Christian Dietrich Grabbe
Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung
Christian Dietrich Grabbe

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Zweiter Akt

Erste Szene

Der Saal im Schlosse.

Teufel (tritt auf; er hat den Pferdefuß wieder zugewickelt). Es schleicht hier ein riesenhafter Kerl herum, dessen lange Finger ununterbrochen auf den Galgen hinzudeuten scheinen, an welchem man ihn noch einmal aufhängen wird. Vielleicht paßt er in meinen Plan! – Still, da ist er! Ich will auf die Seite treten und hören was er sagt.

(Der Freiherr Mordax tritt auf.)

Freiherr. Die Liddy ist ein prächtiges Tier und behagt mir superbe! Sie hat, soviel ich von außen sehen kann, ein paar Zitzen, wie kein König! Ich will sie heiraten oder totstechen!

Teufel (hervortretend; für sich). Ein schätzenswerter Mann! (Laut.) Graf Rindvieh, wenn ich nicht irre?

Freiherr. Freiherr Mordax, wenn Sie keine Prügel haben wollen!

Teufel. Euer Gnaden sind in die junge Baronin verblüfft?

Freiherr (stöhnend). Über die Maßen!

Teufel. Ich verschaffe sie Ihnen.

Freiherr. Wie?

Teufel. Aber auf Bedingungen!

Freiherr. Bedingen Sie, was Ihnen beliebt.

Teufel. Erstlich müssen Sie Ihren ältesten Sohn Philosophie studieren lassen.

Freiherr. Gut.

Teufel. Zweitens müssen Sie dreizehn Schneidergesellen ermorden.

Freiherr. Hast du mich zum Narren, Schurke? Was sind das für wahnsinnige Forderungen? Dreizehn Schneidergesellen ermorden! Weswegen denn grade Schneidergesellen?

Teufel. Weil es die unschuldigsten sind.

Freiherr. Ja so! – Doch dreizehn! Welche Menge! Nein, sieben will ich zur Not abkappen, aber auch keinen einzigen drüber!

Teufel (beleidigt). Meinen Sie, ich ließe mit mir handeln, wie ein Jude? (Er will gehen.)

Freiherr (hält ihn zurück). Hören Sie, Herr, ich will neun – elf – ja zwölf umbringen; nur den dreizehnten erlassen Sie mir! Das wäre über die grade Zahl hinaus!

Teufel. Gut, damit bin ich zufrieden, wenn Sie nämlich dem dreizehnten doch wenigstens einige Rippen zerbrechen wollen.

Freiherr. Nu, auf die paar lausigen Rippen soll es mir nicht ankommen! – Aber – aber –

Teufel. Noch ein Aber?

Freiherr. Ja, sehen Sie! ich habe einen neuen Rock und eine neue weiße Weste an, und die würden bei dem Totschlagen gewiß sehr beschmutzt werden!

Teufel. Wenns weiter nichts ist! Sie können ja eine Serviette vormachen.

Freiherr. Hol mich der Geier, das ist wahr! Ich will 'ne Serviette vormachen!

Teufel. Und morgen erwarte ich Sie bei dem Waldhäuschen zu Lopsbrunn; da machen Sie sich die Serviette wieder ab und nehmen die Baronin in die Arme.

Freiherr. Hohoho! Dazu werde ich freilich keiner Serviette bedürfen! (Er geht ab.)

Teufel. Das gelang, sagt Octavio Piccolomini! – Nach meinen physiognomischen Kenntnissen zu urteilen, wird es bei dem Herrn von Wernthal nicht viel schwerer halten, denn der sieht akkurat so aus wie der fromme Äneas, als ich denselben gestern mittag vor dreitausend Jahren von der Dido weglaufen sah.

Wernthal (tritt auf im Selbstgespräch). Bald ist also Hochzeit! – Meine Braut ist witzig, schön und edel. Aber ich habe 12 000 Rtlr. Schulden, und sie ist zu klug, um mir ein so großes Kapital ohne weiteres in die Hände zu geben, – ich wollte, sie säße auf dem Blocksberge und ich hätte ihren Geldbeutel auf meinem Buckel!

Teufel (hervortretend; für sich). Auch ein schätzenswerter Mann! (Laut.) Ihr Diener, Herr von Wernthal! Wie gehts?

Wernthal. Schlecht, Herr Generalsuperintendent.

Teufel. Was soll ich Ihnen für Ihre Braut bezahlen?

Wernthal (erzürnt). Herr, Sie –!

Teufel. Ich bin ein leidenschaftlicher Sammler von unehlichen Maikäfern, fetten Gastwirten und jungen Bräuten, und würde mit dem Preise eben nicht knickerig sein.

Wernthal. So so!! Ein Sammler! Nicht knickerig sein! Was bieten Sie mir denn für Liddy? Sie ist ausgezeichnet schön!

Teufel. Für ihre Schönheit gebe ich 2000 Rtlr. in Konventionsmünze.

Wernthal. Sie hat Verstand!

Teufel. Dafür ziehe ich 5 Gr. 2 Pf. ab, denn der ist bei einem Mädchen ein Fehler.

Wernthal. Sie hat eine feine, weiche Hand.

Teufel. Das macht sanfte Ohrfeigen; dafür bezahle ich Ihnen 7000 Rtlr. in Gold.

Wernthal. Sie ist noch unschuldig!

Teufel (zieht ein saures Gesicht). Ach, Unschuld hin, Unschuld her; dafür gebe ich Ihnen nicht mehr als 3 Gr. 1 Pf. in Kupfer!

