Christian Dietrich Grabbe
Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung
Christian Dietrich Grabbe

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Erster Akt

Erste Szene

Stube des Schulmeisters.

Schulmeister (sitzt am Tische und schenkt aus einer großen Flasche sich ein Glas nach dem andren ein). Utile cum dulci, Schnaps mit Zucker! – Es wird heute ein saurer Tag, – ich muß den Bauerjungen die erste Deklination beibringen. Ein Bauerjunge und die erste Deklination! Das kommt mir vor als wenn ein Rabe ein rein Hemd anziehen wollte! (Er blickt durch das Fenster.) Alle Wetter, da kommt der schiefbeinige Tobies mit seinem einfältigen Schlingel! Schwerenot, wo verstecke ich meinen Schnaps? – geschwind, geschwind, ich will ihn in meinen Bauch verbergen! (Er säuft die Bouteille mit einer entsetzlichen Schnelligkeit aus.) Ah, das war ein Schluck, dessen sich selbst Pestalozzi nicht hätte zu schämen brauchen! Die leere Flasche zum Fenster hinaus!

(Tobies und Gottliebchen treten herein.)

Tobies. Wünsche wohl geschlafen zu haben, Herr Schulmeister.

Schulmeister. Danke, Herr Gevatter, danke! – Alles noch wohl in der Familie?

Tobies. So lala! Meine Frau ist gesund, aber mein bestes Schwein liegt in den letzten Zügen. Es stöhnt und ächzt wie ein alter Mann!

Schulmeister. Bedaure, bedaure, sowohl das Schwein als wie den alten Mann!

Tobies. Wie stehts denn am politischen Himmel, Herr Schulmeister? Was sagen die neuen Zeitungen? Hat der Grieche gewonnen? Ist der Erbfeind verjagt?

Schulmeister. Die Aspekten sind nicht ungünstig. Der hamburger Unparteiische hat schon wieder 30 000 Türken totgeschlagen, und der nürnberger Korrespondent fährt unermüdlich fort, die griechischen Jungfrauen der edelsten Geschlechter zu notzüchtigen; auch flüstert man sich aus zuverlässigen Quellen in die Ohren, daß das auseinandergelaufene Heer des Ypsilanti am 25sten künftigen Monats in einer großen Bataille gesiegt hat.

Tobies (Nase und Maul aufsperrend). Am 25sten künftigen –?

Schulmeister. Wundern Sie sich nicht, Herr Tobies! Die Kuriere gehen rasch! Verbesserte Poststraßen, verbesserte Poststraßen!

Tobies. Jesus Christus! so 'ne Poststraße, worauf der Kurier einen Monat vorausläuft, möchte ich vor meinem Tode wohl 'mal sehen!

Schulmeister. Freilich ist so etwas hier zu Lande rar! Aber, Herr Tobies, Sie werden ja aus eigner Erfahrung bemerkt haben, daß ein gutes Pferd auf einer guten Chaussee den Weg von einer Stunde in einer halben zurücklegt; wenn Sie sich nun das Pferd immer besser und die Chaussee immer vortrefflicher denken, so muß es ja natürlich dahin kommen, daß das Pferd den Weg in einer Viertelstunde, in zehn Minuten, in einer Minute, in nichts, in garnichts und zuletzt in noch weniger als gar nichts zurücklegt! Begreifen Sie?

Tobies. Ich begreife, aber verstehen tu ich Sie hol mich der Teufel! doch noch nicht.

Schulmeister. Da Sie mich schon begreifen, so macht es soviel nicht aus, ob Sie mich auch verstehen. Doch, wie Cicero zum Cäsar sagt – Ei, was ziehen Sie da aus der Rocktasche?

Tobies. Ja, das ist es eigentlich, weswegen ich mit Gottliebchen hier vorgesprochen habe. Meine Frau läßt Ihnen ein Kompliment machen und bittet Sie recht artig, mit dieser Wurst vorlieb zu nehmen.

Schulmeister. Vorlieb zu nehmen! (Er ergreift die Wurst und ißt sie auf.)

Tobies. Sehen Sie, unser Gottliebchen hat die Würmer, und deshalb meint seine Mutter, daß aus ihm noch einmal ein Gelehrter würde. – Nicht wahr, Gottliebchen, du willst ein Gelehrter werden?

Gottliebchen. Ja, ich habe die Würmer.

Schulmeister. Herr Gevatter, sein Sie überzeugt, daß ich die vielversprechenden Anlagen Ihres hoffnungsvollen Sohnes zu schätzen weiß!

Tobies. Nun wünschen ich und meine Frau, daß Sie den Jungen ins Haus nehmen und, mit Respekt zu sagen, zum Pastor erziehen möchten. Wir sähen ihn doch gar zu gerne, mit Respekt zu sagen, auf der Kanzel stehen! Zur Erkenntlichkeit wollen wir Ihnen an jedem Sankt Martinstage neun fette Gänse und ein Stückfaß voll Schnaps schicken.

Schulmeister. Wie? ein Stückfaß? und voll bis an den Rand?

Tobies. Schwappend voll, Herr Schulmeister!

Schulmeister. Jeder Zoll ein Schnaps! Ihr Sohn gehört zu den eminentesten Köpfen! Ich werde ihn nicht nur in die tiefsten Geheimnisse der Dogmatik, der Homiletik und der übrigen Nebenwissenschaften der Theologie einweihen, sondern ihn auch in den plastischen, idyllischen und mephytischen Hauptwissenschaften unserer Landprediger, als wie im Schweineschneidern, Kuhschlachten und Mistaufladen zu unterrichten suchen. – Um Ihnen zu beweisen, wie sehr mir Gottliebchens Wohlfahrt am Herzen liegt, will ich mich noch heute mit ihm auf das Schloß verfügen und ihn der jungen Baronin und ihrem Onkel, welche gestern angekommen sind, als ein großes Genie vorstellen; vielleicht, daß man ihm eine außerordentliche Unterstützung zu seinen Studien gewährt.

