Nikolaus Gogol
Phantastische Geschichten
Nikolaus Gogol

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*

Unterdessen wurde der Teufel allen Ernstes zärtlich gegen Ssolocha; er küßte ihr die Hand mit denselben Fratzen, mit denen der Assessor der Popentochter die Hand zu küssen pflegt, legte seine Hand aufs Herz, stöhnte und erklärte geradeheraus, wenn sie nicht seine Leidenschaften stillen und ihn nach Brauch und Sitte erhören würde, wäre er zu allem fähig: er würde sich ins Wasser stürzen und seine Seele geradeswegs in die Hölle schicken. Ssolocha war nicht so hartherzig; und dann unterhielt der Teufel ja bekanntlich auch mit ihr eine alte Freundschaft. Sie liebte es, sich von Anbetern umringt zu sehen, und selten war sie ohne Gesellschaft. Diesen Abend gedachte sie jedoch allein zu verbringen, denn alle angesehenen Bewohner des Dorfes waren zum Weihnachtsschmaus beim Küster geladen. Aber es kam alles anders: Kaum hatte der Teufel seine Werbung vorgebracht, da vernahmen sie plötzlich ein Klopfen und die Stimme des beleibten Amtmanns vor der Türe. Ssolocha lief hin, um ihm aufzumachen, der flinke Teufel aber sprang hurtig in einen der Säcke.

Nachdem der Amtmann den Schnee von sich abgeschüttelt und ein Gläschen Schnaps aus Ssolochas Hand entgegengenommen und ausgetrunken hatte, erzählte er, er sei nicht zum Küster gegangen, denn es habe sich ein Schneegestöber erhoben; da habe er in ihrer Stube Licht gesehen und sei bei ihr eingekehrt, um den Abend mit ihr zu verbringen.

Kaum aber hatte der Amtmann das gesagt, als an die Türe geklopft wurde und sich die Stimme des Küsters vernehmen ließ. »Versteck' mich irgendwo,« flüsterte der Amtmann, »ich möchte jetzt nicht mit dem Küster zusammentreffen.«

Ssolocha überlegte lange, wo sie einen so dicken Gast verstecken könnte; endlich wählte sie einen der größten Kohlensäcke, schüttelte die Kohlen in einen Zuber, und der feiste Amtmann kroch mitsamt seinem Schnurrbart, Kopf und Mütze in den Sack.

Der Küster kam ächzend und sich die Hände reibend herein und erzählte, es sei niemand zu ihm zum Essen gekommen, er sei aber herzlich froh über die Gelegenheit, sich mit ihr unterhalten zu können, und habe sich nicht einmal durch das Schneegestöber davon abhalten lassen. Dann trat er näher auf sie zu, räusperte sich, grinste, tippte mit seinen langen Fingern auf ihren nackten vollen Arm und sagte mit einer Miene, in der Schlauheit und Selbstzufriedenheit lagen: »Was habt Ihr denn da, reizende Ssolocha?« Und indem er das sagte, sprang er etwas zurück.

»Was kann das wohl sein! Ein Arm, Ossip Nikiforowitsch!« antwortete Ssolocha.

»Hm, Ein Arm! Hähähä!« rief der Küster herzlich zufrieden über diesen Anfang und ging im Zimmer auf und ab. »Und was habt Ihr hier, teuerste Ssolocha?« sprach er mit derselben Miene, ging wieder auf sie zu, betappte ihren Hals mit seiner Hand und sprang ganz so wie vorher wieder zurück.

»Als ob Ihr das nicht seht, Ossip Nikiforowitsch,« erwiderte die Ssolocha, »mein Hals ist es, und dies hier ist ein Halsband!«

»Hm! Ein Hals mit einem Halsband! Hähähä!« Und der Küster ging wieder ein paarmal im Zimmer auf und ab und rieb sich die Hände.

»Und was habt Ihr hier, unvergleichliche Ssolocha? . . .« Es ist nicht ganz sicher, was der Küster jetzt mit seinen langen Fingern berührt hätte, denn auf einmal ertönte ein Klopfen an der Tür, und die Stimme des Kosaken Tschub ließ sich vernehmen.

»O Gott, ein Fremder!« rief der Küster erschrocken. »Was soll nur werden, wenn man eine Person meines Standes hier antrifft . . . Vater Kondrat wird es noch erfahren!«

Aber die Befürchtungen des Küsters lagen auf anderem Gebiet; am meisten fürchtete er, seine Ehehälfte könnte es erfahren, deren schreckliche Hand ohnehin aus seinem dicken Priesterzopfe ein dünnes Mauseschwänzchen gemacht hatte. »Um Gottes willen, tugendhafte Ssolocha!« sprach er, am ganzen Leibe zitternd. »Eure Güte, wie es im Evangelium Lucae heißt, Kapitel dreiz . . . dreiz . . . Man klopft, bei Gott, man klopft! Versteckt mich doch nur irgendwo!«

Ssolocha schüttete die Kohlen aus noch einem Sack in den Zuber, und der nicht besonders umfangreiche Küster kroch hinein und kauerte sich ganz am Boden des Sacks zusammen, so daß man noch einen halben Sack voll Kohlen über ihn hätte ausschütten können.

»Grüß Gott, Ssolocha!« sagte Tschub, der jetzt in die Stube trat. »Du hast mich vielleicht nicht erwartet, was? Nicht wahr, du hast mich nicht erwartet? Vielleicht störe ich?« . . . fuhr Tschub fort und ließ auf seinem Gesichte eine verschmitzte und vielsagende Miene sehen, aus der man von vornherein erkennen konnte, wie sehr sein schwerfälliger Kopf sich abmühte, etwas recht Spitzes und Schelmisches zu sagen. »Vielleicht hast du dir gerade mit jemandem die Zeit vertrieben. Vielleicht hast du doch jemanden versteckt, was?« Und entzückt über diese Bemerkung brach Tschub in ein Gelächter aus, innerlich darüber triumphierend, daß nur er allein Ssolochas Gunst genieße. »Nun, Ssolocha, trinken wir jetzt ein Schnäpschen. Ich glaube, mir ist die Kehle ganz eingefroren von der verfluchten Kälte. Mußte uns Gott gerade zu Weihnachten solch eine Nacht schicken! Was das für ein Schneetreiben war! Hörst du, Ssolocha, was das für ein Schneetreiben war . . . Mir sind die Hände ganz steif geworden: ich kann nicht einmal den Pelz aufknöpfen! Wie das Schneegestöber losging . . .«

»Mach auf!« ertönte in diesem Augenblick eine Stimme von der Straße her, die von einem Stoß gegen die Tür begleitet wurde.

»Es klopft jemand«, sagte Tschub und hielt inne.

»Mach auf!« schrie es noch lauter.

»Das ist der Schmied!« rief Tschub und griff rasch nach der Mütze. »Hörst du, Ssolocha, versteck' mich, wo es auch sei, um keinen Preis der Welt will ich mich hier vor dieser gottverdammten Mißgeburt sehen lassen. Diesem Satanskind sollen doch gleich unter beiden Augen Blasen anlaufen: so groß wie zwei Heuschober!«

Ssolocha erschrak gleichfalls und rannte umher, als ob sie nicht ganz gescheit wäre. Ohne sich viel zu besinnen, machte sie Tschub ein Zeichen, er solle in denselben Sack hineinkriechen, in dem bereits der Küster steckte. Der arme Küster konnte nicht einmal durch Husten oder Ächzen seinen Schmerz kundgeben, als sich der schwere Mann ihm beinah auf den Kopf setzte und ihm seine hartgefrorenen Stiefel gegen die Schläfen drückte.

Der Schmied trat ein und ließ sich, ohne ein Wort zu reden und ohne die Mütze abzunehmen, auf eine Bank sinken. Er war sichtlich schlechter Laune.

Zur selben Zeit, als Ssolocha die Tür hinter ihm zumachte, ertönte ein neues Klopfen. Es war der Kosak Swerbygus. Aber den hätte man schon nicht mehr in einem Sack verstecken können, denn ein solcher Sack war nirgends mehr zu finden. Er war noch beleibter als selbst der Amtmann und höher von Wuchs als Tschubs Gevatter. Daher führte ihn Ssolocha in den Gemüsegarten, um alles von ihm zu hören, was er ihr zu sagen hatte.

Der Schmied blickte zerstreut in alle Winkel seiner Stube und lauschte ab und zu den weit vom Dorfe herüber hallenden Liedern der Sänger; endlich blieben seine Augen an den Säcken haften. »Wozu liegen diese Säcke hier? Man hätte sie schon längst wegräumen sollen. Die dumme Liebe hat mich ganz wirr gemacht. Morgen ist Feiertag, und in der Stube liegt noch immer aller mögliche Plunder herum. Ich trage sie gleich in die Schmiede!«

Der Schmied kauerte sich neben den riesigen Säcken hin, band sie fest zusammen und machte sich daran, sie auf seine Schultern zu heben. Aber es war ersichtlich, daß seine Gedanken Gott weiß wo herumspazierten; sonst hätte er hören müssen, wie Tschub keuchte, als ihm das Haar auf dem Kopfe vom Strick festgeklemmt wurde, und wie der feiste Amtmann ziemlich deutlich den Schlucken bekam.

