sandmeer, auf demselben einen glänzenden Streifen bildend, wie auf der See. Alles vor uns öde und still, kein Baum und kein Strauch, nicht die geringste Unterbrechung in der weißlich gelben Fläche, auf der ein feiner, staubartiger Sand lag, vom Nachtwind zu kleinen Wellen gekräuselt; kein betretener Pfad, der uns anzeigte, daß vor einigen Tagen eine große Menschenmasse denselben Weg gekommen war und gewiß für den Augenblick tiefe Spuren hinterlassen hatte. Der Wind weht jeden Fußtritt zu; hier ist der Mensch gar nichts mehr; die ungebändigte Natur läßt sich von ihm kein Merkzeichen aufdrücken.

Schon vor Aufgang der Sonne hatte uns der Wind einen unangenehmen süßlichen Geruch entgegen getragen, der sich verstärkte, als wir über El Arisch hinaus kamen, und die aufgehende Sonne Alles hell um uns beleuchtete, sahen wir mit Entsetzen, woher der unheimliche Duft rührte; die Leichen der Menschen und Thiere, die von den frühern Kolonnen zurückgeblieben waren, verpesteten rings die Luft. Der erste Todte, den ich sah und vor dem ich mich sehr entsetzte, war ein Neger, der mit zusammengezogenen Gliedmaßen im Wege lag. Doch bald gewöhnten wir uns an diesen Anblick; denn ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß wir von El Arisch an, die drei folgenden Tage hindurch, alle vierzig bis sechzig Schritte die Leiche eines Menschen oder eines Thieres fanden, oft sogar von solchen, die am Morgen mit uns ausgezogen. Ich habe nie eine gräßlichere Gleichgültigkeit gegen den Tod gesehen, als bei diesem Volk. Waren sie durch Wunden oder Ermattung genöthigt, zurückzubleiben und verloren die Karawane aus dem Gesicht, so ergaben sie sich in ihr Schicksal, legten sich ruhig hin, mit dem Gesicht nach der Seite, wo sie glaubten, daß Mekka liege, wickelten sich in ihren Mantel und erwarteten so den Tod, der dann, aber meist erst nach qualvollen Stunden, in Gestalt des Hungers, der Hitze oder des Erstickens durch den Sand, ihren Leiden ein Ende machte. Was in unsern Kräften stand, dergleichen fürchterliche Scenen zu verhüten, haben wir redlich gethan und nicht immer Dank dafür geerntet. Nicht selten entgegnete uns der Unglückliche, den wir durch Brod und Wasser gestärkt hatten: »Warum hast du das an mir gethan? Ich hatte mich in mein Schicksal ergeben, und morgen werde ich alle Qualen von Neuem durchmachen müssen.«

Der Tatar-Gassi hatte am Morgen Rath gehalten und alle Reiter gebeten, die Karawane, die sich noch immer über eine Stunde ausdehnte, so oft als möglich zu durchkreuzen und Alles, was zurückblieb, anzutreiben. So hatte ich zuweilen mein Augenmerk auf die Frau gehabt, die ihre beiden Kinder rechts und links in Körben an ihrem Esel hängen hatte und selbst den Rücken des Thieres einnahm. Ich hatte ihr dann und wann Orangen und Brod mitgetheilt, was sie im Anfang gar nicht nehmen wollte, indem sie Gott weiß welche Absicht darunter erblickte. Im Verlauf des heutigen Tages hatte ich sie einigemal, aber in den letzten Reihen bemerkt, und der unsichere, langsame Schritt des armen Esels, wie das bleiche, krankhafte Aussehen der Kinder weissagte mir nichts Gutes. Das Weib ging heute zu Fuß nebenher und theilte den beiden Kindern dann und wann eine Feige mit, nach welcher sie aber in allen Ecken ihrer Kleider herumsuchen mußte.

Wäre dieses Jammerbild das einzige im Zug gewesen, so hätte man öfter nach den Armen sehen können; indessen fing schon heute das Elend an ausschweifend zu werden. Es war der fünfte Tag des Marsches, so daß die nicht sehr große Provision des ärmern Volks fast, ganz aufgezehrt war. Auch war das Wasser gestern sehr salzig und kraftlos gewesen und hatte sogar uns, die wir es doch mit Essig oder Kaffee vermischen konnten, in eine gewisse Abspannung versetzt, die erst heute bei der großen Hitze recht fühlbar wurde. Keine Hand breit Schatten war auf dem ganzen Weg und die Thiere versanken über einen halben Fuß tief im Sand. Wir theilten von unsern Vorräthen rechts und links so viel aus, als wir entbehren konnten; es war aber eigen, daß sie uns nie um etwas ansprachen; eine Pfeife Tabak war das einzige, wornach sie ihre Hände ausstreckten. Neben diesen Scenen des stillen Elends sah man auch welche von empörender Rohheit. Solche Ausbrüche unnatürlicher Wuth mochten freilich dem allgemeinen Elend zuzuschreiben sein, das die Leute sowohl moralisch als physisch entkräftete. So ritt ich zuweilen an einem Kerl vorbei, der auf einem alten Pferde saß und eine Frau hinter sich hatte. Rauchte dieser Mensch, so war er ruhig, das heißt, er blickte nur mit seinem verzogenen, grimmigen Gesicht boshaft lächelnd die Frau an; hatte er aber die Pfeife nicht im Mund, so beschäftigte er sich damit, die Frau mit seinem Kantschuh so lange zu schlagen, bis sie herunter sprang, worauf er ihr aber sogleich wieder befahl, aufzusteigen.

Ein anderer Vorfall, der trotz seiner Schändlichkeit etwas Komisches hatte, war folgender. Ein Infanterist besaß einen Maulesel, der in Folge des mehrtägigen Fastens in ziemlich erbärmlicher Verfassung war, und auf welchem das Weib des Soldaten ritt. Das Thier konnte sich mit seiner Last kaum mehr fortbewegen, weßhalb der Aegypter seine Gemahlin in ruhigem Tone ersuchte, abzusteigen und wenigstens ein paar Stunden zu Fuß zu gehen, weil, wenn das Thier, wie vorauszusehen, falle, sie den ganzen Weg marschiren müßte. Sie gab aber diesen vernünftigen Ermahnungen kein Gehör, sondern blieb ruhig sitzen. Jetzt nahm der Mann seinen Stock und versetzte ihr einen derben Hieb; sie aber sprang flugs zu Boden, fiel über ihren Herrn und Gebieter her und schlug ihn weidlich durch, ohne daß der Aermste im Stande war, sich ihrer zu wehren. Als endlich ihr Müthchen gekühlt war und sie erschöpft zur Seite trat, sagte der Soldat ganz ruhig: »Sieh, du hast mich jetzt geprügelt, weil du weißt, daß ich seit einigen Tagen fast nichts gegessen und deßhalb keine Kraft habe; aber laß mich nach Kairo kommen, wo ich Reis und Brod genug bekomme, so will ich dir all diese Hiebe zehnfach wieder geben; das schwör' ich dir bei Allah und seinem Propheten!« Und wenn ihn nicht in der Wüste der Tod überrascht hat, so wird er, wie ich die Araber kenne, redlich sein Wort gehalten haben. Ich fürchte aber, er wird sich erst im Paradies an ihr rächen können; denn so oft ich mich auch an dem folgenden Tag nach ihm umsah, ich habe ihn nicht wieder zu Gesicht bekommen.

Wie wir oft Hülfe bringend einschritten, so traten wir zuweilen auch als Rächer und Vergelter auf. Als der Baron und ich einmal etwas hinter dem Zug zurückblieben, hörten wir aus einem Gebüsch heftiges Zanken und Geschrei. Wir ritten hinzu und sahen, wie eben ein Negerjunge, der das Pferd einer alten, lahmen Frau führte, diese herunterwarf und im Begriff war, sich selbst aufzuschwingen. Wir verhalfen der Frau wieder zu ihrem Pferd, und ich konnte mich nicht enthalten, den Jungen derb abzuprügeln. Neben der Gefahr, daß die Zurückbleibenden die Kolonne nicht wieder erreichen konnten und im Sand umkamen, waren es auch die Beduinen der Wüste, die, uns wie Raubthiere umschwärmend, jedem Nachzügler gefährlich wurden. Wo sich diese Menschen aufhalten, und wo sie für sich und ihre magern Pferde Unterhalt finden, ist mir unerklärlich. Rings konnten unsere Augen auf der Fläche und hinter den niedrigen Sandhügeln nichts entdecken; häufig aber sah man hinten am Zug plötzlich rechts und links Sand auffliegen, hörte einige Schüsse fallen, ein wüthendes Geschrei, und wenige Augenblicke darauf waren die fabelhaften Reiter der Wüste so rasch wieder verschwunden, wie sie gekommen waren, hier einen Sack entführend, dort ein Pferd mitreißend, dessen Reiter sie herunter geschossen oder geworfen hatten. Ich werde den Anblick nie vergessen, wo sie auf den kleinen Pferden dahin flogen, den Säbel zwischen den Zähnen, und im raschen Laufe sich rückwärts wendend, noch einmal aus dem langen Gewehr feuerten. Gar gern wären wir einmal mit ihnen in's Handgemenge gekommen. Davon war indessen keine Rede; sowie man die Pferde gegen sie wandte oder das Gewehr auf sie anlegte, stoben sie auseinander, wie Spreu vor dem Winde. Heute hatten wir aber doch einen kleinen Auftritt der Art.

Es mochte ungefähr drei Uhr sein, als ich mich in der Mitte des Zugs befand und sah, daß die Reiter an der Spitze und auf den Seiten plötzlich in Bewegung kamen und einige zwanzig links ins Feld hineinjagten. Ich lenkte mein Thier ebenfalls dahin und galoppirte ihnen nach. Man hatte hinter einigen hohen Hügeln ein paar Beduinen gesehen, welche ein Kameel führten. Trotz allen Zeichen, womit man ihnen bedeutete, näher zu kommen, hatten sie versucht, sich auf der entgegengesetzten Seite davon zu machen, weßhalb unsere Reiter Jagd auf sie machten. Auch die Beduinen, welche ebenfalls beritten waren, säumten nicht, ließen das Kameel zurück, welches ihnen mit seinen langsamen Schritten auf der Flucht hinderlich war, und stoben davon. Unsere Reiter, darunter auch ich, breiteten sich auf der Fläche aus; man versuchte, jenen den Paß abzuschneiden, und der erste, der ihnen nahe kam, war der Baron. Bald überholte er die Beduinen und hielt sie mit einer Schwenkung einen Augenblick auf, wodurch die nachfolgenden Reiter Zeit bekamen, sich über sie her zu werfen, sie von den Pferden zu reißen und zu binden. Das unterdeß eingefangene Kameel hatte man schon als eines von denen erkannt, die vor wenigen Tagen von den Beduinen geraubt worden. Die beiden Wüstenbanditen nahm man zwischen die Pferde und schleppte sie mit fort.

Unser heutiger Marsch war der stärkste, den wir bis jetzt gemacht. Schon war es vier Uhr und wir sollten noch eine starke Stunde von unserm Lagerplatz entfernt sein. Die Karawane hatte sich gewaltig auseinander gezogen, und nachdem unsere Menschenjagd vorbei war, ließ der Tartar-Gassi die Spitze halten, damit sich die Züge wieder sammeln könnten. Doch geschah dies heute sehr langsam, und allen Thieren war große Ermüdung durch die Hitze und den tiefen Sand anzusehen. Bei diesen Wüstenreisen ist das noch die einzige Annehmlichkeit, daß der Sand, wenn nicht gerade der Samum oder der heiße Wind weht, keinen Staub gibt, was die Qual des Durstes vielfach vermehren müßte. Wir hielten an einem Hügel und sahen die Karawane langsam vorbeiziehen; ein jämmerlicher Anblick: lauter gebeugte, schwankende Gestalten, Thiere, die sich kaum auf den Beinen halten konnten, und wenn man bemerkte, wie viele der Kameele und Pferde seit gestern schon gefallen waren, mußte dies mit Schreck für die folgenden Tage erfüllen. Gar manche, die gestern noch ritten und sich mit ihrem Gepäck geborgen glaubten, gingen heute im tiefen Sand, auf's Unsinnigste bepackt.

Es dauerte eine gute Stunde, ehe sich die ganze Karawane wieder gesammelt hatte. Da, siel mir plötzlich ein, daß ich die Frau mit dem kleinen Esel, von der ich oben sprach, nicht gesehen habe; auch der Baron hatte sie vergebens unter den langsam Ankommenden gesucht. Wir ritten einigemal so rasch wie möglich in den Reihen herum; sie war aber nirgends zu finden, und so wandten wir unsere Thiere, um eine Strecke zurückzureiten; es konnte ja der Unglücklichen erst kürzlich etwas zugestoßen sein – vor einer halben Stunde hatte man sie noch gesehen. Und so war es auch. Einige hundert Schritte hinter dem Zug fanden wir sie in einer schrecklichen Lage. Ihr Esel war gefallen und sie konnte sich nicht mehr aufrichten. Da hatte sie denn mit stiller Resignation ihre beiden Kinder aus den Körben genommen, ihnen die Schleier um die Köpfchen gewickelt und sie nebeneinander in den Sand gelegt. Sie selbst machte im Augenblick, wo wir ankamen, mit der größten Ruhe Anstalten, die uns darauf zu deuten schienen, daß auch sie sich darein ergeben habe, den glühenden Sand als ihr Todesbette zu betrachten. Sie hatte ihn etwas zusammengescharrt, um ihr Haupt darauf zu legen, und sich mit einem Tuch Mund und Nase fest verbunden. Anfangs gab sie unserem Zureden, sich zu erheben, nicht nach, bald aber ermunterte sie sich, als sie sah, mit welcher Begierde ihre beiden Kinder das Brod und die Früchte verschlangen, welche wir ihnen gaben. Wir legten die beiden Körbe, nachdem sie die Kleinen wieder hineingesteckt hatte, auf das Pferd des Barons; sie selbst setzte sich auf meinen Esel, und wir trieben, mit gespannten Pistolen hinterhergehend und nach allen Seiten scharf spähend, die beiden Thiere zu raschem Schritte an. Schon hatten wir die Karawane beinahe wieder erreicht, als einige zwanzig Reiter uns entgegensprengten, die der umsichtige Tartar-Gassi, der uns vermißt hatte, nach uns ausschickte. Wir stellten ihm die Geretteten vor, und aus Achtung für den Baron gab er eines der Kameele Ibrahim Pascha's her, auf welches die Familie geladen wurde. Sie hat auch, wie wir später hörten, Kairo glücklich erreicht.

Gegen sechs Uhr langten wir mit der Spitze auf unserm heutigen Lagerplatz an; ein kleines Thal ohne Baum und Strauch, ringsum, so weit das Auge reichte, nichts wie Sand, und über demselben der dunkelblaue Himmel. Schon früher schien dieser Platz zum Lager gedient zu haben, denn es lagen da noch mehrere gefallene Thiere, und die kleinen Anhöhen rings herum waren mit Leichen aller Art bedeckt, die man wahrscheinlich aus dem Lager dorthin geschleppt hatte. Auch fanden wir noch einige Stellen, wo Feuer gewesen war, und im Sand eine unangenehme Hinterlassenschaft unserer Vorgänger, eine ungeheure Masse kleiner Flöhe, die später hervorkamen, und uns die Nacht über entsetzlich plagten. Ueberhaupt weiß ich mich keines unangenehmeren Lagerplatzes zu erinnern als des heutigen. Der Geruch der faulen Leichen rings herum, das Schreien der Schakals, als es Abend wurde, die unendliche Oede in der ganzen Natur, das stille passive Benehmen unserer Leidensgefährten, alles dies beengte mir die Brust, und zum erstenmal stieg in mir der Gedanke recht lebendig auf, es müsse doch entsetzlich sein, hier in dieser unendlichen Leere sein Grab zu finden, ein Grab, das nie ein Freundesherz besuchen, nie eine liebende Hand schmücken kann.

Wir schlugen unser Zelt neben dem des Tartar-Gassi auf, und bald loderte vor demselben ein mächtiges Feuer, woran unsere Kochkünstler das Abendessen zubereiteten. Wir brachten nach dem Abendessen früher als gewöhnlich unsere Lagerstätte in Ordnung; denn uns Alle hatte der erste Tagmarsch in der eigentlichen Wüste an Geist und Körper gelähmt. Ich wickelte mich in meine Decke und versuchte zu schlafen, was mir sonst nach den ersten Minuten gelang. Nicht so heute; ich warf mich herum und konnte nicht zur Ruhe kommen. Von draußen herein spielte durch unsere Zeltthür der rothe Schein des Feuers, das einer der Kameeltreiber unterhielt, während die andern, unter ihre Pelze zusammengekauert, schliefen. Auch hatte mich nie so sehr wie heute das heisere Gebell der Schakals gestört, die um unser Lager ihre Abendmahlzeit hielten. Ich konnte nicht schlafen und nahm meinen Mantel und Säbel, sowie das Buch meines lieben Freiligrath, das ich stets im Nachtsacke mit mir führte, und trat vor's Zelt. Da lag das Lager ruhig vor mir und der mitleidige Schlaf hatte fast alle die armen Menschen mit seinem wohlthätigen Schleier bedeckt und sie hinweggeführt aus dieser Einöde in ihre Heimath, in das Delta, unter die frischen grünen Palmen am Nil. An den Feuern umher saßen einzelne Gestalten, das Gewehr auf den Knieen, und schauten stieren Auges in die Flammen. Doch nur gegen die Mitte des Lagers waren Feuer angemacht, an den äußern Enden, wo die Aermeren ruhten, war es finster und still; da schien sich nichts zu regen, und noch weiter hinaus wurde es noch ruhiger, denn da fing das Reich der Todten an.