Tobies. Na, das tun Sie, Herr Schulmeister! Aber ich bitte, quälen Sie den Jungen mit dem Lernen nicht zu übermäßig. Ich habe ein paar Ochsen, welche mit dem Kopfe ziehen müssen, und da weiß ich denn, was Kopfarbeit für eine Arbeit ist. Guten Morgen! (Geht ab.)

Schulmeister (zu Gottliebchen). Nun komm, du Esel, und gib Acht! Ich will dir sagen, wie du es auf dem Schlosse machen mußt, um dich genial zu stellen: du mußt entweder völlig das Maul halten, – dann denken sie, Donnerwetter, der muß viel zu verschweigen haben, denn er sagt kein Wort; oder du mußt verrücktes Zeug sprechen, – dann denken sie, Donnerwetter, der muß etwas Tiefsinniges gesagt haben, denn wir, die wir sonst alles verstehen, verstehen es nicht; – oder du mußt Spinnen essen und Fliegen einschlingen, – dann denken sie, Donnerwetter, der ist ein großer Mann, (oder wie es bei dir schicklicher heißen würde, ein großer Junge) denn er ekelt sich vor keinen Fliegen und Spinnen. Sag, Rindvieh, was von allem diesen willst du tun?

Gottliebchen. Ich will's Maul halten.

Schulmeister. So halt es, und meinetwegen mit der Hand, denn das sieht noch allegorischer und poetischer aus. Jedoch kann ich dir dessenohngeachtet ein andres notwendiges Requisit nicht erlassen: du mußt bisweilen eine genialische Zerstreutheit zeigen. Dies machst du ohngefähr so, Gottliebchen: du steckst, ehe du aus dem Hause gehst, eine tote Katze in die Uhrtasche; wenn du dann nachher in Gesellschaft eines schönen Fräuleins spazierst und mit ihr in der Abenddämmerung die Sterne betrachtest, so ziehst du auf einmal deine tote Katze heraus und führst sie an die Nase, als wenn du dich hineinschnupfen wolltest; da wird denn das Fräulein leichenblaß aufschreien: »Sackerlot, eine tote Katze!« du aber erwiderst wie zerstreut: »ach Gott, ich meinte, es wäre ein Gestirn!« – So etwas bringt dich in den Ruf der Originalität, du Mißgeburt! (Er gibt ihm eine Ohrfeige.)

Gottliebchen. Au! Au! au!

Schulmeister. Erschrick nicht, mein Söhnchen! Utile cum dulci, ein Ohr, weil es nützlich ist, und eine Feige, weil sie süß ist, also eine Ohrfeige. Es gehört zu den Feinheiten meiner Erziehungsmethode, mußt du wissen, daß ich dem Schüler bei jeder interessanten Lehre eine markdurchdringende Maulschelle erteile, denn späterhin wird er alsdann immer, wenn er sich an die Maulschelle erinnert, sich auch an die Lehre erinnern, welche sie begleitete. – Doch, allons, wir wollen aufs Schloß! Tunke die Feder tief in das Tintenfaß und zieh mir damit einen dicken, schwarzen Strich quer über die Nase durchs Gesicht! Die gnädige Herrschaft soll selbst in meinem Antlitze die Spuren meines Fleißes erblicken!

(Gottliebchen zieht ihm einen dicken Tintenstrich durchs Gesicht und sie gehen beide ab.)

Zweite Szene

Heller, warmer Sommertag.

Der Teufel sitzt auf einem Hügel und friert.

Teufel. 's ist kalt, – kalt – in der Hölle ists wärmer! – Satirische Großmutter hat mir zwar, weil sieben am häufigsten in der Bibel vorkommt, sieben Pelzhemdchen, sieben Pelzmäntelchen und sieben Pelzmützchen angezogen, – aber 's ist kalt, – kalt – Hol mich Gott, es ist sehr kalt! – – Könnt ich nur Holz stehlen oder 'nen Wald anzünden, – 'nen Wald anzünden! – Alle Engel, 's wäre doch kurios, wenn der Teufel erfrieren müßte! – – Holz stehlen, – Wald anzünden, – anzünden! – stehlen – (Er erfriert.)

Ein Naturhistoriker (tritt auf, botanisierend). Wahrhaftig, es finden sich in dieser Gegend seltene Gewächse; Linnäus, Jussieu – Herr Christus, wer liegt hier auf der Erde? Ein toter Mensch, und, wie man deutlich sieht, erfroren! Nun, das ist doch sonderbar! Ein Wunder, wenn es nämlich ein Wunder gäbe! Wir schreiben heute den 2ten August, die Sonne steht flammend am Himmel, es ist der heißeste Tag, den ich je erlebt habe, und der Mensch da wagt es, unterwindet sichs, gegen alle Regeln und Beobachtungen weiser Männer zu erfrieren! – Nein, es ist unmöglich, absolut unmöglich! Ich will meine Brille aufsetzen! (Er setzt sich die Brille auf.) Sonderbar! sonderbar! Ich habe meine Brille aufgesetzt, und der Kerl ist nichtsdestoweniger erfroren! Höchst sonderbar! Ich will ihn zu meinen Kollegen bringen! (Er packt den Teufel beim Kragen und schleppt ihn mit sich fort.)

Dritte Szene

Saal auf dem Schlosse.

Der Teufel liegt auf dem Tische und die vier Naturhistoriker stehen um ihn herum.

Erster Naturhistoriker. Sie geben mir zu, meine Herren, es ist mit diesem Toten ein verwickelter Kasus.

Zweiter Naturhistoriker. Wie man es nimmt! Es ist nur schlimm, daß seine Pelzkleider so labyrinthisch zugeknöpft sind, daß selbst der Weltumsegler Cook sie nicht würde auf knöpfen können.