»Will mir diese abscheuliche Oxana denn gar nicht aus dem Sinne?« sprach der Schmied. »Ich will nicht an sie denken; und doch kreisen meine Gedanken immerfort und wie zum Fleiß allein um sie. Wie kommt es, daß man wider Willen an etwas denken muß? Verflucht! Die Säcke scheinen ja schwerer geworden zu sein! Sicher hat man zu den Kohlen noch etwas hineingestopft. Ich Dummkopf. Ich vergesse ja ganz, daß mir jetzt doch alles schwerer erscheint. Früher konnte ich mit einer Hand eine Fünfkopekenmünze und ein Hufeisen zusammen- und wieder auseinanderbiegen, und jetzt kann ich nicht einmal mehr ein paar Kohlensäcke aufheben. Bald wird mich noch ein Windhauch umblasen . . . Nein!« rief er nach einem kurzen Schweigen und faßte Mut. »Was bin ich doch für ein Frauenzimmer! Ich erlaube niemand, über mich zu lachen! Und wenn es auch zehn solche Säcke wären, – ich trag sie alle weg!« Und rüstig warf er sich die Säcke über die Schultern, diese Säcke, die nicht einmal zwei kräftige Männer hätten aufheben können. »Ich nehme auch den da noch mit«, fuhr er fort und hob den kleinen Sack in die Höhe, auf dessen Boden der Teufel zusammengekauert lag. »Da hab' ich meine Werkzeuge hineingetan.« Mit diesen Worten verließ er das Haus, und vor sich her summte er das Liedchen:

»Ach, vom Weibe sollt ich lassen!«

*

Immer lauter und lauter erklangen die Lieder und das Gelächter auf den Straßen. Den Scharen der umherziehenden Leute schlossen sich auch noch solche an, die aus den kleineren Nachbardörfern herbeigekommen waren. Die Burschen tobten herum und verübten nach Herzenslust allerhand Streiche. Oft auch klang in die Weihnachtsgesänge ein lustiges Liedchen hinein, das einer der jungen Kosaken eben erst verfaßt hatte. Oder plötzlich sang einer aus der Menge statt eines Weihnachtsliedes ein Silvesterliedchen und brüllte aus vollem Halse:

Silvester, Bester!
Will lecken 'nen Wecken!
Will papfen 'nen Krapfen!
Will Wurst nach 'm Durst!

Lautes Lachen belohnte den Spaßvogel. Die kleinen Fenster wurden zurückgeschoben, und die dürren Arme einer alten Frau, die allein mit den würdigen Vätern des Hauses daheimgeblieben war, streckten sich, mit einer Wurst oder einem Stück Kuchen in der Hand, hervor. Die Burschen und Mädchen hielten um die Wette ihre Säcke unter und fingen die Beute auf. An einer anderen Stelle umringte ein Haufen von jungen Burschen mehrere Mädchen. Da gab es Lärm und Geschrei; der eine warf einen Schneeball, und ein anderer raubte einen Sack, der mit allerhand Kram angefüllt war. Wieder an einer anderen Stelle haschten Mädchen nach einem Burschen, sie stellten ihm ein Bein, und er flog mitsamt seinem Packen Hals über Kopf zu Boden. Es schien, als ob sie die ganze Nacht hindurch in toller Lust verbringen wollten. Die Nacht war, wie mit Absicht, so herrlich und milde! Und noch heller und weißer erschien der Mondschein vom Leuchten des Schnees!

Der Schmied machte mit seinen Säcken halt. Er glaubte die Stimme und das feine Lachen Oxanas in der Mädchenschar vernommen zu haben. Er fühlte, wie ihm ein Schauder durch alle Adern rann, warf die Säcke zu Boden, so daß der Küster im Sack aufstöhnte und der Amtmann aus vollem Halse aufschluckte, und schloß sich mit dem kleinen Sack über der Schulter dem Haufen der Burschen an, die hinter der Schar der Mädchen herzogen, in der er die Stimme Oxanas vernommen zu haben glaubte.

»Sie ist es! Steht da wie eine Zarin, und ihre schwarzen Augen leuchten. Ein stattlicher Bursch erzählt ihr etwas; sicher etwas Ergötzliches, denn sie lacht. Aber sie lacht ja immer.« Und unwillkürlich und ohne es zu begreifen, wie es geschah, drängte sich der Schmied durch die Menge hindurch und stellte sich an ihre Seite.

»Ah, Wakula, du bist hier! Grüß Gott!« rief die Schöne mit jenem Lächeln, das Wakula beinah wahnsinnig machte. »Nun, hast du dir viel ersungen? He, was hast du denn da für einen kleinen Sack bei dir? Und die Stiefelchen der Zarin? Hast du mir die schon besorgt? Schaff mir die Stiefelchen, so heirate ich dich« . . . Und lachend lief sie mit einem Trupp Mädchen davon.

Der Schmied stand wie angewurzelt auf einem Fleck. »Nein, ich kann nicht; ich hab' keine Kraft mehr . . .« rief er endlich. »Himmel Herrgott, warum ist sie nur so verteufelt schön? Ihr Blick, ihre Rede, alles brennt in mir, glüht und brennt! Nein, ich kann mich nicht mehr überwinden. Es muß ein Ende gemacht werden. So geh denn zugrunde, meine Seele. Ich will mich in einem Eisloch ertränken, dann ist alles aus!«

Er eilte entschiedenen Schritts voraus, holte die Mädchen ein, erreichte Oxana und rief mit fester Stimme: »Leb wohl, Oxana! Suche dir einen Bräutigam, wie du ihn haben magst, halte zum Narren, wen du willst; mich wirst du nie mehr auf der Welt erblicken.«

Die Schöne schien erstaunt und wollte etwas sagen, aber der Schmied wehrte mit der Hand ab und rannte davon.

»Wohin, Wakula?« schrien die Burschen, als sie den Schmied davonlaufen sahen.

»Lebt wohl, Brüder!« rief ihnen der Schmied zu. »Wenn Gott will, sehen wir uns in jener Welt wieder, in dieser werden wir uns nie mehr zusammenfinden. Lebt wohl! Gedenkt meiner nicht in Bösem! Sagt dem Vater Kondrat, er möge eine Totenmesse für meine sündige Seele lesen. Ich weiß es, ich bin schuldig und habe die Kerzen an den Bildern des heiligen Wundertäters und der Mutter Gottes nicht bemalt, ich war zu sehr in irdischen Dingen befangen. Mein ganzes Hab und Gut, und alles, was sich in meinem Kasten findet, vermach' ich der Kirche. Lebt wohl!«

Nach diesen Worten lief der Schmied mit dem Sacke auf dem Rücken weiter!

»Er ist von Sinnen!« sprachen die Burschen.

»Eine verlorene Seele!« murmelte fromm eine vorübergehende Alte. »Ich muß doch gleich herumgehen und allen erzählen, wie sich der Schmied erhängt hat!«

*

Unterdessen lief Wakula durch die Straßen; endlich blieb er stehen, um Luft zu schöpfen. »Wohin renne ich eigentlich so?« dachte er. »Als ob wirklich alles verloren wäre. Ich will noch das letzte Mittel versuchen. Ich gehe zum Saporoger, zu Patzjuk Schmerbauch. Der soll doch alle Teufel in der Welt kennen und alles machen können, was er will. Ich gehe zu ihm, meine Seele ist ja ohnehin verloren!«

Der Teufel, der lange regungslos dagelegen war, hüpfte im Sack vor Freude; der Schmied aber glaubte, er selbst hätte den Sack irgendwie mit der Hand berührt und diese Bewegung hervorgerufen, schlug mit seiner mächtigen Faust auf den Sack, rüttelte ihn und begab sich zu Patzjuk Schmerbauch.