Dicht vor unserer Zeltthür war eine Gruppe, bei der ich lange sinnend verweilte. Unsere Kameeltreiber hatten ihre Thiere um das große Feuer sich lagern lassen, und die guten Geschöpfe ruhten wiederkäuend im Kreise; ein eigener Anblick: die Flamme bestrahlte die Köpfe der Thiere und ihre großen glänzenden Augen, mit denen sie wie nachdenkend in das Feuer sahen. Zu ihren Vorderfüßen, deren einer, um sie zu fesseln, mit einem Strick in die Höhe gebunden wird, lagen ihre Herren, und der, welcher das Feuer zu unterhalten hatte, lehnte sich an den Hals seines Thiers. In größerem Kreis um unsere Zelte lagen die Reiter, die dem Zug folgten, ägyptische Offiziere, Beduinen und Araber, mit dem Kopf auf dem Sattel, das Gewehr zur Seite, den Mantel über sich gezogen.

Ich setzte mich an's Feuer zu den Kameelen, und während ich dem Treiber die Flamme unterhalten half, horchte ich in die Wüste, wo sich zwischen dem Gebell der Schakals zuweilen der heisere Schrei eines Raubvogels vernehmen ließ. Ich dachte an Freiligrath. Wie wahr steht in seinen Gedichten die Scene, die ich hier vor meinen Augen sah! Seine Malereien fand ich meistens treu bis in's kleinste Detail. Ich schlug mir sein »Gesicht des Reisenden« auf und las:

Mitten in der Wüste war es, wo wir Nachts am Boden ruhten;
Meine Beduinen schliefen bei den abgezäumten Stuten.
In der Ferne lag das Mondlicht auf der Nilgebirge Jochen;
Rings im Flugsand umgekomm'ner Dromedare weiße Knochen.

Schlaflos lag ich; statt des Pfühles diente mir mein leichter Sattel,
Dem ich unterschob den Beutel mit der dürren Frucht der Dattel.
Meinen Kaftan ausgebreitet hatt' ich über Brust und Füße;
Neben mir mein bloßer Säbel, mein Gewehr und meine Spieße.

Tiefe Stille; nur zuweilen knistert das gesunk'ne Feuer;
Nur zuweilen kreischt verspätet ein vom Horst verirrter Geier;
Nur zuweilen stampft im Schlafe ein's der angebundenen Rosse;
Nur zuweilen fährt ein Reiter träumend nach dem Wurfgeschosse.

Ja, genau so war es, alter Freund, und du bist wahrscheinlich früher schon einmal auf dieser Erde gewesen und hast als Beduine die Wüste durchzogen; da hat vielleicht der heiße Sand, der dich bedeckte, deine Gedanken mumienartig eingetrocknet, und wie du von Neuem auf die Welt kamst, sind sie frisch und lebenskräftig wieder in dir aufgetaucht. Ja, über uns stand am dunkeln Himmel der Mond und rang mit den Wachtfeuern um die Herrschaft über unser Lager. Schwach vertheidigten sich die letzteren gegen jenen gewaltigen Herrscher, der uns rings umzingelte und dem auch ich nicht verwehren konnte, daß er mich mit demselben weißen Leichentuch überzog, worunter rings auf den Höhen die Todten schliefen. Die röthlichen Flammen der Feuer spielten zuweilen schwach gegen die weißen Zeltwände und zitterten über die ruhenden Menschen hin, kurz und heftig, als wollten sie Schutz und Hülfe suchen gegen den bleichen Schein. – Er ruht auf der Nilgebirge Jochen, und wenn ich wahrscheinlich wieder lange im schönen Deutschland bin, in einer hellen Nacht, so scheint er wieder auf diese Fläche und beleuchtet nicht mehr wie heute starre, verzerrte Todtengesichter, aber – weiße Knochen.

Am andern Morgen brachen wir um fünf Uhr auf und hatten dasselbe trostlose Terrain wie gestern, doch kam es mir heute viel weniger unheimlich vor, es begann in meiner Brust bereits ein Gefühl aufzugehen, das mich in den letzten Tagen der Wüstenreise ganz beherrschte, und nachdem es mich in Kairo unter dem Gewühle der Menschen verlassen, mich stets wieder beschlich, so oft ich von einem Thurm oder den Wällen der Stadt in die Wüste hinaussah. Es war das Gefühl der Freiheit, der Unabhängigkeit. In unsern eng umstellten Verhältnissen, bei unsern tausend Bedürfnissen, wo wir, wird nur ein einziges nicht befriedigt, gleich unsere Schritte gehemmt fühlen, lernen wir leider die Unbedeutenheit des einzelnen Menschen, seine Hülflosigkeit nur zu gut kennen; wir gewöhnen uns, den Menschen nur als Rad einer großen Maschine, und noch dazu als leicht ersetzliches zu betrachten. Wie anders fühlt man in der Wüste, trotz dem, daß hier die Umgebungen so kolossal, so unermeßlich sind, und man glauben könnte, diese leeren, weiten Strecken beengen die Brust und zeigen uns, wie klein, wie so gar nichts wir seien. Dies ist nicht der Fall. Wir Europäer freilich, die wir von Bedürfnissen so viel zusammengerafft hatten, als wir bekommen konnten, vermöchten uns nicht so trotzig hinzustellen und zu sagen: ich bin mir allein genug, ich brauche euch nicht. Aber wie frei muß dem Araber das Herz schlagen, wenn er aus den engen, dumpfigen Stuben wieder hinauskommt in die Wüste, wo er allein steht, sich selbst genug, wo er sich selbst beschützt und allein für sich sorgt. Bei diesen wilden, aber freien Menschen ist keine Rede vom Kleben an der Scholle, ein Ausdruck, der mich immer beengt hat. Kameeltreiber zu sein, ist nach unsern Begriffen gewiß kein beneidenswerthes Loos; aber man biete jenen Menschen Alles, ein viel reicheres und besseres Leben, und stelle ihnen dabei die Bedingung, den Sand zu verlassen und ihre Hütte am Wasser des Nils unter Palmen aufzuschlagen: nur wenige werden ihrem Stande untreu werden. Die Ausdauer dieser Leute, ihre Munterkeit bei den größten Anstrengungen ist bewundernswürdig; wenn alle Thiere im Laufe des Tages ermatteten, so trieben diese Menschen, die doch ebenso gut den Weg machten, von Morgens bis Abends Possen, oder sie sangen, und unser Akrabut wußte, wie unser Dolmetscher sagte, sehr hübsche Märchen zu erzählen, und nicht immer aus tausend und einer Nacht oder einem andern Buche, sondern er war Poet und erfand die meisten selbst. Diese Leute, welche ihr ganzes Leben durch die Wüste ziehen, erhalten durch dieselbe von außen wenig Eindrücke und wenig Bildung, sie sind fast ganz auf ihr Inneres angewiesen. So mag es leicht kommen, daß, wenn sie in brennender Sonnenhitze den ganzen Tag gleichmäßig neben ihren Kameelen hergehen, sie sich vor Allem die Lust eines Trunkes klaren Wassers ausmalen, dazu einen schönen Springbrunnen denken, wie sie ihn irgendwo gesehen, ihn mit Orangen umgeben, und der Hintergrund eines Märchens ist fertig. Der Träumende tritt zum Brunnen, und nachdem er den brennenden Durst gelöscht, wachen im Unersättlichen tausend neue Wünsche auf: zwischen den Bäumen ein schönes Weib, dessen Besitz ihm der Zauberer oder Drache streitig macht. Welche große Rolle überhaupt die Kameeltreiber in der morgenländischen Geschichte und den Erzählungen, besonders in tausend und einer Nacht spielen, weiß jeder. So lange die Welt steht, wird man von Mohamed, dem Kameeltreiber von Medina, sprechen, und es mag wohl sein, daß die kluge erzählende Sultanin im heißen Sand der Wüste empfangen und geboren wurde.

Auf dem ganzen bisherigen Zuge schien mir der gestrige Tag der am meisten entmuthigende gewesen zu sein; vielleicht als der erste der Wüste war er von Allen als Schwelle zu den übrigen mit Schauder und Schreck betreten worden, und sie fingen heute wieder an, freier aufzuathmen, und nahmen sich die Schrecknisse, die sie in den frühern Tagen noch vor sich gesehen, jetzt, wo sie mitten darin waren, nicht mehr so zu Herzen. Dazu kam die tröstliche Betrachtung, daß wir die Höhe des Berges erstiegen hatten und nun abwärts gingen. Die Hälfte des Weges war zurückgelegt, ja mehr als die Hälfte, da wir nach zwei Tagen hoffen konnten, die äußere Grenze des Delta zu erreichen, und wenn auch Sandweg, doch zur Seite Gras und Palmen zu haben.

Von unbeschreiblicher Ausdauer war mein Maulthier, mit dem ich in diesen Tagen den Weg oft doppelt und dreifach gemacht habe. Bald war ich vorn, bald hinten im Zuge, um mir von den ernsten und komischen Auftritten so viel einzuprägen, als nur möglich. Könnte es mir doch gelingen, wenn auch mit wenigen Strichen, die verschiedenen Gruppen und einzelnen Figuren zu zeichnen, die mir auffielen, wenn ich, vorn haltend, die Karawane an mir vorbeiziehen ließ! Jedes Thier bietet ein neues, interessantes Bild. Die Kameele, die in ihrem ruhigen, gemessenen Gange eher Maschinen als lebenden Wesen zu vergleichen sind, erhalten ihre Reiter in beständiger Bewegung. Obgleich der Araber ungemeine Fertigkeit besitzt, durch die verschiedenartigsten Lagen und Stellungen dem unangenehmen Stoße dieser Thiere auszuweichen, so wackelt ihm doch fortwährend der Kopf auf dem Halse, und die Kameeltreiber sehen deßhalb mit ihren ernsten Gesichtern chinesischen Pagoden nicht unähnlich. Bald reiten die Leute auf dem Höcker, bald legen sie sich der Länge nach auf das Gepäck, und oft sitzen sie Stunden lang hinter dem Packsattel auf den untergeschlagenen Beinen. Die Kameele gingen meistens in einzelnen Zügen von zwanzig bis dreißig Stücken, eines hinter das andere gebunden, und eine solche Truppe wurde etwa von zehn Treibern begleitet, die sich längs der Reihe vertheilten und die Thiere antrieben; denn obgleich sie im Allgemeinen von selbst ihren ruhigen Gang einhalten, so gibt es doch auch unter ihnen widerspenstige und faule.

Das Kameel ist mir immer als eines der sonderbarsten Geschöpfe erschienen: die seltsame Figur, der große Kopf mit der hängenden Oberlippe und den Katzenohren, der ganze Körper wolligt, wie der eines Schafes, was man jedoch nicht oft sieht, weil meist der ganze Körper geschoren ist und man nur am Höcker und an beiden Seiten, die der Packsattel bedeckt, die Wolle stehen läßt. Ein altes Märchen erzählt von der Schöpfung des Kameels: das Pferd habe sich einst gegen den Schöpfer beschwert, es sei zum ewigen Lasttragen verdammt, zu welchem Zweck ihm der Mensch einen Sattel auflege, der ihm den geraden Rücken krumm drücke und die Haut schinde; es müßte doch weit klüger sein, wenn ihm gleich der Sattel gewachsen wäre. Darauf habe Gott das Kameel mit dem Sattel oder vielmehr Buckel erschaffen, um dem Pferd zu zeigen, wie unrechtmäßig es geklagt habe, und wie sehr der gewünschte natürliche Sattel es entstellen würde. – Es ist merkwürdig, wie genau jedes Kameel die Last weiß, die es zu tragen vermag. Dieselbe ist in den heißern Strichen vier- bis fünfhundert Pfund, in den kälteren sechs- bis siebenhundert. Keines läßt sich über sein Maß beladen. Hat es dieses, so versucht es aufzustehen; bepackt man es noch weiter, so stößt es ein eigenthümliches Geheul des Unwillens aus, das sich bis zu einem gewissen Grad verstärkt, und hört man noch nicht auf, es immer mehr zu beladen, wieder abnimmt; wenn das Thier endlich ganz schweigt, schweigt es für immer. Es bleibt am Boden liegen, und weder durch Stockschläge noch durch Zureden ist es zu vermögen, sich aufzurichten; nimmt man auch einem auf diese Art mißhandelten Thiere seine ganze Last wieder ab, es erhebt sich nicht wieder; weder Hunger noch Durst bringen es von der Stelle; es erwartet ruhig den Tod.

Wir sahen heute ein Beispiel der Art. Der Unfall begegnete den drei ägyptischen Damen, von denen ich schon früher sprach. Ihr Thier hatte an den ziemlich korpulenten Wesen mit ihrem Bettwerk und Gepäck schon genug zu tragen und schien ermüdet. Heute nun mochte dem Eunuchen, der den Harem begleitete, das Gehen zu sauer werden; er schwang sich auf den Hals des Thiers; dieses erhob hierüber ein gewaltiges Geheul und legte sich nach wenigen Schritten zu Boden. Der Eunuch sprang ab und fing unter dem Zettergeschrei der Damen an, das Thier zu prügeln; es blieb aber ruhig liegen. Sich lange aufzuhalten und hinter dem Zuge zurückzubleiben, schien den Damen nicht räthlich; sie wären ein artiger Fang der herumschweifenden Beduinen geworden. Also stiegen sie ab, um das ermattete Thier eine Weile erleichtert laufen zu lassen. Es blieb aber liegen, und selbst als man Bettwerk und Kisten herunterwarf, war es nicht zum Aufstehen zu bringen. Man mußte es zurücklassen, und es wäre den drei fetten Grazien wahrlich schlecht gegangen, hätte sich nicht der englische Kapitän ihrer angenommen und ihnen durch den Tatar-Gassi ein anderes Kameel verschafft. Indessen waren sie genöthigt, eine Zeit lang zu Fuß zu gehen, was sie sehr zu beugen schien, und auch bei ihrer Tracht – den weiten seidenen Beinkleidern und goldgestickten Jäckchen – die nur zum Liegen auf dem Divan bestimmt ist, sonderbar genug aussah. Das größte Lob unter den Thieren der Karawane verdient unzweifelhaft der weit geduldigere Esel, ein Thier, das bei uns durch die ewigen Vorwürfe der Faulheit und Dummheit schwer verläumdet wird. Kein Thier trägt im Verhältniß seiner Größe so viel und unermüdlich wie der Esel. Bei unserm Zuge waren welche grausam bepackt, und sie gingen doch mit kleinen, aber emsigen Schritten vorwärts, bis sie unter ihrer Last zusammenbrachen, was bei einer großen Masse dieser armen Thiere der Fall war. Pferde von besonders edler Race befanden sich, außer den unserigen, im Zuge gar nicht: dauerhafte, starke, sogar schöne Pferde genug, doch keine ohne in die Augen springende Mängel und Fehler. Dagegen gab es unter den Reitern ausgezeichnet schöne Gestalten. So erinnere ich mich dreier Drusen – es waren Brüder – die in ihrem malerischen Costüm ein herrliches Bild gaben. Sie trugen weite, rothe, goldgestickte Beinkleider, einen farbigen seidenen Gürtel und eine blaue gestickte Jacke mit aufgeschlitzten Aermeln, die über die Schultern fielen, auf dem Kopf den weißen Turban, und waren sehr gut mit reichgeschmückten Waffen, Säbeln, langhalsigen Pistolen und langen Flinten versehen. Ihre schönen Physiognomien waren, bei vieler Gutmüthigkeit, doch trotzig und wild. Ihre Pferde, obgleich sehr schlank und mager, waren äußerst schnell und ausdauernd, und wurden von ihnen mit erstaunlicher Gewandtheit geführt. Bei den Spielen, welche die Reiter beim Beginn des Zuges trieben, zeichneten die drei sich immer aus, besonders bei einem, wo der Reiter eine große Araberlanze in die rechte Hand nimmt, das Pferd im Carriere reitet und dabei diese Waffe über dem Kopf nach allen Seiten wie eine Feder schwenkt, auf einmal die Spitze in den Sand stößt und sein Pferd um diesen Drehpunkt mit unglaublicher Geschicklichkeit bald auf die rechte, bald auf die linke Seite wendet, je nachdem er die Lanze links oder rechts in den Sand stößt.

