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Vorwort

Das vorliegende Buch über Göthe's Wilhelm Meister ist durch die Bewegung hervorgerufen worden, welche seit einem Jahrzehnd unsre Literatur vielseitig nach dem Socialen hindrängt.

Die Philosophie der Gesellschaft hat der Deutsche über der Vollendung seiner philosophischen und theologischen Systeme fast ganz vernachlässigen und den Franzosen und Engländern überlassen müssen.

Ueberhaupt lag auch der kritischen Wissenschaft Deutschlands alles Socialistische noch vor zehn Jahren so ferne, daß sie entweder die weltgeschichtliche Macht des Socialismus leugnete, oder ängstlich vom Deutschtum abwehrte, oder endlich, wo offenbar sociale Erscheinungen selbstständig in deutscher Literatur hervorgetreten waren, sie nicht anerkennen mochte.

Die Literatur der neuesten Zeit hat daher im Angesichte des französischen Socialismus in ihren eigenen Schatzkammern erst nachforschen müssen, und man darf es sagen, an Göthe's Wilhelm Meister nun erst eine neue Entdeckung gemacht.

Daß Wilhelm Meister seiner innersten Natur nach eine sociale Dichtung sei, hat die deutsche Wissenschaft vor zehn Jahren erst bescheidentlich angedeutet, dann entschiedener ausgesprochen, und, man wird es einst schwer begreiflich finden, gegen die härtesten Angriffe der herrschenden Kritik erkämpfen müssen.

Indem nun dem deutschen Publikum in der vorliegenden Schrift zum ersten Male eine monographische Entwicklung Wilhelm Meisters in seinen socialistischen Elementen dargeboten wird, will der Verfasser sich dies zu einem Rechte auf nachsichtige Beurteilung gemacht wissen. Denn bei dem unerschöpften Reichtume dieser götheschen Dichtung darf der Eine zu erschöpfen nicht wähnen, was nur vielen fleißigen Forschern gelingen kann.

Wie ich nun selbst manche Vorarbeiten der Kritik für die Lehrjahre benutzen durfte, wünsche ich Anderen, Folgenden auch für die Wanderjahre Brauchbares und Anzuerkennendes geliefert zu haben. Denn daß unsere Zeit sich mit Wilhelm Meister, besonders mit den Wanderjahren, gerade in Bezug auf den socialen Gedanken noch eifrig beschäftigen werde, scheint im Hinblick auf unsre werdende Socialliteratur zweifellos; und so ist es mir schon ein Beweis dafür, daß mir während meiner Arbeit Alexander Jung, mein Mitbürger, der jüngst durch seine treffliche Schrift: Friedrich Hölderlin und seine Werke ein rühmliches Verdienst um die Wissenschaft sich erworben hat, die Mitteilung machte, wie auch er an einer Arbeit über den Socialismus der Wanderjahre beschäftigt sei.

Möge den Freunden Göthescher Dichtung auch die vorliegende Leistung willkommen sein, welche der Verfasser in dankbarer Anerkennung alles dessen, was er selber dem großen Dichter schuldet, als ein wenn auch noch so geringes Opfer Göthe zur Säcularfeier seines Namens dargebracht hat.

Königsberg, den 9. September 1849.


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