Friedrich Wilhelm Hackländer
Märchen
Friedrich Wilhelm Hackländer

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Emir Gundubar, der Held.

Sieh', es hebt sich leise der Schleier der Nacht und wallt empor goldgesäumt und ringsum lichter werdend. Strahlen zucken hindurch und in Osten hebt sich das Licht der Welt, goldig und mit allgewaltiger Liebe, Erde und Himmel küssend.

Doch mit doppelter Liebe begrüßt der erste Strahl der Sonne die weite, sandige Wüste, sein eigentliches Königreich, wo sie herrscht, hell glänzend und schön, furchtbar und majestätisch. Aber mit dreifacher Liebe küßt der Sonnenstrahl einen kleinen Flecken in dem gewaltig unendlichen Reiche des wehenden Sandes, eine kleine Stelle, wo sein warmer Kuß schlanke grüne Palmen erstehen ließ und seines wehendes Gras, das jetzt in der Morgenstunde flüstert und sich freut, hier entstanden zu sein, hier mitten im gelben Sande, wo rings, so weit der Blick reicht, kein anderer Halm grünt, keine Palme wankt, kein Wasser rieselt.

Doch es ist nicht allein das zierlich gezackte Blätterdach, von den hohen, schlanken Stämmen getragen, welches die Sonne mit so dreifacher allgewaltiger Liebe bescheint; nein , es ist nicht die Oase allein.

Siehst du dort unter den Palmbäumen die weiß und grünen Zelte, vor denen die hohen Lanzen emporragen, die Lanzen mit der harten eisernen Spitze! ach, das Eisen ist hart und dürstet nach dem Blute der Menschen, und mit dem Büschel von schwarzen wehenden Straußenfedern, die dem hölzernen Schafte seine Schnelligkeit geben, denn wie der Strauß vor dem wehenden Samum durch die Wüste hinjagt, so stiegt die Lanze in der Hand des Tapferen mit größerer Schnelligkeit weit voraus dem wallenden Burnus, ein Schrecken der Feinde.

Es steht ein Zelt unter der höchsten der Palmen, ein Zelt, weiß wie Schnee auf den Bergen, und grün, wie ein junges Reisfeld, und vor dem Eingange desselben lehnt eine Lanze, größer und schwerer, als alle übrigen. Und daneben steht ein Roß, weiß und grau gefleckt, wie der wilde Schwan. Sein Hals ist schlank, wie der Yatagan meines Vaters, unten stumpf und oben schneidig. Die vier Beine des Rosses sind dünn und biegsam und glänzen dabei wie die Klinge aus Damaskus. Der Rücken ist gerade und gerade ist der Schweif, so daß man nicht weiß, wo jener anfängt und dieser aufhört, und es nur ahnt, da, wo das seidene Haar länger wird, und im leichten Morgenwinde die Silberfäden spielen.

Und erst der Kopf dieses Pferdes; wie schön ist sein Gesicht, wie freundlich seine Stirn und glänzend seine Augen. Sollte man nicht glauben, es verzehre den ersten Strahl der Sonne, denn wie bläht es seine Nüstern, wie gierig blickt es ihm entgegen und wiehert laut das edle Roß!

Ja, es wiehert laut und seine Stimme klingt hell und rein, markdurchdringend. Ist es wohl im Stande, den Schläfer unter dem Zelte zu erwecken, dessen Schlaf so fest ist, daß ihn nicht das heisere Geheul des Schakals, nicht das Gekreisch eines Wüstengeiers zu unterbrechen im Stande war? O könnte dein Wiehern ihn doch erwecken, den edlen Emir el Haris, du treues Roß!

Aber er liegt ruhig in seinem Zelte, gen Morgen gewendet und hat die Hände über seine Brust gefaltet und hört nicht das Wiehern seines Rosses. Sein Herz verwelkte und stand still und das Blut, zunächst seinem Herzen, verwunderte sich und stockte ebenfalls. Dann lief es eilends zurück und raste durch alle Adern und sagte es jedem Gliede des Körpers an, daß das Herz des Emir el Haris still stehe und nicht mehr schlagen wolle. Und wie es so durch einander lief und berathschlagte, da schwellte ein schwerer Seufzer die Brust des Emirs, und er sah am fernen Horizonte zwei Engel aufsteigen, die schleppten hinter sich her eine lange schwarze Decke und überzogen Berg und Thal damit, so daß Alles ringsum schwarz ward. Nur in der Mitte dieser schwarzen Decke brannten in feurigen Buchstaben die Worte: Der Prophet wird gnädig sein dem Gerechten und ihn in's Paradies führen.

Dies las der sterbende Emir el Haris und seine Seele flog empor.

Sahst du jemals die Sandwolke, wie sie sich in der weiten Wüste erhebt, ein Schrecken der Karawane? aus dem trüglichen Spiel der Fata Morgana entwickelt sich das schreckliche Sandgespenst.

Die Palmen, die du am Horizont zu sehen glaubtest, die duftenden Haine und zierlichen Gebäude verschwimmen in einander und du verwunderst dich, daß dort, wo deine Phantasie vor wenig Augenblicken noch fließendes Wasser sah, jetzt gelbe Sandhügel emporwachsen.

Und wunderbarer! bewegen sich jene Hügel nicht? – Pilger, denk an dein Ende, ja, sie heben sich langsam empor, und der Himmel, der noch vorhin tief blau das Haupt der Gläubigen bedeckte, färbt sich dorthin stahlgrau und ist tief am Horizonte anzusehen, wie der glänzende Stahlpanzer des Sarazenen, wenn sich die Flammen einer brennenden Stadt auf ihm spiegeln. –

Pilger, bedenke dein Ende. Wird dort der Sand lebendig Das ist ein Heben und Drängen in den Hügeln und man sollte glauben, es sei eine Schaar leidtragender Weiber, die dort wandeln, denn es flattert empor, wie gelbe ungeheure Schleier. Pilger, bedenke dein Ende!

Das ist der Sandsturm. Ach, ein menschliches Auge, das ihn aufsteigen sieht, wird so ergriffen von dem gewaltigen Anblick, daß es auf dieser Welt nichts Anderes, mehr erschauen kann. Pilger, bedenke dein Ende!

Schon ist die Hälfte des Himmelsbogens gelb bezogen und es pfeift und saust von drüben her, wie des Meeres Wogen, wenn die Nordwind sie peitscht.

Und wie das hülflose Schiff auf dem unendlichen Ocean dahin flieht vor der Gewalt des Sturmes, so versucht es die Karawane eilenden Laufes, den heranflatternden Sandwogen zu entfliehen. Pilger, bedenke dein Ende!

Hast du jetzt dein Ende bedacht, Pilger? Es wäre gut für dein Seelenheil, denn im nächsten Augenblicke wirst du nichts mehr zu denken haben.

Das schaumbedeckte Roß bleibt stehen und wendet sich gegen den Orkan. Was hilft sein Fliehen? Auch ist es muthiger als sein Herr, der in gräßlicher Angst den Burnus über sein Haupt zieht und vergebens Gott anruft, Gott und den Propheten.

Das geduldige Kameel legt sich nieder und drückt seinen Kopf in den Sand zu seinen Füßen. Sind vielleicht die Schmerzenstöne, die es ausstößt, eine flehende Bitte an den Sand des Bodens, er möge ihn schützen gegen seine Brüder in den Lüften. – Jetzt rieselt es leise herab und die scharfen seinen Körner verursachen ein leises, melodisches Getön, ähnlich dem seinen Regen, der nach mondenlangem Sonnenbrand Berg und Thal erfrischt.

Ach, dieser Regen erfrischt nicht. Er dringt mit unbeschreiblicher Gewalt durch jedes Kleid, und häuft sich langsam auf Thiere und Menschen.

Vielleicht daß einige Tage später eine andere Karawane des Weges kommt und bei unförmlichen Sandhügeln vorbeizieht, nicht ahnend, was diese Riesengräber bedecken, nicht ahnend, daß dort mancher liegt, dem alles Gold und Silber der Welt das Auge nicht füllen konnte, was nun eine Hand voll Sand gethan.