Erster Naturhistoriker. Sie geben mir zu, daß es ein Mensch ist?

Dritter Naturhistoriker. Gewiß! er hat fünf Finger und keinen Schwanz.

Vierter Naturhistoriker. Hier ist also nur die Frage zu lösen, was es für ein Mensch sein mag.

Erster Naturhistoriker. Richtig! Dabei kann man aber nicht vorsichtig genug zu Werke gehn; obschon es also heller Tag ist, so rate ich doch, daß man noch außerdem ein Licht anzündet.

Dritter Naturhistoriker. Sehr wahr, Herr Kollege!

(Sie zünden ein Licht an und setzen es neben den Teufel auf den Tisch.)

Erster Naturhistoriker (nachdem sie alle vier den Teufel mit der angestrengtesten Aufmerksamkeit betrachtet haben). Meine Herren, ich denke jetzt mit diesem rätselhaften Kadaver im klaren zu sein, und ich hoffe, daß ich mich nicht irre. Bemerken Sie diese zurückgestülpte Nase, diese breiten, großmäuligen Lippen, – bemerken Sie, sage ich, diesen unnachahmlichen Zug von göttlicher Grobheit, welcher über das ganze Antlitz ausgegossen ist, und Sie werden nicht zweifeln, daß Sie einen unsrer jetzigen Rezensenten, und zwar einen echten, vor sich liegen sehen.

Zweiter Naturhistoriker. Lieber Kollege, ich kann nicht so völlig mit Ihrer übrigens außerordentlich scharfsinnigen Meinung übereinstimmen. Nicht zu erwähnen, daß unsre heutigen Rezensenten, besonders die Theaterkritiker, mehr einfältig als grob sind, so spüre ich auch in diesem toten Gesichte kein einziges von den Merkmalen, welche Sie uns aufzuzählen belieben. Ich gewahre im Gegenteil durchaus etwas Mädchenartiges darin; die buschigen, überhängenden Augenbrauen deuten auf jene zarte, weibliche Verschämtheit, welche sogar ihre Blicke zu verstecken trachtet, und die Nase, welche Sie zurückgestülpt nennen, scheint sich vielmehr aus Höflichkeit zurückgebeugt zu haben, um dem schmachtenden Liebhaber einen recht großen Platz zum Kusse offen zu lassen; – genug, wenn mich nicht alles trügt, so ist dieser erfrorene Mensch eine Pastorstochter.

Dritter Naturhistoriker. Ich muß gestehen, mein Herr, daß mir Ihre Hypothese etwas gewagt vorkommt. Ich vermute, daß es der Teufel ist.

Erster und zweiter Naturhistoriker. Das ist ab initio unmöglich, denn der Teufel paßt nicht in unser System!

Vierter Naturhistoriker. Streiten Sie sich nicht, meine wertgeschätzten Kollegen! Nun will ich Ihnen meine Meinung sagen, und ich wette, daß Sie derselben sofort beistimmen werden. Betrachten Sie die enorme Häßlichkeit, welche uns aus jeder Miene dieses Gesichtes entgegenkreischt, und Sie sind ja gezwungen, mir einzuräumen, daß solch eine Fratze gar nicht existieren könnte, wenn es keine deutsche Schriftstellerinnen gäbe.

Die drei andren Naturhistoriker. Ja, es ist eine deutsche Schriftstellerin; wir weichen Ihren triftigern Argumenten.

Vierter Naturhistoriker. Ich danke Ihnen, meine Kollegen! – Aber, was ist das? Sehen Sie auch wie die Tote, seitdem wir ihr das brennende Licht vor die Nase gesetzt haben, anfängt sich zu regen? Jetzt zuckt sie mit dem Finger, – jetzt schüttelt sie mit dem Kopfe, – sie macht die Augen auf, – sie ist lebendig!

Teufel (sich auf dem Tische emporrichtend). Wo – bin ich? – Hu, friere noch immer! (Zu den Naturforschern.) Bitte, meine Herren, machen Sie doch dort die beiden Fenster zu, – ich kann den Luftzug nicht recht gut vertragen!

Der erste Naturhistoriker (indem er die Fenster zumacht). Sie haben gewiß eine schwache Lunge!

Teufel (indem er vom Tische herunterklettert). Nicht immer! Wenn ich in einem wohleingeheizten Ofen sitze, nicht!

Zweiter Naturhistoriker. Wie? Sie setzen sich in einen wohleingeheizten Ofen?

Teufel. Ja, ich pflege mich bisweilen hineinzusetzen.

Dritter Naturhistoriker. Eine merkwürdige Gewohnheit! (Er schreibt es auf.)

Vierter Naturhistoriker. Nicht wahr, Madam, Sie sind eine Schriftstellerin?

Teufel. Schriftstellerin? Was soll das heißen? Solche Weiber plagt der Teufel, aber Gott behüte den Teufel, daß sie der Teufel selbst wären.

Alle vier Naturhistoriker. Was? also doch der Teufel? der Teufel? (Sie wollen davonlaufen.)

Teufel (beiseit). Ha, nun kann ich einmal weidlich lügen! (Laut.) Meine Herren, meine Herren! wohin? Beruhigen Sie sich! Sie werden doch vor keiner Spielerei, die ich mit meinem Namen mache, davonlaufen? (Die Naturhistoriker kehren wieder um.) Ich heiße Teufel, aber ich bins wahrhaftig nicht!

Erster Naturhistoriker. Mit wem denn haben wir die Ehre zu sprechen?

Teufel. Mit Theophil Christian Teufel, Generalsuperintendenten in herzoglich –-schen Diensten, Ehrenmitgliede einer Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden, und Ritter des päpstlichen Zivilverdienstordens, welcher mir nämlich im Mittelalter vom Papste dafür, daß ich ihm den Pöbel in steter Furcht erhielt, verliehen worden ist.