Dieser Patzjuk Schmerbauch war in der Tat vormals ein Saporoger Kosak gewesen; aber niemand wußte, ob er aus der Gemeinschaft vertrieben oder von selbst davongelaufen war. Er lebte schon seit langem in Dikanka, vielleicht an die zehn oder gar fünfzehn Jahre. Zuerst führte er den Lebenswandel eines echten Saporogers: arbeitete nicht, schlief dreiviertel des Tages, aß wie sechs Drescher und trank einen ganzen Eimer voll auf einen Zug; übrigens hatte der auch bequem Platz, denn obwohl Patzjuk klein von Statur war, war er doch recht stark in die Breite gegangen. Dazu trug er so weite Pluderhosen, daß seine Beine, so lang er auch ausschreiten mochte, kaum zu sehen waren, und daß es den Eindruck machte, als ob sich eine Branntweinkufe die Straße entlang bewege. Daher mochte wohl auch sein Spitzname Schmerbauch stammen. Noch waren keine vierzehn Tage seit seiner Ankunft im Dorfe verstrichen, da wußte schon jedermann, daß er ein Hexenmeister sei. Hatte jemand irgendeine Krankheit, sogleich wurde Patzjuk gerufen, Patzjuk brauchte nur ein paar Worte zu murmeln, und das Gebrechen war wie mit der Hand weggewischt. Oder geschah es, daß einem unmäßigen Edelmann eine Fischgräte in der Kehle steckengeblieben war, so verstand es Patzjuk, den Rücken des Herrn so geschickt mit der Faust zu beklopfen, daß die Gräte den rechten Weg einschlug, ohne der adligen Kehle auch nur den leisesten Schaden zuzufügen. In der letzten Zeit hatte man ihn wenig gesehen. Der Grund davon lag vielleicht in seiner Faulheit, vielleicht aber auch in dem Umstande, daß es ihm mit jedem Jahre schwerer wurde, durch die Tür zu kommen. Und so mußten denn die Leute sich zu ihm in sein Haus begeben, wenn sie seiner bedurften.

Nicht ohne Furcht öffnete der Schmied die Tür und erblickte Patzjuk, der wie ein Türke auf dem Boden und vor einem kleinen Fasse saß, auf dem eine Schüssel mit Klößen stand. Diese Schüssel stand wie mit Absicht gerade vor seiner Nase. Ohne auch nur einen Finger zu rühren, neigte er bloß den Kopf leise über die Schüssel und schlürfte die Brühe ein, ab und zu schnappte er auch mit den Zähnen nach einem Kloß.

»Nein,« dachte Wakula bei sich, »der da ist noch fauler als Tschub: Jener ißt doch wenigstens noch mit einem Löffel, dieser aber mag nicht einmal die Hand aufheben!«

Patzjuk war sicherlich mächtig mit seinen Klößen beschäftigt, denn er schien das Kommen des Schmiedes gar nicht bemerkt zu haben; kaum aber war dieser über die Schwelle getreten, so machte er eine tiefe Verbeugung.

»Ich komme zu Euer Gnaden, Patzjuk!« sagte Wakula und verbeugte sich von neuem.

Der dicke Patzjuk erhob den Kopf und begann wieder die Kloßbrühe zu schlürfen.

»Die Leute sagen, – nimm es mir nicht übel . . .« sagte der Schmied, indem er sich selbst Mut zusprach, »ich sag's nicht, um dich zu beleidigen – die Leute sagen, du bist mit dem Teufel verschwägert!«

Kaum hatte Wakula diese Worte gesprochen, so erschrak er schon, denn er dachte, er hätte sich zu eindeutig ausgedrückt und die herben Worte nicht genügend gemildert. Er erwartete, daß Patzjuk das Faß mitsamt der Schüssel packen und ihm an den Kopf werfen würde; darum wich er etwas zur Seite und hielt sich den Arm vor, damit die heiße Kloßbrühe ihm nicht das Gesicht bespritze.

Aber Patzjuk blickte ruhig vor sich hin und aß weiter.

Der Schmied entschloß sich, ermutigt, fortzufahren: »Ich komme zu dir, Patzjuk; Gott schenke dir viel Reichtum, gebe dir alles in Hülle und Fülle, und auch Brot in Proportion!« Der Schmied verstand es sehr wohl, ab und zu ein neumodisches Wörtchen in seine Rede einzuflechten. Das hatte er sich während seines Aufenthalts in Poltawa angewöhnt, als er den Bretterzaun des Hauptmanns tünchte. »Ich armer Sünder muß zugrunde gehen!! Nichts in der Welt kann mir mehr helfen! Komme, was kommen mag. Es bleibt mir nichts mehr übrig, als den Teufel selbst um Beistand zu bitten. Also, Patzjuk,« rief der Schmied, als er bemerkte, daß jener unerschütterlich schwieg, »was soll ich anfangen?«

»Wenn du den Teufel brauchst, so scher dich doch auch zum Teufel!« antwortete Patzjuk, richtete nicht einmal die Augen auf ihn und fuhr fort, seine Klöße zu vertilgen.

»Deshalb komme ich ja eben zu dir,« erwiderte der Schmied mit einer Verbeugung, »außer dir, glaube ich, weiß niemand den Weg zu ihm.«

Patzjuk sprach kein Wort – und aß seine Klöße zu Ende. »Erbarm dich, guter Mensch, schlag mir die Bitte nicht ab!« drängte der Schmied. »Ob Schweinefleisch oder Wurst, ob Leinewand oder Hirse, – oder Buchweizenmehl, und alles, was du brauchst . . . wie es so unter guten Leuten Sitte ist . . . es soll dir an nichts fehlen. Sage mir doch nur beispielsweise, welcher Weg zu ihm führt?«

»Der braucht nicht weit zu gehen, der den Teufel auf dem Buckel hat«, sprach Patzjuk gleichgültig, ohne seine Stellung zu verändern.

Wakula starrte ihn an, als stände die Erklärung dieser Worte auf seiner Stirn zu lesen. »Was spricht er?« schien seine Miene stumm zu fragen; und sein halbgeöffneter Mund bereitete sich vor, das erste Wort, das er sagen würde, zu verschlingen wie ein Klößchen. Aber Patzjuk schwieg.

Da merkte Wakula, daß weder Klöße noch ein Faß vor Patzjuk standen; statt dessen aber standen zwei Holzschüsseln auf dem Boden: die eine war mit Krapfen, die andere mit Rahm gefüllt. Seine Gedanken und seine Augen wandten sich unwillkürlich diesen Gerichten zu. »Sehn wir mal zu, wie Patzjuk die Krapfen essen wird«, sagte er zu sich selbst. »Er wird sich sicher nicht bücken wollen, um sie mit dem Mund einzuschlürfen wie die Klöße; es geht ja auch gar nicht: Man muß den Krapfen ja zuerst in den Rahm tunken!« Doch kaum hatte er dies gedacht, da sperrte Patzjuk seinen Mund weit auf, blickte auf die Krapfen und riß dann den Mund noch weiter auf. Da plantschte ein Krapfen aus der Schüssel, fiel klatschend in den Rahm, drehte sich auf die andere Seite, hüpfte hoch empor und fiel ihm stracks in den Mund. Patzjuk verzehrte den Krapfen, machte den Mund wieder auf, und mit einem anderen Krapfen geschah dasselbe. Er selbst mußte sich nur die Mühe nehmen zu kauen und ihn zu verschlucken.

»Potztausend!« dachte der Schmied und machte vor Verwunderung den Mund weit auf; aber da merkte er, daß auch ihm ein Krapfen in den Mund hineinspazierte, und schon waren seine Lippen mit Rahm beschmiert. Der Schmied stieß den Krapfen verwirrt von sich, wischte sich die Lippen und begann darüber nachzudenken, was für Wunder es doch in der Welt gäbe und bis zu welchen Spitzfindigkeiten des Satans Macht einen Menschen gelangen ließe; und er sagte sich beiläufig, daß nur Patzjuk imstande sei, ihm zu helfen.

»Ich will mich noch einmal verbeugen, vielleicht sagt er's mir . . . Aber, Teufel! Morgen ist ja Weihnachten, und er ißt Krapfen – das ist doch kein Fastenessen! Was bin ich doch für ein Dummkopf: Steh da und belade mich mit Sünde! Zurück! . . .« Und der gottesfürchtende Schmied stürzte aus dem Hause.

Da aber konnte der Teufel, der im Sack saß und sich schon im voraus gefreut hatte, vor Angst, es könne ihm eine so großartige Beute entgehen, nicht mehr an sich halten. Kaum ließ der Schmied den Sack zu Boden gleiten, so sprang er flugs hinaus und setzte sich rittlings auf seinen Hals.

Den Schmied überlief es kalt; er erschrak, wurde totenbleich und wußte einfach nicht, was er tun sollte; schon wollte er sich bekreuzigen . . . Aber der Teufel neigte sein Hundeschnäuzchen an Wakulas rechtes Ohr und sagte: »Ich bin's, dein Freund; ich werde alles für meinen Kameraden und Genossen tun! Ich gebe dir Geld, soviel du willst,« murmelte er ihm ins linke Ohr. »Oxana wird heute noch die Unsere sein«, flüsterte er, sein Maul wieder zum rechten Ohr neigend. Der Schmied stand da und sann. »Schön,« sagte er endlich, »um diesen Preis bin ich bereit, dir anzugehören!«

Der Teufel schlug die Hände zusammen und begann vor Freude auf dem Halse des Schmiedes auf und ab zu hüpfen. »Jetzt habe ich den Schmied!« dachte er bei sich. »Gut, mein Täubchen, du sollst mir alle deine Malereien und Schmierereien, mit denen du den Teufel verspottet hast, bezahlen! Was werden meine Genossen dazu sagen, wenn sie erfahren, daß der frömmste Mann des Dorfes in meinen Händen ist?«

Und der Teufel lachte und stellte sich vor, wie er in der Hölle die geschwänzte Rotte necken werde; und wie der hinkende Teufel, der als Meister aller satanischen Streiche galt, Wut schnauben würde.