Wernthal. Herr, wissen Sie auch, daß das Pfund Hammelfleisch über 4 Gr. Kurant kostet?

Teufel. Pah, seit der verschlechterten Straßenbeleuchtung und der Einführung der neuen Grenzakzise ist das Hammelfleisch sehr teuer und die Unschuld außerordentlich wohlfeil geworden. In Berlin zum Exempel erhält man in der Abenddämmerung die Portion Unschuld für zwei, drei, oder wenn es hoch kommt, für vier falsche Silbergroschen, den Rabatt noch ungerechnet.

Wernthal. Aber Liddy hat zugleich Gefühl, Einbildungskraft –

Teufel. Gefühl schadet dem Teint, Einbildungskraft macht blaue Ringe um die Augen und verdirbt die Suppe. Für den ganzen Rummel gebe ich aus Ironie einen Dreier.

Wernthal. Sie haben einen ziemlich ekeln Geschmack!

Teufel. Kurz und gut, ich bezahle Ihnen dafür, daß Sie von den etwaigen sittlichen, meiner Gesundheit nicht zuträglichen Eigenschaften der Baronin endlich einmal still schweigen, noch 11 000 Rtlr. in holländischen Randdukaten, und frage Sie nun, ob Ihnen meine Anerbietungen annehmbar scheinen?

Wernthal. Was macht demnach alles in allem?

Teufel (an den Fingern abzählend).

Für die Schönheit 2000 Rtlr. in Konventionsmünze,
für die Unschuld 3 Gr. 1 Pf. in Kupfer,
für die weiche Hand 7000 Rtlr. in Gold,
für das Gefühl und die Einbildungskraft 1 Dreier aus Ironie,
weil von den sittlichen Eigenschaften still geschwiegen wird, 11 000 Rtlr. in holländischen Randdukaten, –

macht zusammen 20 000 Rtlr. 3 Gr. 4 Pf. Davon ziehe ich jedoch 5 Gr. 2 Pf. für den Verstand ab, – bleibt also Rest: 19 999 Rtlr. 22 Gr. 2 Pf.

Wernthal. Topp, Herr Bräute- und Maikäfer-Sammler! – Wann erhalte ich das Geld?

Teufel. Gleich! – Versprechen Sie mir indes zuvor, die Liddy morgen in das Waldhäuschen von Lopsbrunn zu locken, die Begleitung von Bedienten zu verhindern, und denjenigen, welche dort das Fräulein wegrauben werden, nicht weiter nachzuspüren.

Wernthal. Ich verpflichte mich dazu, mit Ausnahme der Bedingung, daß ich die Baronin nach Lopsbrunn locken soll, weil man das von mir verdächtig finden würde. Ich rate Ihnen, den Ästheticus Rattengift zu bewegen, der Liddy eine Spazierfahrt dahin vorzuschlagen; er liest viel in den Schriften der neuromantischen Schule und ist in die Waldhäuschen wie vernarrt!

Teufel. Ich will es mit ihm versuchen; – aber für diese Beschränkung müssen Sie sich gefallen lassen, daß ich Ihnen die Hälfte der schuldigen Summe in österreichischem Papiergelde entrichte.

Wernthal. Ei, Herr, Sie sind verdammt filzig!

Teufel (fühlt sich geschmeichelt und schmunzelt). O ich bitte – Sie machen mich erröten! Ich bin zwar gerne verdammt, bin zwar gerne filzig, rasend gerne filzig, bin aber noch lange nicht filzig genug! (Geht mit Wernthal ab.)

Zweite Szene

Rattengifts Zimmer.

Rattengift (sitzt an einem Tische und will dichten). Ach, die Gedanken! Reime sind da, aber die Gedanken, die Gedanken! Da sitze ich, trinke Kaffee, kaue Federn, schreibe hin, streiche aus, und kann keinen Gedanken finden, keinen Gedanken! – Ha, wie ergreife ichs nun? Halt, halt! was geht mir da für eine Idee auf? – Herrlich! göttlich! eben über den Gedanken, daß ich keinen Gedanken finden kann, will ich ein Sonett machen, und wahrhaftig dieser Gedanke über die Gedankenlosigkeit, ist der genialste Gedanke, der mir nur einfallen konnte! Ich mache gleichsam eben darüber, daß ich nicht zu dichten vermag, ein Gedicht! Wie pikant! wie originell! (Er läuft schnell vor den Spiegel.) Auf Ehre, ich sehe doch recht genial aus! (Er setzt sich an einen Tisch.) Nun will ich anfangen! (Er schreibt.)

Sonett.

Ich saß an meinem Tisch und kaute Federn,
So wie – –

Ja, was in aller Welt sitzt nun so, daß es aussieht wie ich, wenn ich Federn kaue? Wo bekomme ich hier ein schickliches Bild her? Ich will ans Fenster springen und sehen, ob ich draußen nichts Ähnliches erblicke! (Er macht das Fenster auf und sieht ins Freie.) Dort sitzt ein Junge und kackt – Ne, so sieht es nicht aus! – Aber drüben auf der Steinbank sitzt ein zahnloser Bettler und beißt auf ein Stück hartes Brot – Nein, das wäre zu trivial, zu gewöhnlich! (Er macht das Fenster wieder zu und geht in der Stube umher.) Hm, hm! fällt mir denn nichts ein? Ich will doch einmal alles aufzählen, was kauet. Eine Katze kauet, ein Iltis kauet, ein Löwe – Halt! ein Löwe! – Was kauet ein Löwe? Er kauet entweder ein Schaf, oder einen Ochsen, oder eine Ziege, oder ein Pferd – Halt! ein Pferd! – Was dem Pferde die Mähne ist, das ist einer Feder die Fahne, also sehen sich beide ziemlich ähnlich – (jauchzend.) Triumph, da ist ja das Bild! Kühn, neu, calderonisch!

