Anastasius Grün
Der letzte Ritter
Anastasius Grün

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Ritter und Freie.

1499.

 
Die Schweiz.

          Was treibt euch wohl, ihr Fürsten, stets in die Schweizergaun?
Wollt einmal doch im Leben ein freies Land ihr schaun?
Wollt ihr das Zepter tauschen um einen Hirtenstab?
Ha, oder wollt ihr finden in freier Erd' ein Grab?

Seht auf das Land hernieder von hoher Alpenwand!
Da liegt's, gleich einem Buche, geschrieben von Gotteshand,
Die Berge sind die Lettern, das Blatt die grüne Trift,
Sankt Gotthard ist ein Punkt nur in dieser Riesenschrift.

Wißt ihr, was drin geschrieben? O seht, es strahlt so licht!
Freiheit! steht drin, ihr Herren; die Schrift kennt ihr wohl nicht,
Es schrieb sie ja kein Kanzler, es ist kein Pergament,
Drauf eines Volkes Herzblut als rothes Siegel brennt.

Seht dort den mächt' gen Felsberg, der Mönch heißt er im Land,
Der freie Aar umkreist ihm der kahlen Stirne Rand,
Fels ist die graue Kutte, Schnee seiner Scheitel Zier,
Das Weltall seine Zelle, das Sternzelt sein Brevier.

Ist wo ein Mönch, bleibt sicher die Predigt auch nicht aus.
Der spricht im Lavinendonner, im rauschenden Quellengebraus;
Freiheit! das ist sein Spruchtext; will's euch nicht freun, ihr Herrn?
Der Pater ist ein Ketzer, Zeit wär's ihn einzusperrn!

Seht dort im weißen Schleier aufragt der Jungfrau Haupt,
Als Bräut'gam hat ihr der Morgen mit Rosen die Stirn umlaubt,
Sie hat mit bunten Blumen gestickt das grüne Gewand,
Dran spielen rauschende Quellen, ein flatternd Silberband.

Ob ihr wölbt sich zur Kuppel der Lüfte blauer Strom,
Der spitzen Gletscher Reihe rings scheint die Orgel im Dom;
Fürwahr, mich däucht, wo Jungfrau und Orgel zusammenkam,
Blieb das Musik und Sang aus, das wäre wundersam.

Horch, wie ihr Lied an Herzen so herrlich, kräftig pocht!
Freiheit, Freiheit! so singt sie, daß jeglich Herzblut kocht.
Beim Himmel, niemals sangen der Erde Töchter so schön,
Mitsingen wohl Gottes Engel in Chören auf den Höhn!

Ihr Herrn, will's euch nicht munden? Ihr hört wohl keinen Klang,
Weil kein Kastrat, kein Säbel euch's um die Ohren sang,
Im Schweizerland doch liest man gern jenes Riesenbuch
Und horcht dem Lied der Jungfrau und merkt des Pred'gers Spruch.

Im Schweizerland da springen die Quellen frei empor,
Frei schweben die segelnden Wolken und singender Vögel Chor,
Frei blickt vom Firn die Gemse auf krachende Wetter herab,
Und freie Weste flüstern um freier Helden Grab.

Viel tausend Schweizer stehen auf hoher Alpenwand,
Sie schaun ins Land hernieder und drücken Hand in Hand
Und schwören, in Tod und Leben zu stehen kühn und treu,
Und schwören, in Tod und Leben zu bleiben stark und frei!

 
Zwei Helden.

              Im Kloster Königsfelden, da steht's gehaun in Erz:
Hier traf der Dolch des Mörders einst König Albrechts Herz.
So sieht man's oft im Denkbuch der Astrologen stehn:
Ein blutiger Komete ward dieses Jahr gesehn.

Im Kloster Königsfelden, da spricht ein Marmelstein:
Hier harrt der frohen Urständ des Herzog Leupold Gebein.
So zeigt ein greiser Landmann dem Enkel eine Säule:
Hier sank ein schöner Tempel, verzehrt vom Donnerkeile.

Es liegt an Leupolds Grabe nun König Max auf Knien:
Als Habsburgs Sohn muß rächend durchs Schweizerland er ziehn,
Als König bringt er Ketten dem freien Schweizerbund,
Als Mann drückt' alle Freie er gern an Herz und Mund!