Vierter Naturhistoriker. So müssen Sie ja schon ein bedeutendes Alter erreicht haben!

Teufel. Sie irren, ich bin erst 11 Jahr alt.

Dritter Naturhistoriker (zum zweiten). Das ist der größte Lügenbeutel, den ich je gesehen habe.

Zweiter Naturhistoriker (zum dritten). So wird er den Damen sehr gefallen! –

Teufel (ist dem Lichte immer näher gerückt und hat unwillkürlich den Finger hineingesteckt).

Erster Naturhistoriker. Herr Gott, was machen Sie da Herr Generalsuperintendent? Sie stecken ja den Finger ins Licht!

Teufel (verwirrt; den Finger zurückziehend). Ich – ich liebe es, den Finger ins Licht zu stecken!

Dritter Naturhistoriker. Sonderbare Passion! (Schreibt es auf.)

(Der Baron, Liddy, Wernthal und Rattengift treten ein.)

Vierter Naturhistoriker. Ah, der Baron und die Gesellschaft!

Erster Naturhistoriker (zu den Eintretenden). Hier stelle ich Ihnen den Herrn Generalsuperintendenten Theophil Teufel vor, welcher im Mittelalter Ritter vom päpstlichen Zivilverdienstorden geworden ist, und sich nicht nur in wohleingeheizte Öfen zu setzen pflegt, sondern auch den Finger in das Licht zu stecken liebt!

Rattengift. Ei, Herr Generalsuperintendent, Sie kommen ja wie gerufen, um die schöne Liddy mit dem Herrn von Wernthal zu kopulieren.

Teufel (verlegen). Kopulieren? Ich? (Halblaut.) Heilige Kreuz-Donnerwetter, ich kenne die Formel nicht!

Liddy. Fluchen Sie nur nicht so gräßlich, Herr Generalsuperintendent! Mit dem Kopulieren hats noch einige Monate Zeit.

Wernthal. Liddy, wie können Sie mir diese Hand, die ich voller Sehnsucht an meine Lippen drücke, so lange verweigern?

Liddy (unwillig ihre Hand wegziehend). Herr von Wernthal, lassen Sie das! Ich liebe die Narreteien nicht!

Wernthal. O, teures Fräulein, ich verehre Sie so grenzenlos, daß ich –

Baron. Eine Prise, Herr von Wernthal!

(Herr von Wernthal nimmt sie und niest gewaltig.)

Der Teufel (ist unterdes dem Lichte wieder näher gerückt und hält abermals den Finger hinein).

Die vier Naturhistoriker (welche jede seiner Bewegungen mit ihren Blicken verfolgt haben, lautrufend). Sehen Sie, sehen Sie, meine Herren, der Generalsuperintendent hält schon wieder den Finger ins Licht!

Der Teufel. Ei, so wollt ich doch – (Er reißt sich mit der rechten Hand den linken Arm ab und prügelt damit die Naturhistoriker zur Stube hinaus; dann setzt er sich den Arm wieder ein und kehrt zur Gesellschaft zurück.)

Rattengift. Herr! Herr! was soll ich von Ihnen denken? Sie reißen sich da den Arm aus und setzen ihn wieder ein, als wenn man einen Strumpf aus und anzieht! Wahrlich, das wäre selbst in der Poesie zu kühn, wieviel mehr im Leben!

Teufel. Sie erstaunen um nichts! Bloße Geschwindigkeit! Ich habe auf der Universität zu – die Theologie studiert und dort schnappt man in den Kollegien nebenbei solcherlei Kunststückchen weg!

Ein Diener (tritt auf). Der Schulmeister wünscht vorgelassen zu werden; er hätte ein junges Genie bei sich, welches er der Gesellschaft produzieren wolle.

Baron. Sag dem Saufaus vom Schulmeister, daß er sich mit seinem Genie zum Henker packen möge!

Liddy. Ei, lieber Onkel, verderben Sie uns den Spaß nicht! Der Schulmeister ist der lustigste Kauz, den ich kenne, und bei aller seiner Tollheit, weiß er recht gut, was er tut! Gewiß hat er irgend einen erzdummen Dorftölpel aufgefischt, den er uns nun als einen großen Poeten vorstellen und ganz dreist mit Homer und Ariost vergleichen wird.

Baron (zu dem Diener). So laß ihn hereinkommen. (Diener ab.) Aber Sie, Herr Generalsuperintendent, sollen ihn zu schrauben suchen!

Teufel. Ich will ihn schon ins Gebet nehmen, Herr Baron!

Wernthal (zu Liddy). Sie sind es doch stets, welche jedem –

Baron. Eine Prise, Herr von Wernthal!

(Wernthal nimmt sie und niest).

Liddy. Der Schulmeister hat wahrscheinlich wieder neue Heringe erhalten, Herr Rattengift!

Rattengift. Die vertrackten Heringe! (Er geht grimmig ab.)

Baron. Was ist das mit den Heringen, du schadenfrohe Nichte? Rattengift schien gewaltigen Anstoß daran zu nehmen!

Liddy. Geduld, lieber Onkel! Sie werden es gleich vom Schulmeister selbst erfahren.

(Der Schulmeister und Gottliebchen treten ein.)

Schulmeister (mit großen Reverenzen). Habe die Ehre und die –

Wernthal. Um des Himmelswillen, Herr Schulmeister, was haben Sie da für einen furchtbaren Tintenstrich durchs Gesicht?

Schulmeister (stellt sich erstaunt). Ich – einen Tintenstrich? – wirklich? – – Ah, Euer Gnaden, da können Sie nun betrachten, was der Fleiß, was der Eifer –

Liddy. Bemühen Sie sich nicht, Herr Schulmeister! Wir wissen, was so etwas bei Ihnen bedeutet! Nicht wahr? gestern als die Sonne unterging, ging Ihnen ein großer Gedanke auf, und da Sie grade kein weißes Papier bei sich hatten, so schrieben Sie ihn in der Eile sich ins Gesicht!