Daß es tolle, leicht erregbare Menschen waten, hätte unser Malei beinahe zu seinem Unglück erfahren. Einer derselben näherte sich ihm und bat um eine der Perkussionspistolen, die F. im Gürtel hatte. Er reichte sie ihm bereitwillig; sie war nicht geladen. Der junge Druse betrachtete sie mit großer Aufmerksamkeit und Neugierde, untersuchte hauptsächlich den Hahn, und als er weder Stein noch Pfanne fand, bat er durch Zeichen, man möchte ihm die Manipulation des Abfeuerns zeigen. F. setzte eine Kapsel auf die Batterie, ohne sie, wie er sonst that, fest hineinzudrücken; denn die Zündhütchen waren etwas zu klein für die Pistole, und oft konnte man den Hahn drei-, viermal niederschlagen lassen, ehe es losging. So ging es auch dem Drusen; er drückte ab, und da kein Feuer erfolgte, gab er die Waffe kopfschüttelnd zurück. F. spannte jetzt nochmals, und da das Zündhütchen durch den Schlag des Hahns gehörig eingedrückt war, erfolgte die Explosion. Auf dem Gesichte des Drusen wurde ein leichter Verdruß sichtbar; er glaubte wohl, Gott weiß welche Zauberei stecke hinter dem Schloß, daß es ihm versage, oder wir Franken können allein abdrücken und halten ihn zum Besten. Doch bat er nochmals um die Pistole, und als F., wahrscheinlich um ihn zu necken, das Zündhütchen wieder nur leicht aufsetzte, wodurch es, als der Druse losdrückte, nochmals versagte, und F. es nun selbst wieder mit lächelnder Miene abbrannte, riß dem jungen Türken plötzlich die Geduld, seine Züge drückten Zorn und Verachtung aus, er warf sein Pferd zurück, riß seine Pistole aus dem Gürtel, legte auf den Maler an, und es wäre sicher ein Unglück geschehen, wenn nicht ein alter, langbärtiger Beduine mit einem äußerst schlauen Gesicht, der neben mir ritt und wahrscheinlich den Zusammenhang kannte – denn er hatte beim vergeblichen Bemühen des Drusen höhnisch gelächelt – mit einem gewaltigen Sporenstoß sich zwischen Beide geworfen und die Pistole des Drusen auf die Seite geschlagen hätte, worauf sich dieser mit wilden Blicken entfernte. Später schien er aber sein Unrecht einzusehen; er kam am andern Morgen zum Maler herangeritten und übergab ihm seine eigene geladene Pistole mit dem Bedeuten, er soll auf ihn schießen. Doch rauchten statt dessen die Beiden eine Pfeife zusammen und der Friede war wieder hergestellt.

Unser heutiges Nachtlager war, wie das gestrige, nur von Sand und todten Körpern umgeben; zur Tränkung der Thiere hatte man Gruben in den Sand gemacht, in denen sich jedoch nur ein salziges, übelschmeckendes Wasser sammelte. In der besten, das heißt der größten, stand ein riesiger Neger und schöpfte für unsere Pferde und die der Paschas das Wasser in einem großen metallenen Gefäß, und da dieses jedesmal dem Pferde vorgehalten wurde, so kann man denken, wie lange es dauerte, bis alle getränkt waren. Auch fehlte es nicht an Zank und Streit, den aber gewöhnlich der Neger auf eigene Faust schlichtete, indem er jeden Araber und Beduinen, der sich mit dem Pferde vordrängen wollte, mit seinem Gefäß auf den Kopf schlug, wobei der Getroffene nicht selten ins Wasser zu ihm hinabfiel. Dieser Neger war aber auch ein wahrer Athlet, und ich habe ihn Pferde, die ihm zu nahe kamen, zurückwerfen sehen, daß sie sich beinahe überschlugen. Wir spendeten ihm einen gelinden Bakschis von einigen Piastern, in dessen Folge er uns allen Uebrigen vorzog. Dieser Kerl war ein Angestellter bei der hiesigen Poststation.

Das Wort Poststation in der Wüste wird Jedem sonderbar vorkommen. Aber auch dies ist eine von den vielen guten und schönen Einrichtungen, die der Geist Mehemet Ali's ins Leben gerufen. Er versuchte auf alle mögliche Weise dem öden, unwirthbaren Landstrich der Wüste Einrichtungen aufzuzwängen, um den zahlreichen Karawanenzügen den Weg von Aegypten nach Syrien zu erleichtern. Nicht nur, daß er, wie ich schon früher bemerkt, längs des ganzen Weges, etwa von sechs zu acht Stunden, Brunnen anlegen ließ, die zum Theil schon fertig, zum Theil im Bau begriffen waren, unter den jetzigen Verhältnissen aber nicht vollendet werden: er hat auf dem ganzen Wege von Kairo nach Acre Poststationen anlegen lassen, die aus einem Wohnhaus für die Tartaren und Stallungen für Kameele, Pferde und Esel bestehen. Jetzt natürlich war auch dieses Institut nicht mehr im gewöhnlichen Gange. Was konnte dem Pascha jetzt daran liegen, Menschen und Vieh aufzuopfern und den Kaufleuten oder sonstigen Reisenden eine schnellere Verbindung mit einem Lande zu verschaffen, aus dem man ihn gejagt hatte? Ueber die Aufhebung dieser Posten wird sich wohl Niemand mehr gefreut haben, als die Angestellten selbst. Diese Menschen führten ein trostloses Leben. Wir haben welche getroffen, die seit drei Jahren ihren Bezirk nicht verlassen, kein grünes Feld, kein Wasser gesehen hatten, als das schlechte, das ihnen in Schläuchen zugeschickt wurde.

Der Tatar-Gassi, der heute Abend wieder unser Gast war, erzählte uns als Chef der Post Einiges über die Einrichtung. Man muß nicht glauben, daß es dabei auf eine ganz geregelte Anstalt abgesehen gewesen, wie bei uns, daß man etwa ohne Weiteres Briefe etc. damit befördern konnte und dergleichen. Der Hauptzweck war, den amtlichen Weg offen zu halten; doch konnte sich jeder Privatmann leicht einen Ferman auswirken, vermöge dessen ihm für eine gewisse Summe Pferde und Kameele gestellt wurden, die auf jeder Station wechselten und womit er seine Effekten oder sich selbst befördern konnte.

Bei den Posttransporten, wo es auf Schnelligkeit ankommt, bedient man sich des Reitkameels, des Hadschins. Es ist dieselbe Species, wie das gewöhnliche Lastkameel, aber eine edlere Race und von demselben verschieden, etwa wie das englische Rennpferd vom gemeinen Ackergaul. Ich widerlege hiemit die falsche Vorstellung Vieler, welche auch ich theilte, als wäre der Hadschin eins mit dem zweihöckerigten Dromedar. Das Reitkameel, welches ein Alter von dreißig Jahren erreicht, wird schon mit zwei Jahren zum »Rachwan« dressirt, zu jenem Paß oder angenehmen Trab, den einige persische Pferderacen von Natur haben, zu welchem Zweck man ihm einen Vorderfuß mit dem Hinterfuß derselben Seite durch einen ziemlich langen Strick verbindet, es zuerst gehen läßt, dann langsam antreibt, bis es gewöhnt ist, im Trab die beiden Beine jeder Seite zugleich aufzuheben und sie nicht wie das Pferd zu kreuzen. Die Ausdauer und Schnelligkeit dieser Thiere ist bewunderungswürdig. Sie traben gleichmäßig fort und machen mit ihren langen Beinen sehr große Schritte. Das Pferd kann sie wohl auf einen Augenblick im Carrière überholen, doch hält es keine Stunde mit ihnen aus. Ein Hadschin kann ohne große Anstrengung in einem Tage gegen fünfzehn deutsche Meilen laufen, und frißt dabei nicht mehr als ein anderes Kameel. Unser Tartar-Gassi hatte zu Anfang der Feindseligkeiten eine Depesche Ibrahims von Acre nach Kairo zu bringen, welche Strecke von hundertfünfzig türkischen Stunden, also, – diese zu fünf Viertel deutschen gerechnet, – gegen hundertneunzig Stunden, er, so lautete der Befehl des Pasch«, bei Verlust seines Kopfes in drei Tagen zurücklegen sollte. Der Tartar-Gassi, der auf allen Stationen die besten Reitkameele kannte, übergab seine Depesche schon in der Hälfte des dritten Tages. Indessen soll dies Reiten wegen der starken Bewegung des Thieres sehr ermüden und die Brust angreifen. Dies ist auch natürlich; der Sattel liegt oben auf dem Höcker, so daß der Reiter die volle Kraft der Bewegung auszuhalten hat. Da der Reiter mit den Beinen nicht schließen kann, so ist der Sattel mit einer Lehne versehen, und trotz dieser Lehne und einem Bügel an der linken Seite, in welchen der Reiter, wie bei uns die Damen, einen Fuß setzt, ist es doch schwer, das gehörige Gleichgewicht zu erhalten.

Der Tartar-Gassi ließ uns während des Marsches ein Reitkameel besteigen. Jemand, der zum Schwindel geneigt ist, würde keinen Augenblick oben sitzen bleiben. Und doch ist es etwas Schönes um diese Reiterei. Ich habe stets mit Vergnügen die Pascha's auf ihren Hadschins daher kommen sehen. Das große Thier, das mit seinem Reiter aus weiter Entfernung im Augenblick zur Stelle ist, und in langen Sätzen ebenso rasch vor uns verschwindet, hat etwas fabelhaft Großartiges.

Unser heutiger Marschtag war in Betreff der Hitze, der Oede, die uns rings in der Natur umgab, sowie des Elends, das in der ganzen Karawane herrschte, dem gestrigen gleich. Wir waren unser etwa zwanzig Reiter, die Nachmittags dem Zuge voraneilten, weil uns ein ortskundiger Beduine gesagt hatte, hinter jenen Sandhügeln dort liege unser heutiges Nachtquartier. Noch eine halbe Stunde, und vor unsern Augen breiteten sich zwei große Oasen aus: Wiesen von ziemlichem Umfang, mit hohen, schönen Palmen dicht besetzt, welche der gelbe Sand scharf umgrenzte; ein eigener Anblick, den wir später im Delta öfters hatten. Das frische Grün des süßbewässerten Bodens verliert sich nicht allmälig im Sande, der es umlauert, sondern bricht plötzlich ab. Auf einer Anhöhe neben den Oasen sahen wir ein altes, verfallenes Gemäuer liegen, an dem sich, wenn uns unsere Augen nicht trügten, ein kleiner Markt aufgestellt hatte. Wir sahen Beduinen umhergehen und mit ihren langen Stöcken eine Schaafheerde zusammentreiben, die, im Gemäuer zerstreut, sich einige Grashalme aufgesucht hatte. Es hielten Weiber da mit Körben voll Eier und Säcken voll Brod, und einige Kameele, die auf ihren Knieen ruhten, trugen große Lasten von gelb glänzenden Orangen. Wir deuteten dies als ein Zeichen, daß, da uns Menschen mit Lebensmitteln entgegen kamen, das Ende der Wüste und damit die Fleischtöpfe Aegyptens in der Nähe sein müßten. Das Gemäuer war ein zerfallenes Fort, das die Franzosen unter Bonaparte auf ihrem fruchtlosen Zuge gegen Acre errichtet hatten. Wir sprengten im Carrière mit lautem Hurrah vorwärts; die, denen es hauptsächlich galt, die Araber mit den Vorräthen, schreckten sichtlich empor und griffen, hinter die alten Mauern tretend, nach ihren langen Gewehren. Doch änderte sich bald die Scene, als wir, freilich für unsinnige Preise, ihnen von ihren Lebensmitteln abkauften.

Der Tartar-Gassi hatte uns im dichtesten Palmenwalde den Platz für unsere Zelte angewiesen, da, wo die alten Stämme gleich hohen Säulen emporstiegen und stolz die zierliche Krone trugen, die zwar keinen vollkommenen Schatten gewährte, doch den Rasen mit einem fein gezackten grünen Gewölbe deckte. Es ist etwas Eigenes um die Palme; welch reizende Vorstellungen weckt im Abendländer das Wort Palme, und vollends Palmenwald! Wie ärmlich erscheinen uns dagegen unsere Wälder, wo nur der plumpe Eichbaum wächst, und die starke Buche und die schwarze traurige Tanne! Aber es geht uns mit der Palme wie mit so vielen Dingen, die uns die Ferne und die Unerreichbarkeit im Zauberlichte zeigt, daß unsere Phantasie stets bereit ist, einem Brennspiegel gleich, in stärkern Strahlen zurückzuwerfen. Wir lesen, wie schon die ältesten Völker, die Juden namentlich, Palmblätter streuten und damit den Weg der Könige und großen Männer heiligten. Welcher Märchenkranz flattert für uns um die Krone der Palme! an welchem Quell, wo Abdallah oder Said ruhten, oder wie die Helden alle heißen, stand nicht eine Palme! Mir kam dieser Baum früher immer vor, wie das sichtbare Zeichen einer neuen, geheimnißreichen Welt, eines glänzenden Zauberkreises; sein Anblick durchzuckte mein Herz, wie wenn mich in der Ouvertüre einer großen Oper die immer längern Paukenwirbel, die schneidenden Wehlaute der Hörner auf etwas Außergewöhnliches vorbereiten. Es war in der Nacht, als wir auf der Rhede von Rhodus anlangten, und ich im hellsten Mondlicht, das wir seit lange gesehen, einen Palmbaum über die grauen Mauern blicken sah. Da stand ich lang im Anblick des schlanken Orientalen versunken, und die Phantasien, welche, mit diesem Baum verknüpft, in einem Winkel meines Herzens schlummerten, rankten nach allen Seiten wild und üppig empor; gewiß sehr natürlich, denn wir lagen ja vor Rhodus. Als ich später viele tausend dieser Bäume gesehen, und unter ihnen liegend, die Sonne, die durch ihre spitzen Blätter dringt, schwer empfand, stiegen unsere deutschen Eichen- und Buchenwälder sehr in meiner Achtung. Wo die Palmen noch so dicht stehen, gewähren sie keine Kühle, und bieten dem Auge keine Abwechslung, keine Nüancen der Farbe, immer nur ein einfaches, dunkles Grün.

Indessen war uns der wenige Schatten, den uns heute die Oase darbot, nach einem mehrstündigen Ritt durch öde, baum- und strauchlose Sandflächen, sehr erwünscht. Wir suchten uns einen Platz, wo die Bäume so weit auseinander standen, daß wir je zwischen drei und vier unser Zelt aufschlagen und die Pferde bei ihnen anbinden konnten. Bald kam der ganze Zug der Karawane nach, und so viele der Wald aufnehmen konnte, lagerten sich in demselben, die übrigen um das Fort und auf der andern Seite. Die Anstalt zur Tränkung des Viehs war heute ganz gut: ein langer gemauerter Behälter, wie ich ihn schon früher beschrieben, mit einem Schöpfrade, an welches ein Kameel gespannt wird, um das Wasser in die Höhe zu winden. Mochten sich nun die ärmeren Klassen in der Karawane an die Schrecken der Wüste gewöhnt haben, oder war es das Grün der Oase, oder der Markt, auf dem sich freilich keiner etwas kaufen konnte, der ihnen aber doch Abfälle vom Tisch der Reichern gewährte: sie waren heute ungleich munterer und lebhafter, als gestern und vorgestern. Die meisten kehrten, nachdem wir eine Stunde gelagert, statt des starren Hinbrütens, worein sie die vorigen Tage versunken waren, zu ihrer alten Lebhaftigkeit zurück. Wir hatten für uns neue Brodvorräthe angekauft und das alte, fast ganz vertrocknete, so viel es sich thun ließ, unter das Volk vertheilt. Und es war rührend anzusehen, mit welcher Freudigkeit sie diese kleinen Gaben empfingen, und wie wenig dazu gehört, diese Menschen vergnügt zu machen; besonders die Schwarzen sprangen um unsere Zelte herum, tanzten und trieben allerhand Kindereien.