»O edler Ahn, wohl kämpftest, wohl starbst du als ein Held,
Auf einem Thron von Leichen zu Sempach auf dem Feld,
Wohl könnt' ich kämpfen und sterben, wie du so kühn und gut,
Doch will mein Schwert ich färben nie mit der Freiheit Blut.«

Er spricht's und winkt; da schreitet ein Mann aus dem Ritterschwarm,
Sein Mund so ernst wie Sargtuch, wie Amboß stark sein Arm;
Doch daß der Arm auch tändeln, der Mund auch küssen kann,
Vertraut daheim manch Mädchen der Freundin lächelnd an.

Im Frieden kann er weinen ob einer Blume Tod,
Da mundet ihm kein Becher, den nicht sein Liebchen bot;
Im Kriege aber tränk' er aus Schädeln gleich und hohl,
Auf Leichenbergen sitzend, auf seiner Dame Wohl.

Um seinen Schild rings glänzet der Spruch der Ritterschaft,
Bewährt durch all sein Streben, durch seines Armes Kraft:
»Des Königs soll mein Leben, die Seele Gottes sein,
Mein Herz den Fraun ergeben, die Ehre bleibe mein!«

A Dieu mon ame,
Ma vie au roy,
Mon coeur aux dames,
L'honneur pour moi.

Es reicht der Fürst dem Ritter den Feldherrnstab nun dar:
»Mein Fürstenberg, statt meiner führt Deutschlands Kriegerschaar,
Geleit' euch mild der Himmel und stähle eure Wehre,
Sieg sei euer Fahnenjunker und euer Panier die Ehre!

Ei, Freund, mich däucht, der Ruhm euch nicht sonderlich erscheint,
Wo Kühhorn ist Drommete, und Bauernvolk der Feind;
Doch diese Bauern holen im Schlachtfeld Purpur und Kron',
Manch stolzes Heer schon bebte bei ihres Kühhorns Ton.«

Schon ruht auf Uri's Thälern des Vollmonds Friedensblick,
Noch einmal sieht im Scheiden das Sonnenaug' zurück,
Sankt Gotthards Haupt doch glühet lang in des Thales Nacht,
Ein Riesenaltar, drauf noch die Opferflamme facht.

Im Ursernthal, wo schäumend die Reuß um Felsen schlägt,
Da wallt ein Zug von Männern, der hoch ein Banner trägt,
Ein schwarzer Ur im Goldfeld, ha, Uri's Wappenzier!
Nie bog den freien Nacken zum Joche dieser Stier.

Es ragt ein hölzern Häuschen im Thal aus grüner Trift,
Rings ums Gesimse steht es gehaun in grober Schrift:
»Ich bin ein freier Schweizer, Heinz Wohlleb zubenannt,
Dieß Häuschen und sein Sasse stehn beid' in Gottes Hand.«

Ein Greis sitzt vor dem Thore; das Haar auf seinem Haupt,
Das scheint ein fahles Saatfeld, vom Schnitter Zeit entlaubt;
Sein Töchterlein, so blühend und schön, sitzt nebenan,
So blüht oft an Ruinen ein Rosenstrauch hinan.

Jetzt naht mit dem Paniere der ernste Männerkreis,
Der Aelt'ste aber reicht es mit warmem Gruß dem Greis:
»Freund Wohlleb, nimm dieß Banner und führ's mit treuem Muth,
Wie sein's geführt vor Sempach der Schultheiß Niklas Gut.«

Der Alte faßt die Fahne, sein Blick zum Himmel steht,
Sonst bebt sein Arm, wenn leitend er hinterm Pfluge geht;
Wie hoch und kräftig jetzo den starken Schaft er hebt!
Wie ihm, gleich Sonnenadlern, vom Mund die Rede schwebt!

»Sieh nieder, Herr, und höre dein Volk und deinen Knecht,
Wir heben kühn die Wehre für Freiheit und für Recht;
Willst Du's, dann hält so sicher, ein fester Felsenthurm,
Mein schwacher Arm die Fahne, und er zerschellt der Sturm.

Du willst nicht, daß sich beuge dem Purpur unser Knie,
Deß Knie vor dir sich neiget, der kniet vor Menschen nie.
Soll unsrer Väter Gräber der Fremdling frech entweihn,
Des Ritters Roß, drauf weidend, zerstampfen ihr Gebein?