Schulmeister. Gnädiges Fräulein, Sie erraten nicht übel –

Liddy. Oder Sie besahen sich zufälligerweise im Spiegel, und da Ihnen Ihr Gesicht zu schlecht vorkam, so strichen Sie es aus!

Schulmeister. Sie werden bitter, Fräulein, werden bitter! Tinte ist das wahre Seelenblut eines Gelehrten, und Wehe dem Gelehrten, der sein Seelenblut im Gesichte sitzen hat, denn es sieht sehr häßlich aus und macht schwarze Flecke.

Baron und Wernthal. Ein närrischer Pedant!

Liddy (leise zum Schulmeister). Scherz beiseit! Hat die alte Marie das Geld erhalten?

Schulmeister. Ja, bestes Fräulein, und sie weinte vor Freuden –

Liddy. Still! hier ist noch ein Louisd'or für sie, – ich werde sie heute abend besuchen!

Der Teufel (welcher mittlerweile dem Lichte wieder allmählich näher gegangen war, fängt auf einmal laut an zu weinen und zu schluchzen).

Baron. Holla, was fällt so plötzlich dem Generalsuperintendenten ein? Er schluchzt ja wie ein Mühlrad!

Wernthal. Wahrhaftig, die Tränen laufen ihm dick über die Wangen!

Schulmeister. Ein Generalsuperintendent? – Gottliebchen, mach eine Verbeugung!

Liddy. Was fehlt Ihnen, mein Herr?

Teufel. Ach! Sie können noch fragen! Hier muß was Edles geschehen sein!

Baron. Was Edles?

Schulmeister. Der Herr Generalsuperintendent irren sich nicht! Fräulein Liddy hat mir eben einen Louisd'or für die kranke Marie gegeben.

Teufel. Hören Sie es nun, meine Herren?

Wernthal. Und deswegen fingen Sie an zu weinen?

Teufel (sich die Augen trocknend). Ja, es machte mich melancholisch.

Liddy. Beruhigen Sie sieh; es soll sobald nicht wieder geschehn!

Baron. Nein, das ist bei einem Generalsuperintendenten doch höchst singulär!

Wernthal. Was meinen Sie dazu, Herr Schulmeister?

Schulmeister. Seine Hochwürden scheinen sehr gemütlich zu sein!

Baron. Gemütlich? Wo haben Sie das jämmerliche Wort her?

Schulmeister. Aus der Zeitung für die elegante Welt.

Baron. Zeitung für die elegante Welt? Wo haben Sie denn die her?

Liddy. Nun, lieber Onkel, erinnern Sie sich an die Heringe, vor denen der ästhetische Rattengift davonlief.

Schulmeister. Ja, Herr Baron, damit hat es seine eigne Bewandtnis. Ich habe in der Stadt einen weitläuftigen Vetter, Herrn Pfennigschlucker, der mit Packdraht, Gemmen, Kupferstichen, Fischen und alten Hosen einen nicht uneinträglichen Handel treibt.

Baron. Wir glauben es.

Schulmeister. Dieser Mann pflegt mir alle vierzehn Tage ein Paketchen halbfauler Heringe zu schicken, für welches ich nur den spottwohlfeilen Preis von 14 Groschen zu bezahlen brauche; die einzelnen Heringe aber hat er meistenteils sorgfältig in die frischen Druckbogen der elendesten poetischen Werke und Zeitschriften eingewickelt, und auf diese Weise werde ich denn so ziemlich vollständig mit den besten Produkten unserer neueren Literatur versorgt.

Baron. Hahaha! eine Heringsliteratur!

Schulmeister. Da erhalte ich nun Gedichte von August Kuhn, Erzählungen von Krug von Nidda, Maultrommel- oder Lyra-Töne von Theodor Hell, Trauerspiele von einem gewissen Herrn von Houwald –

Wernthal. Bei Gott, das sind ja lauter Damenschriftsteller! lauter geschätzte Damenschriftsteller!

Liddy. Herr von Wernthal, wenn man, wie es jetzt Mode ist, grade die fadesten Schriftsteller, Damenschriftsteller nennt, so macht man uns wahrlich ein schlechtes Kompliment damit.

Baron. Kind, tadle den Herrn von Wernthal nicht! Bedenke! Houwald, der sinnige, zarte Houwald! um einen Hering gewickelt! welche Beleidigung!

Schulmeister. Keine Beleidigung, Herr Baron, sondern eine Verbesserung! Der gute Mann will nämlich zuweilen auch satirisch sein. So hat er vor einiger Zeit eine Parodie auf die Schuld schreiben wollen, welche letztere mir bei allen ihren Mängeln doch noch viel zu gut dünkt, als daß ihre Rezensenten sie verstehen könnten; sein Machwerk hieß, wie ich glaube, die Fliegenklatsche, und enthielt viel Trivialität, aber kein Körnchen Salz; seitdem sich jedoch meine eingewickelten Heringe desselben erbarmt haben, ist es so durch und durch salzig geworden, daß selbst Müllner, wenn er es in den Mund nähme, ausrufen würde: »ich habe noch nie etwas so Salziges geschmeckt!«

Baron. Bravissimo, Herr Schulmeister! Sie sind mein Mann! – Aber in aller Welt, wie kommen Sie auf dem Dorfe zu diesen sarkastischen Ansichten über unsre moderne Schriftstellerei?

Schulmeister (sich gegen Liddy verbeugend). Hier steht meine Lehrerin; – als Fräulein Liddy vorigen Winter krank war, mußte ich ihr abends aus neuerschienenen Werken vorlesen, und da habe ich denn, wenn sie die meisten zum Feuer verurteilte, nicht wenig profitiert.

Liddy. Der Herr Schulmeister erzeigen mir zu viel Ehre!