Doch ich will dir ja nicht singen von den Schrecknissen der Wüste, sondern von dem Tode des edlen Emir el Haris und von seiner edlen Wittwe Rabab.

Ihr Herz war froh bei den Lebenden und ihr Leib glich den gesegneten Fluren des Delta vor der Ernte, eine Flur, die der Emir mit Entzücken anschaute, ohne zu wissen, wie die gereifte Frucht sein würde. Ihr Frohsinn glänzte hell, wie die Sonne auf dem gelben Sande der Wüste und ihre Blicke ruhten auf dem Emir mit Lust und Freude, wie die durstige Gazelle das Wasser anschaut, nachdem sie Tage lang, ohne zu trinken, umher geirrt.

Da starb der Emir, und wie der Sandsturm in der Wüste stieg am Horizonte der edlen Rabab der Gram auf und warf sich über sie. Ach, jedes Sandkorn rief ihr zu: sein Herz steht stille, sein Herz, das für dich schlug. Jedes einzelne Sandkorn war ein Schmerz, den kaum eine Menschenseele zu ertragen im Stande ist und über die arme Rabab fiel ein ganzer Sandsturm, und sie ertrug ihn.

So lag sie in ihrem Zelte, die edle Rabab, schön wie der junge Tag und barg ihr Gesicht in beide Hände, ihr Gesicht, das unter dem Haar hervorsah, wie die weißen glänzenden Eier unter dem Flügel des schwarzen Straußes.

Sie vernahm das Wiehern des Pferdes und wie beim Gewitter zuweilen ein einzelner Sonnenstrahl über die Gegend fährt, so zuckte ein lachender Gedanke durch die Nacht ihrer Seele. Ach, wenn er noch lebte! Doch er war todt, todt war der Emir el Haris, dessen Hand gegen Jedermann, sowie Jedermanns Hand gegen ihn war.

Ja, Jedermanns Hand war gegen ihn und wenn auch der kräftigen Männer viele waren, die zu seinem Gezelte gehörten, so waren doch jetzt ihre Muskeln, sowie die Sehnen ihrer Pferde gelähmt, ihre Lanzen waren zerbrochen und ihre Sehnen ohne Schneiden; denn Emir el Haris war todt. Wohl standen die Männer um das Gezelt, in welchem die edle Rabab lag und hatten in dem Schmerz, der auch sie erfaßt, ihren Turban gelöst und schleiften den langen faltigen Mantel auf der Erde nach. Ihre Kraft war zu schwach, sich vereint zu halten gegen die Stämme ihrer Feinde, die noch heute wie Heuschreckenschwärme über den jungen Mais auf sie stürzen würden, denn der Emir el Haris war todt. Leb' wohl, edle Rabab! Gott möge dich schützen und der Prophet! Der Feind wird sich deiner erbarmen, da er dich allein und wehrlos sieht. Doch was müßte dein Loos sein, wenn der Todfeind deines Mannes, Emir Darim, dich ergreift, nachdem wir ihm noch Viele der Seinen getödtet?

So war denn Rabab verlassen und Niemand mehr bei ihr, als das Kind, das sie unter ihrem Herzen trug. Da sank sie zurück auf ihr Lager in Betrübniß und Schmerz und der Engel des Traums streifte bei ihr vorüber und berührte mit seinem rosenrothen Fittig ihr Auge, daß es fähig war, zuschauen in eine andre Welt. Sie blickte in das Paradies, wo der Baum des Todes stand, an dessen Zweigen die Menschenleben hängen. Sie sah wie ihn der Wille des Propheten erschütterte und wie der Menschen unzählige hinabstürzten in den Arm des Todes, Kinder und Jünglinge, Jungfrauen und Greise.

Aber mit Schlecken und Freude sah sie auch ihr eigenes Leben locker an einem Zweig hängen, und es flatterte so lose, daß man fürchten mußte, der nächste Augenblick werde es herabreißen. Ach, also der Tod stand ihr nahe bevor, nahe vor ihren Augen wogte die letzte schreckliche Stunde, ein furchtbar tobendes schwarzes Meer, in dessen Fluthen sie stürzen sollte, ohne zu wissen, ob der Hauch der Gnade aus dem Munde des Propheten sie wie ein leichtes Rosenblatt über die Wellen an ein glückliches Gestade treiben würde, oder ob sie untersänke zur ewigen Finsterniß. Doch neben dem Faden, an dem ihr abgelaufenes Leben hing, schwellte eine Knospe, die noch verhüllt ein neues Leben trug, eine Knospe, die von Kraft und Gesundheit strotzend, fest an dem Baume des Lebens saß.

Die Knospe war anzuschauen, wie das rosige Gewölk, das vor der Sonne am östlichen Himmel auftaucht und schon von den feurigen Strahlen durchwebt und vergoldet ist. Wie die Wolke, die stolz voran fliegt und es der Erde ansagt, daß ein schöner Tag anbrechen wird, aber ein Tag, an dem die Luft nicht ruhig über die Gefilde dahin zieht, sondern ein Tag, an dem der Wind sich aufmacht und gewaltig über die Gebirge daher braust, ein Schrecken der Thalbewohner und der Meerdurchschiffenden.

O diese Knospe, sie war schön und lieblich anzusehen. Und die Mutter sah im Traum das Bild ihres Sohnes, wie es langsam emportauchte, gleich der glänzenden Sonne aus dem Rosengewölk mit feurigen Strahlen, dorthin Segen bringend, wie der Sonnenschein, der die junge Saat hervorlockt, dorthin Entsetzen verbreitend, wie die glühenden Strahlen, die in der Wüste die Brunnen der Karawanen vertrocknen, aber gesehen und angestaunt von der ganzen Welt.

O edle Rabab bedenke dein Ende. Als sie von ihrem schweren Traum erwachte, die Gemahlin des Emir el Haris, war es still um sie her und sie hörte kein Wiehern der Rosse, kein Klirren der Schwerter; aber jetzt hob eine schwarze Hand den Zeltvorhang empor, es war Abdallah, der Neger des Emirs, der zurückgeblieben war und zu ihr sprach: auf Rabab, folge mir, ich bringe dich sicher zu der Oase al Khasin, die sich glänzend und duftend weit hinter jenen Bergen im unermessenen Sande ausbreitet, und wo die grünen Zelte stehen, unter denen dein Vater und deine Brüder lagern. Und Rabab folgte ihm, nachdenkend und traurig, und doch blickte unter dem schwarzen Schleier ihres Grams ihr inneres Auge freudig und hoffend gen Himmel, denn sie dachte an ihren Traum.

So zogen sie dahin, und Tag und Nacht wechselte einige Mal über ihren Häuptern.

War die edle Rabab froh, einen Führer gefunden zu haben durch die Wüste, und folgte sie dem Sklaven gern und willig, wie das Schiff dem lenkenden Ruder? Nein, sie fühlte sich verlassener, als je, denn in dem glänzenden brennenden Auge des Negers stieg eine Flamme auf, die ihr letztes Glück, ihre Ruhe zu verzehren drohte. Sieh, Rabab, sprach der Neger, wohl halte ich es für möglich, den Weg zur Oase al Khasin zu finden; doch wo ist der Mensch, der sich nicht irrt? Schaue zu deinen Füßen in den Sand, wie er glatt und ohne Pfad ist, voll kleiner Wellen, die der Morgenwind in seine bewegliche Fläche gezeichnet. Doch sehe ich rechts und links neben uns die Spuren von zahlreichen Gazellenheerden. Auch scheint es mir, daß in der Ferne dort zwischen den Hügeln die Krone einer Palme hervorblickt, wenn es aber nicht al Khassin wäre, wenn es die Oase eines feindlichen Stammes wäre, würde ich dort mit dir einziehen dürfen und zu dem Emir sprechen: sieh, Herr, dies ist die Wittwe deines Todfeindes el Haris, dürfte ich vielmehr sagen, du seist mein Weib Rabab? dürfte ich sprechen: sieh, Herr, als der letzte Tag sein Auge schloß und uns nicht mehr ansah, fanden wir uns getrennt von der Karawane und irrten bis zu dir, gib uns ein gemeinschaftliches Zelt.

Rabab dachte an ihren nahen Tod und an ihren Traum.