»Na, Wakula!« piepste der Teufel, der den Hals des Schmiedes immer noch nicht verlassen hatte, gerade als ob er fürchtete, jener könne ihm entwischen. »Du weißt ja, daß ohne Vertrag nichts unternommen wird.«

»Ich bin bereit!« sagte der Schmied. »Wie ich gehört habe, unterzeichnet man bei euch die Verträge mit Blut; halt, ich hol' mir nur einen Nagel aus der Tasche!«

Dabei griff er mit der Hand nach hinten – und siehe – er hatte den Teufel am Schwanze gepackt.

»Ei, ei, du Schäker!« rief der Teufel lachend, »jetzt aber laß los, genug der Schelmenstreiche!«

»Nein, warte, mein Täubchen!« schrie der Schmied. »Und was sagst du dazu?« Dabei machte er das Zeichen des Kreuzes, und der Teufel wurde lammstill. »Warte mal!« rief er und zerrte ihn am Schwanze zu Boden. »Ich will dich lehren, ehrliche Leute und anständige Christenmenschen in Sünden zu stürzen.«

Und der Schmied sprang rittlings auf ihn und hob die Hand empor, um das Zeichen des Kreuzes zu machen.

»Hab Erbarmen, Wakula!« stöhnte der Teufel kläglich. »Ich tue ja alles, was du willst; nur verschone mich; lege mir nur nicht dies furchtbare Kreuz auf.«

»Jetzt singst du schon ein anderes Lied, du gottverdammter Welschling, du! Nun weiß ich, was ich zu tun habe. Führe mich sofort im Ritt auf und davon. Hörst du? Eile dahin, wie ein Vogel!«

»Wohin?« rief der Teufel traurig.

»Nach Petersburg, geradeswegs zu der Zarin!« Aber da erstarrte der Schmied vor Schreck, denn er fühlte, wie er in die Lüfte emporgehoben wurde.

*

Noch lange stand Oxana da und dachte an die sonderbaren Reden des Schmieds. Schon regte sich etwas in ihrem Innern und raunte ihr zu, sie habe ihn zu hart behandelt. »Und wenn er sich wirklich etwas Schreckliches antut? Nichts ist unmöglich! Vielleicht verliebt er sich noch am Ende aus Kummer in eine andere und wird sie aus lauter Ärger für die Schönste im Dorfe erklären. Aber nein, er liebt mich. Ich bin ja auch so schön! Er wird mir keine andere vorziehen; er treibt nur Unsinn und tut nur so. Es werden noch keine zehn Minuten verstreichen, und er wird wiederkommen, um mich zu sehen. Ich bin wirklich zu hartherzig. Ich muß mich einmal scheinbar widerwillig von ihm küssen lassen. Das wird eine Freude für ihn sein!« Und die leichtsinnige Schöne fing schon wieder an, mit ihren Freundinnen zu scherzen.

»Halt!« rief die eine von ihnen. »Der Schmied hat seine Säcke vergessen; o schaut nur, was für gräßliche Säcke das sind! Er hat ganz andere Geschenke für seinen Gesang bekommen als wir; ich glaube, man hat ihm ein ganzes Viertel von einem Hammel geschenkt und sicherlich Würste und Brote ohne Zahl. Prächtig! Da kann man die ganzen Feiertage davon essen.«

»Sind das die Säcke des Schmiedes?« rief Oxana. »Schleppen wir sie doch zu mir in die Stube und sehn wir zu, was er alles drin hat.«

Alle billigten lachend diesen Vorschlag.

»Aber wir können sie nicht in die Höhe heben!« rief auf einmal die ganze Schar, die bemüht war, die Säcke vom Platze zu rücken.

»Halt,« meinte Oxana, »holen wir einen Schlitten und schleppen wir sie auf dem Schlitten zu mir!«

Und die ganze Schar lief fort, um einen Schlitten zu holen.

Den Gefangenen wurde indessen in den Säcken die Zeit gewaltig lang, wenn auch der Küster sich ein tüchtiges Loch in den Sack gebohrt hatte. Wären keine Leute dagewesen, so hätte er vielleicht auch noch ein Mittel gefunden, herauszukriechen; aber in Gegenwart aller aus dem Sack zu kriechen, sich lächerlich zu machen . . . dieser Gedanke hielt ihn zurück, und er beschloß daher zu warten; und nur hier und da stöhnte er unter Tschubs unhöflichen Stiefeln schmerzlich auf. Tschub selbst aber sehnte sich nicht minder nach Freiheit, denn er fühlte, daß ein gewisses Etwas unter ihm lag, auf dem ganz grauenhaft unbequem zu sitzen war. Sobald er aber vom Entschluß seiner Tochter vernahm, beruhigte er sich und wollte jetzt schon selbst nicht mehr zum Vorschein kommen, denn er dachte daran, daß es bis zu seinem Hause noch mindestens hundert Schritt oder gar noch mehr waren; hätte er aber hinauskriechen wollen, so hätte er seine Kleidung ordnen, den Pelz zuknöpfen und sich den Gurt umbinden müssen – welche Arbeit! Und dann war auch seine Mütze bei der Ssolocha geblieben. Da sollten ihn doch lieber die Mädel nach Hause fahren! Es kam jedoch ganz anders, als Tschub erwartet hatte. Während die Mädchen davonliefen, um einen Schlitten zu holen, trat der hagere Gevatter verstört und mißgestimmt aus dem Wirtshaus. Die Schankfrau hatte sich durchaus nicht entschließen können, ihm zu borgen. Er wollte im Wirtshause abwarten, ob nicht irgendein frommer Edelmann kommen und ihm was vorsetzen würde; aber wie zum Trotz waren alle Edelleute zu Hause geblieben und verzehrten als ehrliche Christen ihren Weihnachtskuchen inmitten ihrer Familie. Wie nun der Gevatter so über die allgemeine Sittenverderbnis und das steinerne Herz des Judenweibs, das den Schnaps feilhielt, nachdachte, stieß er plötzlich auf die Säcke und blieb erstaunt stehen. »Schau, schau, hier hat jemand Säcke auf die Straße geworfen!« sagte er und sah sich um. »Wahrscheinlich ist Schweinefleisch drin. Es gehört doch ein großes Glück dazu, sich so viel zu ersingen! Was für riesige Säcke! Angenommen selbst, sie wären nur mit Buchweizenbroten und Brezeln gefüllt, das wär' auch gar nicht übel, aber selbst wenn nur einfaches Brot darin wäre, so ließe ich mir auch das gefallen: die verfluchte Jüdin gibt ein Achtel Schnaps für jeden Laib. Ich will sie rasch fortschleppen, so daß niemand es sieht.«

Da wälzte er sich den einen Sack, gerade den mit Tschub und dem Küster, auf die Schulter, fühlte jedoch, daß er zu schwer sei. »Nein, für mich allein ist der zu schwer«, rief er. »Aber da kommt ja gerade wie gerufen der Weber Schapuwalenko. Grüß Gott, Ostap!«

»Guten Abend!« erwiderte der Weber und blieb stehen.

»Wohin gehst du?«

»Ganz ohne Ziel, wohin mich gerade die Füße tragen!«

»Hilf mir doch die Säcke forttragen, lieber Mensch, da hat jemand seine Weihnachtsgeschenke hergeschleppt und sie mitten auf der Straße hingeschmissen. Wir wollen das Gut redlich unter uns teilen.«

»Die Säcke? Und was ist drin? Kuchen oder Brot?«

»Ich glaube, es ist von allem etwas drin.«

Sie rissen schnell eine Latte vom Zaun, legten einen Sack darauf und trugen ihn auf den Schultern fort.

»Wohin wollen wir sie tragen? Ins Wirtshaus?« fragte der Weber unterwegs.

»Ich hab's mir auch gedacht; aber die verdammte Jüdin wird uns am Ende nicht recht trauen, sie wird glauben, wir hätten sie gestohlen, und außerdem komme ich gerade aus dem Wirtshaus. Tragen wir den Sack zu mir. Niemand wird uns stören: Meine Frau ist nicht zu Hause.«

»Ist sie auch sicher nicht zu Hause?« fragte der vorsichtige Weber.

»Wir sind ja, Gott sei Dank, noch bei vollem Verstande,« sagte der Gevatter, »nur der Teufel könnte mich dorthin bringen, wo sie jetzt ist. Ich glaube, sie wird sich bis morgen früh mit den Weibern herumtreiben.«

»Wer ist da?« rief die Frau des Gevatters, als sie den Lärm hörte, den die beiden Freunde im Flur mit dem Sack machten, und öffnete die Tür.

Der Gevatter war starr vor Schrecken.

»Na, da haben wir die Bescherung!« rief der Weber und ließ die Arme sinken.