Soll unser Enkel hungernd einst kämpfen mit dem Tod
Und mit des Ritters Hunden um weggeworfnes Brod?
Soll frech sein Troßbub schlagen in unsrer Greise Gesicht,
Am Boden zerren ihr Schneehaupt? O Gott, das soll er nicht!

Heraus nun aus der Scheide und bleib' mir treu, mein Schwert,
So treu wie sich die Sense dem Schnittersmann bewährt!
Erst zweimal hast du mähend dein Tagewerk bestellt,
Doch Murten hieß und Granson der Doppelernte Feld.

Du heilig Banner, flattre stets nur um freie Stirnen,
Und weh' als Siegesbote einst von den weißen Firnen!
O steig' in unsre Thäler, Freiheit, du himmlisch Weib!
Du bettest ja auf Alpen so gern den Wonneleib.«

So sprach der greise Wohlleb. Wie jung sein Herz er fühlt!
Wie ihm die rauschende Fahne die heiße Stirn' umkühlt!
Wie haucht mit lauerm Odem der Abendwind darauf!
Ha, oder legt Tells Schatten die Händ' ihm segnend auf?

Horch, wie die Reuß im Sturze ins Thal jetzt niederklingt,
Und wie ein Gemsenjäger von Fels zu Felsen springt;
Sieh, wie der Vollmond drüben aufglüht so roth wie Blut,
Und auf dem Gotthard mählich erlischt die Opfergluth!

 
Zwei Tage.

                Vor Frastenz auf dem Felde, da stand ein deutsches Heer,
In weitem Halbmondkreise, vorstreckend Speer an Speer,
Mit Schildern und mit Hochmuth die Busen kühn umballt,
Ein undurchdringlich Bollwerk, ein starrer Lanzenwald.

Ei, Schweizervolk, was steigst du von deiner Alpen Wand
Mit Aexten und mit Kolben hernieder in das Land?
»Den neuen Wald bei Frastenz, den woll'n wie niederhaun,
Um aus den Stämmen Hütten der Freiheit zu erbaun.«

Jetzt stürzt in die deutschen Lanzen der Eidgenossen Heer,
Ohnmächtig prallt's zurücke, allüb'rall Speer an Speer!
Der Schweizer knirscht die Zähne, der Deutsche spöttelnd spricht:
»Seht, wie sich des Windhunds Schnauze am Igelbalg zersticht!«

Da scholl ein Ruf urplötzlich, wie ein Auferstehungslied:
»Dank dir, verklärter Schatten, Arnold von Winkelried!Heinrich Wohlleb aus Uri hob in der Schlacht bei Frastenz, ohnweit Feldkirch (20. April 1499), wie Winkelried am Tage von Sempach, mit seiner ungeheuren Hellebarde sechs bis acht feindliche Spieße mit gewaltiger Kraft in die Höhe und bahnte so seinen Waffengenossen den Weg, die feindliche Ordnung zu brechen. Wohllebs anderes Vorbild aus derselben Schlacht bei Sempach, der Zofinger Schultheiß Nikolaus Gutt, hatte das ihm anvertraute Banner, damit es nicht in Feindeshände falle, in Stücke gerissen und ward auf dem Schlachtfelde unter den Todten gefunden, den Stock des Banners zwischen seinen Zähnen festhaltend. Seitdem ließen seine Mitbürger die Schultheißen schwören, das Stadtbanner von Zofingen so gut zu hüten wie der Schultheiß Nikolaus Gutt. Vergl. J. v. Müller, Gesch. schweiz. Eidgenossenschaft 2. Buch.
Du winkst, ich hab's verstanden! Auf, Schweizervolk, mir nach!«
So klang die Stimme Wohllebs, der aus den Schaaren brach.

Vom Schaft reißt er sein Banner und windet's um die Brust,
Stürzt an der Ritter Speere, durchglüht von Todeslust,
Vorleuchten seine Augen, ein flammend Fackelpaar,
Voranweht statt des Banners im Wind sein weißes Haar.

Sechs Ritterspeere faßt er zusammen mit starker Hand,
Drein taucht er seinen Busen, gesprengt ist die Lanzenwand!
Einstürmt zur Bahn der Rache der Schweizer rüst'ge Schaar,
Doch Heinrich Wohlleb's Leiche dazu die Brücke war.