Ich saß an meinem Tisch und kaute Federn,
So wie (indem er hinzuschreibt) der Löwe, eh der Morgen grauet,
Am Pferde, seiner schnellen Feder kauet –

(Er liest diese zwei Zeilen noch einmal laut über und schnalzt mit der Zunge, als ob sie ihm gut schmeckten.) Nein, nein! So eine Metapher gibt es noch gar nicht! Ich erschrecke vor meiner eignen poetischen Kraft! (Behaglich eine Tasse Kaffee schlürfend.) Das Pferd eine Löwenfeder! Und nun das Beiwort »schnell«! Wie treffend! Welche Feder möchte auch wohl schneller sein als das Pferd? – Auch die Worte »eh der Morgen grauer!« wie echt homerisch! Sie passen zwar durchaus nicht hieher, aber sie machen das Bild selbstständig, machen es zu einem Epos im kleinen! – O, ich muß noch einmal vor den Spiegel laufen! (Sich darin betrachtend.) Bei Gott, ein höchst geniales Gesicht! Zwar ist die Nase etwas kolossal, doch das gehört dazu! Ex ungue leonem, an der Nase das Genie!

Teufel (tritt ein). Bon jour, Herr Rattengift!

Rattengift (dreht sich um und indem er den Teufel begrüßen will, erblickt er dessen Pferdefuß, von dem die Tücher heruntergefallen sind). Allmächtiger, der Teufel! (Er sucht bei dem Teufel vorbeizufliehen und die Türe zu gewinnen.)

Teufel (sieht seinen bloßen Pferdefuß und stampft wütend damit auf die Erde). Abscheuliche Unvorsichtigkeit! (Zu Rattengift.) Entsetzen Sie sich nicht! Ich habe Ihre Gedichte gelesen!

Rattengift (auf einmal geschmeidig). Haben Sie? haben Sie?

Teufel. Ja, und sie haben mir ausnehmend gefallen.

Rattengift (ganz zutraulich). O, Sie erteilen mir ein Lob, welches ich kaum – Sie dichten selbst?

Teufel. Ich –

Rattengift (läßt ihn gar nicht zu Worte kommen). Sie müssen dichten! Versuchen Sie! Sie werden herrliche Gedichte machen!

Teufel (beiseit). Weil ich die seinigen gelobt habe.

Rattengift . Nur bitte ich Sie, einen andren Namen als den Ihrigen, unter Ihre Poesien zu schreiben. Nicht etwa, wie es jetzt Mode ist, deswegen, weil Sie sich Ihrer Gedichte schämen müssen, sondern um das Charakteristische Ihres Namens zu verbergen. Wie sich z. B. Jemand, dem es sehr winklig und düster im Kopfe ist, hell nennen könnte, so können Sie sieh ja Engel, Himmel oder Tugend titulieren.

Teufel. Sie geben mir einen befolgenswerten Rat, Herr Rattengift! – Übrigens habe ich schon mehrere Werke ans Licht gestellt, wie erst kürzlich die Französische Revolution, ein Trauerspiel in vierzehn Jahren, mit einem Prologe von Ludwig XV. Das Stück ist aber außerordentlich schlecht aufgenommen worden, besonders wegen des Fehlers, daß es die Kritiker guillotinierte. Auch kann ich es, ohngeachtet mancher Freunde, die im Stillen daran arbeiten, weder in Preußen, Österreich, noch England zum zweiten Male auf die Bühne bringen. Die Zensur ist zu strenge. Jedoch habe ich Hoffnung, daß man es in Spanien mit einigen unbedeutenden Varianten wieder aufführen wird. – Jetzt beschäftige ich mich mit einem Possenspiele, welches unter dem Titel: der griechische Freiheitskampf vom Verfasser der Französischen Revolution, im Verlage des türkischen Kaisers erscheint.

Rattengift. Ihre Werke, die ich, wie ich nun sehe, schon seit langem kenne, ohne zu wissen, daß sie von Ihnen sind, haben unleugbar etwas Gigantisches, Herr Teufel! Aber der Unwahrscheinlichkeiten, der Freiheiten, die Sie sich mit Zeit und Ort herausnehmen, sind doch allzuviele! Und nun gar die Verse, die Verse! Auch möchten die Ansichten von der Welt, welche sich darin zeigen –

Teufel. Wissen Sie auch, was die Welt ist?

Rattengift. Welche Frage? Die Welt ist der Inbegriff alles Existierenden, vom kleinsten Würmchen bis zu dem ungeheuersten Sonnensystem.

Teufel. So will ich Ihnen denn sagen, daß dieser Inbegriff des Alls, den Sie mit dem Namen Welt beehren, weiter nichts ist, als ein mittelmäßiges Lustspiel, welches ein unbärtiger, gelbschnabeliger Engel, der in der ordentlichen, dem Menschen unbegreiflichen Welt lebt, und wenn ich nicht irre, noch in Prima sitzt, während seiner Schulferien zusammengeschmiert hat. Das Exemplar, in dem wir uns befinden, steht, glaube ich, in der Leihbibliothek zu X, und eben jetzt wird es von einer hübschen Dame gelesen, welche den Verfasser kennt und ihm heute abend, d. h. über sechs Trillionen Jahre, beim Teetische ihr Urteil darüber mitteilen will.