Des Gevatters Frau war so ein Juwel, wie es deren durchaus nicht wenige in der Welt gibt. Genau wie ihr Gemahl saß sie fast niemals zu Hause und schmarotzte fast den ganzen Tag lang bei allerhand Basen und wohlhabenden Muhmen umher, schmeichelte sich bei ihnen ein, aß mit vielem Appetit und prügelte sich nur am Morgen mit ihrem Manne herum, denn bloß um diese Tageszeit pflegte sie ihn zuweilen zu sehen. Ihre Hütte war doppelt so alt wie die Pluderhosen des Gemeindeschreibers. Das Dach hatte an manchen Stellen gar kein Stroh mehr, und vom Zaun waren nur noch ein paar klägliche Überreste übrig, denn kein Mensch pflegte beim Ausgehen noch einen Stock zur Abwehr der Hunde mitzunehmen, weil jeder hoffte, am Gemüsegarten des Gevatters vorüberzugehen und sich da einen Knüppel aus seinem Zaun reißen zu können. Der Ofen wurde oft drei Tage lang nicht geheizt. Alles, was die zärtliche Gattin bei gutherzigen Leuten zu erbetteln pflegte, verbarg sie möglichst vor ihrem Manne, und manchmal nahm sie sogar Sachen als Beute an sich, die ihm gehörten, falls er sie noch nicht in der Schenke versoffen hatte. Der Gevatter wollte ihr trotz seiner ewigen Gleichgültigkeit doch nicht nachgeben, daher verließ er auch das Haus fast immer mit ein paar Beulen unter beiden Augen, und die geschätzte Ehehälfte trollte sich ächzend zu ihren alten Weibern, um ihnen von der Liederlichkeit ihres Mannes und von den Schlägen vorzuklatschen, die sie zu ertragen hatte.

Man kann sich ausmalen, wie verblüfft der Weber und der Gevatter durch ihr unerwartetes Erscheinen waren. Sie ließen den Sack zu Boden sinken, stellten sich vor ihn hin und bedeckten ihn mit ihren Rockschößen; aber schon war es zu spät; des Gevatters Frau hatte den Sack schon erblickt, obwohl ihre alten Augen nur noch schlecht sahen. »Das ist aber fein!« sagte sie mit einer Miene, in der die Freude eines Habichts aufzuckte. »Das ist fein, daß ihr euch so viel zusammengesungen habt! Anständige Leute machen es immer so. Aber nein, ich glaube doch, ihr habt es irgendwo stibitzt. Zeigt mir's sofort, hört ihr, zeigt mir sofort, was ihr in eurem Sacke habt!«

»Vielleicht zeigt dir's ein kahlköpfiger Teufel, aber nicht wir«, sagte der Gevatter und stellte sich in Positur.

»Was geht dich das an?« sagte der Weber, »wir haben das für unseren Gesang bekommen und nicht du!«

»Nein, du sollst es mir zeigen, du nichtsnutziger Trunkenbold!« rief die Frau, versetzte dem langaufgeschossenen Gevatter einen Schlag unters Kinn und drängte sich an den Sack heran. Jedoch der Weber und der Gevatter verteidigten den Sack tapfer und nötigten sie zum Rückzuge. Kaum aber hatten sie Zeit, sich recht zu besinnen, als die Gattin schon mit einem Feuerhaken in der Hand wieder auf den Flur herausgerannt kam. Sie schlug ihrem Mann flink mit dem Haken auf die Hände und dem Weber über den Rücken, und schon stand sie neben dem Sack.

»Warum haben wir sie herangelassen?« rief der Weber, als er wieder zu sich gekommen war.

»Ja, warum haben wir sie herangelassen! Warum hast du sie herangelassen?« sagte der Gevatter kaltblütig.

»Ihr habt wohl einen eisernen Ofenhaken!« sagte der Weber nach kurzem Schweigen, indem er sich den Rücken kratzte. »Meine Frau hat im vorigen Jahr auf dem Jahrmarkt einen Ofenhaken gekauft und ein halb Schock Eier für ihn gegeben: Der ist besser . . . er tut nicht so weh!«

Unterdessen stellte die triumphierende Gattin ihr Lämpchen auf den Boden, band den Sack auf und blickte hinein.

Aber ihre alten Augen, die den Sack doch so gut wahrgenommen hatten, täuschten sich wohl diesmal. »He, da liegt ja ein ganzer Eber!« rief sie, vor Freude in die Hände klatschend.

»Ein Eber! Hörst du, ein ganzer Eber!« rief der Weber und puffte den Gevatter in die Seite, »du allein hast an allem schuld!«

»Was ist da zu machen!« rief der Gevatter achselzuckend.

»Was? Warum stehen wir auch so ruhig da? Nehmen wir ihr doch den Sack ab! Pack dich!«

»Vorwärts marsch, du Teufelsweib! Der Eber gehört uns!« rief der Gevatter und rückte vor. Seine Gattin griff wieder zum Ofenhaken, aber in diesem Augenblick kroch Tschub aus dem Sack und stellte sich breitbeinig mitten im Flur hin, indem er sich dehnte und reckte wie ein Mensch, der soeben aus einem langen Schlafe erwacht ist.

Des Gevatters Frau stieß einen Schrei aus, schlug die Hände zusammen, und alle miteinander sperrten unwillkürlich die Mäuler auf.

»Was faselt sie da von einem Eber, diese Närrin! Das ist doch kein Eber«, sagte der Gevatter, die Augen weit aufreißend.

»Sieh einer an, was für einen Kerl sie da in den Sack gesteckt haben!« rief der Weber, vor Schreck zurückweichend. »Sag', was du willst, ich will auf der Stelle platzen, wenn da nicht der Böse seine Hand im Spiel hat. Der da kann doch durch kein Fenster, geschweige denn in einen Sack geraten!«

»Das ist ja Gevatter Tschub!« rief der Gevatter, als er näher zusah.

»Und was dachtest du?« rief Tschub schmunzelnd. »Was? Habe ich euch einen Schabernack gespielt? Ihr wolltet mich wohl schon gar verspeisen wie ein Stück Schweinefleisch? Wartet nur, ich will euch noch eine Freude bereiten: Im Sacke liegt noch etwas, wenn das kein Eber ist, so ist's sicher ein Ferkel oder irgendein anderes Vieh. Es hat fortwährend unter mir gezappelt.«

Der Weber und der Gevatter stürzten sich auf den Sack, die Hausfrau klammerte sich auf der anderen Seite an ihn, und das Gefecht wäre wieder losgegangen, wenn nicht der Küster, der einsah, daß er sich nirgends mehr verbergen konnte, von selbst aus dem Sacke herausgekrochen wäre.

Die Frau des Gevatters wurde starr wie Stein und ließ den Fuß los, an dem sie den Küster bereits aus dem Sacke ziehen wollte.

»Also noch einer!« rief der Weber in heller Angst. »Der Teufel mag wissen, was in der Welt los ist . . . Der Kopf dreht sich mir im Kreise herum . . . Weder Würste noch Brot, sondern lauter Menschen wirft man jetzt in die Säcke!«

»Das ist der Küster!« rief Tschub, der noch mehr erstaunt war als die anderen. »Da haben wir's! Ei, ei, die Ssolocha! Die Menschen in einen Sack zu stecken . . . Ich dachte mir gleich: warum ist nur die Stube voller Säcke . . . Jetzt weiß ich alles: bei ihr saßen zwei Kerle in jedem Sacke. Und ich glaubte, daß sie mir allein . . . Ei, ei! diese Ssolocha!«

*

Die Mädchen waren einigermaßen erstaunt, als sie den einen Sack nicht mehr fanden.

»Nun, da ist nichts zu machen, wir werden auch an dem anderen genug haben!« meinte Oxana.

Alle ergriffen den Sack und wälzten ihn auf den Schlitten. Der Amtmann beschloß zu schweigen, denn er bedachte die Folgen, wenn er schrie, man solle den Sack aufbinden; die dummen Mädel würden auseinanderlaufen, würden glauben, im Sacke sitze der Teufel, und er müßte dann vielleicht bis morgen auf der Straße bleiben.

Indes flogen die Mädchen, Hand in Hand, wie der Sturmwind mit dem Schlitten über den knisternden Schnee. Einige von ihnen setzten sich mutwillig auf den Schlitten; und manche setzten sich sogar auf den Amtmann selbst. Der Amtmann war entschlossen, alles zu ertragen.

Endlich waren sie angekommen, sie rissen die Türen zum Flur und zur Stube weit auf und schleppten den Sack unter lautem Gelächter hinein.

»Sehn wir zu, was drin ist«, riefen alle auf einmal und beeilten sich, ihn aufzubinden.

Da aber wurde der Schlucken, der nicht aufgehört hatte, den Amtmann während der ganzen Zeit seines Aufenthalts im Sack zu quälen, so arg, daß er laut aufzuschlucksen und zu husten begann.

»Ach, da sitzt ja jemand drin!« schrien alle und stürzten erschrocken zur Türe.