O, Rabab, fuhr der Sklave fort, glaube nicht, daß mich die Treue zu meinem ehemaligen Herrn zurückhielt, nein, es ist ein anderes Gefühl, das mich vermochte, mein Leben deiner Rettung zu opfern. Ich liebe dich, Rabab, sieh, ich nehme mein Leben und mein Herz in die rechte Hand und will es zu deinen Füßen ausbreiten, daß du fernerhin darauf wandeln mögest, sanft und angenehm, wie auf dem Teppich von Kaschemir und mit der andern Hand zeige ich dort nach jener Palme, indem ich dir sage, dort lagert der Todfeind deines Mannes, Emir Darim. Wähle denn Rabab, zwischen mir und dem Tode.

Rabab sinkt nieder in den Sand der Wüste und während Schrecken und Abscheu ihre Seele erfüllt, durchrieselt ihr Mark und Bein ein anderer furchtbarer Schmerz. Sie bittet den Sklaven, bei Seite zu gehen und einen Trunk Wasser zu holen, dann soll er ihre Antwort wissen.

Jetzt ist sie allein und wie sich drüben die Sonne zur Erde neigt, so fühlt sie auch, daß das Ende ihres Lebens kommt. Seltsam geformte Wolken wanken um die sinkende Sonne und werfen lange Schatten bis zu ihren Füßen. Dazwischen durch brechen die letzten Strahlen des Gestirns und glänzen auf dem Sande und auf den kleinen funkelnden Steinen in demselben. Ist doch die edle Rabab wie von einem überirdischen Schein umgeben. Licht und Schatten bedecken sie und bilden ein glänzendes Gezelt um sie her.

Sie hat einen Sohn geboren und denkt an ihren nahen Tod und an ihren Traum. Sie bindet dem Knaben ein Amulet um den Hals, das sie bei sich trug, wickelt ihn in ihren langen flatternden Schleier und legt ihn an ihre Brust.

Was soll ich dir singen, was nun geschah, als nun der Sklave zurückkam? Greif in dein eigen Herz und es wird dir sagen: welche Antwort Rabab dem Neger gab, als er seinen verbrecherischen Antrag wiederholte.

Da sank die Sonne plötzlich hinab und nahm die Strahlen, welche ans der Ebene ausgebreitet lagen, alle mit sich, alle himmlischen Strahlen, sag ich dir. Ach, die Seele der edlen Rabab war auch ein reiner fleckenloser Strahl und sie verließ den Körper und floh mit ihren Schwestern dem ewigen Lichte zu.

Auch die Schatten flohen, die das Licht hervorgebracht, der schwarze finstere Schatten und der Sklave wandte sein Antlitz und schüttelte eilenden Laufes den Staub von seinen Füßen. –

Was wir hier mit einfachen Worten gegeben, sang die schöne Zemire ihrem Vater in einer düsteren melancholischen Weise, aber mit der Kraft und Glut, die den Orientalen so eigen ist. Wo das Wort des Dichters nicht ausreichte, vervollkommnete sie ein unklares Bild durch einen Blick, durch einen zum Herzen dringenden Ton, durch eine nen ergreifende Wendung der Melodie.

Als sie geendet, legte sie das Instrument bei Seite und plauderte noch eine Weile mit dem Emir, und da es jetzt spät geworden war, wünschte sie dem Vater gute Nacht und zog sich in ihre Gemächer zurück. Auch der alte Herr löste seinen Turban und legte sich zum Schlafe auf die Kissen des Divans.

Hassan, der Neger, den wir seit jenem Vorfalle im Hofe des Emirs zu Kairo fast gänzlich aus den Augen verloren haben, hatte den Pilgerzug nach Mekka, wie wir auch schon früher vernommen, mit großem Unwillen angetreten. Wenn er den Tag über auf seinem Maulthiere saß und dem Zuge folgte, so machte er sich neben dem unangenehmen Gedanken an die Gefahren, die ihn unterwegs betreffen könnten, auch allerlei Ideen über jenen Kameeltreiber, mit dem er damals im Hofe angebunden hatte. Wenn er sich auch insgeheim ärgerte, daß er demselben damals keine körperliche Züchtigung hatte zu Theil werden lassen, so schwebte ihm doch in solchen Augenblicken immer das ausdrucksvolle Gesicht des jungen Mannes vor mit den seltsam glühenden Augen, die ihm eine ziemliche Furcht eingeflößt. Sehr häufig ritt Hassan durch die Reihen und spähte nach dem Kameeltreiber, hatte ihn aber nicht wiedergesehen, nur einmal in der ersten Nacht nach dem Ausmarsche war es ihm, als erkenne er die Gestalt des jungen Mannes. Als in jener Nacht nämlich der Emir El Hadsch das Zelt verlassen, hatte der Neger sich draußen auf ein Polster niedergelassen und rauchte behaglich seine lange Wasserpfeife. Da hörte er plötzlich hinter dem Zelte, in welchem des Emirs Tochter Zemire wohnte, die leisen Töne einer Laute, auf welcher eine geübte Hand eine arabische Melodie spielte. Darauf fiel eine kräftige Männerstimme ein und sang ein Lied dazu. Anfänglich hatte Hassan nicht so sehr darauf geachtet, indem er glaubte, eine der Wachen vertriebe sich mit Musik die Zeit. Doch plötzlich kam es ihm vor, als habe er die Stimme schon einmal gehört, und als er noch darüber nachdachte, trat plötzlich das Bild jenes jungen Kameeltreibers lebhaft vor seine Erinnerung. Eilig erhob sich nun der Schwarze von seinem Kissen und schlich um die Zelte herum. Da sah er im Mondschein einen Mann sitzen, der die Laute spielte und in dem er augenblicklich jenen Kameeltreiber zu erkennen glaubte. Dieser hatte gerade sein Lied beendigt und fuhr zum Schluß leicht mit der Hand über die Saiten, daß es klang wie leise Seufzer. Dann stand er langsam auf, schwang sich auf sein Pferd, das frei hinter ihm stand und jagte davon.

Hassan stand da und ihm Kopf schaute schüttelnd nach. Was mochte der Mensch hier wollen? Wem galt das Lied, das er gesungen hatte? Der Schwarze zerbrach sich den Kopf, ohne auf einen Gedanken zu kommen, der ihm glaublich erschien; doch ärgerte er sich nicht wenig, daß jener freche Mensch es gewagt, hier, in der Nähe des Emirs und der Herrin, sein Lied ertönen zu lassen.

Seit jenem Abend hatte Hassan beständig Acht gegeben, ob der Kameeltreiber nicht wieder kommen würde, aber vergebens. Nun lag er heute Nacht in seinem Zelte, nachdem Zemire ihren Vater verlassen und hing diesen Gedanken nach, als er plötzlich durch die stille Nacht den Klang einer Laute hörte. Hastig richtete er sich empor und vernahm dieselbe Stimme wie das erste Mal, die Stimme jenes jungen Mannes, der ein Lied sang, worin er von den Qualen und Freuden der Liebe sprach.

Da sprang der Neger von seinem Lager auf, nahm einen Säbel zur Hand und trat hinaus vor das Zelt. Wirklich war der junge Kameeltreiber wieder da. Er lehnte sich an sein Pferd, das hinter ihm stand, spielte auf seiner Laute und sang dazu. Der Haushofmeister, der die Kränkung im Hofe damals gewiß nicht vergessen hatte, fühlte sich hier in seinem vollen Recht und da er auch um das Zelt herum die Mameluken auf und abgehen sah, die den Emir bewachten, so nahm er allen seinen Muth zusammen, und trat zu dem jungen Manne mit der barschen Frage: was er hier wolle. Dieser fuhr aus seinen Träumereien auf und warf dem Neger einen nichts weniger als freundschaftlichen Blick zu, so daß dieser bestürzt einen Schritt zurück trat.

»Höre, guter Freund,« sagte der Kameeltreiber, »du bist mir schon einige Mal in den Weg gekommen, und ich möchte dir den Rath geben, dich nicht in Sachen zu mischen, die dich nichts angehen. Was willst du von mir?«

Bei diesen letzten Worten griff der junge Mann mit der Hand in den Gürtel und faßte den Griff seines Dolches.