Unser heutiges Lager hatte aber auch etwas sehr Freundliches und wahrhaft Phantastisches, besonders als die Nacht kam und hinter den weißen Sandhügeln der Mond aufstieg. Da saßen wir in unserem Zelt, dessen Thüre wir weit zurückgeschlagen hatten, und schauten in's bunte Gewühl, das sich in der seltsamsten Beleuchtung vor unsern Augen bewegte. Die Araber hatten unter den Bäumen große Feuer angelegt, die sie mit kleinen Sträuchern unterhielten, welche in Menge in der Oase wuchsen. Dieses Brennmaterial, sehr dürr und trocken, hat das Eigene, daß es, auf die glühenden Kohlen gelegt, wie Stroh plötzlich zu einer haushohen Flamme aufflackert, die dann ebenso rasch wieder zusammensinkt. So schien der ganze Wald mit riesigen Irrlichtern belebt, die jetzt kaum bemerkbar glimmten, dann plötzlich emporfahrend, die umherliegenden Menschen grell beleuchteten. Und dabei der Jubel der Araber, wenn man auf die verlöschenden Kohlen, bei deren Schein man nichts mehr von ihnen sah, als ihre glänzenden Augen, mit denen sie sinnend dem Verglimmen des Feuers folgten, eine neue Ladung Gesträuch gelegt wurde, und jetzt die Flamme auf einmal emporloderte. Da erhoben sie ein wildes, lange nachhallendes Geschrei, ihr Hurrah, das uns Anfangs zuweilen erschreckte. In solchem Augenblicke sahen die Gruppen wie eine Dekoration aus, die man kunstreich geordnet und beleuchtet. Vor einem Feuer, das nicht weit von unserem Zelte brannte, stand der Neger, der uns gestern beim Wasserschöpfen so treffliche Dienste geleistet, mit seiner riesigen Figur, regungslos an eine große Palme gelehnt, ein schönes Bild, wie ich es nie gesehen. Mann und Baum schienen von Bronze, welche das aufflackernde Feuer vergoldete. Selbst die Thiere schienen an diesem Feuerwerk Gefallen zu finden; Scham, unser edler Hengst, wieherte fast den ganzen Abend vor Freude, und das kleine neugierige Fohlen, das am Abend von seinen Banden befreit wurde, tappte zuweilen zu unserem Feuer hin, um sich die Sache in der Nähe zu besehen. Der Palmenwald hatte etwas Zauberhaftes; von unten wurden die hohen Stämme durch die flackernden Feuer röthlich angestrahlt und oben versilberte das Mondlicht die Spitzen der Blätter, die der Abendwind hin und her wiegte.

Unser englischer Kapitän hatte unter den Vorräthen auf dem Markt einen Korb mit Nilfischen alsbald für sich in Beschlag genommen und von seinem Koche zubereiten lassen. Fische in der Wüste! und sie waren noch dazu sehr gut; nur gaben sie zu einer kleinen Streitigkeit zwischen dem wunderlichen Kapitän und seinem Kochkünstler Anlaß. Ersterer hatte befohlen, sie alle zu braten; da aber ihre Anzahl nicht unbedeutend war, hatte Husseyn einen Theil für Morgen aufheben wollen. Als wir die umfangreiche Schüssel, die man uns vorsetzte, geleert hatten und ganz gesättigt waren, fragte der Engländer, ob das alle Fische seien, und als dies der Koch verneinte, mußte er die übrigen zur Strafe auch noch zubereiten, bloß weil der Kapitän einmal gesagt hatte, sie sollten alle gebraten werden; denn keiner von uns rührte mehr ein Stück an.

Nachdem wir am Abend noch einen Gang durch sämmtliche Lager gemacht und alle Pferde gemustert hatten, was namentlich der Baron jeden Tag that, um unter den vielen Hunderten vielleicht etwas Ausgezeichnetes zu finden, statteten wir dem Tartar-Gassi, der neben uns lagerte, noch einen Besuch ab. Er theilte uns die nicht sehr erfreuliche Nachricht mit, es sei ihm bei der allgemeinen Ermattung sämmtlicher Menschen und Thiere nicht möglich, ferner so rasch wie bisher den Zug fortzusetzen, weßhalb er morgen nur einen kurzen Marsch von vier Stunden machen und übermorgen in Salahieh der Karawane zwei Tage Ruhe gönnen werde. Er sah unsere Bestürzung hierüber, weßhalb er uns den Vorschlag machte, wir sollten morgen mit der Karawane bis zum Lagerplatz ziehen und dann mit einigen zwanzig Reitern, die er uns mitgeben wolle, noch eine Etape weiter machen, so daß wir morgen schon nach Salahieh kämen, wo, als auf der Grenze Aegyptens, alle Gefahr wegen der streifenden Raubbeduinen vorbei sei und wir unsern Marsch in beliebiger Schnelligkeit fortsetzen könnten, ein Vorschlag, den wir nach einiger Ueberlegung annahmen.

Am nächsten Morgen brachen wir um fünf Uhr mit der Karawane auf und gelangten schon gegen eilf Uhr auf den für heute derselben bestimmten Lagerplatz, einer gewöhnlichen Poststation mit gemauertem Brunnen und Schöpfrad. Wenn uns schon früher diese gut eingerichteten Tränkungsanstalten in Erstaunen gesetzt hatten, so fanden wir auf unserm heutigen Wege etwas, das uns wirklich mit Achtung erfüllte vor dem Geiste Mehemed Ali's, der es versucht, der gewaltigen Wüste europäische Kultur aufzudringen. Es waren dies hölzerne Thürme, die eine Telegraphenlinie zwischen Kairo und Jaffa herstellen sollten, aus rohen Planken zusammengezimmert, von ungefähr vierzig Fuß Höhe, oben mit einer Plattform versehen und in zwei Stockwerke getheilt, in welchen starke Leitern die Dienste der Treppen versahen. Natürlich waren sie alle noch unfertig und auf keinem befand sich etwas von der eigentlichen Einrichtung der Telegraphen; und ehe die türkische Regierung etwas zu ihrer Vollendung thun kann, haben die herumstreifenden Araber oder die edlen türkischen Soldaten selbst die Thürme wieder abgerissen und verbrannt, um ihren Pillau damit zu kochen.

Kaum waren wir angelangt, so übergab uns der Tartar-Gassi, seinem Worte treu, einige Reiter, die uns als Bedeckung dienen sollten; es waren aber keine zwanzig, sondern nur acht; da er indessen, wie auch mehrere andere Offiziere, uns nochmals versicherte, es sei von hier auf dem Wege nach Kairo auch nicht mehr die geringste Gefahr zu besorgen, und wir ja zudem doch unsere fünfzehn gut Bewaffnete waren, so begnügten wir uns mit der Escorte, die aus lauter jungen kräftigen Männern bestand – auch die Drusen, von denen ich oben sprach, waren darunter – tränkten unsere Pferde und machten noch einen Besuch bei Mahmud Pascha, der obgleich der Tartar-Gassi das Kommando hatte, die höchste Person bei der Karawane war. Dieser ließ von seinen Kameelen ein paar Flaschen Champagner herunter langen und sie uns zu einem Bügeltrunk kredenzen. Wir ließen nicht ohne ein leises schmerzliches Gefühl all die guten Menschen hinter uns, die uns vom Pascha bis zum geringsten Neger, wo sie nur immer konnten, Gefälligkeiten erwiesen hatten. Trotz dem, daß Alle mit Abpacken der Thiere und Aufschlagen des Lagers beschäftigt waren, traten viele in unsern Weg und murmelten ihr Maschallah, während sie die Hände auf Stirne und Brust legten; ja einige alte Beduinenhäuptlinge, die sich schlecht verproviantirt hatten und denen der gute Baron stets von seinen Privatvorräthen mitgetheilt, faßten den Zügel seines Hengstes und legten ihm die Hand auf das Knie und an den Bügel und riefen Allah und den Propheten an, ihn ferner zu beschützen. Und dies Alles war reine Gutmüthigkeit, ohne andere Absicht; sie konnten doch nimmer daran denken, uns je wieder zu sehen, und dachten auch wohl nicht daran; wir begegneten indessen später einigen derselben in Kairo.

Ich machte vor unserm Aufbruch noch einen kleinen Tauschhandel mit einem Araber, einem Manne, der sich auf dem Marsche sehr oft zu mir gehalten und mich über dies oder jenes belehrt hatte. Ich gab ihm meinen himmelblauen Schlafrock, der sehr zierlich mit Roth ausgeschlagen war, dem man aber sehr die Stürme ansah, die er auf der Reise durchgemacht, und der Alte verehrte mir dagegen einen eisernen Pistolenladstock, der wieder einer Zange als Scheide diente, mit welcher man Kohlen auf die Pfeife zu legen pflegt. Darauf nahmen wir zärtlichen Abschied von einander, indem mich der Araber bei der Hand ergriff und dann, sich vorn überbeugend, seine Stirn an die meinige legte.

Es war heute wieder eine glühende Hitze und unsere drei Herren Kameeltreiber, die sonst beständig lustig und guter Dinge waren, mochten es in ihrem Innern schwer empfinden, daß sie heute weiter marschiren mußten, als die andere Karawane; denn sie zogen schweigend neben ihren Kameelen dahin, und selbst Herr Akrabut wollte unserm Koch Giovanni, trotz dessen vielmaliger neckender Aufforderung, kein Märchen erzählen. Als wir etwa eine halbe Stunde vom Lagerplatze entfernt waren, bemerkten wir eine ältliche Frau, eine Aegypterin mit blauem Hemde und Schleier, die uns in einiger Entfernung folgte. Giovanni mußte auf Befehl des Barons zurück und sie fragen, warum sie die Karawane verlassen, worauf sie entgegnete: ihr Mann, ein Jüs-Baschi in der Armee Ibrahims, sei auf dem Zuge geblieben; sie habe bis gestern einen Platz auf einem Kameel bei einer Bekannten gehabt; dieses sei jedoch gestern gestürzt, und sie vertraue zu uns Franken, wir werden sie nach Kairo mitnehmen. Der Baron erlaubte dem armen Weibe, auf unser erstes Kameel zu steigen, das bis jetzt neben dem kleinen Fohlen Wasser und Kohlen getragen hatte; diese Artikel waren aber jetzt sehr zusammengeschmolzen und deßhalb Platz genug auf dem großen Thier. Das kleine Pferdchen, das Anfangs die neue Nachbarschaft mit neugierigen Blicken betrachtete, schien sich bald daran zu gewöhnen; denn die Frau liebkoste es beständig und deckte ihm bei der großen Hitze ihren Schleier über den Kopf.

Wir verloren die große Karawane, mit der wir Gaza verlassen, aus dem Gesicht, und zogen, eine kleine bildend, weiter durch die Sandwüste, die aber hier schon viel von ihrem schauerlichen Charakter verloren hatte. Zur Seite des Weges erschienen hie und da kleine Gesträuche bis zu drei Fuß Höhe, und der Weg war statt des gestrigen losen Sandes heute schon so hart, daß die Kameele an den meisten Stellen mit ihren breiten Fußballen nicht mehr einsanken. Es mochte gegen drei Uhr sein, als der Baron, der mit einigen Reitern etwas voraus war, plötzlich laut auslief: »Wasser! Wasser!« und links querfeldein gegen einen großen Teich sprengte, der sich bei der Krümmung des Weges unsern Blicken zeigte. Auch ich forcirte meinen Maulesel zu einem armseligen Galopp und hörte bald, daß es kein Trink-, sondern Salzwasser sei. Aber wenn somit auch die Hoffnung auf ein gutes Nilwasser vereitelt war, so wußten wir doch beim Anblick dieser Seen, deren sich nun auch rechts mehrere zeigten, daß wir uns dem Delta näherten; denn es mußten jene Moorwasser sein, die man auf den Karten von der Mündung des Nils aus gegen Osten weit in's Land hinein verzeichnet sieht.

Der Tartar-Gassi hatte uns freilich gesagt, wir haben von seinem Lager bis zur nächsten Poststation – sie hieß Kantra – nur noch fünf Stunden; aber es wurde Abends sieben Uhr, ehe wir sie erreichten. Sie hatte Tränkungsanstalten wie die gestrige, doch waren die Gebäude für die Postbeamten comfortabler eingerichtet, als auf allen andern, und zwischen zweien derselben stand ein großes, schönes Zelt aus dickem Segeltuch aufgeschlagen, unter dem der Chef der Post, ein dicker Aegyptier, lag, der uns sagen ließ, wir möchten unsere Zelte nicht aufschlagen, er müsse auf Verlangen den Reisenden Platz in dem seinigen geben – also eine Wüstenpassagierstube.

Etwas sehr Merkwürdiges hatte diese Station: hier befand sich zugleich eines der Kameelgestüte Mehemed Ali's. Es waren fünf oder sechs große, starke Kameelhengste da, einige zwanzig Stuten und sieben oder acht Fohlen. Diese kleinen Thiere sahen höchst sonderbar aus. Die Biegung des Kopfes, der wie der Schnabel eines Raubvogels nach unten gekrümmt ist, tritt bei ihnen viel stärker hervor, als bei den Alten, und gibt ihrem Kopfe eine gewisse Aehnlichkeit mit dem eines Habichts. Dabei trägt das Thier seinen wolligen Körper äußerst unbeholfen auf den langen Beinen und ist außerordentlich eigensinnig. So wollten die Araber, als es anfing dunkel und kühl zu werden, einige dieser Thiere, die sich draußen in die Sonne gelegt hatten, zum Aufstehen bewegen, um sie in den Stall zu treiben. Aber die kleinen Geschöpfe stießen ein Geschrei des Unwillens aus und mußten mit Gewalt aufgehoben und fortgetragen werden. Diese Thiere wohnten in einem umschlossenen Hof, an den rechts und links zwei Schuppen stießen und Alles war aus Steinen aufeinander gesetzt. Die Postknechte, sowie die Aufseher des Gestüts waren Neger und Abyssinier, und unter ihnen sehr schöne Menschen.

Wir richteten uns im großen Zelte des Postmeisters so gut wie möglich ein. Ein ziemlich starker Wind, der sich am Abend erhob, bewegte die langen Zeltwände hin und her. Es war das erstemal seit unserer Wüstenreise, daß wir wieder einmal den Luftzug bemerkten, und da das Posthaus auf einer kleinen Anhöhe lag, so strich er recht frisch und kühl bei uns vorüber und eilte zum Delta voran, um dort wahrscheinlich unsere Ankunft anzuzeigen. Der dicke Postmeister, der sich zu uns in's Zelt kauerte, war ein recht gemüthlicher Aegyptier. Er erzählte uns, er sei schon fünf Jahre auf dieser Station, ohne sie je verlassen zu haben; seine Bedürfnisse lasse er sich auf Kameelen von Kairo kommen; sogar das reine Trinkwasser mußte er sechs Stunden weit herschaffen lassen. Gerade heute hatte er wieder einen Transport bekommen; er brachte uns auf einer kleinen Schüssel einige Confituren von Kairo, die er als die vorzüglichsten ihrer Art pries; sie waren ebenso fett und unangenehm süß, wie die türkischen. Von der Politik wußte der alte Herr so gut wie gar nichts, und er verwunderte sich sehr, als wir ihm erzählten, Ibrahim Pascha habe sich durch die Engländer und eine Hand voll Türken aus dem Lande jagen lassen. Natürlich hatte er vom Zuge Ibrahims durch die Wüste gehört, und die Kolonne Achmed Pascha Meniklis war schon vor einiger Zeit hier durchgezogen. Aber das Warum hatte ihn wenig gekümmert.

Am andern Morgen brachen wir zeitiger als sonst auf, indem wir nach Salahieh, dem ersten ägyptischen Dorfe, wie man uns gesagt, zehn Stunden hatten. Der Weg besserte sich im Laufe des Tages zusehends, und gegen Mittag, wo die Sonne recht glühend auf uns schien, tauchte vor uns von Süden nach Südwesten aus dem gelben Sande ein langer grüner Streifen auf. Es waren Palmenwälder, die jedoch bald wieder verschwanden, und gegen ein Uhr hatten wir heute noch einmal und zum letzten Mal den vollen Anblick der trostlosen Wüste um uns: rings, so weit das Auge reichte, eine glatte, hellgelbe Sandfläche, worauf die Sonne mit unbeschreiblicher Schwere lag und die Thiere und uns fast zu Boden drückte. Die Araber hatten wieder wie gewöhnlich ihre Teppiche über den Kopf gezogen und saßen zusammengekauert auf ihren Pferden, wobei sie ihre Waffen, Lanzen und Säbel nachlässig über den Sattelknopf legten. Unsere kleine Karawane hatte sich ganz auseinander gezogen, denn jeder ließ sein Thier gehen, wie es eben wollte; jeder war zu matt, um den Fuß zu einem Sporenstoß zu erheben oder auch nur den Mund zu einem Zungenschlag aufzuthun. Der Nachtwind hatte die ganze Fläche, so weit wir sahen, scharf angehaucht und lauter kleine Wellen hineingeschnitten, so daß das Kameel an der Spitze sich jedesmal Bahn machen mußte, wie wenn man bei uns zu Hause an einem Wintermorgen der erste ist, der die über Nacht gefallene Schneedecke zertritt. Der ganze Anblick der heutigen Wüste, das matte Dahinschleichen unserer Thiere und die Gluth der Sonne drückten uns Alle so darnieder daß wir mit schweren Athemzügen nach der Gegend blickten, wo uns vorhin die Palmen erschienen und wieder verschwunden waren. Aber wir wußten, noch ehe der Abend kam, hatten wir sie erreicht, und konnten, unter ihrem Schatten geborgen, nach jenem schrecklichen Feind, der Wüste, zurückblicken, der uns heute zum letztenmal in seiner ganzen fürchterlichen Gestalt erschien. Wir wußten, daß die Sonne, die uns jetzt zu versengen drohte, denselben Weg mit uns hatte und wir nach der Richtung, wo sie am Horizont verschwand, Menschen, ein Dorf, Wasser und frisches Grün finden würden.