»Was Teufel! Wohin rennt ihr denn alle, als ob ihr nicht gescheit seid?« fragte Tschub, der in die Türe trat.

»Oh, Vater!« rief Oxana, »im Sacke sitzt jemand!«

»Im Sacke? Wo habt ihr diesen Sack her?«

»Der Schmied hat ihn mitten auf die Straße hingeschmissen«, riefen alle zugleich.

»Na also; Hab ich's nicht gleich gesagt? . . .« dachte Tschub bei sich. »Worüber seid ihr so erschrocken? Wir wollen doch mal nachsehen. Holla, Menschenkind – nimm's mir nicht übel, daß ich dich nicht bei deinem Vor- und Zunamen rufe – kriech mal aus dem Sack heraus!«

Der Amtmann kroch heraus.

»Ah!« riefen die Mädchen.

»Auch der Amtmann war also dabei«, sprach Tschub verblüfft zu sich und maß ihn vom Kopfe bis zu den Füßen. »So so? . . . Hehe! . . .« Mehr konnte er nicht hervorbringen.

Der Amtmann selbst war nicht minder verlegen und wußte nicht, was er anfangen sollte. »Es ist wohl recht kalt draußen?« fragte er, zu Tschub gewandt.

»Ein mächtiges Frostwetter«, antwortete Tschub. »Darf ich dich fragen: womit schmierst du eigentlich deine Stiefel: mit Schmalz oder mit Teer?« Er hatte natürlich etwas ganz andres sagen und fragen wollen: »Wieso kommst du, der Amtmann, in den Sack?« und er wußte selbst nicht, wie es kam, daß er etwas ganz anderes gesagt hatte.

»Mit Teer ist's besser«, erwiderte der Amtmann. »Leb wohl, Tschub!« Und er drückte die Mütze in die Stirn und verließ die Stube.

»Warum habe ich so dumm gefragt, womit er seine Stiefel schmiert!« rief Tschub, auf die Tür blickend, durch die der Amtmann hinausgegangen war. »Ei, ei, diese Ssolocha! Solch einen Herrn in den Sack zu stecken! Dieses Teufelsweib! Und ich Dummkopf . . . Aber wo ist nur der verfluchte Sack geblieben?«

»Ich habe ihn in die Ecke geschmissen, es ist nichts mehr drin«, sagte Oxana.

»Ich kenne diese Scherze schon. Nichts drin! Gib ihn mal her: dort sitzt doch noch jemand! Schüttelt ihn nur mal ordentlich. Wie? Ist wirklich nichts drin? Ei, so ein verfluchtes Weibsbild! Und dabei ist sie von Aussehen die reinste Heilige, als ob sie noch nie was anderes als Fastenspeisen gekostet hätte . . .!«

Aber lassen wir Tschub in aller Gemütlichkeit seinen Ärger verpuffen und kehren wir zu dem Schmied zurück; denn es geht gewiß schon in die neunte Stunde.

*

Zuerst war's Wakula sehr unheimlich zumute, besonders als er so hoch oben schwebte, daß er unten auf der Erde nichts mehr unterscheiden konnte, und als er wie eine Fliege hart am Monde vorbeigeflogen kam, so daß er, hätte er sich nicht etwas gebückt, den Mond mit der Mütze gestreift hätte. Bald darauf faßte er jedoch Mut und begann wieder über den Teufel zu scherzen. Es ergötzte ihn außerordentlich, wie der Teufel jedesmal, wenn Wakula sein Kreuz aus Zedernholz vom Halse nahm und es ihm vor die Nase hielt, niesen und prusten mußte. Absichtlich erhob er die Hand, um sich den Kopf zu kratzen, aber der Teufel dachte, er greife nach dem Kreuze und flog noch rascher dahin. Alles in der Höhe leuchtete hell. Die Luft schimmerte durchsichtig in dem sanften silbernen Nebel. Alles war klar zu sehen, und man konnte sogar wahrnehmen, wie ein Zauberer rittlings auf einem Topfe sitzend an ihnen vorüberjagte, wie die Steine, zu einem Haufen geballt, Blindekuh spielten, wie ein ganzes Rudel Geister sich gleich Wolken dahinwälzte, wie ein im Mondschein tanzender Teufel beim Anblick des daherreitenden Schmiedes die Mütze zog, und wie ein Besen, auf dem offensichtlich soeben eine Hexe zu ihrem Ziel geritten war, heimwärts flog . . .! Und noch vieles andere und mancherlei böses Gesindel trafen sie auf ihrem Wege. Beim Anblick des Schmiedes machten alle halt, um ihn anzusehen, und dann rasten sie zu ihren Verrichtungen weiter; der Schmied flog immer weiter und weiter, und auf einmal leuchtete Petersburg ganz in Feuer gehüllt vor ihm auf. (Damals fand dort aus irgendeinem Anlaß gerade eine Illumination statt.) Der Teufel flog über den Schlagbaum hinweg, verwandelte sich in ein Roß, und der Schmied fand sich plötzlich mitten auf der Straße auf einem hitzigen Renner wieder. Himmel Herrgott! War das ein Lärmen, Rasseln und Funkeln; auf beiden Seiten ragten vier Stockwerk hohe Mauern in die Höhe; das Stampfen der Pferdehufe und das Rollen der Wagenräder hallte donnernd aus allen vier Himmelsrichtungen wider; da schossen Häuser empor und schienen auf Schritt und Tritt der Erde zu entsteigen; Brücken bebten; Equipagen flogen dahin, Kutscher und Vorreiter brüllten; der Schnee pfiff unter den tausenden, von allen Seiten vorbeifliegenden Schlitten; die Fußgänger drückten sich ängstlich an die Häuser, die mit Lämpchen übersät waren; und ihre riesigen Schatten huschten über die Wände und reichten mit den Köpfen bis an die Dächer und Schornsteine.

Voller Staunen sah sich der Schmied nach allen Seiten um. Es schien ihm, als ob alle diese Häuser ihre zahllosen Feueraugen auf ihn richteten und ihn anschauten. Soviel feine Herren in ihren mit Tuch überzogenen Pelzen erblickte er, daß er nicht wußte, vor wem er zuerst die Mütze ziehen sollte. »O Gott, wieviel Herrschaften es hier gibt!« dachte der Schmied. »Ich glaube, hier ist jeder, der einem auf der Straße in einem Pelz begegnet, Assessor und wieder Assessor! Und die, die in diesem wunderbaren Wagen mit Glasscheiben dahinfahren, sind, wenn nicht Bürgermeister, so doch sicherlich Kommissäre oder vielleicht sogar noch mehr.« Hier wurden seine Betrachtungen durch eine Frage des Teufels unterbrochen: »Soll ich geradeswegs zur Zarin?« – »Nein, ich habe Angst!« dachte der Schmied. »Ich weiß nicht, hier sind doch irgendwo die Saporoger Kosaken abgestiegen, die im Herbst durch Dikanka gekommen sind. Sie fuhren mit einem Schreiben zur Zarin; nicht übel wäre es, sie um Rat zu fragen. He, Satan! kriech mir in die Tasche und führe mich zu den Saporogern!«

Im Nu magerte der Teufel ab und wurde so klein, daß er ohne Müh zu ihm in die Tasche hineinhüpfen konnte. Noch bevor Wakula sich umzusehen vermochte, stand er schon vor einem riesigen Hause, und ohne selbst zu wissen wie, stieg er die Treppe empor, machte die Türe auf und prallte ein wenig zurück vor dem blendenden Glanze, als er das geschmückte Gemach erblickte; doch er faßte wieder etwas Mut, als er die Saporoger erkannte, die durch Dikanka gekommen waren, und die nun auf seidenen Sofas saßen: mit geteerten Stiefeln an den übereinandergeschlagenen Beinen, und den allerstärksten Tabak rauchten, jenen Tabak, den man gewöhnlich Wurzeltabak nennt.

»Grüß Gott, Herrschaften! Helf euch Gott! Wo wir uns wiedersehn!« sprach der Schmied, trat näher und verbeugte sich tief bis zur Erde.

»Was ist das für ein Mensch?« fragte der dem Schmied zunächst Sitzende einen andern, der etwas abseits saß.

»Habt ihr mich nicht wiedererkannt?« rief der Schmied. »Ich bins ja, der Schmied Wakula! Als ihr im Herbst durch Dikanka kamt, da wart ihr ja zwei Tage lang bei mir zu Gaste, Gott schenke euch Gesundheit und langes Leben. Ich hab' euch doch noch damals einen neuen Reifen ans Vorderrad eures Wagens geschlagen!«

»Ah!« rief da der Saporoger. »Das ist ja derselbe Schmied, der so großartig malt. Gott zum Gruß, Landsmann. Was führt dich hierher?«

»Ich wollte mich nur ein wenig umsehen . . . Man sagt ja . . .«

»Nun, Landsmann,« rief der Saporoger wichtig, und da er zeigen wollte, daß er nicht bloß seine Kosaken-Mundart, sondern auch reinstes Russisch sprechen konnte, sagte er: »Eine gewaltige Stadt, wie?«

Der Schmied wollte sich auch nicht bloßstellen und als Neuling zeigen, außerdem verstand er sich auch selbst auf die Schriftsprache, wie wir bereits oben zu bemerken Gelegenheit hatten, und so antwortete er ruhig: »Eine mächtige Goubernie! Hier gibt's unstreitig große Häuser, und meisterhafte Bilder hängen darin. Gar viele Häuser sind mit köstlichen Lettern aus Blattgold bemalt. Man muß zugeben, eine herrliche Proportion!«

Als die Saporoger den Schmied sich so frei ausdrücken hörten, bekamen sie die günstigste Meinung von ihm.