»Wer gibt dir denn die Erlaubniß, hier bei den Gezelten meines Herrn dein Geschrei ertönen zu lassen? Ziehst du doch zu der Nacht herum wie der Schakal, und störst mit deinem Geheul den Schlaf der Rechtgläubigen.«

»So so,« lachte der Kameeltreiber, »du bist auch ein Rechtgläubiger? Nun, Freund Hassan, ich rathe dir wohlmeinend, nimm dich vor dem Schakal in Acht, daß er dich nicht für einen Hund ansieht und zerreißt,« Darauf betrachtete er den Neger noch einmal von oben bis unten, der bei diesem Anblick nicht wagte, näher zu treten und ruhig mit ansah, wie sich der junge Mann auf sein Pferd schwang und in vollem Galopp über die Ebene hinsprengte. –

Als am folgenden Tage die Karawane in's Lager gerückt war – es war noch bei guter Zeit – zog sich der Emir el Hadsch in sein Zelt zurück, mit dem Vorsätze, sobald die Nacht hereinbräche, seine unbekannten Freunde im Lager wieder aufzusuchen, doch hatte er kaum seine Waffen abgelegt und sich auf seinen Divan ausgestreckt, als Hassan, der Leibneger, hereintrat und dem Herrn meldete, daß sich draußen Abgesandte des mächtigen Beduinenschechs Almansor befänden, welche den Gruß des Friedens dem Emir el Hadsch zu überbringen wünschten. Es ist dies ein orientalischer Gebrauch und eine Ehrenbezeugung, welche die befreundeten Araberstämme dem Chef einer großen Karawane, wenn dieselbe in den Bereich ihrer Wohnungen kommt, darzubringen pflegen. Der Emir el Hadsch wandte deßhalb seinen Turban wieder um's Haupt, und wenn ihm auch gerade diese Störung nicht angenehm war, so befahl er doch augenblicklich, daß man die Gesandten hereinführe, sowie Kaffee und Pfeifen bereit halte.

Gleich darauf wurde der Vorhang des Zeltes emporgehoben und die Beduinen traten ein. Es waren ihrer vier, zwei ältere und zwei jüngere Männer. Der erste, der hereintrat, war eine hohe schöne Gestalt mit langem, weißen Bart, und sein Anzug bestand, wenn er auch dem Schnitte nach der gewöhnliche der Beduinen war, aus sehr kostbaren Stoffen und war reichlich mit Stickereien versehen; auch glänzten seine Waffen von Gold und Edelsteine. Er war unter den Vieren offenbar der Vornehmste, denn als alle hineingetreten waren, blieben die drei anderen ehrerbietig an der Thüre stehen, bis er sich dem Emir el Hadsch gegenüber in der Ecke des Divan auf dem Ehrenplätze niedergelassen. Darauf setzte sich der andere ältere Mann an seine linke Seite und einer der jüngeren, der ein auffallend schöner und schlanker Mann war an seine rechte Seite nieder. Der Vierte endlich stellte sich in die Mitte des Zeltes, kreuzte die Arme, indem er eine tiefe Verbeugung gegen den Emir el Hadsch machte, und sagte: »vernimm Herr, daß dein Freund, der mächtige Schech Almansor, seinen Bruder Harun zu dir gesandt, um dir im Namen Gottes und des Propheten den Gruß des Friedens zu überbringen.«

Nach diesen Worten beugte sich der Sprecher abermals vor dem Emir el Hadsch, der darauf seine Hand an Stirn und Brust legte und bei dem Namen des Propheten versicherte, daß er sich glücklich schätze, in der weiten Wüste, wo Gefahren aller Art den Pilger bedrohen, einen solchen Freund zu haben. Hierauf setzte sich der junge Mann, der eben gesprochen, ebenfalls auf den Divan nieder und der Mann mit dem weißen Bart, Schech Harun, der Bruder Almansors, legte seine Hand ebenfalls an die Stirn und sagte: Bis m' Allah! – (Im Namen Gottes!)

Nachdem diese Höflichkeiten, wie sie zu Anfang jedes Besuchs von den Orientalen gewechselt werden, ausgetauscht waren, klatschte der Emir el Hadsch in die Hände, und Hassan erschien mit mehreren Sklaven, um die Gäste mit Kaffee und Pfeifen zu bedienen. Von den ersten vier Sklaven, die hereintraten, hatte jeder eine lange Pfeife, die er an der Schulter trug, und die Hassan nach der Reihe in Empfang nahm, um sie den Gästen darzureichen.

Der Haushofmeister gab dem alten Schech Harun die erste Pfeife, wandte sich dann an den alten Mann, der zur Linken saß und daraus an den jungen Beduinen zur Rechten. Doch wer beschreibt sein Erstaunen, wer sein Erschrecken, als er in diesem den jungen Kameeltreiber erkannte, mit dem er zuerst in Kairo und dann auch gestern Nacht auf unangenehme Art zusammengetroffen war. Er wußte nicht, was er hievon denken sollte, und behielt die Pfeife einen Augenblick in seinen Händen, Doch es war nicht anders, der junge Beduine sah ihn lächelnd an und nahm die dargebotene Pfeife, worauf sich Hassan kopfschüttelnd zurückzog und alsdann den Gästen nach derselben Ordnung den Kaffee darbot.

Nachdem die Abgesandten eine Zeit lang geraucht, nahm der alte Schech das Wort und erkundigte sich bei dem Emir, ob ihm auf seinem Zuge hieher keine Unannehmlichkeiten aufgestoßen, was dieser, dem Propheten dankend, verneinte.

»Ja, sagte Harun, »es sind in der letzten Zeit der Räubereien von den kleinen Araberhorden viele ausgeführt worden. Doch hatte mein Bruder Almansor die meisten dieser unruhigen Stämme besiegt, und wird sie auch ferner, wenn es Gottes Wille ist, im Zaum zu halten wissen, wodurch es denn auch dir, o Herr, gelingen wird, deine zahlreiche Karawane glücklich nach dem Grabe des Propheten zu bringen und wieder heim zu führen.«

Der Emir seufzte tief und sprach ebenfalls diese Hoffnung aus, doch brach er alsbald dies Gespräch ab, denn es war ihm höchst unangenehm, von solchen Dingen, wie Pest und Ueberfall der Araber zu reden.

Wie es auch oft bei uns in Gesellschaften geht, wo alte und junge Staatsmänner beisammen sind, daß man nämlich die gleichgültigsten Dinge verhandelt, so ist dies im Morgenlande ganz natürlicherweise auch der Gebrauch.

Den Orientalen kann man es überhaupt nicht übel nehmen, wenn sie entweder ganz still schweigen, oder unter einander von Sachen reden, die nur ein allgemeines Interesse haben. Bei uns dreht sich bei solchen Veranlassungen das Gespräch gewöhnlich um Frauen, Pferde und Hunde, da es aber der Orientale für höchst unschicklich findet, über seine Frau oder die eines Freundes, oder Nachbars, oder irgend eines anderen Menschen zu sprechen, so fällt ihm dieser Unterhaltungsstoff von selbst weg. Hunde gibt es fast im ganzen Orient auch nicht, d. h. ich meine schöne Hunde, die zum Vergnügen gehalten und gewartet werden, und rede nicht von jenen schmutzigen und gefräßigen Thieren, die in ganzen Haufen auf den Straßen liegen und dem Fußgänger die Wege versperren. So bleibt denn also dem vornehmen Orientalen von diesen drei bei uns so sehr beliebten Unterhaltungsgegenständen nur eines, das Pferd, über dessen Lob er sich denn auch mit der ganzen Glut seiner Sprache verbreitet und an seinen Fingern genau jede gute Eigenschaft seines Pferdes herzuzählen weiß.

Besonders diesen Arabern der Wüste, so sehr sie es auch wo möglich vermeiden, ihr Pferd den neugierigen Blicken eines Anderen auszusetzen, da sie sich vor dem bösen Auge fürchten, gewährt es immer ein großes Vergnügen, ihr Pferd wenn auch nur in Worten, als das schönste, verständigste und treuste Thier darzustellen.