Rattengift. Herr, ich werde verrückt! – Ist die Welt ein Lustspiel, was ist denn die Hölle, die doch ebenfalls in der Welt ist?

Teufel. Die Hölle ist die ironische Partie des Stücks und ist dem Primaner, wie das so zu gehen pflegt, besser geraten als der Himmel, welches der bloß heitere Teil desselben sein soll.

Rattengift. Und wirklich wäre die Hölle weiter nichts? Wie – wie werden denn die Verbrecher bestraft?

Teufel. Einen Mörder lachen wir so lange aus, bis er selber mitlacht, daß er sich die Mühe nahm, einen Menschen umzubringen. Die härtste Strafe eines Verdammten aber besteht darin, daß er die Abendzeitung und den Freimütigen lesen muß und sie nicht anspucken darf.

Rattengift. Gott im Himmel, Herr Teufel, ich merke, daß man in der Hölle nicht nur meine Gedichte, sondern die ganze deutsche Literatur kennt! Wie erklärt sich das?

Teufel. Ganz natürlich! In die Hölle kommt nicht allein das Böse, sondern auch das Jämmerliche, Triviale: so sitzt der gute Cicero ebensowohl darin, als wie der schlechte Catilina. Da nun heutzutage die neuere deutsche Literatur das Jämmerlichste unter dem Jämmerlichen ist, so beschäftigen wir uns vorzugsweise mit dieser.

Rattengift. Ei, wenn die deutsche Literatur in der Hölle das Hauptgeschäft ist, – was mag es denn darin für kuriöse Nebenbeschäftigungen geben?!

Teufel. Nu, in den Nebenstunden machen wir gewöhnlich aus den Geistern, weil sie unsichtbar und deshalb auch durchsichtig sind, Fensterscheiben oder Brillengläser. So hatte neulich meine Großmutter, als sie die sonderbare Grille bekam, das Wesen der Tugend einzusehen, sich die beiden Philosophen Kant und Aristoteles auf die Nase gesetzt; da es ihr aber dadurch nur immer dunkler vor den Augen wurde, so machte sie sich statt dessen eine Lorgnette aus zwei pommerschen Bauern, und konnte nun so deutlich sehen, als sie nur wollte.

Rattengift (die Hände über dem Kopfe zusammenschlagend). Merkwürdig! merkwürdig! –Sagen Sie mir, wissen Sie auch im Himmel Bescheid?

Teufel. Warum nicht? Erst jüngst habe ich den Samiel aus dem Freischützen, der in die Hölle kam und durchaus ein Vetter von mir sein wollte, wegen seine Edelmuts, den er an dem Jägerburschen Max bewiesen, mit Gewalt dahin zurückgeführt. Er sträubte sich zwar entsetzlich, aber endlich, als ich ihm einen eisernen Ring durch die Nase zog, sagte er mit hohler Stimme: »das findet sich!« und folgte mir zur Pforte des Himmels nach, wo ihn denn auch Sokrates mit offenen Armen empfing und gleich zum Balbier führte, damit er sich den Bart abscheren ließe und etwas kultivierter aussähe.

Rattengift. O, da Sie also im Himmel Bescheid wissen, so beschwöre ich Sie, erzählen Sie mir, was beginnen jene unsterblichen Heroen der Tugend, die ich zu den Leitsternen meines Lebens und meiner Dichtungen erwählt habe? Vor allem, was macht das erhabene Muster der Freundschaft, der göttliche Marquis Posa?

Teufel. Sie meinen den, welcher im Don Carlos auftritt?

Rattengift. Denselben, den Malteser!

Teufel. Da irren Sie sich, wenn Sie glauben, daß der im Himmel wäre; der sitzt bei mir in der Hölle.

Rattengift. Wie?

Teufel. Ja ja, ebensosehr als sich Samiel verwunderte, daß er in den Himmel mußte, verwunderte sich Marquis Posa, daß er urplötzlich in der Hölle stand. Aber wir nahmen ihm sein gewaltig schallendes Sprachrohr ab, und gaben ihm die Bestimmung, zu welcher er die meisten Talente besaß. Er ist Kuppler geworden, und hat einen Bierschank angelegt, mit dem Schilde: zur Königin Elisabeth.

Rattengift. Unmöglich! unmöglich! Posa ein Bierschenk! Ich kann es mir nicht ausdenken!

Teufel. Beruhigen Sie sich! Sein jetziges Amt scheint ihm zu behagen; er wird dick und fett, und hat schon einen Hängebauch!

Rattengift. Einen Hängebauch!! – – Aber das andere hohe Vorbild der Selbstaufopferung, der edle, herrliche Maler Spinarosa, der sitzt doch wohl in den ersten Reihen der Verklärten, dicht neben Curtius und Regulus?

Teufel. Ne, Sie verrechnen sich abermals! Spinarosa ist in Posas Bierhause als Marqueur angestellt; da übt er sich in der Selbstaufopferung, welche er auf Erden gern spielen wollte und doch nicht recht loskriegen konnte; allein jetzt, wenn er den Gästen einen Krug Merseburger bringen muß, sieht man es seinem halboffnen Maule nur zu deutlich an, daß ihm die Aufopferung dieses Kruges weit mehr Überwindung kostet, als die Aufopferung der ledernen Camilla. Neulich versuchte er sogar verstohlen hineinzunippen, aber da gab ihm Posa einen Zirkumflex hinter die Ohren, daß er sich vierzehn Tage daran erinnerte.