Doch wie mußte es denen sein, die ohne Compaß oder sichern Führer vom Wege abkamen und umherirrend nicht wußten, wohin, um diesem großen, allgewaltigen Grabe zu entfliehen? Der Gedanke an ein Verirren, so nahe am Ziele unserer Reise, stieg in mir leise auf, und meine stets rege Phantasie ließ mir ein solches Unglück so möglich werden, daß ich zum Anführer unserer Beduinen, der vorne an der Spitze war, hineilte, um ihn auszufragen, ob er auch sicher wisse, wo wir uns eben befanden. Der Alte hob den Burnus, den er über das Gesicht geworfen hatte, etwas in die Höhe und sah mich so listig lächelnd an, als habe er meine Furcht errathen; dann bedeutete er mir in der lebhaften Zeichensprache, die diesem Volke eigen ist: vor uns sei das Delta, rechts das Meer, aber links – hier streckte er seinen Arm nach Osten aus, wo sich die große Wüste bis an's rothe Meer und weiter hin zieht – links sei gar nichts als Sand, und wer dort einmal hingerathen sei, könne ruhig ein Loch in den Sand machen und den Burnus über den Kopf ziehen. Dahin schaute ich und gefiel mir darin, mich immer tiefer in das Wüste, unendlich Oede zu denken, das sich da ausbreitete und unsern Fuß berührte.

Einige Minuten mochte ich so fortgeritten sein, als mir plötzlich deuchte, ich sehe am fernen Horizonte, nach der Richtung der Wüste, einen dunkeln Streifen erscheinen, in der Art, wie wir früher die Palmenwälder vor uns gesehen hatten. Was konnte das sein? Einige Schritte vor mir ritt der Baron, der ein sehr scharfes Gesicht hat und mit einem lauten Ach! plötzlich sein Pferd anhielt und es nach jener Gegend wandte. Ich rief ihm zu, was er vom Streifen dort halte, und ob er etwas Genaueres sehe, worauf er erwiderte: dort sei auf einmal Wasser erschienen; er sehe die Wellen sich bewegen und umher große Palmen und andere Baume, wie von starkem Winde bewegt, auf und abnicken. Ich zog am Mantel unseres Beduinenchefs, der sein Gesicht schon wieder bedeckt hatte, und zeigte, als er mich fragend ansah, nach jener Gegend. Als habe er ein Gespenst gesehen, verzog der Alte mit einem lauten Maschallah sein Gesicht und starrte in die Wüste hinein. Auch die andern Araber und unsere Kameeltreiber wurden aufmerksam und blickten mit demselben Entsetzen hinaus, und Giovanni, der Dolmetscher, näherte sich uns und rief dem Baron zu: das sei das Wüstengespenst, das die Reisenden irre führe, vom Weg ab in das Innere der Wüste, das stets zurückweiche und nicht eher verschwinde, bis die Karawane, die ihm gefolgt, den richtigen Weg nicht wieder finden könne und verloren sei. Es war also die Fata Morgana. Der Baron sprengte darauf zu und wir folgten ihm, obgleich uns die Beduinen abzuhalten suchten, und bald konnte auch ich etwas von der sonderbaren Erscheinung erkennen. Es war, wie schon gesagt, ein weiter Wasserspiegel, an seinen Ufern wuchsen grüne frische Bäume, und doch war nichts da, als verbrannter gelber Sand. Es verursachte uns Allen ein recht unheimliches Gefühl, und doch freuten wir uns, noch am letzten Tag unserer Wüstenreise der Fata Morgana oder dem Wüstengespenst begegnet zu sein. Das Phänomen verdient in der That den Namen eines Gespenstes der Wüste, womit es die Araber bezeichnen, eines bösen Geistes, der den Wanderer vom Wege ablockt und ihm das, was sein kochendes Gehirn mit glühenden Farben ausmalt, neckend vorgaukelt. Woher kommt es, daß dieses trügerische Spiel selbst den, der es von natürlichen Ursachen ableitet, anfangs mit Bangigkeit, ich möchte sagen mit Entsetzen erfüllt? Dort, wo sich der Sand hundert Meilen weit ausdehnt, wo weder Baum noch Strauch ist, keine Spur von Wasser, dort erschienen uns auf einmal Gruppen von schlanken Bäumen, die einen stolz dahinfließenden Strom umstanden, auf dessen Wellen wir die Strahlen der Sonne spielen sahen. Freundlich grün bedeckte Hügel tauchten auf und verschwanden wieder; kleine Häuser und Burgen mit trotzigen Mauern und Wällen wurden in den Wäldern sichtbar, deren Stämme sich wie dünne Halme im Wind hin und her bogen.

So weit wir auch gegen die Erscheinung ritten, wir kamen ihr doch nicht näher. Alles schien vor uns Schritt für Schritt zurückzuweichen. Lange standen wir so und sahen dem Zauber zu, und allmälig verlor sich das Unheimliche, das im Anblick lag. Es war ein so reges Leben in dieser Scheinlandschaft, das Wasser so glänzend, die Bäume so saftig grün, so stolz und schlank, wie ich sie nie gesehen. Alles schien dort viel freundlicher, als in der wirklichen Welt, und zog uns so mächtig an, daß wir, die doch nicht der Durst vorwärts trieb, dort Wasser zu suchen, wo keines war, gerne fort und fort dem Spuk nachgejagt wären, und so wohl begreifen konnten, wie er den Verirrten, der verzweifelnd, mit brennendem Auge Wasser und menschliche Wohnungen zu sehen glaubt, an sich lockt, um ihn einsam verderben zu lassen. Langsam kehrten wir zu unsern Beduinen zurück, die nicht von der Stelle gegangen waren. Noch schauten wir oft zurück in die Wüste, wo die Erscheinung allmälig erblaßte und endlich zu einem Streifen zusammenschmolz, einem dünnen Rauche vergleichbar, der über die Fläche zieht.

Wir ritten noch eine gute Stunde durch tiefen Sand und erblickten endlich die Palmen wieder, die wir früher schon gesehen. Indessen waren wir ihnen bedeutend näher gerückt und sahen nun bald auch zu unserer Rechten den grünen Boden vom gelben Sand sich scharf abgrenzen und dichte Wälder von Palmen erscheinen. Ich sprach schon früher davon, wie plötzlich man im Delta aus dem tiefen Sand in das fruchtbare Land tritt, das sich wie die Ausläufer eines Berges bald in denselben hineinerstreckt und der Wüste einen großen Raum streitig macht, bald von dem Sande überwältigt wird und ebenso weit zurückweicht. Die ganze Grenze des Delta's wird hier von einer weiten Schlangenlinie gebildet. Jetzt traten unsere Pferde noch bis über die Fesseln in tiefen Sand und die Sonne brannte glühend auf uns; gleich darauf stießen unsere Araber und die Kameeltreiber an der Spitze ein lautes, freudiges Hurrah aus; eine angenehme Kühle kam uns entgegen, und die Pferde schnaubten und schüttelten sich munter, sobald ihr Huf den weichen Rasen betrat, dessen angenehmer Duft uns, die wir ihn so lange entbehrt, ungemein erquickte.

Wir hatten das Delta erreicht und ritten durch einen Palmenwald, in dem die Stämme dicht beisammen standen und von einer Größe waren, wie man sie bisher noch nicht gesehen. In den Zweigen trieben wilde Tauben und andere Vögel ihr lustiges Spiel; in einem Kleefeld, dessen wir zur Linken ansichtig wurden, standen bei den Wassergräben, die es durchschnitten, langbeinige weiße Reiher und wandten nur den Kopf, ohne sich durch unsern Lärm verscheuchen zu lassen. Kühe und Pferde grasten unter den Palmen und schienen verwundert unsere fremdartigen Gestalten zu betrachten. Bald kamen wir auf eine grüne Fläche hinaus, welche an der einen Seite das Dorf Salahieh, an der andern Palmenwälder und rechts ein schwacher Arm des Nil begrenzte. Wie wohl that uns das Grün der Bäume und der Glanz des langsam fließenden Wassers! Ein Wanderer, der den ganzen Tag in glühender Sonnenhitze auf der staubigen Landstraße gewandelt ist und kein Mittel gefunden, seinen glühenden Durst zu löschen, bis er Abends die Ebene verläßt und zwischen den Bergen, die er nun ersteigt, einen klaren Felsbach murmeln hört, nur ein solcher hat einen Begriff von der Freude, die uns durchströmte, als wir den Boden hinter uns hatten, der pestartige Gerüche aushaucht, die Herz und Körper matt und krank machen, und nun hier gesunde Menschen uns umstanden, Menschen, die, wenn auch in zerlumpter Tracht, uns doch munter ansahen und nicht mit dem unbeschreiblichen Blick des Elends, wie unsere Reisegefährten aus der Wüste.

Salahieh besteht, wie alle arabischen Dörfer, aus Wohnungen, die kaum den Namen Hütten verdienen. Auf vier roh aus Erde und Lehm aufgeführten Wänden liegt ein Dach von Palmenstämmen, die, farbig und leicht, durch aufgelegte Steine festgehalten werden. Da die Faulheit des Arabers die Hütte zu niedrig macht, als daß man darin stehen könnte, so vergrößern sie später den Raum, indem sie den Fußboden im Innern um einige Schuh tiefer graben. Von den öffentlichen Gebäuden, die sich allenfalls in einem solchen Dorfe befinden, ist nur das Haus, in welchem man die Steuern, das heißt Gerste, Weizen und Reis aufbewahrt, dauerhafter und in besserem Styl gebaut. Die Moschee dagegen ist eine Halle von der Größe und Gestalt, wie bei uns eine mittelmäßige Scheune. Von der Decke hängen ein paar hölzerne Lampen an Schnüren und zwei weiße Stäbe bezeichnen die Kebellinie, die Richtung nach Mekka. Der Fußboden ist mit schlechten Matten oder alten Teppichen bedeckt, welche letztere dann gewöhnlich Vermächtnisse Verstorbener sind, die den Teppich, auf dem sie ihr ganzes Leben lang gebetet, auch noch nach ihrem Tode zu demselben Zweck gebraucht wissen wollen.

Zu unserer Verwunderung schienen wir nicht die einzigen Reisenden, die hier ihr Lager aufgeschlagen hatten. Auf der Wiese vor dem Dorf stand ein großes Zelt und daneben ein kleineres, welches durch eine Art Gang mit jenem zusammenhing. Vor dem Zelt lag einer der prächtigsten persischen Teppiche ausgebreitet, die ich je gesehen; wahrscheinlich wollte der Herr desselben noch die angenehme Kühle des Abends genießen. Einige Schwarze rückten Polster zurecht; ein anderer hatte ein großes silbernes Nargileh vor sich, das er in langen Zügen anzurauchen versuchte. Nach diesem Wahrzeichen mußte der Herr des Zeltes ein Türke oder Araber sein, und wir hatten uns nicht getäuscht. Nicht lange, so zog ein sehr gut gekleideter Diener die Vorhänge des Zeltes auseinander und ein ältlicher, aber sehr schöner und stattlicher Mann, wie die höchsten Offiziere der ägyptischen Armee gekleidet, trat heraus und ließ sich auf dem Teppich nieder. Unsere Bedienten waren keine zwanzig Schritte davon beschäftigt, die Zelte aufzuschlagen, wobei wir in unsern europäischen Costümen halfen, ein Anblick, der dem alten Herrn gewiß sehr neu war, was er jedoch als ächter Muselmann mit keiner Miene verrieth. Erst nachdem er einige Züge aus seinem Nargileh gethan und ein paar Tassen Kaffee getrunken, winkte er einem der Bedienten, die hinter ihm standen. Ich stand den Zelten des Türken am nächsten und betrachtete mit untergeschlagenen Armen die interessante Gruppe und die imposante Figur des alten Mannes, und als der Bediente gegen mich kam, stellte ich mich ihm in den Weg, um seine Botschaft abzufangen. Allein es ging mir wie dem Bastard in der Jungfrau von Orleans: »er war an einen Würdigern gesendet,« und schoß an mir vorbei, auf den Baron zu, der neben dem Zelte stand. Indessen gehörte, besonders für einen Muselmann, keine prophetische Gabe dazu, den Chef unserer Karawane zu erkennen; in vielen Fällen der Art zog die große Figur und ernste Haltung des Barons die Abgeordneten gerade zu ihm hin, besonders wenn er zu Pferde saß. Ich folgte dem Bedienten und hörte, wie unser Dolmetscher Giovanni einige arabische Worte, die ihm jener sagte, ungefähr so übersetzte: »Mein Herr, der Ferik Pascha Mehemed Ali's, Mustapha, vormaliger Gouverneur von Creta, bittet Gott, deinen Einzug hier zu segnen, und wünscht zu wissen, wer du seiest und welche Geschäfte dich hieher führten?« worauf ihm der Baron kurz unsere Reise beschrieb und vorzüglich heraushob, wir seien mit der ägyptischen Armee, die uns morgen oder übermorgen folgen werde, von Gaza durch die Wüste gezogen. Der Sklave zog sich zurück und wir fuhren in unsern häuslichen Beschäftigungen fort, luden die Kameele ab und fesselten die Pferde, die sich nicht weniger als wir über den Grasboden zu freuen schienen und sich darauf herumwälzten.

Bald hatte sich vor dem Zelt ein Markt gebildet, und wir kauften seit langer Zeit wieder um weniges Geld Hühner, frische Eier, Butter und Milch. Was uns aber am angenehmsten schien und auch später immer am besten schmeckte, war das Wasser des Nils, das wir, obgleich es trübe war, köstlich fanden.

Es war ein sehr schöner Abend, und die durch die Palmen und das Wasser abgekühlte Atmosphäre kam uns gegen die Hitze der Wüste wie die Luft eines schönen Frühlingsabends im Vaterland vor. Die kleinen braunen Kinder der Araber spielten um uns herum und erinnerten mich lebhaft an die Zeiten meiner Jugend, wo auch ich beim ersten Grün, das die graue Erde überzog, hinaus unter die Bäume eilte, um mich auf dem Rasen zu wälzen und freudig zu jubeln; war es doch auch hier der erste Frühlingstag nach einem schlimmen Winter, der uns freilich nicht die Erde mit Schnee überzogen, aber noch viel öder und erstorbener gezeigt hatte.

Der Pascha, der aus einer gewaltig langen Pfeife große Rauchwolken in die Luft schickte, schien unsere Pferde seiner Aufmerksamkeit zu würdigen; seine Blicke folgten allen ihren Bewegungen mit großem Interesse; ja, als das kleine, neugierige Fohlen, das wie gewöhnlich, sobald es seiner Bande entledigt war, um die Zelte zog, ihm einmal sehr nahe kam, wiegte er wohlgefällig lächelnd sein graues Haupt und versuchte es zu streicheln; aber der Wildfang entfloh ihm in lustigen Sprüngen. Ich machte einen kleinen Spaziergang durch das Dorf, und als ich zurückkam, saßen der Baron und der englische Kapitän beim Pascha, mit dem sie sich eifrig über Pferde unterhielten. Der Pascha wollte vermuthlich seinen Reichthum zeigen und ließ seinen ganzen Marstall vorreiten. Derselbe bestand aus zwei Stuten und vier Hengsten: starke, kräftige Thiere, aber von keiner eigentlichen Race; es war das Blut des Arabers, mit dem des ägyptischen Pferdes gemischt. Sie hatten einen edel geformten Kopf und eine gute Croupe, waren aber dabei so fett, wie alle Erzeugnisse des Delta. Die Sais ritten sie ohne Sattel, zuerst im Schritt, dann im Galopp, zuletzt im Carriere vorbei. Die Reiter saßen auf den dicken, glatten Pferden recht gut, doch hatten sie ihnen einen Riemen um den Hals gelegt, woran sie sich beim schnellen Pariren festhielten, was sehr klug war; denn ich bin überzeugt, daß die schweren Thiere den besten Reiter aus dem Sitz gebracht hätten.