Auch die ehrenwerthen Abgeordneten des Schech Almansors hatten nicht so bald begonnen, die zweite Pfeife zu rauchen, als sich der alte Schech Harun seinen schneeweißen Bart strich und bei dem Propheten versicherte, daß es in der ganzen Wüste keine besseren Pferde gäbe, als die seines Stammes, und daß unter denen seines Stammes, die, nebenbei gesagt, zahlreich seien wie die Sterne am Himmel, keine von glänzenderem Haar und schnellerem Lauf zu finden seien, als die seines Bruders Almansor; aber unter denen seines Bruders strahle Jemma, die berühmte Stute, als Inbegriff aller Tugenden und Schönheit, hervor.

Daß der Emir el Hadsch diesen Versicherungen vollen Glauben beimaß, war nicht sowohl Höflichkeit des Wirths, als weil er in der That wußte, daß dieser Araberstamm die besten und schönsten Pferde besaß.

»Ja, Herr,« fuhr Harun fort, »du müßtest Jemma sehen, das weiße Pferd, wenn es ungeduldig im Sonnenschein hin und her tritt, glänzend wie ein Silberstück und in die Zügel beißt, denn es möchte gern hinaus in die Wüste. Da müßtest du es sehen, wenn es alsdann von einer kunstreichen Hand regiert wird und dahin fliegt, schnell wie der befiederte Pfeil des Wechabiten. Dies Pferd war nicht geboren beim Stamme meines Bruders, sondern gehörte einem armen Araber, dessen ganzes Vermögen dies Pferd ausmachte, das er aus einem edlen arabischen Hengste zu Mekka gezogen hatte. Die Kraft und die Gelenkigkeit dieser Stute wurde aber bald überall bekannt und mein Bruder Almansor brannte vor Begierde, die Jemma dem Araber abzukaufen. Doch, so arm der Mann auch war, und so bedeutend die Summe, die ihm mein Bruder für das Pferd bot, er wollte es ihm nicht verkaufen. Dagegen zeigte er uns seine Schnelligkeit, seinen Gehorsam und seine Treue, und je mehr wir diese glänzenden Eigenschaften alle erkannten, um so heftiger wurde die Begierde meines Bruders, das Pferd sein zu nennen. Vergebens aber verdoppelte er die große Summe, die er dem Araber geboten, dieser wollte nicht von dem Pferde lassen, bis Almansor, ärgerlich über den Eigensinn des Arabers, ihm die Versicherung gab, er werde ihm heimlicherweise das Pferd fortführen lassen, und ihm für den Fall, daß es ihm gelänge, die schon gebotene Summe noch vergrößern. Der Araber, der von seiner eigenen Wachsamkeit zu sehr überzeugt war, willigte lachend in diesen Vorschlag, den mein Bruder Almansor anfänglich nur im Scherze gethan, den er aber jetzt alles Ernstes annahm und sich auf dem Heimwege mit mir darüber besprach, wie die Entführung des Pferdes wohl am besten zu bewerkstelligen sei.

Nun aber befand sich unter unsern Sklaven ein Mensch, dessen Gewandtheit im Reiten, sowie in minder edlen Eigenschaften dem ganzen Stamme bekannt war. Schon zu verschiedenen Malen hatte dieser Mensch Pferdediebstähle mit einer unglaublichen Geschicklichkeit ausgeführt, und sein Muth und seine Tollkühnheit bei solchen Gelegenheiten grenzten ans Märchenhafte. Diesen ließ Almansor kommen und fragte ihn, ob er sich wohl getraue, die Jemma zu entführen. Nachdem sich der Sklave genau darnach erkundigt hatte, daß das Zelt des Arabers am Ende der Oase liege, daß er keine Diener habe, die ihn bei Bewachung des Pferdes unterstützen könnten, und daß er außer dieser Stute nur noch einen jungen Hengst besäße, der zwar auch von sehr edlem Blute, aber doch wohl nicht im Stande sei, die Jemma einzuholen, so versprach er für eine namhafte Summe sein Möglichstes zu thun und begab sich am andern Morgen hinweg, um den Versuch zu machen, das Pferd zu stehlen.

Ehe er aber das Zeltendorf erreichte, wo jener Araber wohnte, war es ungefähr Nachmittag geworden. Er wandelte langsam umher und gelangte endlich ans Ende der Oase, wo die Hütte des Mannes sich befand, dem die schöne Stute gehörte. Jetzt erblickte er auch das Pferd, welches an einem Hinterfuß gefesselt unfern des Zeltes stand. Sein Herr saß nicht weit von ihm am Boden und beschäftigte sich mit dem Sattel, an dem er etwas fest zu machen schien. Doch spähte er dabei jeden Augenblick rings um sich her, und neben ihm im Grase lag sein Yatagan und seine Pistolen.

Der Sklave näherte sich ihm langsam und redete ihn mit dem Gruße des Friedens an, den jener erwiederte, ohne sich gerade viel um den Ankömmling zu bekümmern. Dieser, nachdem er das Zelt ringsum angeschaut und einen Blick in die Wüste gethan, um sich die Richtung zu merken, nach welcher er im Falle des Gelingens mit dem Pferde entfliehen könne, ließ sich dem Beduinen gegenüber in den Sand nieder und zog ruhig seine Pfeife hervor.

»Bis m' Allah,« sagte er darauf, »du hast da eine schöne Stute, ein prachtvolles Thier, ist wohl manchen Beutel werth.«

Der Araber sah den Andern mit einem finsteren Blicke an und nickte mit dem Kopfe.

»Wenn ich an deiner Stelle wäre,« fuhr der Andere fort, »so würde ich zu einem der mächtigen Schechs hinreiten und zu ihm sprechen: sieh, Herr, das ist ein Pferd, der Prophet hat kein besseres geritten, und würde dann die Stute für eine schöne Summe verkaufen.«

»Du sprichst, wie du's verstehst,« antwortete der Beduine, indem er dem Sklaven einen verächtlichen Blick zuwarf, »und wie du fühlst. Was ist der Glanz eines Piasters gegen den Glanz des silbernen Haars, und glaubst du denn, der Klang eines ganzen Sackes mit Gold wäre dem Ton der Stimme dieses Pferdes zu vergleichen, wenn es Morgens beim Ausreiten die Sonne begrüßt oder Abends dies Zelt, wenn ich zurückkehre? Schweige mir von solchen Anträgen. Schon andere angesehene und mächtige Leute haben sich vergeblich bemüht, meine Stute zu erhandeln.«

»Ja, ja,« antwortete der Sklave, »man weiß wohl, daß es dein Stolz nicht zuläßt, das edelste Pferd der Wüste, welches du durch die Gnade des Propheten einmal besitzest, an einen Reichen und Mächtigen zu verkaufen. Aber ich schwöre dir, daß Schech Almansor dein Pferd doch noch besitzen wird.«

Der Araber zuckte die Achseln und meinte, er hoffe nicht, daß ihn der Prophet so strafen würde daß er diese Stute, die er mehr liebe als sein Leben, um schlechtes Gold verkaufen müsse.

»Man hat mir erzählt,« sagte der Sklave gleichgültig, indem er seine Pfeife anrauchte, »daß der Schech Almansor einen seltsamen Vertrag mit dir machte, in dem du ihm erlaubt, die Stute zu behalten, wenn es möglich sei, sie stehlen zu lassen, natürlich durch List, ohne Anwendung von Gewalt, wogegen er dir dann die versprochene große Summe ausbezahlen wird.«

Der Araber nickte statt aller Antwort mit dem Kopfe und zog seine Pistolen näher an sich.

»Wie du mich hier siehst,« fuhr der Andere fort, »bin ich einer der geringsten Sklaven des Schech Almansor, und mein Herr, den der Prophet beschützen möge, hat mich beauftragt, dir noch in dieser Nacht deine Stute zu stehlen. Ich sage dir das geradezu und fordere dich also auf, recht wachsam zu sein. Du siehst, wie redlich ich handle.«

Der Beduine blickte auf und warf einen spähenden Blick rings um sich her, vielleicht weil er befürchtete, es seien mehrere Sklaven des Schechs in der Nähe, die ihm, dem Vertrag zuwider, das Pferd mit Gewalt entführen würden. Doch als er einige Augenblicke scharf in die Wüste hinausgeschaut und sich überzeugt, daß ringsumher nichts zu sehen sei, zuckte er die Achseln und entgegnete dem Sklaven: er sei heute zur Kurzweil nicht aufgelegt und er möge sich für seine Spässe jemand anders aussuchen.