Rattengift. Gott! wie kann der Mensch sich irren! Spinarosa erhält von Posa eine Ohrfeige! Ich vergehe! – – Und Camilla nennen Sie ledern! Nein, das ist nicht Ihr Ernst, Herr Teufel! O ich bitte Sie, wie befindet sich dieses ideale Geschöpf der Liebe, welches selbst noch in den spätern, sogenannten besten Jahren, nachdem es schon einen Sohn hat, der über den sechzehnten Geburtstag hinaus ist, dennoch des Geliebten nimmer vergißt und süße Seufzer der Brust entsendet, als wenn es erst achtzehn alt wäre? O die Hehre durchschwärmt gewiß mit Thekla und Julia in Gesellschaft die Gefilde des ewigen Friedens!

Teufel. Ja, sie war im Himmel angelangt und hatte sich an die beiden Mädchen angeschlossen. Da aber Thekla einmal in Gedanken »Mutter« zu ihr sagte, so ärgerte sie sich darüber so grimmig, daß sie zu uns in die Hölle kam. Hier stand sie drei Wochen ganz einsam und setzte ihre im Himmel angefangenen Betrachtungen, ob sie eigentlich sehen könne oder nicht, ununterbrochen fort. Endlich ging per Zufall Falstaff vorbei; er hatte wieder starken Durst nach Sekt und andren Süßigkeiten, und ich weiß nicht, wie es geschah, er hält die Camilla für ein Glas Sirup, nimmt sie in die Hand und säuft sie rein aus. Nachher klagte er mir, daß der Sirup sehr schlecht gewesen sein müsse, weil er gräßliches Leibschneiden darauf gekriegt hätte.

Rattengift. Ich verzage und verliere beinahe die Courage weiter zu fragen – Wie geht es denn meinen tragischen Lieblingshelden, Schillers Wallenstein und Müllners Hugo?

Teufel. Sie sind alle beide in der Hölle. Hugo meinte zwar, als er starb, daß sich der Himmel ihm auftäte, aber er hatte sich, wie das bei einem Sterbenden leicht möglich ist, versehen. Freilich nahm sein Bruder dem Cherub das rächende Schwert ab, aber nicht deswegen, um es wegzuwerfen, sondern um in eigner Person seinen Mörder damit zu köpfen, und wenn er dabei winkte und lächelte, so machte er es, wie man es mit einem jungen, ungehorsamen Hunde macht, den man winkend und lächelnd zu sich lockt, um ihn nachher desto tüchtiger durchzuprügeln. Was Wallenstein betrifft, so fanden wir, nachdem wir ihn gehörig examiniert hatten, daß er sich vortrefflich zum Rektor qualifiziere; wir haben ihn auch sofort auf unserm höllischen Gymnasio zu Z. angestellt, und würden mit ihm im höchsten Grade zufrieden sein, hätte er nicht den Fehler, daß er jedesmal, wenn er den Stock aufhebt, um einen nichtsnutzigen Buben zu züchtigen, so lange ausruft: »hier ist nicht Raum zu schlagen«, »wohlan, es sei«, »ich wills lieber doch nicht tun« u.s.w., bis daß ihm der Bube von hinten einen großen papiernen Zopf angesteckt hat.

Rattengift. Der Teufel mag – (sich korrigierend, mit einer Verbeugung) Der Herr Teufel mögen mich holen, wenn mir nicht vor Staunen und Verwunderung der Atem stehenbleibt! Doch, reden Sie fort! Was machen die Dichter selber? Schiller, Shakspeare, Calderon, Dante, Ariost, Horaz, was tun, was treiben sie?

Teufel. Shakspeare schreibt Erläuterungen zu Franz Horn, Dante hat den Ernst Schulze zum Fenster hinausgeschmissen, Horaz hat die Maria Stuart geheiratet, Schiller seufzt über den Freiherrn von Auffenberg, Ariost hat sich einen neuen Regenschirm gekauft, Calderon liest Ihre Gedichte, läßt Sie herzlich grüßen und rät Ihnen in Gesellschaft der Liddy morgen die Waldhütte zu Lopsbrunn zu besuchen, weil dieses Häuschen in einer wahrhaft romantischen Gegend läge!

Rattengift. Ich Glücklicher! ich Überglücklicher! ich will auf den Dachgiebel klettern! Calderon liest meine Gedichte! Calderon läßt mich grüßen! Ich esse vor Freuden ein Talglicht! Grüßen Sie den Herrn de la Barca doch tausendmal wieder, – ich wäre sein rasendster Verehrer, ich wollte mit der Liddy das Waldhäuschen besuchen, und wenn ich ihr die Beine abschlagen sollte, – ich –

Teufel. Genug! Ich habe nicht länger Zeit! – Wenn Sie meiner einstmals bedürfen sollten, so wissen Sie, daß ich in der Hölle wohne. Hier von dem Dorfe ist dieselbe etwas weit weg; wenn Sie aber extra schnell dahin gelangen wollen, so müssen Sie nach Berlin reisen und dort hinter die Königsmauer, oder nach Dresden und dort in die Fischer-, oder nach Leipzig und dort in die Preußer-Gasse, oder nach Paris und dort ins Palais Royal gehen; von allen diesen Orten ist der Tartarus nur fünf Minuten entlegen, und Sie werden noch dazu auf ausgezeichnet guten, vielfältig ausgebesserten Chausseen dahin reiten können. – Doch, es wird bald Abend! Schlafen Sie mittelmäßig! (Er will sich entfernen.)

