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Der Mensch zum Menschen.

Ermüde doch nicht, dir die Menschheit zu gewinnen, selbst wenn du mit Betrübniß wahrnehmen solltest, daß alle Liebe und Freundschaft, die du gefunden, doch nur die Folge deines ersten Entgegenkommens gewesen.


Glück verbreiten wir nur da, wo wir nicht an unser eignes denken.


Nur diejenige Geselligkeit ist schön, die an den Traditionen der Sitte keinen Zweifel aufkommen läßt.


Willst du die Probe haben, ob die Liebes-, Freundschafts- und Hingebungsversicherungen, die du empfangen hast, auch wahr gemeint sind, so beobachte, wie sich dein neuer Freund benimmt, wenn er dir in einem gesellschaftlichen Kreise begegnet. Ist er da gegen dich zerstreut, getheilt in seiner Hingebung, wol gar fremdartig, so könnte ihn höchstens Eitelkeit oder Gefallsucht entschuldigen, wenn er die Besinnung auf die Gefühle, deren er dich unter vier Augen würdigte, im Kreise anderer Machtbegabungen oder Schönheiten oder auch nur zerstreuender Eindrücke vergessen zu haben scheint. Dünkel, Ehrgeiz, Dummheit auch erkennst du daran, daß sich an einer fürstlichen Tafel dein Nebenmann, der dich bei einer andern Gelegenheit wohl zu würdigen wußte, kaum noch auf dich besinnen zu können scheint. Hohe Bildung und Liebenswürdigkeit verräth es, im Salon denselben Ton festhalten und fortsetzen zu können, den z. B. eine Frau im Boudoir einhält.


Anerkenne fremdes Verdienst und der Anerkannte wird dich fördern.


Unerträglich ist es, mit Menschen zu verkehren, die auch im gewöhnlichen Leben, wo es auf Beweisführung für unsern Charakter und unsere Natur gar nicht ankommt, dennoch immer die Principien und bewußten Maßstäbe zur Hand haben, die sie ja immerhin beim Handeln im Großen und Allgemeinen leiten mögen.


Gesteh' es nur, viele Menschen hältst du nur deßhalb für gut, weil es dir lästig und unbequem sein müßte, von ihnen das Gegentheil anzunehmen. Und im Grunde ist es auch gut so. Man kann nicht leben mit einer Gesellschaft, deren Bestandtheile man bis auf die Atome untersuchen wollte.


Der Geist muß sich unter jedem Himmelsstrich bewähren. Dem Herzen gestatte für seine Offenbarung ein eigenes Klima.


Wenn uns Jemand ein Unrecht zugefügt hat und er erkennt seinen Fehler, so verdrießt es ihn in der Regel, sich schämen und sein Unrecht wieder gut machen zu sollen. Da zieht er den bequemeren Ausweg vor, dich zu hassen. Deßhalb wird man gut thun, sich nicht sofort allzuempfindlich zu zeigen für jedes Unrecht, das uns widerfuhr.


Da es leider nur zu sehr feststeht, daß ein Unrecht, wozu die Menschen sich zu bekennen gezwungen werden, sie nicht reuevoll, sondern trotzig macht und daß sie den, der sie beschämte, hassen, so stöbre nicht jedes dir zugefügte Unrecht auf. Es ist wie im Leben der Bühne. Gewiß ist das Schauspielerleben ein Gassenlaufen durch fortwährende Kränkungen. Aber schon Iffland hat gesagt: Wer empfindlich ist, kommt zu nichts.


Die große Mehrzahl der Menschen muß man, will man sie gut haben und gut behalten, leider ganz in der Art lassen, wie sie eben sind. Der geringste Versuch, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, sie zum Bewußtsein ihres Thuns und Lassens zu führen und aus ihrem gewohnten Geleise, ihrem einmal angenommenen Wesen aufzustöbern, macht sie gefährlich, während sie sonst ziemlich unschädlich neben uns hertrotten.


Einen Freund gefunden zu haben, das scheinen manche Menschen die Entdeckung eines bequemen Sophas zu nennen, auf welchem sie glauben sich mit ihren Unarten so recht ausflegeln zu können.


Das sind wunderliche Heilige, denen mit unverkennbarer Fraktur und mit tausend Schlängelchen und Aederchen listig sein sollende Gedanken im – ehrlichsten Antlitz auf- und abhüpfen.


Närrischer Kauz, jage mir nur keinen Schreck ein! Das, was du als Maske vornimmst (Gemüthlichkeit, um Pfiffigkeit zu verbergen), das ist wirklich deine wahre Natur. Dein Pfiffigsein erschrickt mich nicht, deinem falschen Gemüthlichsein, dem vertraue ich.