»Wir wollen uns später weiter unterhalten, Landsmann: Jetzt müssen wir gleich zur Zarin fahren.«

»Zur Zarin? Oh, seid so lieb, meine Herren, nehmt mich auch mit!«

»Dich?« rief der Saporoger in einem Ton, wie etwa ein Kinderwärter zu seinem vierjährigen Zögling redet, der bittet, ihn auf ein großes Pferd zu setzen. »Was willst du denn dort? Nein, das geht nicht.« Dabei nahm sein Gesicht eine wichtige Miene an. »Wir müssen mit der Zarin über unsere eigenen Angelegenheiten reden, Bruder!«

»Nehmt mich doch mit!« drängte der Schmied. »Bitte du sie!« flüsterte er dem Teufel leise zu, indem er mit der Faust auf seine Tasche schlug.

Kaum aber hatte er das gesagt, als ein anderer Saporoger ausrief: »Nehmen wir ihn doch wirklich mit, Brüder!«

»Uns ist's recht, nehmen wir ihn mit!« sprachen die anderen.

»So leg ein Kleid an, wie wir es tragen.«

Der Schmied beeilte sich, einen grünen Schupan anzuziehen, als auf einmal die Tür aufging und ein Mann mit Tressen am Rock eintrat und sagte, es sei die höchste Zeit, abzufahren.

Dem Schmied war es wieder wunderlich zumute, als er in der riesigen Kalesche dahinfuhr, die auf Sprungfedern hin und her schaukelte; und als die vierstöckigen Häuser auf beiden Seiten an ihm vorbeirannten und das Pflaster mit Gepolter wie von selbst unter den Füßen der Pferde dahinzurollen schien.

»O Gott, wie hell es ist!« dachte der Schmied bei sich. »Bei uns ist es nicht einmal am Tage so hell!«

Die Wagen hielten vor einem Palaste. Die Saporoger stiegen aus, traten auf den prächtigen Vorplatz und begannen die blendend beleuchtete Treppe hinaufzusteigen.

»Was für eine Treppe!« flüsterte der Schmied vor sich hin. »Es wäre doch schade, mit den Füßen drauf zu treten. Welch' ein Schmuck! Und da sage noch einer: die Märchen lügen! Wahrlich, die lügen nicht! O Gott, mein Gott, was für ein Geländer! Was für eine Arbeit! Da hat man allein fürs Eisen mindestens fünfzig Rubel ausgegeben!«

Oben angelangt, durchschritten die Saporoger den ersten Saal. Scheu folgte ihnen der Schmied, voller Angst, er könnte bei jedem Schritt auf dem Parkett ausgleiten. Drei Säle durchschritten sie und der Schmied war noch immer nicht aus seiner Verwunderung herausgekommen. Wie sie in den vierten Saal traten, ging er unwillkürlich an ein Gemälde heran, das an der Wand hing. Es war ein Bild der heiligen Jungfrau mit dem Sohne auf dem Arm.

»Was für ein Bild! Was für eine wunderbare Malerei!« dachte er und stellte seine Betrachtungen an. »Es sieht aus, als wollte es reden! Wie lebendig es ist! Und das Christkind! Wie es die Händchen faltet und lächelt, das Ärmste! Und diese Farben! O Gott! Welche Farben! Da hat man wohl auch nicht für eine Kopeke Ocker gebraucht, glaub' ich, sondern nichts als Karmin und Grünspan. Und wie das Blau leuchtet! Eine meisterhafte Arbeit. Der Grund ist wahrscheinlich mit dem kostbarsten Bleiweiß angelegt. Aber wenn diese Malerei wunderbar ist, so ist doch dieser Messinggriff noch mehr der Bewunderung würdig«, fuhr er fort, indem er an die Tür trat und das Schloß betastete. »Was für eine saubere Arbeit! Ich bin sicher, das alles ist von ausländischen Schmieden gemacht, und die haben sich sicherlich die höchsten Preise dafür zahlen lassen.«

Der Schmied wäre vielleicht noch lange in seinen Betrachtungen fortgefahren, wenn ihn nicht ein betreßter Lakai am Arm gepufft und ermahnt hätte, nicht hinter den anderen zurückzubleiben. Die Saporoger durchschritten noch zwei Säle und machten dann halt. Da hieß man sie warten. Im Saale standen einige Generale in goldbestickten Uniformen. Die Saporoger verbeugten sich nach allen Seiten und traten zu einer Gruppe zusammen.

Einen Augenblick später kam, begleitet von einem ganzen Gefolge, ein korpulenter Mann von majestätischer Statur in Hetmansuniform und mit feinen gelben Stiefeln herein. Sein Haar war wirr, das eine Auge schielte etwas, das Gesicht drückte Stolz und Erhabenheit aus, allen seinen Bewegungen merkte man die Gewohnheit, zu befehlen, an. Alle Generale, die in ihren goldenen Uniformen umherstolzierten, gerieten in Bewegung und schienen jedes seiner Worte, ja die leiseste Bewegung von ihm unter tiefen Verbeugungen auffangen zu wollen, um alles schleunigst auszuführen. Aber der Hetman achtete nicht einmal darauf, nickte kaum mit dem Kopfe und ging auf die Saporoger zu.

Sämtliche Saporoger verbeugten sich tief.

»Seid ihr alle hier?« fragte er gedehnt und mit etwas näselnder Stimme.

»Alle, alle miteinander, Väterchen!« antworteten die Saporoger und verbeugten sich von neuem.

»Vergeßt nicht, zu reden, wie ich's euch gelehrt habe!«

»Nein, Väterchen, wir werden's nicht vergessen!«

»Ist das der Zar?« fragte der Schmied den einen Saporoger.

»Der Zar? Warum nicht gar! Das ist doch Potjomkin in eigener Person!« antwortete jener.

Im Nebenzimmer wurden Stimmen laut, und der Schmied wußte nicht, wo er seine Augen lassen sollte, soviel Damen in Atlaskleidern mit langen Schleppen und Höflinge in goldgewirkten Kaftans und mit steifen Zöpfchen traten jetzt herein. Er sah nur ein Aufleuchten – sonst nichts.

Auf einmal fielen alle Saporoger zu Boden und schrien wie ein Mann: »Gnade, Mütterchen! Erbarmen!«

Der Schmied, der schon gar keine Ahnung mehr hatte, was da eigentlich vorging, streckte sich in seinem Eifer auch lang auf den Boden hin.

»Steht auf!« erklang über ihnen eine gebieterische, aber zugleich angenehme Stimme. Einige Höflinge gaben den Saporogern geschäftig ein paar Rippenstöße.

»Wir stehen nicht auf, Mütterchen! Wir wollen nicht aufstehen! Wir sterben lieber, als daß wir aufstehen!« schrien die Saporoger.

Potjomkin biß sich auf die Lippen; endlich trat er selbst zu ihnen und flüsterte dem einen Saporoger gebieterisch etwas zu. Die Saporoger erhoben sich sofort.

Da wagte es auch der Schmied, den Kopf zu erheben und erblickte eine – etwas beleibte – Frau von mittlerer Größe vor sich; sie war gepudert, hatte blaue Augen und jene erhaben lächelnde Miene, die es so gut verstand, sich alles untertan zu machen und die nur einem königlichen Weibe angehören konnte.

»Durchlaucht haben mir versprochen, mich heute mit meinem Volke bekanntzumachen, das ich bisher noch nicht gesehen habe«, sprach die Dame mit den blauen Augen, während sie die Saporoger neugierig musterte. »Seid ihr hier gut aufgehoben?« fuhr sie fort und trat näher.

»Danke, Mütterchen! Die Kost ist gut, obwohl die Hammel hier lange nicht so gut sind – wie bei uns daheim – aber es läßt sich leben! . . .«

Potjomkin runzelte die Stirn, als er sah, daß die Saporoger keineswegs sagten, was er sie gelehrt hatte . . .