Der Pferdedieb rauchte ruhig seine Pfeife und entgegnete: »ich versichere dich, daß ich keinen anderen Spaß mit dir treiben will, als den, vor deinen eigenen Augen die Stute zu stehlen. Nimm dich also in Acht! Aber ich schwöre dir bei dem Barte des Propheten, daß du keine Gewalt zu befürchten hast. Sieh mich nur an, du bist stärker als ich.«

Der Beduine, den diese Zuversicht doch ein wenig verwirrte, trat an die Stute hin und legte ihr eine andere Fessel an den Vorderfuß, worauf er sich wieder neben sie hin in den Sand setzte. Sein zweites Pferd, der junge Hengst, war auf der anderen Seite angefesselt und wälzte sich zu seinem Vergnügen im Sande umher.

Der Tag sank immer mehr hinab und die Dämmerung, welche in südlichen Ländern sehr kurz ist, verdunkelte bald rings die Gegenstände. Der Sklave saß ruhig auf seinem Platz und rauchte seine Pfeife, und der Araber seinerseits hatte eine Pistole in die Hand genommen und blickte unverwandt auf den frechen Dieb. So stieg die Nacht immer mehr herauf und Stunde um Stunde verstrich, ohne daß die Beiden ferner ein Wort zusammen wechselten. Schon war es so dunkel geworden, daß der Araber die Gestalt des Sklaven nur noch an den schwachen Umrissen erkennen konnte. Doch sah er genau, wie der weiße Mantel im Abendlicht flatterte, und wie er zuweilen den Kopf hin und her wandte. Auch erblickte er deutlich das Feuer in der brennenden Pfeife des Andern. Ueber die weite Fläche strich ein schwacher Nachtwind und rauschte in den spitzen Blättern der Palmen. Fern am Horizont sank soeben die haarfeine, glänzende Sichel des jungen Mondes hinab. Der Araber saß ruhig auf seinem Platze und verwandte keinen Blick von seinem bewegungslosen Gegner, dessen Burnus und Turban er deutlich durch das Dunkel schimmern sah. – Da hörte er plötzlich neben sich ein Geräusch, wie es ein Pferd verursacht, das rasch gewandt wird. Er sprang hastig auf, indem er einen Ueberfall befürchtete, denn vor ihm saß der Dieb, so ruhig wie früher, doch wer beschreibt sein Entsetzen und seinen Schrecken, als er sah, daß sich ein Mensch auf den Rücken seiner Stute schwang und in vollem Lauf mit ihr davon sprengte. Rasch feuerte er die Pistole, die er in der Hand trug, auf die Gestalt des unbeweglich da sitzenden Diebes, die auch nach dem Schuß augenblicklich zusammenstürzte. Doch wer beschreibt seine Wuth, als er hinzuspringend bemerkte, daß es bloß der Burnus und der Turban des Sklaven war, auf den er geschossen, er selbst aber auf dem Pferde, der gestohlenen Stute, entfloh. Was sollte er thun? Noch wäre es vielleicht Zeit gewesen, dem Dieb eine Kugel nachzuschicken, doch in der Dunkelheit der Nacht konnte er ebensogut sein eigenes geliebtes Pferd treffen. Da kam ihm plötzlich ein anderer Gedanke, denn der Hengst, der seine Gefährtin dahin jagen sah, sprang ungeduldig in die Höhe und wieherte laut und ängstlich der Stute nach. Rasch griff der Araber nach seinem Yagatan, der vor ihm am Boden lag, löste die Fesseln des Hengstes und warf sich auf das nackte Pferd, es zu eiligem Lauf antreibend.

Der Sklave hatte unterdessen einen großen Vorsprung gewonnen, denn du, o Herr, wirst nicht daran zweifeln, daß dem Sklaven wirklich sein Vorhaben gelungen war.

Während er nämlich dem Araber scheinbar bewegungslos gegenüber saß, hatte er, durch das Dunkel der Nacht begünstigt, seinen Turban und Burnus ausgezogen, hatte das Rohr seiner Pfeife in die Erde gesteckt und die Kleidungsstücke daran befestigt, dann hatte er sich auf dem Bauche kriechend langsam zurückgezogen und sich auf einem großen Umweg hinter den Araber geschlichen.

Du wirst jetzt einsehen, o Herr, daß ich dir von der Gewandtheit dieses Menschen nicht zu viel sagte; denn dir ist die Wachsamkeit der Beduinen, besonders wenn es sich um einen so wichtigen Gegenstand, wie ihr Pferd, handelt, nicht unbekannt. Und doch überlistete der Sklave meines Bruders den Araber.«

Den Emir hatte diese Geschichte sehr ergötzt, doch war er begierig zu erfahren, wie es den beiden Reitern ferner ergangen sei, und der alte Schech Harun fuhr fort: »was ich dir jetzt ferner erzählen werde, o Herr, wird dir sehr unglaublich scheinen, doch wer, wie du, die Eifersucht der Araber auf den einmal erworbenen allgemeinen Ruf eines Pferdes kennt, wird das Ende jener Flucht und Verfolgung, wie es mir der Beduine später selber erzählte, dennoch nicht bezweifeln.

Trotz der Erstarrung des ersten Schreckens hatte der Beduine dennoch bemerkt, nach welcher Richtung hin der Sklave seine Flucht genommen, und dahin folgte er ihm auf dem jungen Hengste, ohne selbst im Entferntesten daran zu glauben, daß es ihm möglich sein würde, die Stute, deren ungeheure Schnelligkeit ihm gar wohl bekannt war, zu erreichen.

Und wenn der Hengst auch ein sehr edles Pferd war, so hatte er doch kaum drei Jahre und war noch nicht daran gewöhnt worden, schnell und, anhaltend zu laufen. Doch war es nun neben der jugendlichen Kraft und der Lust, die unsere Pferde zum Rennen antreibt, die Begierde, seine Gefährtin, die ihm entflohen war, zu erreichen; genug, der Hengst leistete das Unmögliche und jagte mit einer unglaublichen Geschwindigkeit in die Wüste hinaus der Stute nach, so daß der Beduine sie in einiger Zeit mit dem Diebe vor sich sah, wie sie in ungeheuren Sätzen über den Sand dahin floh. Doch an ein Erreichen war noch nicht zu denken. Der Sklave, der seinen Verfolger bemerkte, wandte als guter Reiter alle möglichen Künste an, um sein Pferd in immer schnelleren Lauf zu bringen, und die Entfernung zwischen ihm und seinem Verfolger vergrößerte sich jetzt auch wieder zusehends; doch hatte der Beduine den Vortheil, den Hengst nicht antreiben zu dürfen; denn kaum bemerkte das edle Thier, daß die Stute, die er eben noch vor sich sah, allmälig wieder in dem Dunkel der Nacht verschwand, so jagte er mit erneuerter Kraft vorwärts und die beiden Reiter näherten sich wieder, doch nicht um sich zu erreichen, denn was ich dir eben erzählte, wiederholte sich jetzt abermals: es war ein beständiges Annähern und Zurückbleiben und trotz der Kühle der Nacht waren beide Pferde mit Schaum bedeckt. Der Beduine, dessen scharfes Auge jede Bewegung des Sklaven genau beobachtete, sah wohl, daß er es mit einem außerordentlich guten Reiter zu thun hatte, und die Sorgfalt, mit der er sein Pferd führte, zeigte ihm deutlich, daß jener wohl wisse, die Flucht und Verfolgung könne noch mehrere Stunden dauern, denn oftmals blickte der Dieb rückwärts, und sowie er bemerkte, daß der Hengst zurückbleibe, hielt auch er sein Pferd an und ließ es langsamer gehen, damit es frische Kraft zu sammeln vermochte.