Der Pascha schien mit Vergnügen die Lobsprüche entgegen zu nehmen, die ihm beide Herrn über seine Pferde spendeten, und als sie sich beurlaubten, folgte ihnen einer der Diener Mustaphas, der uns Alle auf sieben Uhr zum Abendessen einlud. Wir fanden uns pünktlich ein, und da es schon anfing zu dunkeln, hatte der Pascha rings sein Zelt schließen lassen und Lichter in demselben angezündet. Es war von grüner doppelter Leinwand, rund und weit geräumiger, als das unsrige; an der Zeltstange, die in der Mitte stand und das spitze Dach trug, hingen des Paschas Säbel und seine Pistolen; auf dem Boden saß der Pascha selbst, dem Zelteingang gegenüber, auf einem sehr schönen Teppich, der den ganzen Raum einnahm. Mit einer Handbewegung lud er uns zum Sitzen ein, und wir ließen uns im Kreise nieder. Stets hatten wir große Noth mit unserm Dolmetscher Giovanni, der nur Arabisch, etwas weniges Türkisch und ein Gemisch von Französisch und Italienisch sprach. Trotz dem wollte er, wenn wir bei vornehmen Türken zum Besuche waren, nicht zurückbleiben; er sah es als einen Schimpf für sich an, wenn sein Herr von andern Dolmetschern bedient wurde. Auch heute Abend stand er an der Zeltthür, um sein Amt zu versehen; es wies sich aber aus, daß der Pascha nur türkisch sprach, und so mußte uns dessen Dragoman seine Worte in's Französische übersetzen, wodurch die Unterhaltung leidlich von Statten ging. Doch kaum hatte sich, als einmal im Gespräch eine Pause eingetreten war, der Dolmetscher etwas zurückgezogen, so hatte auch Giovanni ein Auskunftsmittel gefunden, um am Gespräche Theil nehmen zu können. Als dieses wieder begann, sprach der Pascha mit seinem Diener türkisch, dieser übersetzte es unserm Giovanni in's Arabische, und dieser gab es uns in gräßlichen Brocken von Italienisch und Französisch wieder. Es dauerte lange, bis diese Uebersetzungsmaschine recht in Gang kam, und man kann sich denken, wie viel gegenseitig verloren ging, bevor es an die rechte Behörde gelangte.

Gleich bei unserem Eintritt bot man uns Kaffee und lange Pfeifen an, und ungefähr eine Stunde darauf, um acht Uhr, schien das Souper mit einem kleinen Vorspiel, bestehend aus geschälten Mandeln, geschnittenen Aepfeln, Rosinen, Datteln und getrockneten Feigen, den Anfang nehmen zu wollen. Auch wurde in kleinen Tassen Raki oder Dattelbranntwein präsentirt. Daß weder von Tellern, noch von Messer und Gabel die Rede war, brauche ich nicht zu erwähnen. Der Tisch bestand wie immer aus einer großen, runden, kupfernen Platte, die auf einem fußhohen Untersatze auf der Erde stand. Anfangs bemühten wir uns Alle, so anständig als möglich zu sitzen, das heißt, mit untergeschlagenen Beinen oder wenigstens knieend. Es freute den alten Pascha ungemein, wenn er sah, wie wir so oft unsere Stellung wechselten, und er lachte jedesmal herzlich darüber.

Wir hatten den Tag über fast gar nichts gegessen, und da wir nun zu sechs die kleinen Schüsselchen herzhaft angriffen, waren sie bald geleert, wurden aber noch viel schneller, durch die hinter uns stehenden Diener aus großen Körben wieder gefüllt. Nachdem dies mehrmals geschehen war, wurde der erste Gang mit einer zweiten Lage von Dattelbranntwein geschlossen, dann wieder Pfeifen und Kaffee gebracht, und die Unterhaltung begann von Neuem, viel lebhafter als früher, aber auch, da sie durch zwei Dolmetscher ging, viel zerrissener. Der Pascha, der auf der Brust das Nischah seiner Würde, einen großen Brillantstern, trug, wurde sehr redselig, wozu wohl der Raki das Seinige beitragen mochte, und ließ uns unter Anderem sagen, obgleich er Türke sei und unter den Befehlen Mahmuds II. Gouverneur von Creta gewesen, so sollen wir doch nicht glauben, daß er verrätherischerweise zu Mehemed Ali übergegangen; er sei, als Creta zum ägyptischen Paschalik geschlagen worden, Gouverneur geblieben und habe so den Herrn gewechselt. Bei der jetzigen Umwälzung der Dinge habe ihn Mehemed Ali behalten, ihm ein Kommando in der Armee gegeben und gegenwärtig sei er hier in Salahieh mit großen Vorräthen an Fourage und Lebensmitteln, um sie an die Kolonnen der ägyptischen Armee, die von Gaza herüberkämen, zu vertheilen.

Es war neun Uhr, als der zweite Gang des Abendessens erschien, dem wir sehr hungrig entgegen sahen. Er bestand aus geschälten harten Eiern, eingemachtem Geflügel, kleinen getrockneten Nilfischen und dergleichen mehr. Mich hatte das Sitzen auf den untergeschlagenen Beinen und Knieen so entsetzlich müde gemacht, daß mir in dieser Stellung ferner kein Bissen geschmeckt hätte, weßhalb ich die Dehors gröblich verletzte und mich der Länge nach auf den Bauch hinlegte, so daß meine Füße die Zeltwand berührten und mein Kopf in angenehmer Entfernung über den aufgetragenen Schüsseln schwebte. Der Pascha brach bei diesem Anblick in ein unauslöschliches Gelächter aus und ermunterte die Andern, es mir nachzuthun, weil er ihnen wohl ansah, wie viel Gewalt sie sich anthaten, was sie sich auch, mit Ausnahme des Barons, nicht zweimal sagen ließen. Der Baron konnte Stunden lang knieen, ohne müde zu werden.

So wurde es zehn Uhr, und da kein neues Gericht erschien, sondern die Bedienten die leer werdenden Schüsseln immer wieder mit Fischen und den andern alten Speisen füllten, so besorgten wir, das Souper möchte zu Ende sein, und dann wäre es für uns, die wir den ganzen Tag geritten und gehungert, ausnehmend frugal gewesen. Da wir nicht zu fürchten hatten, vom Pascha verstanden zu werden, so äußerten wir laut unsere Besorgnisse, was zu sehr lächerlichen Scenen Anlaß gab. Wenn ich zu dem neben mir Liegenden sagte: »ich glaube wahrhaftig, der alte Herr denkt, wir haben genug an Eiern und getrockneten Früchten,« so nickte der Pascha, der uns aufmerksam zuhörte, lächelnd mit dem Kopf und machte eine Bewegung mit der Hand nach Brust und Stirn, als hätten wir ihm ein Compliment gemacht. Der einzige, der noch auf ein solides Gericht hoffte, war der englische Kapitän; er verwarf daher auch unsern Vorschlag, von Giovanni in unserm Zelt einen kräftigen Reisbrei fertigen zu lassen, der uns zu Hause für die Früchte und Eier schadlos halten sollte. Er behauptete, es müsse bald ein Hauptschlag geschehen, das heißt, ein Hauptgericht erscheinen, und doch strich der alte Gouverneur von Creta seinen wallenden Bart und wischte sich mit einem gestickten Mousselintuch die Hühnerbrühe ab, die seine Finger bis zum zweiten Gelenk bedeckte. Es wurde eilf Uhr; aus Ungeduld tranken wir beständig Dattelbranntwein, der in großer Menge gereicht wurde und dessen Geist wir dann wieder durch starken Kaffee und Tabak niederschlugen. Auch griffen wir, da an ein weiteres Gericht gar nicht mehr zu denken war, wieder zu den vorhin verschmähten Schüsseln mit Eiern und Früchten und leerten sie, wobei besonders unser Maler sehr traurige Betrachtungen anstellte. Nun erschienen zwei Diener und trugen die kupferne Tischplatte hinaus. Jetzt glaubte selbst der Kapitän, daß Alles vorbei sei, und Baron T. fing schon an, unserm Dolmetscher eine Danksagung für das treffliche Souper in den Mund zu legen, als sich die Zeltthüre weit von einander that und die Tischplatte wieder erschien, beladen mit einem gebratenen Lamm, das den angenehmsten Duft verbreitete. Nie ist ein Osterlamm mit mehr Ehrerbietung empfangen worden; es war rührend anzusehen, wie sich alle Gesichter ringsum aufklärten, was auch der Pascha zu bemerken schien und freundlich dazu lächelte. Jetzt erschien ein Diener, den wir bisher nicht gesehen, und Giovanni sagte uns, es sei der Koch, der das Lamm zerlegen und mit eigenen Augen sehen wolle, wie das Gericht, an dem er seine ganze Kunst erschöpft, den Gästen schmecke. Das Tranchiren ging sehr einfach von statten: er streifte seine Hemdärmel bis zum Ellbogen in die Höhe, nahm dann von den Rippen zu beiden Seiten des Thieres, so viel er fassen konnte, und riß sie von einander, so den Bauch öffnend, worin ein wahrer Schatz vergraben lag, ein süßer Pillau, mit Kastanien und Rosinen gewürzt. Darauf riß er mit unglaublicher Geschicklichkeit von den Schenkeln, dem Nacken und dem Halse des Thieres Stücke Fleisch ab, die er vor uns hinlegte, sowie auch große Haufen des Pillau, den er mit den Händen aus dem Bauche des Thiers schaufelte.

Und wir erhoben die Hände zum lecker bereiteten Mahle, griffen herzhaft zu, und nicht eher wurde wieder ein Wort gesprochen, bis der größte Theil des Lammes vertilgt war. Den Rest nahm der Koch wieder hinaus und gab es draußen den Bedienten. Vom Pillau, den der Pascha vor sich hatte, drehte er am Ende der Mahlzeit zwei große Kugeln, die er dem Baron und dem Kapitän, als den höchsten in der Gesellschaft, eigenhändig in den Mund steckte. Freilich eine große Ehre, um die wir sie aber nicht sehr beneideten. Darauf kamen noch kleine Schüsselchen mit Confituren und süßen Sachen, denen ich aber im Orient nie Geschmack abgewinnen konnte; sie sind meistens sehr fett und widerlich süß.

Der letzte Akt des Soupers hatte uns Alle in heitere Stimmung versetzt, und wir thaten dem Pascha den Gefallen, recht viel von seinem Raki zu trinken, den er uns oft mit eigener Hand credenzte. Es war ungefähr ein Uhr geworden, als wir aufstanden und uns mit vielen Danksagungen von dem alten Herrn beurlaubten, der uns mit seinen besten Segenswünschen entließ.

Es war das herrlichste Wetter, als wir uns am andern Tage sehr früh erhoben. Die Sonne vergoldete die Stämme der Palmen, und ihr Strahl bildete aus den Thautropfen, die an den Gräsern hingen, Tausende von Diamanten, ein Anblick, um so freundlicher für uns, als wir ihn so lange nicht genossen hatten. Rasch wurden unsere Kameele beladen und wir waren in kurzer Zeit zum Aufbruch fertig. Als wir eben abreiten wollten, ließ uns der freundliche Pascha zu einer, Tasse Kaffee einladen. Wir sagten dem guten alten Manne ein herzliches Lebewohl, und nachdem ihm der Baron noch das Vergnügen gemacht hatte, ihm auf seinem Fuchshengste zu zeigen, wie ein deutscher Reiter zu Pferd sitze und es in der Gewalt habe, zogen wir lachend und singend unseres Wegs.

Anfänglich lief unser Pfad einen Damm am Nil entlang, und außer den Palmen, den einzigen Bäumen, die wir bisher gesehen, erschienen hie und da einzelne Platanen, Cedern, auch einige Maulbeerbäume in Gruppen beisammen; auf ihren Zweigen wiegten sich zahllose wilde Tauben und eine Art Wiedehopf, etwas kleiner als die unsrigen, aber von schönem glänzendem braunem Gefieder. Wir schössen viele dieser Vögel, die dann gleich aus freier Hand gerupft und an den Sattelknopf gehängt wurden, um Abends eine feine Schüssel zu bilden. Für uns, die wir aus dem öden Syrien kamen, war es sehr erfreulich, zu sehen, wie hier jeder Fußbreit Landes auf's Sorgfältigste benutzt wird. Alle Felder sind durch Wassergräben im Vierecke von ungefähr sechs Fuß getheilt. Ein Schöpfrad, das in einem runden, gemauerten Brunnen durch Thiere, oder bei kleineren auch durch Menschenhände getrieben wird, füllt diese Gräben, welche so dem ganzen Felde frisches Wasser mittheilen. Dergleichen Schöpfräder hat Mehemed Ali, wie man sagt, im ganzen Delta nicht weniger als fünfmalhunderttausend auf seine Kosten bauen lassen. Das schöne, gleichmäßig angebaute Land ringsum gleicht mit seinen gesund aussehenden Arbeitern dem großen Garten eines reichen Herrn, und leider ist es im größten Theil von Aegypten wirklich so. Der Fellah säet und erntet für die Regierung, der er nicht etwa nur einen Theil seines sauer Erworbenen abgibt: die unmäßigen Steuern lassen ihm von seinem Verdienst nur eine Kleinigkeit übrig; ein Verhältniß, das indessen von dem Aegypter nicht so schwer empfunden wird, wie es uns beim ersten Anblick erscheint, und wie es den allgemeinen Menschenrechten nach wirklich ist. Der Fellah kann ja kein Eigenthum für seine Kinder sammeln, denn das Grundstück, auf dem er säet, das Haus, in dem er wohnt, und das Schöpfrad, das ihm sein Wasser liefert, gehören der Regierung; ja sogar die Palmbäume, die das Delta umgrenzen, sind größtentheils Eigenthum des Pascha; der Bauer bekommt für die Pflege und Wartung der Bäume nur einen kleinen Theil der Früchte. Es sei ferne von mir, die Administration und das Steuerwesen Mehemed Alis, die schon von so vielen besser Unterrichteten besprochen worden sind, hier auseinander setzen, oder sie gar vertheidigen zu wollen. Aber das große Geschrei über die schreckliche Unterdrückung und das Elend des ägyptischen Bauern haben wir durchaus nicht gerechtfertigt gefunden. Es ist wahr, das Gesetz steht mit der Peitsche hinter ihm und zwingt ihn zu immerwährender Arbeit, dafür hat aber auch der Fellah zu leben, und man braucht in einem ägyptischen Dorfe nicht, wie in der Türkei in Dörfern, ja in Städten, wie Schumla, lange nach einigen Lebensmitteln herumzuschicken. Sobald wir uns im Delta einem Dorfe näherten, war augenblicklich ein kleiner Markt um uns versammelt und wir kauften zu den billigsten Preisen Hühner, Eier, Butter, Milch, oder was wir sonst bedurften. Die Wohnungen der Fellahs sind freilich nicht glänzend, aber es war uns noch in frischem Andenken, was wir auf der Landreise durch die Türkei gesehen, und gegen die Hütten von Giorgewo sind die Häuser der Fellahs recht wohnlich.

Nach einigen Stunden verließen wir den Damm und wandten uns durch den Palmenwald, der Grenze des Delta, wieder in die Wüste, und um nicht allen Krümmungen, die, wie schon gesagt, hier das angebaute Land bildet, folgen zu müssen, ritten wir einen Sandweg gerade aus. Uns zur Seite zogen sich die Palmen in einem Bogen zurück, dessen Ende wie ein Vorgebirg wieder in den Weg hinein trat. Nach einigen Stunden hatten wir es erreicht, und ruhten in seinem Schatten einige Zeit aus, um dann wieder ans eine neue Walddecke, die vor uns auftauchte, loszurücken. Nach diesen Etapen, wenn ich es so nennen darf, die, da die Palmenwälder gegen den Sand ziemlich regelmäßige Bogen bilden, fast gleichweit von einander entfernt sind, berechneten unsere Beduinen den Weg, und wenn wir sie fragten, wie lange wir noch zu marschiren haben, so hieß es: wir haben bis zum Nachtquartier noch so und so viel mal Schatten.

Wir waren noch ein paar Stunden von dem Dorfe Abu Hamud, das wir heute erreichen wollten, als die Sonne sank und die Palmen lange Schatten in unsern Weg warfen. Die Hitze, die den Tag über ziemlich stark gewesen war, ließ nach, und wir hatten noch einen köstlichen Abend. Da der Weg ziemlich hart, auch stellenweise mit Rasen bedeckt war, so stiegen wir ab und ließen die ermüdeten Thiere am Zügel nachlaufen, während wir unsere Phantasien und Plane, die wir in Betreff Kairo's gefaßt hatten, einander mittheilten. Mit welchen Farben malten wir uns die Herrlichkeiten der alten Kalifenstadt aus! wie ehrerbietig wollten wir dem Rauschen des Nilstromes horchen, ob er uns nicht vielleicht etwas von den vergangenen Zeiten erzähle! Neben diesen poetischen Gedanken stiegen auch recht prosaische auf; so wenn wir uns die Eleganz des englischen Gasthofs, den wir beehren wollten, vergegenwärtigten. Wir waren diesen Abend Alle recht froh gestimmt und schickten manchen Gruß nach der Heimath. Das Herz ist an einem schönen Abend stets geneigter, angenehme Eindrücke, besonders Schönheiten der Natur aufzunehmen und zu warmen Gefühlen zu verarbeiten, die es lebendiger schlagen, das Blut rascher kreisen machen. Wir sahen fast ängstlich links, wo die Wüste ihre Hand nach uns ausstreckte, auf den gelben Sand, in dem die letzten Strahlen der Sonne, wie auf einem Wasserspiegel, einen goldenen Weg zeichneten. Rechts sahen wir die Stämme der Palmen von demselben Lichte gelb angestrahlt, und unter ihnen blickte hie und da ein kleines Hüttchen heraus, vor dem dunkelfarbige Kinder spielten. Hier führte unser Weg dicht bei einem Brunnen vorbei, wo junge Araberinnen ihre Gefäße füllten, oder die vollen Krüge mit unbeschreiblicher Zierlichkeit auf dem Kopfe trugen, und dabei lachten und schäkerten. Auch gaben sie uns bereitwillig von ihrem Wasser und schöpften gerne für unsere Kameele und Pferde eine Rinne voll. Wir fühlten uns lebhaft in eine uralte Zeit versetzt, denn hier hat sich in Costüm und Sitten wenig geändert, und Rebekka muß wie jene Araberin ausgesehen haben, die uns freundlich lachend nach der Reihe ihren Krug bot.