(Während dieser Unterredung hat sich der Teufel beiseit gemacht; er hat mit schadenfrohem Lächeln einen Stuhl zerbrochen, die einzelnen Stücke in den Kamin gelegt, sein chemisches Feuerzeug herausgezogen, das Holz angezündet, die spanische Wand vorgeschoben und sich dahinter begeben.)

Wernthal (vermißt ihn zuerst). Aber wo ist unser Generalsuperintendent geblieben?

Baron. Er scheint davongelaufen zu sein! Am Ende ist er auch einer von den neuen Skribenten.

Schulmeister. Ja ja, wahrscheinlich wird er ebenfalls um einen verfaulten Hering gewickelt.

Baron (zornig). Man sollte die ganze Leipziger Büchermesse darumwickeln! Judenjungen, deren Bildung im Schweinefleischessen besteht, spreizen sich auf den kritischen Nachtstühlen, und erheben nicht nur Armseligkeitskrämer zu den Sternen, sondern injuriieren sogar ehrenwerte Männer mit ihren Lobsprüchen – (Liddy wendet sich bei den ersten unedlen Ausdrücken rasch weg und redet eifrig mit dem Herrn von Wernthal, indem sie tut, als ob sie von den Worten des Barons nichts hörte. Dieser fährt noch heftiger fort.) Reimschmiede, die so dumm sind, daß jedesmal wenn ein Blatt von ihnen ins Publikum kommt, die Esel im Preise aufschlagen, heißen ausgezeichnete Dichter, – Schauspieler, die so langweilig sind, daß alles vor Freude klatscht, wenn sie endlich einmal abgehen, heißen denkende Künstler, – Vetteln, deren Stimmen so scharf sind, daß man ein Stück Brot damit abschneiden könnte, tituliert man echt dramatische Sängerinnen! – Die Muse der Tragödie ist zur Gassenhure geworden, denn jeder deutsche Schlingel notzüchtigt sie nach Belieben und zeugt mit ihr fünfbeinige Mondkälber, welche so abscheulich sind, daß ich den Hund bedaure, der sie anpißt! – Die Wörter: »genial, sinnig, gemütlich, trefflich« werden so ungeheuer gemißbraucht, daß ich schon die Zeit sehe, wo man, um einen entsprungenen, über jeden Begriff erbärmlichen Zuchthauskandidaten vor dem ganzen Lande auf das unauslöschlichste zu infamieren, an den Galgen schlägt: N. N. ist sinnig, gemütlich, trefflich und genial! – O stände doch endlich ein gewaltiger Genius auf, der mit göttlicher Stärke von Haupt zu Fuß gepanzert, sich des deutschen Parnasses annähme und das Gesindel in die Sümpfe zurücktriebe, aus welchen es hervorgekrochen ist!

Schulmeister. Dieser Genius ist aufgestanden, Herr Baron, er steht vor Ihnen, es ist Gottliebchen!

Liddy (muß hier laut auslachen.) Das wäre!

Schulmeister. Das ist, Fräulein Liddy, das ist! Er hat seiner Mutter das irdene Geschirr zum Fenster hinausgeschmissen!

Liddy. Gottliebchen, bist du ein Genius?

Gottliebchen (halbweinend). Ich – ich – ich –

Schulmeister. Schauen Sie, mit welcher Geistesgegenwart er sich in eine malerische Positur wirft? Wie er sich hinter den Ohren kratzt? Ganz die Stellung von Hogarths greinendem Straßenbuben! Ich habe es von je gesagt, daß in dem Gottliebchen ein großes Talent zum Malerschauspiel stäke!

Baron. Ei, Schulmeister, was ist denn ein Malerschauspiel?

Schulmeister. Die Malerschauspiele sind etwas Neues, Herr Baron. Ein Kind, welches gern mit Farben und Bilderchen spielt, freut sich, sie erfunden zu haben; ihr Charakter besteht darin, daß alles, was in ihnen vorkommt, malerisch ist; so z. B. sind die auftretenden Personen immer einfältige Pinsel, wie unter andern der Ritter Nanni, Van Dyk, Spinarosa, der Marchese di Sorrento u.s.w.

Baron. Nun, Herr von Wernthal, was sagen Sie zu dieser Erklärung der Malerschauspiele?

Wernthal. Ich fürchte, der Schulmeister findet sie malerischer als es die Verfasser haben wollen. –

Liddy. Ich weiß nicht, meine Herren, es wird hier im Zimmer außerordentlich schwül.

Wernthal (welcher sich schon mehrmals die Stirne gewischt hat). Ja ja, ich spüre eine zunehmende Hitze! Es ist beinahe, als wenn man eingeheizt hätte!

Baron. Wo denken Sie hin? Die Sonne brennt auf den Schornstein.

Liddy. Wer von den beiden hat Recht, Gottliebchen?

Gottliebchen. Ja.

Liddy. O weh, das ist ein arger Tropf, Herr Schulmeister!

Schulmeister. Ein Tropf-Genius, wie es deren in unsren Tagen viele gibt! Er will verstanden sein, er hat Tiefe! Auch werden seine Schriften nicht um verfaulte Heringe gewickelt!

Liddy. Das spricht zu seinen Gunsten, denn es beweist doch wenigstens, daß er noch keine geschrieben hat!

Wernthal (zum Baron). Bemerken Sie den Rauch, der sich im Zimmer verbreitet? Unmöglich kommt das von der Sonne!

Baron. Ich bekenne meinen Irrtum, – Es ist doch nebenan kein Feuer ausgebrochen?

Teufel (aus dem Kamine hinter der spanischen Wand nach der Melodie von Goethes Fischerliede heraussingend).

Ach wüßtest du, wie's wohlig ist
»Dem Teufel in dem Feur

(Er schlägt einen Triller.)

Baron. Alle Wetter, das ist die Stimme des Ritters vom päpstlichen Zivilverdienstorden!