Auf diesen Fuß kann man sich mit den meisten Österreichern stellen.


Die besten und edelsten Menschen gleichen zuweilen schönen Gegenden, die im Nebel und Regen das nicht sind, was im Sonnenschein. Erst unsere Liebe und der Glaube an sie giebt ihnen die rechte Beleuchtung. So ist es zumeist auch nur unsere Schuld, wenn uns so viele Menschen nicht in ihrem vollen Werthe aufgehen.


Es ist schwer, mit Menschen zu leben, die bei einer zufälligen Heiterkeit, die sie befällt, sogleich alles heiter, bei einem zufälligen Unmuth, der sie ergreift, sogleich alles unmuthig ansehen.


Unmöglich ist es, mit Menschen zu leben, die nur Eins von Beiden können, entweder zerstören oder aufbauen.


Ein rechtes Hauskreuz sind Kranke, die ihr Siechthum nicht eingestehen wollen und für die Verdrießlichkeit, mit der sie ihr trauriger Zustand erfüllt, unaufhörlich nach äußern Gründen suchen.


Wenn man sich recht herzlich freut, daß Jemand Glück hatte, so ist damit noch nicht gesagt, daß man ihm auch einräumen will, das Glück verdient zu haben.


Takt ist die höchste Blüthe einer allmähig erlangten Umgangsbildung. Herzensgüte und Bescheidenheit brauchen sich nicht viel Mühe zu geben, diesen Bildungsgrad zu erlangen. Ihnen ist er angeboren, Takt ist der Verstand des Herzens.


Höre zu, wenn man dich tadelt! Höre aber auch zu, wenn man dich lobt! Entwindest du dich dem Lobe, so kränkst du den, der sich's zum Verdienst anrechnen durfte, dich erkannt zu haben.


Setze dich nicht unnütz selbst herab! Was du selbst von dir Schlimmes gesagt hast, wird geglaubt.


Edles, mildes, gutes Herz, du möchtest so gern helfen, möchtest allen Menschen nur Glück bereiten! Kämest du aber auch nur mit deiner Hülfe immer noch früher, ehe sie verlangt wird. Längst kann ein Auge schon hoffnungsvoll nach dir hinüber geblickt haben, längst schon kann eine in deiner Nähe hörbar seufzende Existenz wurzellos geworden, vom Strom des Verderbens unterwühlt zusammengebrochen sein, während sie noch äußerlich wie lebenschimmernd und mit alltäglichem Grün überzogen neben dir zu weilen scheint. Edelmuth des Herzens, auch du schärfe die Augen! Es gehört Entäußerung dazu, einem fremden Dasein in seinen Grundquellen nachzufühlen und aus den Symptomen einzelner Stockungen desselben sich die Zustände selbst zu entnehmen, wie sie sind. Sagst du aber wol gar: Ehe ich helfe, will ich die Noth eingestanden und bekannt wissen! dann weiß ich freilich, du leidest nicht nur an Trägheit deiner Gefühle, sondern in deinem Wohlthun birgt sich ein anderer, schlimmerer Wurm – Herrschsucht und Haß.


Zeige dich doch so oft als nur möglich in dem einfachen, immer aber schönen Schmuck der Güte. Glaube nicht, daß die Güte je den Schein der Schwäche geben kann oder wol gar langweilig wirkt.


Du rühmst dich, daß dein eignes Selbst dir Freunde erworben hätte, die Feinde, die du hast, schreibst du dem Geschick zu. Meist ist es aber umgekehrt. Die Freunde schenkte dir das Geschick, die Feinde erwarbst du dir selbst.


Halte inne, wenn ein behaglicher Augenblick dich überrascht und du anfängst, Geständnisse und Bekenntnisse zu machen! Was dir da über die Zunge läuft, in der Regel wird es hintennach bitter bereut.


Schrecklich sind Menschen, die einmal gehört haben, man müßte, um Geist zu zeigen, nicht immer der Meinung des Andern sein, und nun auch jeder Behauptung, die sie hören, eine andere gegenüberstellen.


Frohmuth ist die Freude eines Vogels auf dem Felde: Sorglosigkeit die Freude eines Vogels im Käfig.


Hat einmal eine Freundschaft den Höhepunkt ihrer Bewährung erreicht, etwa durch ein großes, von ihr gebrachtes Opfer, so tritt sie in eine gefahrvolle Krisis, die nur zwei edle Menschen überstehen können.


Freundschaften, die aus früherer Verfeindung entstanden sind, pflegen innige zu werden. Man hat sich in der Kraft seiner Individualität bereits erprobt.


Wenn dir ein Unglück begegnet ist, das Wenige kennen, so plaudre es selbst nicht aus. Nicht immer ist es die Schadenfreude, die es weiter trägt, aber auch selten das wahre Mitgefühl.