Vor uns hatten wir eine kleine Anhöhe, hinter welcher unser Nachtquartier lag. Herr Akrabut, der Märchenerzähler, war der Erste, der mit seinem Kameel oben war, und blieb dort halten, ein langes, freudiges Geschrei ausstoßend. Wir eilten zu ihm und sahen durch eine Lichtung im Palmenwald ein großes Stück des Delta vor uns liegen und an zwei Stellen den Nil. Dies sah ich, aber der Baron, der ein sehr scharfes Auge hat, rief uns zu, nach den Gläsern zu greifen und nach den Höhen zu sehen, die wir am feinen Horizont bemerkten. Mir schien es anfänglich eine Hügelreihe; doch als ich genauer hinsah, waren es die Pyramiden von Ghize.

Ich weiß nicht, ich glaubte, mich müsse ein eigenes gewaltiges Gefühl beim Anblick dieser Steinmassen durchzucken, die uns so fern sind und doch seit der frühesten Jugend schon bekannt. Als ich noch ein kleiner Knabe war, wußte ich schon, daß es im Lande Aegypten ungeheure Pyramiden gebe, und wie sie ungefähr aussehen. Von da an hielt ich sie im Herzen fest und ließ sie mit meinem Begriff wachsen. – Jetzt standen sie vor mir, und – wie der Mensch ist – nicht der stolze Gedanke, so weit hinaus gekommen zu sein in die Welt und diese Pyramiden zu schauen, bald zu berühren diese Steine, an denen der Staub von Jahrtausenden klebt und an denen eine ungeheure Geschichte spurlos vorübergestrichen, ließ mein Herz stärker schlagen, sondern als wäre es ängstlich, einen kleinen Gedanken bei diesen gewaltigen Zeichen einer großen Zeit zu fassen, fuhr es in sich zurück und schwärmte beim Anblick der Pyramiden von Kindheit und Liebe, so daß ich endlich wie aus dem Schlafe erstaunt auffuhr und meinen Gefährten nacheilte, die schon weit voraus waren.

Wir hatten noch eine halbe Stunde zum Eingange des Dorfes, wo wir übernachten wollten. Bei demselben, etwas vom Wege ab, lag versteckt unter hochstämmigen Palmen, dichten Platanen und Akazien, recht still und heimlich, das Grab eines türkischen Heiligen, aus einem kleinen Gebäude mit einer Kuppel bestehend. Wir passirten eine steinerne Brücke, die über einen Arm des Nils führt, und schlugen unser Zelt auf einem Rasenplatz vor dem Dorf Abu Hamad auf, welches uns noch bei Weitem erbärmlicher schien, als Salahieh. Von einer Menge neugieriger Weiber, Kinder und Männer umringt, packten wir ab und richteten uns in unsern Zelten ein, wobei das Volk alle Gegenstände, die zum Vorschein kamen, aufmerksam betrachtete. Man mußte die Augen überall haben, damit die Sachen wieder in unsere Hände kamen. Wie im ganzen Orient, waren auch hier für die Männer die Percussionsschlösser an unsern Gewehren ein Gegenstand der größten Verwunderung; sie konnten nie begreifen, wie das kleine kupferne Zündhütchen im Stande sein sollte, dem Pulver Feuer mitzutheilen. Die Weiber hingegen lachten über unsere blechernen Kochgeschirre und Casserole, sowie über unsere Leuchter und die Wachskerzen, die darin staken, eine Sache, die ihnen sehr wunderbar vorkam, besonders als wir sie anzündeten.

Beim Einreiten in's Dorf hatten wir auf den umliegenden Feldern große Schaaren von weißen Vögeln entdeckt, die Reihern glichen. Schon oft hatten wir einzelne bei Acre und Jaffa gesehen und waren ihnen, so viel es uns Zeit und Weg erlaubte, Stunden lang nachgestrichen, ohne zum Schuß kommen zu können. Heute nun war die Gelegenheit zu schön, mit diesen Thieren nähere Bekanntschaft zu machen, um sie unbenutzt vorbei gehen zu lassen. Der Maler und ich nahmen unsere Flinten und gingen aus dem Dorfe, um uns hinter einigen Hecken her an einen Platz zu schleichen, wo die Vögel auf einem sumpfigen Reisfelde gravitätisch auf und ab spazierten. Doch ehe wir nahe genug kamen, flog neben uns eine Schaar wilder Tauben auf, und wir konnten unmöglich unterlassen, unsere Gewehre auf sie abzufeuern, was auch mehrere zu Boden brachte. Das Knallen hatte aber die Reiher aufgeschreckt und sie zogen mit schwerem Flügelschlag einige Felder weiter. Wir folgten rasch, und obgleich wir, hinter Schöpfrädern und Brunnen fortschleichend, ihnen oft sehr nahe kamen und auf sie schossen, konnten wir doch keinen einzigen erreichen. Die Thiere schienen unserer zu spotten und hoben sich nach jedem Schuß unversehrt in die Luft, ohne auch nur eine Feder zurückzulassen.

So jagten wir sie um das ganze Dorf herum, bis in die Nähe des oben genannten Grabmals, wo der ganze Schwarm erst eine Zeit lang in der Luft kreiste und sich dann mit einemmal auf die Bäume niederließ, die davon ganz weiß, wie mit Schnee bedeckt, aussahen. So still es vorhin um das Grabmal gewesen war, so lärmend wurde es jetzt; denn außer den Reihern, die sich schreiend um die Plätze auf den Aesten zu zanken schienen, hatten sich hier wilde Tauben, Wiedehöpfe und andere Vögel zahlreich eingefunden, wahrscheinlich um an diesem Orte, der den Arabern heilig ist, ungestört ihre Nachtruhe zu halten. Wir traten an das Gemäuer, das, ein Paar Fuß hoch, das Grab und den Garten umgab, und sahen wie die Vögel, die früher so scheu vor uns geflohen waren, jetzt in der schönsten Schußweite es sich vor unsern Äugen bequem machten und uns vertrauensvoll ganz nahe kommen ließen. Es wurde uns wirklich schwer, dieses Vertrauen zu respektiren und nicht unter sie zu schießen; doch würde auf einen Schuß in die dicht gedrängten Haufen eine ganze Masse gestürzt sein, und wir wünschten nur ein einziges Exemplar zu haben, um es unserem Doktor heimzubringen, und wilde Tauben für die Küche hatten wir bereits in Menge. Schon wollten wir uns, da es stark dämmerte, nach den Zelten zurückbegeben, als noch ein großer Reiher, der sich wahrscheinlich verspätet hatte, im schweren Flug über uns hinschwebte. Der Maler gab Feuer, das Thier stürzte herab und in demselben Augenblicke hob sich der ganze Schwarm, der sich auf den Bäumen gelagert hatte, und flog mit lautem Geschrei über unsern Köpfen weg. Wir aber machten uns mit unserer Beute davon; denn die Schüsse und der Lärm der Vögel hatten mehrere Dorfbewohner herbeigezogen, die über unsere Jagd an ihrem geheiligten Orte unwillig schienen.

Wir hatten heute einen ganz ähnlichen Weg, wie gestern. Nachmittags gegen drei Uhr sahen wir vor uns ein kleines Dorf liegen, das uns wunderlich vorkam. Jedes der niedrigen Häuser schien, was wir sonst nie gesehen hatten, auf der Terrasse eine Menge Schornsteine zu haben, die von der Höhe wie das Haus selbst, aber mit einem kleinen Kuppeldach bedeckt waren und nach allen Seiten kleine Löcher hatten. Als wir näher kamen, wurde unsere Jagdlust rege, denn das ganze Feld und selbst die Straße war mit zahllosen Schaaren von Tauben bedeckt, die so zahm waren, daß sie unter die Hufe unserer Pferde liefen. Schon wollten wir einige Schüsse unter sie thun, als der Chef unserer Beduinen uns davon abhielt: es seien keine wilden Tauben, sondern zahme, die in den von uns für Schornsteine gehaltenen Aufsätzen der Häuser nisteten und täglich in großer Anzahl nach Kairo geliefert würden.

So näherten wir uns denn rasch der Hauptstadt und hatten schon den Umkreis erreicht, in dem sie ihre gierigen Fänge ausstreckt, um Nahrung für sich herbeizuschleppen. Auch kamen wir Nachmittags an ein großes Gebäude, von mehreren kleinen umgeben, wie man uns sagte, eine Anstalt zur Erziehung der Kinder ägyptischer Soldaten. Da jeder dieser Vaterlandsvertheidiger sich verheirathen darf, so ist es nicht mehr als billig, daß der Staat auch für die hieraus entstehende Generation sorgt; denn das Weib des ägyptischen Soldaten begleitet den Mann in's Feld, um ihn zu bedienen; sie putzt seine Waffen und Uniformsstücke, sorgt in den meisten Fällen für die Unterhaltung und Wartung des Pferdes und bereitet ihrem Gemahl das Brod, indem sie das Korn oder den Reis, den der ägyptische Soldat empfängt, auf einer kleinen Handmühle mahlt und runde, dünne Kuchen daraus backt; eine Masse von Geschäften, die sie, wenn ihr obendrein auch noch die Last aufläge, ihre Kinder um sich zu haben, deren in den meisten Fällen nicht wenige sind, völlig erdrücken würde. Deßhalb können sie die Knaben, wenn sie das dritte Jahr erreicht haben und gesund und stark sind, an jene Erziehungshäuser abliefern, die dann nach Landesart für sie sorgen; d, h. die Kinder lernen etwas im Koran lesen und werden dabei frühzeitig, da sie Soldaten werden sollen, zu allen möglichen Waffenübungen angehalten.

Die Gebäulichkeiten dieser Erziehungsanstalt waren ziemlich geräumig und aus Steinen aufgeführt; es schien aber, als würden sie nicht sonderlich unterhalten. Wir hatten nicht Zelt, das Innere zu besehen, doch ließen wir uns später in Kairo darüber unterrichten und hörten, daß die Einrichtung sehr einfach sei. Das Ganze besteht außer kleinen Zimmern, worin die Zöglinge am Boden auf Strohteppichen schlafen, und einem gemeinschaftlichen Saale, wo man sie im Lesen unterrichtet, nur aus einem großen Hof zum Spielen und einem Garten, oder vielmehr einem Stück Feld, wo sie im Bebauen und Bewässern der Aecker unterwiesen werden. So gut und menschlich vielleicht der Zweck einer solchen Anstalt sein mag, und so sehr sie dem ägyptischen Soldaten bei der uns sehr mißlich erscheinenden Erlaubniß, sich verheirathen zu dürfen, seine Lasten erleichtert, so schlimm wirkt das Zusammenwohnen dieser Kinder, die in den meisten Fällen schon zuvor verdorben sind, auf ihre Sittlichkeit.

Es war bereits Abend geworden, als wir unser letztes Nachtquartier vor Kairo erreichten, worüber wir Europäer uns nicht wenig freuten. Aber unsere Beduinen und Kameeltreiber wären, als wir die Wüste einmal hinter uns hatten, mit uns, glaube ich, durch das Delta bis nach Oberägypten gezogen; so gut, wie sie und ihre Thiere es bei uns hatten, bekamen sie es schwerlich so bald wieder. Besonders gefielen ihnen die ungeheuren Portionen Pillau, die Giovanni täglich für sie zubereitete, und die sie in Ermanglung einer großen Schüssel aus den kleinen Gefässen, die er einigemal für sie füllte, auf einen zusammengefalteten Burnus schaufelten und von diesem mit den Händen zum Munde führten. Auch verschmähten sie, ihrem Gesetz zum Trotz, die Ueberreste eines schlechten rothen Weins nicht, den wir zuweilen in den ägyptischen Dörfern fanden und ihnen zukommen ließen.

Die Einwohner des Dörfchens, bei dem wir lagerten, drängten uns mit den mannigfaltigen Artikeln, die sie zu Verkauf brachten, so sehr, daß wir unsere Leute um die Zelte stellen mußten, um sie einigermaßen abzuhalten. Da viele mit denselben Artikeln kamen, so fiel uns oft die Wahl schwer; denn obgleich eifrige Concurrenten, überboten sie sich doch nicht, wie bei uns, im Herabsetzen der Preise, sondern hielten sie in einer verdrießlichen Uebereinstimmung auf derselben Höhe, weßhalb sich unser Kapitän, der meistens die Einkäufe besorgte, damit half, daß er nur von den hübschesten jungen Weibern und Mädchen etwas nahm, worüber die alten ein gewaltiges Geschrei erhoben. Es gab ein solches Gezänk, ja am Ende ein Handgemenge, daß wir vor lauter Lachen mit unserem Geschäft inne halten mußten. Nichts possierlicher, als der Eifer, ich möchte sagen die Wuth, mit der die Weiber, schwer bepackt, herbeirannten, um ihre Artikel durch Anpreisungen und Liebkosungen an den Mann zu bringen. So kamen welche, die auf dem Kopf ein Körbchen mit Butter und Eiern, unter einem Arm einige Hühner, in der andern Hand ein Gefäß mit Milch trugen, und trotz dem Drängen und gegenseitigen Stoßen diese Sachen so geschickt zu balanciren wußten, daß sie nichts davon verschütteten und zerbrachen. Ein paar kleine schmutzige Kinder hielten sich meistens am blauen Hemd ihrer Mutter fest, und da sie aus Angst vor den Franken nicht wagten, dieses Asyl zu verlassen, so wurden sie beim Vordringen mit fortgerissen und beim Zurückstoßen nicht selten unsanft auf den Boden gesetzt, und ihr Gekreisch mischte sich harmonisch mit dem Geschrei der Weiber. Endlich hatten wir glücklich unsern Bedarf an Lebensmitteln beisammen; es war wenig, hatten wir ja morgen nicht mehr nöthig, unsern Pillau und unsere Hühner selbst zu kochen. Wir zogen uns in's Zelt zurück, um dem Schwarm zu entgehen, mit dem wir aus verschiedenen Gründen nicht zu sehr in Berührung kommen mochten.