Da prasseln Schweizerhiebe, wie Hagel auf Saaten fährt,
Von Schildern sprühten Funken, wie von des Schmiedes Herd;
Der Schwerter Streiche sausten mit tosender Gewalt,
Wie's oft im Fort von tausend derb treffenden Aexten schallt.

Sonst wenn im Wald gehaun wird, schont man der jungen Bäume,
Daß mit der Zeit der Nachwuchs gesund und kräftig keime;
Nicht also thaten die Schweizer bei Frastenz im Lanzenwald,
Die schonten keines Stammes, gleich galt's, ob jung ob alt.

Knöring, der greise Eichbaum, sank hier durch Schwertesstreich,
Ilsing, die junge Ceder, so schön und hoffnungsreich!
Sieg! rief verröchelnd Wohlleb, Sieg! rief der Seinen Schaar
Inmitten der blut'gen Ebne, die erst ein Hochwald war.

Es deckt die weite Fläche ein Teppich von rothem Blut,
Gleichwie auf Königssärgen der Purpurmantel ruht,
Drauf lag statt welker Blumen verblichner Ritter Glanz,
Wohlleb, der greise Schweizer, als Lilie in dem Kranz.

Als Priester aber betend stand an der großen Bahr'
Mit hocherhobnen Händen der Sieger freie Schaar,
Drauf als sich All' im Illstrom vom Blute die Hände gereint,
Begruben sie mit Thränen im Feld so Freund als Feind.

Ihr saht wohl einst Schloß Dorneck, die Riesenlind' am Thor,
Im Schloß die frohen Leute, am Baum den Sängerchor;
Seht jetzt die öden Hallen, – kein Arm, der Becher schwingt!
Seht jetzt die stille Linde, – kein Sänger, der Lieder bringt!

Doch unten in dem Thale des Fürstenbergers Heer
Mit Schwertern und Hellebarden, wie Halme im Aehrenmeer!
Und drüben am Berg die Schweizer im Sichel- und Sensenglanz,
Und singend und jubelnd, als zögen die Schnitter zum Erntetanz!

Der deutsche Feldherr lächelnd dem Knappentroß gebot:
»Bringt doch den Schnittern drüben ihr Stückchen Morgenbrod!«
Ei doch, ihr stolzen Ritter, spart Müh' und Sendung euch,
Der Schweizer holt's wohl selber und bringt den Dank zugleich.

Seht, lang läßt er nicht warten und zahlt mit Erze blank,
Wohl rieft ihr jetzo gerne: O Schweizer, laß den Dank!
Zwar rauh ist das Gepräge der Münze, die er bringt,
Doch seht, wie blank sie glänzet, und hört, wie rein sie klingt!

Ha! Schwert, du bist die Münze, die für Tyrannen gilt,
Ein freies Volk der Wechsler, Zahltag das Schlachtgefild'!
Du Schweizervolk auch spartest die Münze heute nicht,
Manch deutscher Träger stürzte wohl unter des Erzes Gewicht.

Wer ist's, der dort vor Allen durchs Schlachtgedränge braust,
Wie die gewalt'ge Windsbraut an stöhnende Fichten saust?
Es kämpft so kühn begeistert ein Freier nur! O nein!
Das ist der Fürstenberger, der ficht vor seinen Reihn.

Im flatternden schwarzen Mantel, mit einem Kreuze weiß
Stürmt wie ein wandelnd Sargtuch ein Mann aus der Schweizer Kreis;
Das ist von Zug der Dechant. »Gelobt sei Jesus Christ!
Willkommen, Ihro Hochwürden, willkommen zu dieser Frist!«

Sonst schwang er nur den Wedel, geweihten Wassers voll,
Daß jedes Haupt der Gläub'gen im Dom von Weihbronn quoll.
Ha, wie er's Schwert jetzt schwinget, wie's Blut dran niederlauft,
Das ist der Wedel und Weihbronn, womit die Freiheit tauft.

Dort steht ein blutender Krieger auf Leichenhügeln muthig,
Wie auf dem Fels die Eiche, vom Morgenrothe blutig!
Ein Schweizer nur kämpft also, ein Schweizer ist es nicht!
Das ist der Fürstenberger; hei, wie so gut er ficht!