Mit manchen Menschen kann man nicht zu Zweit umgehen, während sie uns zu Dritt ganz angenehm sind.


Manchmal kommt uns eine Beleidigung recht erwünscht. Sie gibt uns über den, der sie uns zufügte, die Freiheit des Urtheils.


Hüte dich vor den ewig Späßelnden! Es sind Intriganten.


Man beweise sich nicht als Freund, schreien die Menschen, wenn sie Beweise der Freundschaft nicht in bedeutenden, wichtigen Krisen, sondern bei hundert kleinen Nergeleien, Quälereien und Wünschen haben wollen.


Ich bin dir höflich, weil – ich dir Besseres nicht zu bieten vermag.


Bei gewissen Menschen, die keineswegs zu den versteckten gehören, ist es deßhalb schwer, auf den wahren Grund ihres Wesens zu kommen, weil sie eine angeborne Güte veranlaßt, Lebensarten und Umgangsformen anzunehmen, die durchaus nicht in ihrem eigentlichen Charakter liegen. Es gehört ein feiner Sinn dazu, ihren Werth nicht zu unterschätzen, und Vorsicht und Behutsamkeit, ihre Wahre Natur nicht zu unserm Nachtheil herauszufordern.


Tyrannische Naturen verlangen, daß man sie mit dem Aufgebot aller unserer Kräfte bedient und dabei doch nur so wenig Geräusch (oder davon Aufhebens) wie möglich macht.


Laß dir aufs allerdringendste die Vorsicht angerathen sein, daß du auch nicht von einem einzigen Menschen in der Welt annimmst, er wäre unbedeutend.


Zeige, daß du gütig bist; aber verbirg die Absicht, es sein zu wollen, eben so sehr wie die Freude darüber, daß du es sein kannst. Jede Rührung, die du über dich selbst empfindest, wird dir die Welt zum Uebel deuten. Sie glaubt nicht, daß unsere Tugend aus zwei Theilen bestehen darf: aus einem Schatz und einem Wächter, der ihn hütet! aus Gästen, die da anklopfen, und einem Wirth, der aufthut: aus einem Gewinn unsers Werthes für uns selbst und aus unserer Freude daran.


Als ein gutes Mittel, saumselige Menschen zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten, auch der Verbindlichkeiten des Umgangs, zu bringen, kann man die fortgesetzte Anwendung kalt zuvorkommender Höflichkeit empfehlen.


Wer in den Ruf kommen will, witzig zu sein, muß lediglich die Scheu überwinden, zu Zeiten auch blos albern zu erscheinen.


Thee, scheint es, macht nicht so medisant wie Kaffee.


Wer da so umständlich kommt und »deinen Rath« begehrt, der sucht gewöhnlich nur für Entschlüsse, die längst von ihm gefaßt sind, Jemanden, der die Verantwortlichkeit mitübernimmt.


Es ist eine gewöhnliche Art und Weise Derer, die uns Freunde sein wollen, die Zahl der Feinde, die wir hätten, nicht groß und ergrimmt genug darstellen zu können. Um sich zu beruhigen, ziehe man immer ein gut Theil von den Schilderungen ab, die sie nur deshalb machen, um ihren eignen Werth für uns zu erhöhen oder um sagen zu können, wie sehr sie uns vertheidigt hätten.


Viele Männer erscheinen schroff und kalt, weil sie in ihrem innersten Wesen etwas Weibliches haben und, statt zu lieben, geliebt sein wollen. Fällt auf sie dieser Sonnenstrahl, so thauen sie überraschend auf.


Ein Dichter, der auf seine Gedichte, ein Maler, der auf seine Bilder eitel, eine Schöne, die ganz nur von ihrer Schönheit erfüllt ist, wirken im höchsten Grade unerfreulich. Ist aber der Dichter nur eitel auf die zufälligen Kenntnisse, die er hat, der Maler auf seine Kunst, einen Hofball zu arrangiren, die Schöne auf Empfindungen, die sie nicht hat, so läßt sich mit so wunderlichen Heiligen schon auskommen.


Unerträglich sind die Menschen, wenn sie jeden kleinen Schein, den sie vom Recht hatten, mit nicht endenden Worten und Scenen ausbeuten. Willst du Menschen zum innigsten Umgang in Liebe und Freundschaft befähigen, so erziehe sie zur Großmuth!


Auf Roheit Hoheit – !


Apotheker liefern Mückenfett, Hirschtalg, Bärenfell, Alles aus einem und demselben – Schweinschmalztopfe. Das sind die Lobeserhebungen und Schmeicheleien, die Weltroutine für Alle und Jeden bereit hält.