Bei diesem rasenden Rennen erbleichten die Sterne allmälig und in Osten begann der Tag aufzudämmern, ohne daß die beiden Pferde ihre Anstrengungen eingestellt hätten. Es war, als gebe ihnen der erste Strahl des jungen Tages neue Kräfte, denn je stärker die Stute ausgriff, desto rascher folgte ihr der Hengst nach. Zum Unglück hatte sich der Sklave in der Dunkelheit verirrt und war ganz von der Richtung abgekommen, nach welcher die Zelte meines Bruders lagen, wo er sicher gewesen wäre. Obendrein hatte sich die Stute ein kleines Steinchen in den Fuß geschlagen und wenn auch das edle Thier seine Anstrengungen verdoppelte, so war es doch nicht im Stande, mit derselben Kraft wie früher vorwärts zu laufen. Auch der nachfolgende Beduine bemerkte zu seiner großen Freude und doch mit Betrübniß, daß die Stute in ihrem Lauf anhalte; aber er war noch zu weit entfernt, um die Ursache zu entdecken. Jetzt sah er, wie der Sklave das Pferd anhielt, herabsprang, einen Huf seines Pferdes untersuchte, sich dann mit Blitzesschnelle wieder auf den Rücken schwang und mit erneuerter Kraft dahin sprengte. Doch war durch diesen Aufenthalt der Beduine näher gekommen und der Hengst, der jetzt auch fühlen mochte, daß es darauf ankomme, sein Aeußerstes zu thun, bog sich zusammen und schnellte auseinander wie die Klinge von Damaskus. Es war, als ströme ein gewaltiges Feuer durch seine Adern und die Entfernung zwischen den Reitern verminderte sich mehr und mehr. Schon unterschied der Beduine die ganze Gestalt des Sklaven, der ohne Turban und Mantel auf dem Pferde saß. Schon hörte er, wie sein edles Roß von der gewaltigen Anstrengung keuchte und schwer athmete und je kürzer und matter die Sätze der Stute wurden, um so länger und kräftiger wurden die des Hengstes.

So sehr sich der Beduine anfänglich bei dieser Jagd über die Schnelligkeit seiner Stute gefreut hatte, so sehr betrübte es ihn jetzt, als er den Nachlaß ihrer Kräfte bemerkte und fühlte, daß der junge Hengst sie in kurzer Zeit überholen würde.

Doch wußte er sehr gut, daß der Aufenthalt des Sklaven von vorhin, sowie ein Schaden, den das Thier an seinem Hufe gelitten, die Schuld davon sei. Dies wußte er freilich sehr gut, aber was würde sein Stamm, was würden seine Freunde, ja alle benachbarten Araberstämme sagen, wenn sie hörten, daß Jemma von einem jungen Hengste überholt worden sei! Mit welchem Frohlocken würden sie die Botschaft vernehmen, von dem Siege über ein Pferd, das, was Schönheit, Kraft und Ausdauer betraf, bis jetzt einzig da stand! Sollte er den Namen seines Pferdes retten, indem er den Hengst anhielt, aber Jemma war dann auf immer für ihn verloren. Freilich wohl für ihn, aber ihr Name blieb dann fleckenlos stehen und die Enkel würden noch von der Stute erzählen, und würden sagen: es war das schönste Pferd in der Wüste, Abdallah der Beduine hat es erzogen, und es machte seine ganze Freude, ja den Stolz des ganzen Stammes aus, bis es Almansor ihm durch List rauben ließ.

Unter diesen Betrachtungen hatte der Beduine die Zügel seines Pferdes unwillkürlich angehalten und ließ es langsamer und immer langsamer gehen, und je kürzer sein Schritt wurde, je größer wurde die Entfernung zwischen ihm und der Stute, die mit hoch erhobenem Schweif in vollem Lauf davon eilte. Jetzt stand der Hengst und der Beduine drückte im Schmerz über den Verlust seines Pferdes die Faust mit dem Zügel fest auf die Brust, indem er den Oberkörper weit vorbeugte und mit stierem Blick der Stute nachsah, die zwischen den Morgennebeln, von dem ersten Strahl des Tages beglänzt, wie Silber leuchtete und wie der Mond hinter Wolken langsam verschwand.

Dann fuhr der Beduine mit der Hand über die Augen, wandte seinen Hengst und eilte stillschweigend nach seinem Dorfe.

Wenige Stunden später kam der Sklave mit der schaumbedeckten Stute bei dem Zelte meines Bruders Almansor an, und erzählte von der merkwürdigen Verfolgung des Beduinen, der er nur durch ein Wunder entgangen.«

Nach diesen Worten schwieg der alte Schech Harun und freute sich sichtlich über das Vergnügen, das er dem Emir el Hadsch durch seine Erzählung gemacht.

»Ich muß gestehen,« sagte der Emir, »daß mich die That dieses Beduinen freut und, daß es vielleicht wenig Menschen geben würde, die, um den guten Namen ihres Pferdes zu retten, einen Reiter mit demselben entfliehen ließen.«

»Ja,« antwortete der Schech Harun, »dagegen muß man aber auch die außerordentliche Liebe betrachten, mit welcher der Beduine sein Pferd behandelt und erzieht, eine Zuneigung, von der einer, der nur gekaufte Pferde besitzt, keinen Begriff hat.

»Das Roß des Beduinen macht ein Glied seiner Familie aus, es trägt seinen Herrn geduldig und ausdauernd vom Morgen bis in die Nacht in der brennenden Sonnenhitze durch den tiefen Sand der Wüste, und ist Abends zufrieden, wenn es eine Hand voll Gerste oder Mais bekommt. Doch fühlt es dabei jedes freundliche Wort, das ihm sein Herr sagt, und wälzt sich zur Erholung mit den Kindern im Sande umher und spielt mit ihnen, wie ein getreuer Hund.«

Der Emir that einen langen Zug aus seiner Pfeife und fragte darauf: »und besitzt dein Bruder noch immer die Jemma?« worauf Harun erwiderte: »ja, o Herr, aber sie ist mit uns Beiden alt geworden, und wenn man auch jetzt noch ihren herrlichen Bau und ihre schönen Glieder bewundern muß, so hat doch ihre Schnelligkeit und ihre Ausdauer nachgelassen.«

»Und was wurde aus dem Beduinen, dem die Stute gehörte?« fragte der Emir, und der Schech antwortete: »er blieb später bei dem Stamme meines Bruders, der ihn für sein Pferd reichlich entschädigte und ihm mit Vergnügen die Erlaubniß gab, es so oft zu reiten als er wolle. Auch behielt er den jungen Hengst, der ein sehr vortreffliches Pferd wurde, aber ein Jahr später an den Folgen eines Schusses, den er in einem Gefecht erhalten, starb.«

Der junge Mann, der neben dem alten Schech Harun saß, und dessen Erscheinen den Haushofmeister Hassan so in Verwunderung gebracht, nahm jetzt das Wort und wandte sich an den Emir, indem er sagte: »bei uns in der Wüste, o Herr, wo jeder einzelne Mensch sich selbst überlassen ist, und seinen Gedanken so ohne Unterbrechung nachhängen kann, wo der Sand, die unermeßliche Wüste, die brennende Sonne in beständigem Kampf mit den Menschen lebt, dort, möchte ich sagen, sind die guten Eigenschaften, die ein Menschenherz bewegen, häufiger zu finden und ausgebildeter, als bei euch in den Städten. Wo trifft man solche Gastfreundschaft an, wie bei den Beduinen, wo eine selche Unverbrüchlichkeit des einmal gegebenen Wortes! Ja, du wirst verzeihen, o Herr, wenn ich hinzufüge, wo werden im Allgemeinen die Vorschriften des Propheten besser befolgt, als bei den Arabern in der Wüste! Mit deiner Erlaubniß, o Herr, werde ich dir die kurze Geschichte eines Mannes erzählen, dem ebenfalls sein Pferd gestohlen wurde, und wie sich der Dieb, der aus der untersten Klasse des Volkes war, dabei benahm.«

Der Emir legte seine Hand an die Stirn und versicherte, er werde mit aller Aufmerksamkeit zuhören, worauf der Andere fortfuhr:

»Da war in dem Stamme al Karim ein wohlhabender Beduine, Namens Masur, der ein äußerst schönes und kostbares Pferd besaß. Man wollte die Vettern desselben bis ins zwanzigste Glied hinauf nachweisen können und behauptete danach, daß es direkt von einer der fünf Stuten des Propheten abstamme. Es war ein Hengst von einer seltenen hellbraunen Farbe. Er hatte, was wir so sehr lieben, zwei weiße Füße und einen halbmondähnlichen Flecken vor der Stirn. Masur war stolz auf sein Pferd, und hatte die vortheilhaftesten Anträge zum Verkauf desselben zurückgewiesen. Da er nebenbei wußte, daß der Araber es für keine große Schande hält, ein Pferd zu stehlen, und er wohl fürchten mußte, es möchte leicht Einer diese Absicht haben, so ließ er es von seiner Familie und seinen Dienern aufs Sorgfältigste bewachen, und seine Furcht war nicht ungegründet; denn schon einige Mal hatte er bemerkt, daß man den Versuch gemacht, seine Sklaven zu überlisten, und das Pferd zu entführen.

