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Renaissance.

Die Hartnäckigkeit, mit der die Isländer an ihrer Insel festgehalten haben, hat ihnen Glück gebracht. In zähen Verhandlungen mit der dänischen Regierung erlangten sie Stück für Stück Selbstverwaltung, Selbstbestimmungsrechte und schließlich einen völlig autonomen eigenen Staat. Sobald das nationale Selbstbestimmungsrecht der Völker als allgemeines Menschenrecht statuiert zu sein schien, hat Dänemark in vorbildlicher Weise die restlose Konsequenz gezogen und im Staatsvertrag vom 1. Dezember 1918 Islands Souveränität anerkannt. Seitdem besteht nur noch eine, übrigens gegenseitig kündbare, Personalunion zwischen den beiden Ländern.

Hand in Hand mit der zunehmenden Souveränität ging der wirtschaftliche Aufstieg, die Erweckung neuer wirtschaftlicher Energien, die Erschließung neuer Erwerbsquellen. Mit fast amerikanischer Schnelligkeit ist das Versäumte nachgeholt worden. Die Modernisierung des Verkehrs war eine der wichtigsten Aufgaben. Reisen auf der weglosen, zerklüfteten, von reißenden, unüberbrückten Strömen durchfurchten Insel konnten nur mit Pferdekarawanen ausgeführt werden und waren in manchen Gegenden immer, auch in den Sommermonaten, gefahrvoll. Die Verbindung mit dem Kontinent ging noch Ende vorigen Jahrhunderts auf höchst primitiven und unregelmäßig verkehrenden Dampfern vor sich. – Telegraphisch wurde Island erst im Jahre 1906 mit der Umwelt verbunden. Seitdem ist ein verhältnismäßig engmaschiges Telephonnetz über die Insel gezogen worden. Den summenden Telephondrähten folgen Autostraßen langsam nach. Sie müssen über Lavawüsten und Flüsse geführt und in Felsen hineingesprengt werden. Die Küste wurde von Leuchtfeuern eingefaßt, Häfen sind ausgebaggert und Wellenbrecher aufgeworfen worden.

Eines der produktivsten Werte ist Islands moderne Trawlerflotte. Sie holt Fischereiprodukte im durchschnittlichen Exportwerte von 50 Millionen Kronen jahraus jahrein aus dem Meere herauf. Aber auch der Ankauf einer eigenen seetüchtigen Flotte von Fracht- und Passagierdampfern war, in Erinnerung der furchtbaren, der schifflosen Zeit im Mittelalter, eine nationale Aufgabe. Das nötige Kapital ist durch Vergebung von Anteilscheinen über ganz niedrige Beträge aufgebracht worden. Die Passagier- und Frachtdampferflotte der isländischen Dampfschiffahrtsgesellschaft ist heute Gemeinschaftseigentum fast des gesamten isländischen Volkes, da die Anteilscheine sowohl von der Regierung, wie von breiten Volksschichten und ausgewanderten Isländern gekauft wurden. Welch ein Glück die Anschaffung zweier Dampfer schon vor dem Kriege war, zeigte sich während seines Verlaufes, als Island von jeder regelmäßigen Verbindung ausländischer Dampfer mit dem europäischen Kontinent und mit England abgeschnitten war und die beiden Dampfer wenigstens mit Amerika regelmäßigen Verkehr aufrecht erhalten konnten. Heute hat die Gesellschaft vier Dampfer, die nach den größten Wasserfällen der Heimat benannt sind und folgende Namen tragen: Bruarfoss, Godafoss, Gullfoss und Lagarfoss. Es sind auch diese Schiffe, die den neu eingerichteten regelmäßigen Verkehr zwischen Hamburg und Reykjavik vermitteln.

Damit die isländische Volkswirtschaft nicht einseitig auf der, gefährlichen Konjunkturschwankungen unterworfenen, Fischerei aufgebaut werde, sind neuerdings Kräfte in Bewegung, um die isländische Landwirtschaft, d. h. Viehzucht, zu heben, die zahlreichen und teilweise außerordentlich gewaltigen Wasserkräfte zu verwerten, im Zusammenhang damit Industrien zu gründen, sowie schließlich auch die warmen Quellen des Landes nutzbar zu machen. Dies kann in doppelter Weise geschehen: Auf dem von den Quellen erwärmten Erdboden können Treibhäuser errichtet und darin Südfrüchte und zartes Gemüse gezüchtet werden. Außerdem soll das kochende Wasser in gut isolierten Leitungen nach dem nahegelegenen Reykjavik geführt und auf diese Weise die ganze Stadt erwärmt werden.

Mit diesen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten vor Augen hat das kulturelle Leben auch im Sinne moderner Zivilisation einen großen Aufschwung genommen: Eine Universität mit allen vier Fakultäten, eine Bibliothek, Museen, Laboratorien, wissenschaftliche Institute und Hospitäler sind errichtet worden. Das erste, was der Fremde von Reykjavik sieht, wenn das Schiff dem neuen Hafen zusteuert, ist eine gigantische drahtlose Sendestation, deren Gerippe sich als jüngster und mächtigster Troll über der Hauptstadt des Landes erhebt, und der mit geheimnisvoller Stimme die ganze Insel beherrscht.

Relativ mehr als jeder andere Staat, fast 5 % des gesamten Jahresbudgets, wendet Island zur Unterstützung von Kunst und Wissenschaft auf (der Unterhalt von Schulen und Kirchen ist darin nicht inbegriffen). Trotzdem haben sich die Isländer noch eine Extra-Vergnügungssteuer von allen öffentlichen Tanzbelustigungen, Kinoaufführungen usw. auferlegt, um – wahrscheinlich schon zum tausendjährigen Jubiläum des ersten Altings auf Tingvalla, im Jahre 1930 – ein eigenes Nationaltheater zu erbauen. Das Musikleben befindet sich unter deutschem Einfluß im status nascendi. Schließlich hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten eine junge isländische Malkunst entwickelt.

Islands Malerei ist der eigentliche Inhalt dieses Büchleins. Man findet selten einen Volkscharakter so ungefälscht auf die Ebene der Kunst projiziert, wie bei der jungen isländischen Malerei – trotz äußerer Einflüsse. Noch weniger als in anderen Fällen kann man hier das eine vom anderen trennen. Wer die isländische Kunst richtig verstehen will, muß Abstammung und Schicksal dieser Nation kennen.


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