Klatschsucht ist oft ein respektabler und liebenswürdiger Mittheilungsdrang, dem es leider am würdigen Stoff gebricht.


Der Umgang mit Flegeln ist leicht. Schwer aber ist auskommen mit den zartbesaiteten, sogenannten edlen Naturen, die gewöhnlich aufs tiefste verletzt sind, wenn doch nicht alles nach ihrem Wunsch gegangen.


Weß das Herz voll ist, davon – schweige der Mund!


Für das Ertragen jener Umgangsroheiten, mit denen es, wie man zu sagen pflegt, »so böse nicht gemeint sein sollte,« ist denn doch nicht Jedermann gemacht.


Nirgends läßt sich mehr physiognomisches Menschenstudium anstellen als in einer Gemäldegalerie. Nämlich unter den Zuschauern. Den geistvollen und charakteristischen Künstlergebilden gegenüber hat man da sogleich von jedem Kopf sein specifisches Gewicht.


Einen Feind hassen wir nicht so sehr, als einen Freund, der sich nur halb bewährte.


Die Ursache, warum dir ein Mensch zu zürnen scheint, suche, wenn du darüber nachsinnst, nicht in dem, was du ihm gethan, sondern in dem, was du ihm zu thun unterließest.


Kalt wollt Ihr nicht den plötzlich leidenschaftlich auflodernden, dann aber um so mehr wieder in Apathie versinkenden Menschen nennen. Kalt aber nennt Ihr den, dessen Gemüth eine sich immer gleichbleibende, wenn auch maßvolle Wärme des Antheils besitzt – !


Discretion lernt sich nur im engern Zusammenleben mit Menschen. Ein einsamer Charakter plaudert sich und Andere aus purer Gemüthlichkeit aus.


Man kann Niemanden beibringen, wie er es anstellen soll, nicht eitel zu sein. Man kann nur lehren, Eitelkeit verbergen.


Es wird vielen Menschen so schwer, eine Unterhaltung zu führen. Sie glauben das Beste zu thun, wenn sie Thatsache an Thatsache reihen. Und dennoch müssen sie sehr bald entdecken, daß sie auf diesem Wege weder Andere anregen können noch für sich selbst sicher sind, sich nicht bald erschöpft zu fühlen. Die Kunst der Unterhaltung besteht dann, aus Thatsachen sofort allgemeine Gedankenreihen herzuleiten.


Den übertriebenen Glauben an ihren Werth wollen wir doch denen am ehesten verzeihen, die durch ihre Eitelkeit ein zufriedenes Gemüth gewinnen für sich selbst und zugleich für Andere, die über sie lachen müssen, des Lebens Heiterkeit verbreiten.


Wie jedes Glas einen Ton hat, durch dessen Angabe im fortgesetzten Crescendo es zuletzt ohne alle Berührung springt, so suchen schlaue Menschen jeder ihnen begegnenden Persönlichkeit durch Ergründung des geheimsten Zusammenhanges ihrer geistigen Textur sogleich als siegreiche Matadore beizukommen. Man erkennt sie daran, daß sie uns nur immer Eine Seite unseres Wesen vorhalten. Ist diese eine liebenswürdige, die uns schmeichelt, so ist die Gefahr für uns doppelt groß.


Sich in der Welt mit einem uns eben verhängten Schmerz plötzlich vereinsamt zu betreffen, ist lange nicht so erschreckend, als die Entdeckung unserer Vereinsamung, wenn wir uns nach dem Genossen einer plötzlichen Freude umsehen.


Wenig Menschen vergeben es uns, wenn wir ihnen den Effekt berechneter Phrasen durch die Natürlichkeit einer unerwarteten Zwischenrede, eine Interpellation, verderben.


Es ist Menschen von Geist und Herz eigen, sich gern einfach und gemüthlich zu geben. Gleichgestimmten Seelen gegenüber kommen sie damit trefflich aus. Aber mit dummen Menschen ist diese Umgangsform gefährlich. Die Dummen nehmen die künstliche oder freiwillige Schwäche der Starken meist für eine natürliche und können, da sie gewohnt sind, immer geradeaus zu tappen, es wirklich dahin bringen, daß sogar der gescheidteste Mensch ihnen gegenüber durch sein Incognito ins Gedränge kommt.


Sprich immerhin laut über dich selbst, nur – denke nicht laut über dich selbst – !


Wie oft möchte man nicht im Leben die Worte des Dichters:

»Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht – !«

mit Hervorhebung des drittletzten Wortes der wiederholen!


Eines der glücklichsten Besitzthümer des Menschen ist ein dankverpflichteter Freund.


Bizarr ist die Phantasie der Furcht. Noch bizarrer die des Mißtrauens.


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