Horch, wie das Horn so gräßlich des Zuger Hirten schallt!
Sturm, Sturm! ruft wilden Tones der Schiffer aus Unterwald;
Ha, Schützenvolk aus Uri, du zielest weit und gut!
Ei, Solothurner Winzer, die Traube gibt schon Blut!

Was weht da für ein Banner vor Allen hoch daher?
Im purpurrothen Felde ein grimmer schwarzer Bär!
Ja, biedres Bern, du wähltest dein Banner klug und gut,
Dein grimmer Bär, der watet jetzt tief im rothen Blut.

Dort mit gespaltnem Haupte sinkt Einer auf den Grund,
Seht, selbst im Tod schwebt Lächeln noch um des Helden Mund;
Nur Freie lächeln sterbend: ein Schweizer ist's! O nein!
Der Fürstenberg ist's, lachend in Schmerz und Todespein.

»Ihr schweizerischen Schnitter, ihr schneidet bis aufs Blut!
Ihr schweizerischen Drescher, ihr dreschet derb und gut!«
Er stöhnt's und stirbt inmitten der Leichen seiner Schaar,
Im Tod noch treu ihr Herzschild', wie er's im Leben war.

Wie Garbenbünde liegen gefällt die Ritter schon,
Ihr Führer in der Mitte als purpurrother Mohn;
Aufs öde wüste Saatfeld blickt still das Abendroth,
Die Schnitter aber schweigend verzehren ihr Vesperbrod.

Seht dort das graue Beinhaus, das ist der Freiheit Scheune,
Da häufte sie als Aehren die bleichenden Gebeine;
Wenn einst der erste Morgen des ew'gen Lenzes naht,
Ersteht in Füll' auch wieder, o Freiheit, deine Saat!

O Dorneck, schönes Dorneck, wie bist du mir so werth!
Der Sänger ist nun wieder so gern zu dir gekehrt.
Du selig rächen unter der schattigen Lindenwand,
O sieh noch lang so selig aufs schöne, freie Land!

 
Zwei Leichen.

            Zwei teure Leichen liegen im Schweizerland zumal,
Die ein' im Feld bei Frastenz, die andr' in Dornecks Thal!
Allbeide edel, doch haben sie sonst wohl nichts gemein
Als blut'ge Herzenswunden und ew'gen Schlaf allein.

Der eine schien gesunken als starker Felsenthurm,
Der kühn im Sturm gestanden, doch auch gestürzt im Sturm;
Sein Herz, nun welk und fühllos, ein ausgebrannter Vulkan,
Einst herrlich, flammenstrahlend! Tod dem, der's wagt zu nahn!

Der Andr' ein uralter zertrümmerter Altar,
Drauf einst die Opferflamme gelodert rein und klar;
Sein Herz das milde Abbild der Sonn', ein Regenbogen,
Der Bogen ist erloschen, die Sonne hinüber gezogen.

Dem schließt ein Weib das Auge, und ihre Thräne rinnt;
Dieß Weib, ist's nicht die Freiheit? Es ist des Greises Kind!
Die Herzen seines Volkes, die sind sein Todtenbuch,
Die freie Heimaterde, die ist sein Leichentuch.

Doch Jener, unbetrauert, verlassen und allein!
Wer drückt ihm zu die Augen, wer wird ihm Thränen weihn?
Blieb nichts ihm treu? O seht, sein traurig Schlachtroß dort
Scheucht ihm vom Haupt die Raben, die ungeduldigen, fort.

Wie Kön'ge stolz war dieser und war doch nur ein Knecht,
Frei jener wie kein König, doch eben schlecht und recht;
»Dort liegt Wohlleb!« Der Schweizer zeigt's, ruhmerröthend, euch,
»Und dort der Fürstenberger!« Da bebt er und wird bleich.