Schulmeister (ist hinter die spanische Wand gelaufen und kommt voller Entsetzen zurück). Nein, nein, nein! Mir stehen die Haare zu Berge! Der Herr Generalsuperintendent sitzt mitten im lodernden Kamine, schluckt glühende Kohlen herunter, und schlägt dabei seinen Triller, daß Gott erbarm!

Alle. Wie?!

(Sie reißen die spanische Wand weg; man sieht wie der Teufel eben aus dem Kamine steigt.)

Schulmeister. Sehen Sie es nun, wie er herausklettert? O tempora, o mores!

Baron (zum Teufel). Zum Henker, Herr, was ist das für ein Betragen? Sind Sie toll? Sich in den Kamin zu setzen? Kohlen zu –

Teufel (beiseit). Jetzt gilt es grob zu sein und eine unverschämte Stirn zu zeigen! (Zum Schulmeister.) Du niederträchtiges Krötenschnupftuch, wie kannst du sagen, daß ich in dem Kamin gesessen hätte?

Schulmeister. Herr –

Teufel. Ja, nun glaube ichs steif und fest, daß die funfzig Danaidenfässer funfzig Schulmeister gewesen sind, denn alles wird endlich voll, nur so ein versoffener Kinderohrfeigenverfertiger nicht! Wie, frage ich nochmals, wie konntest du mich, du Schnapsegel, im Kamine sitzen sehen, wenn du nicht besoffen gewesen wärst? Ich saß ja nur davor und blies das Feuer an!

Schulmeister. Donnerwetter, Herr Generalsuperintendent –

Teufel. Was? willst du noch nicht das Maul halten, du –

Liddy. Still! das Schimpfen habe ich satt!

Baron. Sagen Sie uns nur, womit zündeten Sie das Feuer an?

Teufel (mit sichtbarem Vergnügen). Ei, mit dem schönen Stuhle, der dort in der Ecke stand!

Baron. So? mit dem schönen Stuhle? – Liddy, was sagst du dazu?

Liddy. Es war der beste Stuhl im ganzen Hause!

Teufel. War er das? O meine Ahnung! (Er freut sich.)

Baron. Soll ich den Kerl ins Hundeloch stecken lassen?

Wernthal. Ich würde nichts dagegen haben!

Liddy. Onkel, wo denken Sie hin? Der Mann fängt an, mich zu interessieren! Ich bitte, lassen Sie ihm ein Zimmer im Schlosse einräumen! Die Stühle, welche er zerbricht, will ich bezahlen!

Baron. O ihr Weiber! Wie ihr gleich in das Verrückte verschossen seid! (Zum Teufel.) Wenn Sie Lust finden, mein Herr, hier bei uns zu bleiben, so steht Ihnen ein hübsches Zimmer zu Diensten.

Teufel. Ich nehme Ihr gefälliges Anerbieten an und danke Ihnen aus vollem – (Für sich.) Was? danken? Das wäre ein Edelmut! (Laut.) Ich frage den Dreck darnach, ob Sie mir ein Logis anbieten oder nicht! Auch ist es höchst unvorsichtig, wo nicht albern, daß Sie einen Wildfremden ohne nähere Untersuchung bei sich aufnehmen! Übrigens, wo ist der Lumpenhund vom Bedienten, der mir das Zimmer anweist? (Er geht ab.)

Baron. Da hast du einen Gast, Nichte, der sich gewaschen hat!

Wernthal. Sagen Sie vielmehr: gefeuert!

Baron. Und ich fürchte, Mädchen, daß du dich nicht eine Stunde mit ihm verträgst!

Liddy. Sorgen Sie nicht!

Baron. Der treibt seine Frechheit gewiß bis zu den äußersten Grenzen!

Liddy. So lasse ich ihn zum Schlosse hinauswerfen.

Baron. Ah, du weißt dir im Notfalle zu helfen! – Deinen Arm! wir wollen den Kaffee unten im Garten trinken.

Liddy. Ich folge gleich nach!

(Baron und Wernthal ab.)

Liddy (zum Schulmeister). Hier! – ein kleines Trinkgeld für Ihren durstigen Gaumen. – Nun, nun! schämen Sie sich nicht! Ich kenne Ihre alte Leidenschaft. – Aber bringen Sie schnell der Marie den Louisd'or!

Schulmeister. Auf der Stelle, Euer Gnaden!

Liddy. Adieu. (Geht ab.)

Schulmeister. Ein himmlisches Mädchen! – – Und du, Gottliebchen, und du? Du bist verkannt worden, armer Junge! Doch tröste dich, so ging es allen großen Geistern! Auch Solon, Plato, Cartouche, Robespierre, Heinrich der Vierte und Caligula haben dies traurige Los erfahren! Komm! ich will dich vier Tage einsperren und dir nichts zu essen geben; vielleicht, daß dich das noch nachdenklicher macht als du schon bist.

(Gottliebchen schreit; der Schulmeister geht mit ihm ab.)

Vierte Szene

Ein andres Zimmer im Schlosse.

Der Teufel (tritt auf). Warte, Herr Baron! Hast mir ein Zimmer in deinem Schlosse gegeben, – werde mich zu rächen wissen! – Die Liddy will den Wernthal heiraten, – sie kommt dadurch unter die Haube, – Das verhindere ich oder ich wäre nicht der Teufel! – – Doch, ich begreife nicht, wie mir so kribbelig zu Mute ist! Ich fühle mich so verzagt, – so gerührt, – so wehmütig – Hol mich Gott, das Hufeisen an meinem Pferdefuße muß losgegangen sein! (Indem er die Tücher, womit er den Fuß umwickelt hat, losreißt und seinen Huf besieht.) Ach! ach! es ist nur zu wahr! der Beschlag ist fort! ist abgerieben! Kaum kann ich noch auf den Boden treten! Weh! Weh! – Da ist leider kein andrer Rat, als daß ich mich überwinden und einen Schmied herkommen lassen muß! (Er wickelt die Tücher wieder um und ruft dann.) Heda, Aufwartung!