Rattengift (ihn aufhaltend). Apropos! ein einziges Wort! Darf ich nicht das Geheimnis erfahren, weswegen Sie jetzt auf die Erde gekommen sind?

Teufel. Weil in der Hölle gescheuert wird.

Rattengift. Ich danke Ihnen für Ihre gütige Antwort! Schlafen Sie recht wohl!

Teufel. Schlafen Sie mittelmäßig! (Geht ab.)

Dritte Szene

Eine Anhöhe vor dem Dorfe.

Mollfels (tritt auf). Sieh, da liegt es, das väterliche Dorf! Horch! auf seinem grauen Kirchturme klingt die Vesperglocke! Wie anmutig sie mir nach dreijähriger Abwesenheit entgegentönt! – Auch das altertümliche Schloß ist unverändert geblieben; stolz und stattlich erhebt es sich dort aus der Mitte seines sommerlich blühenden Gartens, und in seinen mächtigen Fenstern spielt purpurn der erste Schimmer des Abendrots! – – O Liddy, Liddy, wie ich dich liebe! (Ärgerlich.) Wäre ich nur nicht so verflucht häßlich!

Der Schulmeister (tritt auf, ohne Mollfels zu bemerken). Hier will ich stehen bleiben, auf die Fluren meines Schulbezirks niederschauen und meinen patriotischen Phantasien nachhängen. Wie könnte doch alles verbessert werden! Wenn die Bauern so lange in die Schule gehen müßten bis daß sie etwas gelernt hätten, so müßten sie selbst am Weltende noch sechs volle Wochen bei Wasser und Brot nachsitzen! Ferner, was für eine Nutzanwendung wäre nicht mit dem großen Eichwalde da drüben vorzunehmen! Wann werden die glücklichen Zeiten der Aufklärung erscheinen, wo man ihn in lauter Schulbänke zerschneidet, diese Schulbänke systematisch geordnet auf den Gefilden umhersetzt, lernbegierige Knäblein und Junggesellen hinzutreibt, und mich zum Direktor des Ganzen kreiert? O, dann würde ich vermittelst eines Luftballons die Abendsonne zu meinem leuchtenden Katheder machen, – den Kirchturm würde ich als Feder gebrauchen, – jener See wäre mein Tintenfaß, – und dort das Gebirge wäre ein Stück Speck, welches mir die Eltern und Gönner aus Dankbarkeit verehrten! (Er versinkt in tiefes Nachdenken.)

Mollfels (tritt vor und klopft ihm auf die Schulter). Sie sind da in echt pädagogische Reverien geraten, Herr Schulmeister!

Schulmeister (emporblickend). Herr Mollfels?! – Ich bin entzückt vor freudiger Überraschung! – – Wie hats Ihnen in Italien, dem Lande, wo die Steine sprechen, gefallen? Gewahrt man an der Venus von Medicis noch immer keine Altersschwäche? Der Papst hatte doch nicht mit dem Stiefel in den Dreck getreten, als Sie ihm den Fuß küßten? Ist –

Mollfels. Ich will es Ihnen bei gelegenerer Muße erzählen. Sagen Sie nur, ob hier zu Hause alles beim alten geblieben?

Schulmeister. Es hat sich in Ihrer Abwesenheit nichts Bedeutendes ereignet. Gestern ist die Spritze in Stand gesetzt worden, um das vorgestrige Feuer zu verhüten, und der reiche Barthel, der die Kathrine geheiratet hat, in welche er so sehnsüchtig verliebt war, hat sich jetzt nach der Analogie seiner Hosen ein Hemde von Hirschleder machen lassen, weil ihm die Faustschläge seiner Frau zu weh tun. Was meine Wenigkeit betrifft, so ist mir wie dem Vater Homer gegangen, – ich habe seit zwei Jahren keinen Schweinebraten geschmeckt!

Mollfels. Ei, woher schließen Sie denn, daß der alte Homer keinen Schweinebraten geschmeckt hat?

Schulmeister. Weil er ihn so delikat beschreibt, Herr Mollfels!

Mollfels. Sie beschreiben demnach den Branntewein wohl herzlich schlecht?

Schulmeister. Nein, den Branntewein nicht, aber die Tugend!

Mollfels. Es gibt doch keine Regel ohne Ausnahme! – – Aber antworten Sie mir: wie steht es auf dem Schlosse selbst? Ist Fräulein Liddy noch heiter?

Schulmeister. Auf dem Schlosse ist ein Schornsteinfeger angekommen, der ein Generalsuperintendent sein will, und schon vierzehn Tage vor seiner Geburt auf den Verlust seiner Unschuld pränumeriert zu haben scheint. – Die Heiterkeit der Baronin und die bittre Laune ihres Onkels sind in statu quo.

Mollfels. Da! für die gute Nachricht zwanzig Kodons! Ich kaufte sie von einem Juden, den ich nicht anders loswerden konnte, und kann sie nicht weiter gebrauchen! (Geht ab.)

Schulmeister. Kodons? Was sind das für Dinger? Was soll ich hagres Schulmeistergesicht damit machen? – Aber stille! ich will sie der Frau Gerichtshalterin als Gegenpräsent für den Topf Erbsen übersenden; sie versteht sich auf alles und wird daher auch so 'nen Kodon gehörig zu placieren wissen.