Ein Kästlein, drein die Freiheit gern ihren Brautring legt,
Das scheint der Sarg des Einen, der solche Worte trägt:
»Ich bin ein freier Schweizer, Heinz Wohlleb zubenannt,
Dieß Häuschen und sein Sasse stehn beid' in Gottes Hand.«

Der Sarg des Andern aber schien eines Fürsten Schrein,
Voll bluterkaufter Juwelen, drauf grub dieß Wort man ein:
»Dem König war mein Leben, die Seele Gott allein,
Mein Herz den Fraun ergeben, die Ehre nur blieb mein.«

O Ehre, Fürsten, Frauen! ha, gebt ihr solchen Lohn?
Speist selbst auf Grabessteine, o Welt, du deinen Hohn?
Schlaft sanft, ihr Zwei! Ihr aber, die ihr noch jetzo wacht:
An wessen Stelle lieber schlieft ihr die ew'ge Nacht?

 
Freiheit.

            Wer ist's, der Maxen bringen die blut'ge Kunde mag
Von all der Seinen Tode am unheilschwangern Tag?
PirkheimerPirkheimer Bilibald, geb. 1470 zu Eichstädt in Franken, gest. 1530 zu Nürnberg, Jurist, Theolog, Mathematiker, Geschichtschreiber, Philolog ich Mediciner, Alb. Dürer's Freund, Mitglied des Rathes zu Nürnberg und 1499 im Schweizerkriege Feldhauptmann der nürnbergischen Truppen. Als unparteiischer Augenzeuge schrieb er die historia belli helvetici und als feuriger Anhänger Maximilians den currus triumphalis honori Maximiliani inventus. ist's, der muthig als kühner Streiter ficht
Mit Schwert und scharfer Feder für Wahrheit, Recht und Licht.

Wie nahm der Fürst die Kunde? Wohl war's ihm herbe Pein?
Wohl wird er weinend klagen, verzweifeln gar? – O nein!
Die Eule kreischt wohl wimmernd, wenn sie der Pfeil durchdringt,
Der Königschwan, auch todtwund, der ächzt nicht, sondern singt.

Zu Kostniz stieg der König zu Schiff um Mitternacht,
Vor ihm der See so ruhig, ob ihm der Sterne Pracht!
Der Mond blickt sanft ins Aug' ihm, als spräch' er ihm ans Herz:
Ich habe schon belauschet viel größern bittrern Schmerz!

Die Wellen spielen ums Schifflein, als flüsterten sie ihm zu:
Wie trugen schon so Manchen, der elender als du!
Ums Haupt ihm kosen die Lüfte, als weht' es im Schmeichelwind:
Wir haben schon getrocknet manch herbe Thräne lind!

Und als der Fürst des Morgens zu Lindau stieg ans Land,
Da schmiegte sich das Frühroth um seiner Wangen Rand,
Als rief's zu ihm hernieder vom hohen Aetherthron:
Ich habe wieder geröthet viel bleiche Wangen schon!

So hell und licht wie Mondschein, und wie die Lüfte klar,
Und wie der See so ruhig nun Maxens Seele war;
In seinem Herzen tagt es wie lichte Morgenstund',
Er neigt sein Haupt am Strande und küßt den deutschen Grund.

Vor sich die Schweizerberge sieht glanzverklärt er stehn;
So hat manch Fürst und Sänger sie seither noch gesehn.
Heil jedem edlen Fürsten, Heil seinem Volk auch dann,
Wenn er der Freiheit ruhig ins Antlitz schauen kann!

Wo aber sind die Sieger, die Schweizer hingeflohn?
Wo lagern jetzt die Helden? was ward ihr Siegeslohn?
Wo bleibt das Lied, das brausend dem Preis der Freiheit brennt?
Wo bauten sich die Tapfern des Ruhmes Monument?

Seht dort den melkenden Sennen, den Fischer hier im Kahn,
Den Pflüger und den Schnitter, den Jäger auf felsiger Bahn;
Ihr braucht nicht weit zu schauen, ihr seht die Helden schon!
Rings freie Luft und Erde, das ist ihr Siegeslohn.

Horch, Becher klingen beim Mahle, die Büchse kracht im Wald,
Die Sensen klirren im Thale, des Aelplers Horn erschallt,
Dort Läuten der Alpenheerden, fern Abendglockengetön!
Das ist das Lied der Freiheit! Klang je ein Lied so schön?

Muth, Wahrheit, Treu' und Liebe und Einfalt, Glaub' und Recht,
Das ist die heil'ge Sieben im lichten Farbengeschlecht,
Das ist der Regenbogen, deß Leuchten ewig brennt
Hoch über den Schweizerbergen als Freiheitsmonument!


 << zurück weiter >>