Stefan Großmann
Der Vorleser der Kaiserin
Stefan Großmann

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Dumuwi

Eine unerläßliche Gründung

Ich hatte wieder einmal eine Gründungsidee. Diesmal war es ein so schlagender, absolut erfolgsicherer Einfall, daß ich beschloß, sofort die nötigen Drucksachen – auf eigene Kosten! – drucken zu lassen und dann erst zu meinem Freunde, dem Millionär und Menschenfreund, zu stürzen.

Er saß im Fauteuil an seinem Schreibtisch, und ich breitete sogleich die Geschäftspapiere vor ihm aus.

»Wie soll das Unternehmen heißen?«

»Dumuwi«, erwiderte ich schnell.

Der Bankdirektor sah mich an.

»Abkürzung natürlich für: Du mußt es wissen . . . Der lange Titel heißt: ›Du mußt es wissen‹, Institut für Übermittlung aufklärender Informationen.«

Der Millionär wollte es wagen zu lächeln.

»Bitte,« sagte ich rasch, »haben Sie einen Freund, der die Gewohnheit hat, Nägel zu kauen? Oder einen Kollegen, der Zugstiefel trägt? Sie haben eine Sekretärin mit schlecht gepflegten Zähnen? Was tun Sie dagegen?«

148 »Nichts! Was kann ich dagegen tun? Ich habe kein Recht, meiner Sekretärin zu sagen: Gehen Sie morgen zum Zahnarzt. Ich kann meinem Kollegen nicht sagen: Es ist unmöglich, Nägel zu kauen«.

»Sehen Sie«, rief ich triumphierend, »deshalb habe ich das Institut Dumuwi gegründet!! Ihre Sekretärin erhält morgen folgenden Brief.« Ich zog den ersten Brief meines Instituts aus der Tasche:

Dumuwi

Du mußt es wissen, G. m. b. H. für Übermittlung aufklärender Informationen.

Sehr geehrtes Fräulein!

Es ist uns bekannt, daß Ihre Arbeiten in der Zentralbank die Zufriedenheit Ihrer Vorgesetzten erringen, ebenso, daß Ihr persönliches Auftreten Ihnen viel Sympathien verschafft. Um so dankbarer werden Sie uns für die Übermittlung der folgenden Aufklärung sein: Ihr persönlicher und sachlicher Erfolg wird noch größer sein, wenn Sie Ihre schadhaften Zähne so rasch als möglich in ärztliche Behandlung geben. Sollten wirtschaftliche Schwierigkeiten Sie behindern, so sind wir als Vermittlungsstelle bereit, Ihnen bei der 149 Direktion der Zentralbank einen Vorschuß zur Ausführung obengenannten Vorschlages zu erwirken.

Mit aufrichtigster Hochschätzung!

Der Generalsekretär   
der Dumuwi G. m. b. H.

»Nun, was sagen Sie zu meiner G. m. b. H.? Es ist klar, daß sie nach drei Wochen unentbehrlich sein wird! Jeder hat in seiner Nähe einen, was sage ich, ein Dutzend Menschen, denen er die wichtigste Aufklärung aus einem ganz begreiflichen Zartgefühl vorenthält. Allen diesen Leuten muß geholfen werden. Der Parvenü, der noch genähte Krawatten trägt, die elegante Frau, die sich die Lippen um eine Nuance zu rot färbt, der demokratische Abgeordnete, der mit dem Messer ißt . . ., sie werden meinem Institute Dumuwi zu Dank verpflichtet werden, weil ich ihnen die wichtigste Aufklärung über sich selbst verschaffe und ihnen, dank der Anonymität meiner Instanz, das Gefühl der persönlichen Beschämung erspare. Freilich, die Dumuwi muß bekannt werden, ihre Autorität muß unbezweifelbar sein, es wird Geld kosten, sie zu organisieren und sie sogleich bekanntzumachen. Die Zeitungen müssen spaltenlange Inserate von Dumuwi, 150 die Litfaßsäulen riesige Plakate bringen. Ich brauche dazu mindestens . . .«

»Sehr hübsch«, fiel der Millionär ein, »aber ein solcher Aufwand von Arbeit und Energie und Geld wegen dieses bißchen Kritik am äußeren Menschen. Lohnt es sich?«

»Ob es sich lohnt?« Ich konnte nicht anders, ich mußte laut werden. »Denken Sie an den Dichter F. Z. Sie wissen, daß er sich den großen Erfolg jedes seiner Stücke dadurch ruiniert oder gefährdet hat, daß er, wenn das Publikum raste, auf der Bühne erschien, x-beinig, dick, klein; in seiner ganzen Häßlichkeit zerstörte er im Nu die Illusion, die er drei Stunden lang durch sein Werk über sich selbst erzeugt hatte. Der Mann braucht ein pseudonymes Äußere. Der Direktor kann ihm nicht sagen: ›Bleiben Sie unsichtbar, das vergrößert den Erfolg Ihres Stückes‹, aber Dumuwi kann, soll, muß es ihm sagen! Ich schätze, daß der Mann seine Tantiemen um viele tausend Mark (denn er hat die Manie, seinem Stück nachzureisen und überall zu erscheinen) erhöhen wird. Nur, indem er durch Unsichtbarkeit eine Legende über sich erzeugt.«

»Schön«, sagte der Bankdirektor bedächtig, »das Wirkungsgebiet der Dumuwi ist etwas weiter, als ich dachte, aber . . .«

151 »Etwas weiter?« schrie ich. »Etwas weiter? Haben Sie eine Ahnung? Das Schicksal ganzer Länder kann von uns abhängen. Dumuwi wird ein politischer Faktor ersten Ranges. Nehmen Sie an, wir hätten irgendwo in Europa ein Fürstentum, dessen Herrscher ein vortrefflicher, repräsentabler, herablassender, gutmütiger Herr wäre, aber nur an dem kleinen Fehler laborierte, fortwährend und bei jeder Gelegenheit Reden zu halten. Wer soll ihn daran verhindern? Sein Oberhofmeister? Wird sich hüten! Sein Ministerpräsident? Das würde ihm schlecht bekommen. Vielleicht sein Oppositionsführer? Aber dem würde er nicht glauben! Wenn aber, wir, Dumuwi, bekannt als Übermittler reinster Wahrheiten, ein objektiv geleitetes Institut, dem Bosheit ebenso fern liegt wie Liebedienerei, ihm schreiben: ›Durchlaucht gefährden Ihre unzweifelhaft bestehende Popularität durch diesen Hang zu öffentlichen Reden‹, – dann könnten wir damit eine politische Tat von größter Wichtigkeit verrichten.«

Der Bankdirektor erhob sich und reichte mir die Hand: »Sie haben mich überzeugt. Ihr Institut beruht auf einem gesunden Grundgedanken und wird wirklich im Handumdrehen unentbehrlich sein. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Vorhaben und hoffe, daß Sie auch die nötigen Mittel zur Stärkung 152 des Unternehmens schnell finden werden.« – Damit begleitete er mich zur Tür.

Zu Hause nahm ich ein Briefpapier von Dumuwi, Institut zur Übermittlung aufklärender Informationen, legte es in die Schreibmaschine und tippte:

»Zu Ihrer Aufklärung: Millionäre sollen nicht beglückwünschen. Millionäre sollen Kredit geben. Das haben sich schon Tausende gedacht, denen Sie nichts schenkten als Ihr Wohlwollen.

Der Generalsekretär        
der G. m. b. H. ›Du mußt es wissen‹,
Institut für Übermittlung aufklärender
Informationen.«
       


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