Tobies (kommt). Guten Abend, Herr Schulmeister.

Schulmeister. Guten Abend, lieber Tobies. (Beiseit.) Alle Teufel, wie schaffe ich mir den Kerl vom Halse?

Tobies. Nun, was macht mein Gottliebchen? Sind Sie mit ihm auf dem Schlosse gewesen?

Schulmeister. Haben Sie auch gehört, Herr Tobies, daß vor einer Stunde im Wirtshause ein Zahnarzt angekommen ist, der die Zähne umsonst auszieht?

Tobies. Meinetwegen! Sehen Sie, ich habe ein paar Reihen Zähne, die so gesund sind, daß ich meine Heugabel daran scharf wetzen könnte.

Schulmeister. Was tut das? Sie haben das Ausziehen umsonst! So was muß man mitnehmen!

Tobies. Ja, das ist auch wahr! Man muß ein Profitchen nicht verschmähen! Ich will hingehn und mir alle meine Backenzähne ausreißen lassen! (Er geht ab.)

Schulmeister. O heilige Naivetät! süße Unschuld! Du hast den Luxus der Städte verlassen und bist in die Hütte des Landmanns geflohen! Tobies läßt sich die Zähne ausziehen, weil er es umsonst hat! O! O! O! (Ab.)

Vierte Szene

Zimmer im Schlosse.

Liddy und der Baron treten ein.

Baron. Laß dich warnen, Mädchen! Ich traue dem Herrn von Wernthal nicht!

Liddy. Er hat seine Fehler; daß er aber auch Männerwert besitzt, hat er neulich im Duelle mit dem Grafen von Naubeck dargetan.

Baron. Im Duelle? – Oho, gestern duellierten sich zwei junge Herren darum, weil der eine auf Ehre versicherte, schon mehrmals am Schandpfahle gestanden zu haben, und der andere es ihm nicht glauben wollte. Gute Nacht! Ich habe genug gesprochen! (Geht ab.)

Liddy. Wahrlich, die Warnungen des Onkels beginnen Wirkung auf mich zu äußern! Wernthal ist nicht der, für den ich ihn bei unsrer ersten Bekanntschaft hielt! – – Sonderbar, daß mir unwillkürlich ein gewisser Mollfels einfällt, – er hatte das häßlichste Gesicht, welches sich denken läßt, war aber der geistreichste und vortrefflichste Mann, den ich gekannt habe.

Ein Bediente (kommt). Ein Herr Mollfels wartet im Vorsaal.

Liddy (erstaunt). Wer? – Mollfels? – Wie sieht er aus?

Der Bediente. Wir haben eben sieben alte Weiber aus dem Schloßteiche gezogen, welche beim Anblicke seines Gesichts vor Schrecken ins Wasser gesprungen waren.

Liddy (für sich). Kein Zweifel, er ist es! (Laut.) Führ ihn zu mir! (Der Bediente ab.) Es wird mir Mühe kosten, daß ich meine Verwunderung verberge.

Mollfels (tritt herein). Ha, ja erblicke ich sie wieder! (Laut.) Fräulein, ich komme aus Italien zurück und eile Sie zu begrüßen.

Liddy. Willkommen in der Heimat, Herr Mollfels, willkommen! – Sind Ihre Erwartungen befriedigt worden? Wie fanden Sie Rom?

Mollfels. Graue Ruinen blicken aus grünen Gebüschen, laute Tritte tönen durch einsame Straßen, und wer auf den Trümmern des Kapitols, im Angesichte der ausgestorbenen Siebenhügelstadt die letzten Donner eines vorübergezogenen Gewitters am fernen Horizonte verhallen hört, fühlt sich freilich ganz anders ergriffen, als wenn er einen Kirchturm in Berlin zu seinem Standpunkt hätte.

Liddy. Mich dünkt, in Rom müßte der Tod nicht sehr schmerzen.

Mollfels. Gewiß nicht! Dort schämt man sich ja beinahe, daß man lebt.

Liddy. Haben Sie in Florenz meinen Bruder gesprochen?

Mollfels. Hier sind zwei Briefe von ihm und seiner Gemahlin.

Liddy. O geschwind! (Sie bricht die Briefe auf.)

Mollfels (betrachtet sie während des Lesens). Welch reizendes Weib! Man hört die Musik ihrer Bewegungen! Wie zwei geistige Naphthafeuer glänzen die unauslöschlichen Flammen ihrer Augen, und wie ein See über seiner Quelle, wogt ihr Busen über ihrem Herzen! Selig der Erkorene, welcher an einer solchen Stätte sein ermüdetes Haupt ausruhen kann! (Auf und ab gehend.) Nein, ich will verdammt sein, wenn ich diesen Zustand länger ertrage! Ich muß erfahren, ob ich jemals hoffen darf oder ob ich mich an jenem Eichbaume aufhängen soll! Trotz meiner Häßlichkeit erkläre ich ihr jetzt meine Liebe, es mag biegen oder brechen! (Er tritt vor Liddy hin.) Fräulein, entsetzen Sie sich nicht über meinen Antrag, denn ich selber weiß recht gut, daß meine Taille die Pferde scheu zu machen pflegt, weil sie wie ein heruntergelassener Schlagbaum aussieht, – daß meine Stiefeln, ohngeachtet meine Waden darin stecken, so leer sind wie ein paar ausgehöhlte Bäume, – daß meine Ohren –

Liddy. Um Gotteswillen, Herr Mollfels, fangen Sie an zu phantasieren?