Wir berathschlagten über den Küchenzettel. Heute, am letzten Tag unserer Wüstenreise, wollten wir ein übriges thun, besonders den noch vorräthigen Zucker, den wir morgen nicht mehr brauchten, gehörig anbringen. Zu dem Ende schlug der Baron einen süßen Reis vor, was einstimmig angenommen wurde. Dann waren wilde Tauben da, die wir am Morgen geschossen, Hühner, Eier und ein saftiges Stück »Mouton,« eine Lieblingsspeise des Engländers, der aber trotz dieser Auswahl von Speisen noch einen Pillau mit Hammelfett wünschte und dessen Anfertigung neben den verschiedenen andern Artikeln seinem Koch auftrug, was bald zu einem lächerlichen Streit zwischen Beiden Veranlassung gab. Wir sahen während des Speisens den Kapitän an, daß er mit Verlangen auf seinen Pillau wartete; doch kam er immer nicht, und Hussein wollte schon das Tischzeug abräumen, als sich der Engländer nach seinem Lieblingsgericht erkundigte, und zu seinem nicht geringen Aerger erfuhr, unser Giovanni habe heute die Küche besorgt und keinen Pillau kochen wollen, weil er geglaubt, wir haben an den andern Gerichten genug. Ruhig ließ der Engländer Teller und Bestecke fortbringen, und erst nachdem der Kaffee getrunken und eine lange Pfeife angesteckt, citirte er seinen Koch und sagte ihm im gelassensten Tone: »Bessewenk, warum hast du keinen Pillau gekocht?« Der Koch stotterte die Weigerung Giovannis her, und der Kapitän fuhr fort: »So mach jetzt den Pillau.« Wir konnten uns kaum des Lachens enthalten, aber der Kapitän meinte, er kenne diese Menschen; man müsse sie das buchstäblich erfüllen lassen, was ihnen befohlen worden, und er hatte allerdings Recht. Wir machten uns mit Raki, den wir im Dorf gekauft, noch einen Punsch zurecht und legten uns dann zum Schlafen nieder. Ich mochte etwa eine Stunde geruht haben, als ich durch ein gelindes Tellergeklapper erwachte. Schlaftrunken öffnete ich die Augen und glaubte, als ich sah, daß Hussein den Tisch deckte, wobei ihm der Kapitän aufmerksam zusah, es müsse bereits Morgen sein; doch ein Blick aus die Uhr belehrte mich, daß es ein Uhr in der Nacht war. Auch die andern Reisegefährten erwachten, man fragte den Engländer, ob er noch einmal speisen wolle; dieser entgegnete ruhig, Hussein werde gleich den vergessenen Pillau bringen. Er erschien wirklich mit einer bedeutenden Schüssel voll, und der Kapitän lud uns dazu ein. Wir versicherten ihm lachend, der Schlaf sei uns viel lieber als sein Pillau, worauf er sich allein an die Schüssel legte, einen Löffel voll genoß und dann Hussein befahl, die ganze Bescheerung wieder fortzunehmen. Auf diese Art erzog der Mann seine Leute; er hatte im langen Umgang mit diesen Menschen gelernt, daß sie durchaus nicht wie europäische Bediente zu behandeln seien; ein Verweis rührte sie nicht im Geringsten. Allerdings mißhandelte er sie zuweilen, aber sie flogen auf einen Wink von ihm zu seinen Diensten herbei. Mit unsern Leuten war es ganz anders, besonders mit Giovanni. Der gute Baron behandelte ihn freundlich, verlangte wenig von ihm und ertheilte ihm, selbst wenn er sehr nachläßig war, nur einen gelinden Verweis. Dafür that dieser Herr auch meist, was er wollte, und wenn er es auch nicht wagte, sich offen gegen den Baron zu empören, so verrichtete er doch seine Geschäfte, wenn er schlecht gelaunt war, mit dem größten Widerwillen, und uns behandelte er nicht selten sehr nachläßig. Ich habe nie einen Menschen gesehen, der seinem Herrn gegenüber eine unverschämtere Stellung annehmen konnte. Oft, wenn ihm der Baron einen Befehl ertheilte, verschränkte er die Arme, stellte sich trotzig hin und fragte in seiner lingua franca: »Qui voulete?« War dieser Mensch aber bei guter Laune, so hatten wir an ihm den besten, gewandtesten Diener, den man sich denken kann, und es gab nichts, was Giovanni nicht ausgeführt hätte. Er war sehr muthig, ich glaube auch ehrlich, ließ sich im Handel von seinen Landsleuten nicht betrügen und kochte sehr gut. Indessen rathe ich jedem Reisenden, bei der Annahme eines solchen Dolmetschers, den er unter den Eingebornen wählen muß, sehr vorsichtig zu Werke zu gehen. Das beste ist, wenn man die Route macht, seinen Dragoman von Konstantinopel mitzunehmen, wo es deren gibt, die durch ihre Solidität, und Brauchbarkeit bekannt sind und zuweilen von der Pforte zu kleinen Geschäften benutzt werden, es aber vorziehen, Reisende zu begleiten. Ein solcher kann sich leicht einen Ferman verschaffen, der ihm in den Ländern, die dem Sultan untergeben sind, dasselbe Ansehen gibt, dessen die Tartaren oder Begleiter der türkischen Post im Innern des Reichs genießen. So kostspielig ein solcher Diener ist, so hätten wir doch einen genommen; aber wegen der Botschaften, die stets zwischen Mehemed Ali und der Pforte gewechselt wurden, war im Augenblick kein einziger in Konstantinopel zu haben. Unser Giovanni war in Smyrna gedungen worden, wo er zur Zeit in einem französischen Gasthof den Lohnbedienten machte. Ich glaube, der Wirth empfahl ihn deßhalb so dringend, um seiner los zu werden. Er reiste auch gleich stehenden Fußes mit, ohne seine vielen Kleider mitzunehmen, die er sich nach Beirut nachkommen lassen wollte. Doch haben wir auf der ganzen Tour von der Equipage keinen Faden zu Gesicht bekommen.

Der Engländer halte wegen der Bosheit dieses Burschen schon oft seinen Aerger an den Tag gelegt, und wir sahen ihm an, wie gern er einmal mit ihm angebunden hätte; doch nahm sich Giovanni lange in Acht, mit dem Kapitän in Berührung zu kommen, bis er eines Morgens, als ihm die Kameeltreiber zu langsam aufpackten, von seinem Pferde sprang und jedem einen Hieb mit dem Kantschuh versetzte. Da gab der Kapitän seine Pfeife ganz ruhig an Hussein, machte seine Reitpeitsche los und prügelte unsern Dragoman mit den Worten durch: »Wie kannst du, Schuft, meine Leute schlagen?« Dies that für lange Zeit gut, und er war die Folgsamkeit selbst; in der Folge durfte der Kapitän nur mit den Augen winken, und Giovanni kam herbei, sich nach seinen Befehlen zu erkundigen.

Wir schliefen die Nacht unruhiger als je; außer verschiedenen kleinen Thieren, die uns sehr belästigten und die der Verkehr mit den Arabern uns zugeführt, störte uns auch der freudige Gedanke, morgen in Kairo einzurücken. Beim ersten Schein des Tages waren wir munter und putzten uns so gut wie möglich heraus, um wenigstens in ziemlichem Anstand unsern Einzug in der Hauptstadt zu halten. Doch konnten wir die Eindrücke der Wüstenreise unmöglich vertilgen, und wir sahen einer Bande fahrender Abenteurer nicht unähnlich. An der Spitze des Zugs gingen die Kameele; auf dem ersten hing das Fohlen, jetzt wieder allein, denn die ägyptische Dame, die uns gefolgt war, ließ der Baron heute absteigen, weil er nicht Lust hatte, mit einem Stück Harem anzukommen. Die Last unserer beiden Packkameele hatte sich auch sehr vermindert, da unsere Vorräthe geschmolzen waren. Auf dem vierten und fünften saßen der Maler und der Doktor in europäischen Röcken, das Fez auf dem Kopfe und um dasselbe ein Tuch turbanartig gewunden, ihre Gewehre auf dem Rücken und aus langen Pfeifen rauchend. Auf dem sechsten ritt Friedrich, der Reitknecht, der wohl am sonderbarsten costümirt war und den Arabern häufig Stoff zum Lachen gab. In seinem Anzug waren Orient und Occident drollig vermischt. Auf eine weite graue türkische Hose hatte er braune Kamaschen geknöpft, die etwas defekt geworden waren und die rothen Pantoffeln an dem Fuße sehen ließen; über einer rothgewürfelten französischen Weste mit langen Schößen, die den halben Oberschenkel bedeckten, trug er einen weißen englischen Rock, der ihm im Stehen bis an die Füße reichte; um den Hals hatte er einen alten Shawl, mit dem er kokettirte und ihn stets mit einer ungeheuren Schleife aufband. Das siebente Kameel war das meinige, auf dem aber Hussein saß, der mir zu Anfang unserer Wüstenreise seinen Maulesel abgetreten hatte. Der Baron, welcher den gekauften arabischen Fuchshengst ritt, ein unermüdliches Thier, dessen Adel und Ausdauer man bei den härtesten Touren durch den tiefen Sand nicht genug bewundern konnte, trug einen blauen Ueberrock, einen rothen Shawl um den Leib, woran ein kleiner persischer Dolch in einer schön gearbeiteten silbernen Scheide hing, und hatte um den Kopf ein roth und gelbes Tuch gewickelt, wie es die Beduinen tragen. Der Kapitän, hatte, wie er selbst in der größten Hitze that, seinen feinen arabischen Mantel umgehängt, dessen Gewebe aus Kameelhaaren sehr dünn war und auf dessen schwarzem Grund sich die Gold- und Silberstickereien prächtig ausnahmen; er trug die Dienstmütze der englischen Armee. Mein Maulesel – ich habe von seinen glänzenden Eigenschaften schon früher gesprochen – hatte trotz aller Strapazen nichts von seinen Fehlern und seinem Fleische verloren. Mein Anzug dagegen war äußerst defekt geworden, und da meinem Rocke schon längst die meisten Knöpfe fehlten, so war mir der Riemen eines breiten persischen Schwertes, das ich um meine Lenden gegürtet hatte, als Halt des Gewandes viel nützlicher als die Waffe selbst. Unsere sämmtlichen Kleider waren von Sonne und Sand arg mitgenommen, und von unserer Wäsche mag ich gar nicht reden.

Wir rückten mit starken Schritten Kairo näher und betraten mit Ehrfurcht diesen Boden, der, einem großen Kirchhofe gleich, allmälig wieder herausgibt, was ihm vor Jahrtausenden anvertraut worden, und auf welchem nach langer Zeit der Erschlaffung ein neuer Zauberer erschienen. Man staunt, wenn man sieht, was Mehemed Ali in diesem Land und mit seinen Mitteln hervorgebracht. Neben der armseligen Hütte des Fellah erheben sich großartige Steingebäude, Schulen, Kanonengießereien, Gewehrfabriken und wohleingerichtete Gestüte: aber je mehr diese Anstalten, unter denen die schon erwähnte Telegraphenlinie durch die Wüste gewiß nicht die unbedeutendste ist, von dem Geiste dieses Mannes zeugen, um so mehr bedauert der ruhige Beobachter, daß er als Zauberer auftrat, der Alles mit einem Schlage erstehen ließ, und nicht als ruhig schaffender Geist, der erst die Wurzel festen Grund fassen läßt, ehe er den stolzen Baum aufrichtet. Mir ist Aegypten vorgekommen wie ein wilder Mensch, dem man die elegantesten Kleider anzieht und ihn zu einer Partie Boston setzt, wo er es mit geübten Spielern aufnehmen soll, er, der kaum weiß, was Karten sind.

Wenn man Kairo zurückt, besonders von der Seite, wo wir herkamen, so glaubt man, von der Straße abgesehen, die einige Stunden vor der Stadt wieder in tiefem Sand dahinzieht, man nähere sich einer der großen Städte Europas. Wir waren heute Morgen kaum einige Stunden geritten, so kamen wir an ein großes steinernes Gebäude, weiß angestrichen, auf's Beste erhalten und mit Gärten umgeben. Es war eine der höheren Militärschulen des Pascha, wo die Söhne der Generale, Beamten und selbst der Soldaten, wenn man Talent an ihnen entdeckt, zu Offizieren gebildet werden. Gegen Mittag zogen wir durch ein größeres Dorf, wo wir an vielen Gebäuden sehr schöne Ueberreste altarabischer Baukunst entdeckten, und kaum hatten wir es verlassen, so sahen wir weit vor uns zwischen weißen Gebäuden, Palm- und Akaziengruppen am äußersten Horizont gelbe Spitzen auftauchen – Kairo, so erklärte unser Beduinenchef mit lautem Geschrei.

Der Himmel, der bei unserm Auszug am Morgen ganz blau gewesen war, hatte sich ganz sonderbar verändert, wie wir es nie gesehen. Am Horizont nach Südwesten färbte er sich zuerst hellgelb, wie wenn dort große Staubwolken aufstiegen, und überzog sich nach und nach ganz mit einer dunkelgelben Farbe, wie man es wohl bei uns bei sehr starken Gewittern sieht. Dabei wehte uns ein heftiger Südwind mit erschlaffender Hitze an und führte uns einen feinen Sand entgegen, vor dem man kaum die Augen offen lassen konnte. Es war der Samum, der um diese Zeit anfängt, den Karawanen verderblich zu werden. Hinter dem Dorfe, von dem ich eben sprach, mußten wir unser Gesicht mit einem Tuch verhängen, um nicht zu erblinden. Der Sand, den dieser Wind mit sich führt, ist so fein und fällt mit solcher Gewalt auf Menschen und Thiere, daß er durch alle Bedeckungen und Kleidungsstücke hindurchdringt; obgleich wir unsere Ueberröcke so fest wie möglich zugeknöpft hatten, fand er seinen Weg hindurch und bedeckte den ganzen Körper. In Kairo, wo wir noch einige Tage Samum hatten, sahen wir, wie der feine scharfe Staub durch die fest verschlossenen Fenster drang und alle Möbeln bedeckte. – Neben Hitze und Wassermangel ist dieser Wind in den großen Wüsten der schlimmste Feind der Karawanen. In den Monaten Mai, Juni, Juli und August dauert er oft mehrere Monate hinter einander und bedeckt bald den Reisenden mit jenem feinen Staub wie uns, bald aber wirbelt er mächtige Sandhügel auf und begräbt ganze Karawanen. Schon der heiße Hauch dieses Windes erschlafft und entnervt Menschen und Thiere. Unsere Kameele und Pferde schlossen die Augen und drangen mit Mühe vorwärts, und mein Maulesel wandte sich nicht selten um, um dem Sturme zu entgehen. Dabei fuhr der Sand mit solchem Gesause bei uns vorbei, daß es nicht möglich war, sein eigenes Wort zu verstehen.

Bald kamen wir zu Gebüschen von Palmen, Platanen und Akazien, und von Zeit zu Zeit an großen öffentlichen Bauten vorbei, die uns Schutz gewährten. Die kleinen Felder der Fellahs mit ihren Schöpfrädern und armseligen Hütten hörten allmälig auf, und dagegen erschienen ziemlich gut angelegte Gärten und weiße reinliche Villen vornehmer Aegypter oder auch Europäer. Jetzt zogen wir bei einem mächtigen Kornhaus vorbei, das mit starken Mauern umgeben war. Es hatte nur Luftlöcher auf der Nordseite, und dorthin waren auch alle Dachluken gerichtet, um die kalten Winde einzulassen und die heißen abzuhalten. Rechts, etwas weiter vom Wege ab, standen die Gebäude eines der kleineren Gestüte Mehemed Ali's, in dem mehrere Schuh hohen Klee, der sie umgab, fast versteckt. Im Felde waren die Pferde angebunden, wo sie in dieser Jahreszeit Tag und Nacht bleiben und den Klee, reihenweise langsam vordringend, abfressen. Andere Gebäude an der Straße bezeichnete der Beduinenchef als eine Landwirtschaft Ibrahim Paschas. Der Weg führte durch die großen Gärten, wo er versucht, Olivenbäume zu ziehen, die aber, wie in ganz Aegypten, auch hier nicht fortkommen wollen. Der Weg durch diese Anlagen war sehr angenehm; er bildete eine Allee von prächtigen Platanen so gerade gepflanzt und gut gehalten, wie man sie bei uns in einem gut angelegten Garten nur sehen kann. Noch eine Stunde, und Kairo, mit seinen zahlreichen Moscheen und Kuppeln, lag vor uns, ein großartiges Panorama. Rechts sah man über Palmbäumen hinweg die Spitzen der Pyramiden; vor den Mauern Kairos lag die Stadt der Gräber und einzelne Moscheen, in denen die Kalifen begraben sind; dahinter erhob sich die Citadelle mit ihren großen Werken, und links über der Stadt ragte der Mokkatam empor, mit kleineren Forts und Pulvermagazinen, von denen man die schönste Aussicht über das Land genießt.

Wir hatten noch einen harten Kampf mit Sand und Samum zu bestehen, ehe wir in die Nähe der Stadt kamen und uns die umgebenden Höhen gegen den Sturm schützten. Unsere Karawane hatte sich ansehnlich vergrößert; die Landleute, die nach der Stadt gingen, um ihre Produkte zu verkaufen, gesellten sich zu uns und hielten sich dicht hinter den Kameelen und Pferden, um so von dem fliegenden Sand weniger zu leiden. Jetzt unterschieden wir vor den Mauern der Stadt eine kleinere Stadt aus grünen Zelten; es waren die Kolonnen der Armee, die von Damaskus herübergekommen waren und dort lagerten. Bald waren wir mitten unter ihnen; die Soldaten kamen schaarenweise aus ihren Zelten hervor, theils aus Neugierde, theils um etwas von ihren Kameraden zu erfahren, die noch zurück waren. Auch mehrere Offiziere, die einen Artilleriepark im Lager besichtigten, kamen im Galopp herbei. An ihrer Spitze ritt ein ziemlich wohlbeleibter Mann mit schwarzem Haar und Bart und ausdrucksvollem Gesicht, den seine Kleidung und Waffe als einen höhern Offizier bezeichneten. Er wandte sich an den Baron, und wir wunderten uns nicht wenig, als er sich im besten Französisch nach der zurückgebliebenen Armee erkundigte. Nachdem er die gewünschte Auskunft erhalten, sagte er, er hoffe uns wieder zu sehen, und sprengte durch die Reihen der Soldaten, die ihm ehrerbietig Platz machten, nach dem Lager zurück. Es war, wie wir später hörten, Soliman Pascha.

So hatten wir denn die Wüstenreise hinter uns, und mit einem Gemisch von Freude, Staunen und Neugierde ritten wir in die belebten Straßen Kairos ein. Tausend fremde Eindrücke stürmten auf uns ein, die Sinne verwirrend, und das Gedränge der Menschen aller Farben, der Kameele, Pferde, Esel, und die prächtigen Moscheen und stattlichen Häuser schwammen noch in einem wunderlichen, unklaren Gemisch vor unsern Augen, als wir in dem Hofe des Hotels einritten, wo wir vom Wirth in englischer, von einem Kellner in französischer und von einem Hufschmiede, der gerade im Hause zu thun hatte, – es war ein Schwabe, – in deutscher Sprache angeredet und herzlich begrüßt wurden.


 << zurück weiter >>