So sehr Masur auch in dieser beständigen Angst lebte, der Hengst könne ihm doch einmal in der Nacht oder bei seiner Abwesenheit gestohlen werden, so glaubte er das Pferd dagegen ganz gesichert, wenn er auf ihm saß und stolz durch die Wüste ritt.

Aber die schlauen Diebe, die bald einsahen, daß das Pferd, wenn es bei den Zelten angebunden stand, unmöglich zu entführen sei, machten einen andern Plan. Eines Tags, als Masur durch den Sand dahin ritt, um einen Gastfreund in einer benachbarten Oase zu besuchen, hörte er auf einmal in der Nähe eines Brunnens ein klägliches Stöhnen und Jammern und entdeckte einen alten Mann mit eisgrauem Bart, der im Sande lag; er streckte die Arme gegen Masur empor und beschwor ihn bei Gott und dem Propheten, sich seiner zu erbarmen.

»O höre mich, Herr,« sprach der Greis, »ich bin ein armer Mann und weit her zu Fuß durch die Wüste gegangen und wenn ich mich bisher kaum auf den Beinen gehalten habe, so hat mich hier plötzlich eine solche Schwäche überfallen, daß ich nicht bis zu jenem Brunnen gelangen kann, um meinen brennenden Durst zu löschen. O hilf mir, und befolge das Wort des Propheten, der da sprach: der Wassertropfen, mit dem du einen Dürstenden erquickst, wird im Paradiese für dich zu einem Meer von Wonne werden.«

Masur, der ein edles Herz besaß, war durch den Anblick dieses Unglücklichen so gerührt, daß er augenblicklich von seinem Pferde stieg, es neben dem alten Manne stehen ließ und einen kleinen ledernen Becher aus seinem Gürtel nahm, mit dem er zur Quelle eilte, um dort einen frischen Trunk Wassers zu holen. Doch kaum hatte er einige Schritte vorwärts gethan, als er plötzlich ein Geräusch hinter sich hörte, und wer beschreibt seinen Abscheu und seinen Zorn, als er sehen mußte, daß der Bettler, der so eben kraftlos im Sande lag, plötzlich empor sprang, sich auf das Pferd des Beduinen schwang und es zu eiligem Laufe antrieb.

Ich versichere dich, o Herr, daß neben dem Schmerz, sein Pferd zu verlieren, es den edlen Masur fast nicht weniger betrübte, zu erfahren, welch schändlicher List sich dieser Räuber bediente, um in den Besitz seines Pferdes zu kommen. Schon war er im Begriff, eine Pistole aus seinem Gürtel zu ziehen und den Elenden damit vom Pferde zu schießen, als er sich eines Bessern besann, und jenem mit lauter Stimme zurief: halt einen Augenblick, halte! Du brauchst nicht zu befürchten, daß ich dich einholen werde. Ach, ich kenne mein Roß. Seine Schnelligkeit gleicht dem Sturmwind, wenn er über die Fläche saust. Sei daher unbesorgt, daß ich dich einholen werde. Auch hast du ja schon einen großen Vorsprung, aber halte das Roß an und höre einen Augenblick auf meine Worte. Wohl weiß ich, daß es für euch kein Verbrechen ist, ein Pferd zu stehlen, aber die Art, wie du mir meines genommen, schreit zum Propheten um Rache, denn wer wird künftig einem Elenden helfen, der halb verschmachtet im Sande liegt, nachdem du mein Vertrauen auf solche Weise gemißbraucht. Alle werden erbarmungslos bei dem armen Pilger vorbeiziehen und nicht auf seine Klagen hören, indem sie fürchten, es werde ihnen ergehen wie mir. Und all der Jammer der Unglücklichen, die alsdann hülflos verderben, fällt auf dein Haupt. Zieh hin!

Masur steckte seinen Becher wieder in den Gürtel und wandte sich stumm zum Gehen. Doch was glaubst du wohl, Herr, daß der Dieb that. Er wandte das Pferd und kehrte damit zu dem Beduinen zurück, worauf er absprang und ihm die Zügel mit den Worten überreichte: »hier, nimm dein Pferd zurück, du hast Recht, der Vortheil, den mir der Verkauf desselben brächte, ist nichts gegen das Unglück, was deine Erzählung dieses Vorfalls über wirklich hülflose Menschen herbeiführen würde. Nimm dein Pferd zurück, der Prophet möge mir verzeihen!«

Bei diesen Erzählungen und Mittheilungen war der Abend hereingebrochen und die Abgesandten standen auf, um sich zu entfernen.

Nachdem der alte Harun auf orientalische Weise seinen Abschied genommen, indem er seine Hand an Brust und Stirne legte, und zu dem Emir sagte: »der Herr und sein Prophet möge dich beschützen und geleiten, und wenn du in Noth kommst, möge er den Boten, den du uns schicken wirst, sicher nach unsern Zelten führen, damit wir dir schleunige Hülfe bringen können,« zog er sich aus dem Zelte zurück und stieg mit seiner Begleitung zu Pferde, um nach seinen Zelten zurückzukehren. Der Emir aber legte sich zur Ruhe, um sich für die morgende Reise zu stärken.

Am andern Abend war das Lager nicht sobald aufgeschlagen und die Nacht begann hereinzudunkeln, als der Emir Mustapha seine kostbaren Kleider ablegte und sich durch seinen uns schon bekannten Beduinenanzug für Aller Augen unkenntlich machte. Dann eilte er ins Lager, um seinen alten Freund aufzusuchen, den er während ein paar Nächte nicht gesehen. Zufällig kam er auch bald vor das Zelt, welches dem alten Mann gehörte und der Emir freute sich nicht wenig, als er ihn wie früher mit seinen drei Begleitern um das Feuer sitzen sah. Zu ihnen hatte sich ein anderer Mann gesellt, in seltsamer fränkischer Tracht, welchem der Alte, sowie seine drei Freunde aufmerksam zulauschten.

Der Emir trat mit dem Gruße des Friedens näher, allein er versicherte, es würde ihn unendlich schmerzen, wenn er sie in einer angenehmen Unterhaltung störe. Doch eben so sehr würde es ihn andererseits erfreuen, wenn man ihm erlaubte, Theil an ihren Gesprächen zu nehmen.

Der alte Mann, den das stattliche Aussehen des Emirs sehr für diesen eingenommen, war sichtlich erfreut, ihn wieder zu sehen, und bot ihm gleich die Hälfte eines Teppichs an, auf dem er selber saß. Der Emir ließ sich nieder; nachdem er seine Pfeife gestopft und angezündet, auch den Fremden etwas von der Seite betrachtet, sagte er dem Alten, er glaube bemerkt zu haben, wie der Franke den jungen Leuten gerade eine interessante Geschichte erzähle, und er bitte ihn dringend, darin fortzufahren, indem es ihm selbst eine große Freude mache, zuhören zu dürfen.

»Ja,« entgegnete der Fremde, indem er nach Art der Morgenländer seine Hand an die Stirn legte, »meine Reisegefährten baten mich inständig, ihnen eine jener Geschichten zu erzählen, wie sie in meiner Heimath der Jugend erzählt werden, und ich wollte eben beginnen, als du ankamst. Doch fahre ich mit deiner Erlaubniß fort und wünsche nur, daß du mein Märchen neu und schön finden mögest.


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