Ein Bedienter (tritt herein). Was beliebt?

Teufel. Hör Er, lieber Freund! – wohnt hier im Dorfe ein Schmied?

Der Bediente. Es wohnen hier zwei, Euer Gnaden.

Teufel. So geh mein Sohn, und ruf mir denjenigen von den beiden, welcher am wenigsten lacht.

Der Bediente. Oho, so muß ich den dicken Konrad holen, denn der ist wieder erschrecklich triste geworden, seitdem man die alte Chaussee ausbessert. (Geht ab.)

Teufel. Ich Unglückskind! Wie bringe ich es nun dem Schmiede auf eine gute Art bei, daß ich einen Pferdefuß habe? Ich Unglückskind! ich Unglückskind! – Ha, er kommt! Courage!

Der Schmied (tritt herein). Euer Gnaden haben befohlen –

Teufel. Sind Sie der – der –

Schmied. Ich bin der Schmied des Dorfes. – Wo steht der Gaul, den ich beschlagen soll?

Teufel (hitzig). Herr, ich bin kein – – (Sich aufs Maul schlagend.) O ich Dummkopf! – Nehmen Sie Platz, Herr Schmied, nehmen Sie Platz! – Haben Sie eine Frau?

Schmied. Freilich habe ich eine.

Teufel. Gewiß ein braves Weib!

Schmied (seufzend). Nu, jeder hat seine schwachen Seiten!

Teufel (gleichfalls seufzend). Ja wohl!!

Schmied (aufstehend). Wenn Sie mir nun sagen wollten –

Teufel. Ha, Sie haben Eile, dringende Eile! Sind Familienvater! Tragen Stiefeln! Haben Füße! (Ihm an der Weste knöpfend.) Auch ich – auch ich habe keine Pferdefüße!

Schmied. Das glaube ich unbesehens, Euer Gnaden!

Teufel (mit großem Eifer). Ja, das glauben Sie mir unbesehens und besehens, Herr Schmied! Ich habe keine Pferdefüße, – keine, – sondern höchstens – (Leise, indem er die Worte »edel, moralisch, Christ« u.s.w. mit ungeheurer Anstrengung und unter heftigem Niesen herausbringt.) Herr Schmied, Sie sind ein e – es – edler, – mo – ralisch gebildeter Mann, ein from – mer, fleißig in die Kir – Kirschen – in die Kirche gehender – Christ, – Ihnen kann ich es vertrauen, – (indem er sein rechtes Bein hinter dem linken zu verstecken sucht) ich trage an dem rechten Beine einen Huf!

Schmied (mit forschbegierigen Blicken). Wie? was? einen Huf? Ei!

Teufel. Nein, nein, nein! Nicht sowohl einen Huf, als wie einen Roßfuß – oder vielmehr einen pferdeähnlichen, – das heißt menschenähnlichen – kurz, eine etwas dicke Fußsohle, welche sich in der Ferne, bei einem stumpfen Gesichte, beinahe wie ein Pferdehuf ausnehmen möchte!

Schmied (vor Neugierde stammelnd). Wenn – wenn Euer Gnaden mir die Fußsohle –

Teufel. Gleich, lieber Herr Schmied, gleich! – Aber riegeln Sie zuvor die Tür zu! – So! – (Er hat die Tücher von seinem Pferdefuße losgemacht, zeigt ihn dem Schmiede, und verbirgt sich sehr verschämt mit dem Schnupftuche das Gesicht.) Wenn Sie nun gütigst Ihr Eisen draufschlagen wollten!

Schmied (den Fuß in die Hand nehmend). Hören Sie, Herr, das ist keine Fußsohle, sondern ein Pferdehuf, wie ihn kein andrer Gaul – – keine andre Seele, wollt ich sagen, – in der ganzen Christenheit aufzuweisen hat!

Teufel (stets das Gesicht hinter dem Tuche; lispelnd). Beschlagen Sie, beschlagen Sie!

Schmied . Zum Glück habe ich ein Hufeisen von dem Umfange eines Kronleuchters in der Tasche. Das will ich Ihnen draufnageln, daß es eine Art hat! (Er beschlägt ihn.) Da! jetzt sitzt es fest!

Teufel (froh). Sitzt es?

Schmied . Es macht einen Gulden.

Teufel (für sich). Einen Gulden? ich müßte ein Narr sein! (Laut.) Schindbalg, weißt du auch wen du beschlagen hast? Ich bin der Satan, bin – (der Schmied läuft davon; der Teufel ruft ihm nach) bin fünfmalhunderttausend Jahr alt und noch drüber, habe deinen Großvater geholt, hoffe dich auch noch zu holen, drehe dir den Hals um, sobald du ein Wort von mir verlautbarst, und ich sollte dich bezahlen, du Galgenstrick? (Zurückkommend.) Wie der arme Sünder ausriß, als er meinen rechten Namen hörte! – Aber das muß ich ihm lassen, er hat mich vortrefflich bedient! Das Hufeisen sitzt mir wie angewachsen! Mich durchzuckt ordentlich ein Vollgefühl von Kraft! (Er scharrt mehrmals mit dem Pferdefuße hinter aus.) Nun will ich noch, um mich völlig zu restaurieren, ein Stündchen zu schlafen suchen, und dann mit verdoppeltem Eifer die Heirat hintertreiben! (Er setzt sich in einen Lehnstuhl und zieht ein Buch aus der Tasche.) Es ist doch gut, daß ich mein altes, unfehlbares Schlafmittelchen, Klopstocks Messias, mitgebracht habe! Ich brauche nur drei Verse darin zu lesen, dann bin ich so müde wie der Daus! (Das Buch aufschlagend.) Wo blieb ich doch das letzte Mal stehen? Ah, pag. 29. (Er liest zwei Verse und schläft ein.)


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