Mollfels. Und meine Nase! Hohoho, meine Nase! Die Menschheit schaudert davor zusammen! Unförmlich wie ein Tigergekrös, rot wie ein Fuchs, platt wie eine Erzählung von der Karoline Pichler, und so kurz wie eine Sekunde!

Liddy. Wie eine Sekunde! – Wie lang ist Ihr rechter Arm?

Mollfels. Ein Schaltjahr! Mitten im Gradestehen kann ich mit ihm meine Schuhe aufknöpfen! Wenn ich jedoch Gradestehn sage, so ist das natürlich nicht im Sinne eines preußischen Gardisten zu nehmen, sondern weit eher möchte es in die Gedanken und Träume eines Leipziger Stadtsoldaten hineinpassen! Der Henker weiß es, wo mein Rücken seine unendliche Bescheidenheit gelernt hat, er macht mich zu einem stereotypen Komplimente, zu einem unermüdlichen Betrachter meiner eignen Beine, welche sieh wiederum vielleicht nicht übel mit zwei fettgewordenen türkischen Säbeln vergleichen ließen!

Liddy. Bleiben Sie mir mit den fettgewordenen Säbeln aus dem Spiele, und erlösen Sie mich endlich aus meinem Starren und Staunen! Wozu soll Ihre begeisterte Selbstschilderung denn eigentlich führen?

Mollfels. Dazu, daß ich vor Sie hinstürze, daß ich Sie anbete, daß ich Sie liebe!

Liddy. Nun, ich muß Ihnen einräumen, Sie verstehen Ihre Liebeserklärungen fein einzufädeln! Wenigstens schicken Sie Beschreibungen Ihrer Persönlichkeit voraus, nach denen ich eher vermutet hätte, daß Sie wegen Ihrer Beine unter die Bäcker gehen wollten, als daß Sie mir die Liebe erklären würden.

Mollfels. O zerreißen Sie mir nicht mit meinen Beinen das Herz! Kein Mensch kann diese beiden Pole des Abscheus, diese beiden Zerstörer der Freundschaft, diese beiden Universalmittel gegen die Liebe grimmiger hassen als ich! Wenn ich irgend einem edlen Manne, der in den Morast gefallen ist, das Leben gerettet habe, und ich drücke ihn nun zum ewigen Bunde unsrer Seelen an meine Brust, so gibt er mir eine Ohrfeige und läuft davon, wenn er von ohngefähr einen Blick auf meine Beine geworfen hat! Aber dennoch, Fräulein, zwingt mich die Macht der Leidenschaft Ihnen meinen Liebesschwur von neuem vorzustammeln! Es ist mit mir dahin gediehen, daß ich mich schäme Rindfleisch und Senf zu essen, weil es mir für einen Liebenden zu gemein scheint, – daß ich in meiner Ekstase ein abgeschmacktes Trauerspiel geschrieben habe, dessen Inhalt zu närrisch ist, als daß ich Ihnen denselben nicht sogleich mitteilen sollte. Statt des Schicksals lasse ich darin die Gottheit der Antifatalisten, die Langeweile herrschen. Diese wird bei Eröffnung der Szene von dem zagenden Volke mit Vorlesungen aus den dramatischen Werken von Eduard Gehe verehrt. Unvermutet schallt aus dem Tempel der Ausspruch, daß die Göttin den Untergang der erhabenen Prinzessin Salvavenia beschließe. Das Volk heult, die Glocken läuten, die Prinzessin jammert als ob sie dem Satan schon in den Krallen säße, und alles stürzt in wilder Verzweiflung von der Bühne. Hierauf tritt Ossian ein und ißt ein Butterbrot. Nachdem er damit fertig geworden, verändert sich die Szene in den Audienzsaal des kaiserlichen Palastes. Der Kaiser hat eine Napoleonsweste an und die Großen stehen in grauen Gamaschen, welche sie vor Betrübnis aufgeknöpft haben, um seine Majestät herum. In der einen Stubenecke liegen zwei Strümpfe, welche höchst erbittert auf einander sind und sich vergiften wollen; nebenbei hängt ein plüschenes Wams, welches im Konversationslexikon blättert und eine Tasse Tee trinkt. Doch mit mordbegierigen Gebärden schleicht schon ein rachsüchtiger, hypochondrischer Borstwisch –

Liddy. Gerechter Himmel, halten Sie ein! Ich zittere für meinen Verstand!

Mollfels. Ich wollte Ihnen nur zeigen, zu welchen wahnsinnigen Kompositionen mich die Allgewalt der Liebe verleitet!

Liddy. Ich hoffe, daß es mit Ihrer Liebe nicht so ernstlich gemeint ist, denn ich bin mit dem Herrn von Wernthal verlobt.

Mollfels. Ei, so mag mich die Erde einschlingen, ich bin ein unglücklicher Kerl! – Verlobt? – Wahrhaftig, mir rollen die Tränen! – (Mit der Hand über seine Stirn fahrend.) Wenn – wenn ich mich in diesem meinen Schmerze umbringe, so werde ich mich vermutlich erschießen, denn wenn ich mich ersäufte, so müßte ich fürchten, daß ich den Schnupfen bekäme, und mit dem Schnupfen vor Gottes Richterstuhl zu treten, wäre wegen des Niesens teils sehr störend und teils sehr unschicklich. (Er geht ab.)

Liddy. Der Mann könnte einem Mädchen mehr gefallen, als wie er selber denkt.


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