Ein Saporoger gab sich nun ein Ansehen und trat vor: »Erbarmen, Mütterchen! Womit hat dein treues Volk dich erzürnt? Haben wir etwa dem heidnischen Tatarenvolke beigestanden, haben wir gemeinsame Sache mit den Türken gemacht, haben wir dir in Wort oder Tat die Treue gebrochen? Womit haben wir deine Ungnade verdient? Erst hörten wir, du ließest überall Festungen gegen uns bauen; nachher vernahmen wir, du wollest Scharfschützen aus uns machen; jetzt hören wir von neuem Unheil. Welche Schuld trifft das Heer der Saporoger? Ist's etwa die, daß sie deine Armee über den Perekop geführt und deinen Generalen geholfen haben, die Männer der Krim niederzuwerfen? . . .«

Potjomkin schwieg und putzte mit einem kleinen Bürstchen lässig die Brillanten, mit denen seine Hände besät waren.

»Was wünscht ihr also?« fragte Katharina freundlich.

Die Saporoger sahen einander vielsagend an.

»Jetzt ist's Zeit! Die Zarin fragt, was wir wünschen«, sagte der Schmied zu sich selbst, und auf einmal stürzte er zu ihren Füßen nieder.

»Eure kaiserliche Hoheit, straft mich nicht, sondern schenkt mir Eure Gnade! Mögen meine Worte Eure kaiserliche Hoheit nicht erzürnen: woraus sind die Schuhe gemacht, in denen Eure Füßchen stecken? Ich glaube, kein Schuster in der Welt vermag je wieder solche Schuhe zu machen. O Gott! Wenn mein Frauchen nur solche tragen könnte!«

Die Kaiserin brach in Lachen aus. Die Höflinge lachten ebenfalls. Potjomkin ärgerte sich, aber er lächelte gleichfalls. Die Saporoger glaubten, der Schmied sei verrückt geworden und begannen ihm Rippenstöße zu geben.

»Steh auf!« sagte die Kaiserin freundlich. »Du willst durchaus solche Schuhe haben? Nun wohl, das hat keine Schwierigkeiten. Bringt ihm sofort die kostbarsten, mit Gold bestickten Schuhe. Wahrlich, diese Einfalt gefällt mir sehr! Da habt Ihr,« fuhr die Kaiserin fort, indem sie ihre Augen auf einen abseits stehenden Herrn mit einem vollen, aber ein wenig bleichen Gesicht richtete, dessen bescheidener Kaftan mit den großen Perlmutterknöpfen erkennen ließ, daß er nicht zu den Höflingen gehörte, »da habt Ihr ein Sujet, das Eurer geistvollen Feder würdig ist!«

»Majestät sind allzu gnädig. Dazu bedürfte es mindestens eines Lafontaine!« erwiderte der Mann mit den Perlmutterknöpfen –, es war der Dichter von Wisin, indem er sich verneigte.

»Auf Ehre und Gewissen: ich muß sagen: ich bin jetzt noch von Eurem ›Brigadier‹ in hellem Entzücken. Ihr lest aber auch ganz wunderbar vor.« Dann wandte sich die Kaiserin wieder dem Saporoger zu. »Ich habe übrigens gehört, bei Euch in der Ssjetsch soll kein Kosak heiraten dürfen!«

»Was sagst du, Mütterchen! Du weißt doch selbst: kein Mensch kann ohne ein Frauchen leben«, antwortete der Saporoger, mit dem der Schmied gesprochen hatte, und der Schmied mußte staunen, als er hörte, daß dieser Saporoger, der die Schriftsprache so gut beherrschte, gerade, wie absichtlich, mit der Zarin in der gröbsten Mundart redete, jener Mundart, die man gewöhnlich die Bauernsprache nennt. »Schlaue Leutchen!« dachte er bei sich, »sicher tut er es nicht ohne Absicht.«

»Wir sind doch keine Mönche,« fuhr der Saporoger fort, »wir sind ja nur sündige Menschen. Wir sind, wie die ganze ehrliche Christenheit, der Fleischeslust verfallen. Es gibt nicht wenige unter uns, die Frauen haben, nur wohnen die Frauen nicht in der Ssjetsch. Es gibt auch solche, die ihre Frauen im Polenlande und in der Ukraine haben; es gibt aber auch solche, deren Frauen in der Türkei leben.«

Unterdessen hatte man dem Schmied die Schuhe gebracht.

»O Gott, was für eine Zier!« rief er freudig und ergriff die Schuhe. »Kaiserliche Hoheit! Wenn Ihr solche Schühchen anhabt und darin einhergeht, Euer Gnaden, oder gar noch übers Eis mit ihnen gleiten könnt – wie müssen da die Füßchen selbst sein? Ich glaub', wahr und wahrhaftig, sie sind von reinstem Zucker.«

Die Kaiserin, die in der Tat die zierlichsten und reizendsten Füßchen besaß, mußte lächeln, als sie ein solches Kompliment aus dem Munde eines einfältigen Schmiedes vernahm, der trotz seines braunen Gesichtes in seinem Saporogergewand für einen wirklich schönen Mann gelten konnte.

Hocherfreut über diese wohlwollende Aufmerksamkeit wollte der Schmied die Zarin schon über alles ordentlich ausfragen: ob's wahr sei, daß die Zaren nichts wie Honig und Speck äßen und ähnliches mehr. Da aber fühlte er, wie die Saporoger ihn in die Rippen pufften, und er beschloß zu verstummen. Und als die Zarin sich den alten Leuten zuwandte und sie über ihr Leben und Treiben in der Ssjetsch auszufragen begann, trat er zur Seite, neigte sich zu seiner Tasche hinab und sagte leise: »Bring mich schnell von hier weg!« Und auf einmal befand er sich wieder hinter dem Schlagbaum.

*

»Ertrunken! Bei Gott, er ist ertrunken! Ich will mich nicht mehr vom Fleck rühren, wenn er nicht ertrunken ist!« murmelte die dicke Webersfrau, die mitten auf der Straße in einem Haufen von Weibern stand.

»Was, ich bin also eine Lügnerin? Hab' ich etwa jemandem eine Kuh gestohlen? Oder hab' ich jemand böse angesehen, daß ihr mir nicht trauen wollt?« schrie eine Frau mit violetter Nase und in einem Kosakenkittel, indem sie mit ihren Armen hin und her fuchtelte. »Ich will nie wieder Wasser trinken, wenn die alte Perepertschicha nicht mit eigenen Augen gesehen hat, wie der Schmied sich erhängt hat!«

»Der Schmied hat sich erhängt? Eine schöne Bescherung!« rief der Amtmann, der eben aus dem Hause Tschubs kam; er blieb stehen und drängte sich unter die Keifenden.

»Sage lieber, du willst keinen Schnaps mehr trinken, du alte Sauftrine du!« erwiderte die Webersfrau. »Da müßte man ja gerad' so blöde sein wie du, um sich aufzuhängen! Er ist ertrunken, er ist im Eisloch ertrunken! Das weiß ich so gewiß, wie daß du soeben im Wirtshaus gewesen bist!«

»Was, du freches Frauenzimmer? Sieh mal einer an, was die mir vorwirft!« entgegnete wütend die Frau mit der violetten Nase. »Du hättest doch lieber das Maul halten sollen, du Weibsstück, du! Als ob ich nicht wüßte, daß der Küster jeden Abend zu dir kommt!«

Die Webersfrau geriet außer sich.

»Was tut der Küster? Zu wem kommt er? Was faselst du da?«

»Der Küster?« krähte die Frau des Küsters, sich in ihrem Hasenpelz, der mit blauem Nanking bezogen war, an die Streitenden herandrängend. »Ich will dir schon zeigen, was es heißt, so vom Küster zu reden! Wer sagt da was vom Küster?«

»Man weiß ja doch, wen der Küster besucht!« schrie die Frau mit der violetten Nase und zeigte auf die Weberin.

»Du also bist's, du Hündin,« rief die Frau des Küsters und ging auf die Webersfrau los, »du bist's, du Hexe, die ihn umnebelt und ihn mit Satanskräutern behext, daß er zu dir kommt?«

»Pack dich fort, du Satan!« sprach die Webersfrau zurückweichend.

»Sieh mal einer die verdammte Hexe an, du sollst's nicht mehr erleben, daß du deine Kinder jemals wiedersiehst! Du niederträchtiges Weib! Pfui!« Und dabei spuckte die Küsterin der Webersfrau gerade in die Augen.

Die Webersfrau wollte dasselbe tun, aber statt dessen spuckte sie dem Amtmann, der näher an die Streitenden herangekommen war, um alles besser zu hören, in seinen unrasierten Bart.

»Ah, du garstiges Weibsbild, du!« rief der Amtmann, wischte sich mit dem Rockschoß das Gesicht ab und schwenkte seine Knute.

Diese Bewegung veranlaßte alle, schimpfend nach allen Seiten auseinanderzustieben. »So was Ekelhaftes!« wiederholte der Amtmann und wischte sich wieder ab. »Der Schmied ist also ertrunken! O du meine Güte! Was war das für ein großartiger Maler! Was für starke Messer, Sensen und Pflüge konnte der schmieden! Und wie kräftig der war! Ja, ja,« fuhr er nachdenklich fort, »bei uns im Dorfe haben wir wenig solche Leute. Ich hab's ja gleich gemerkt, als ich noch in diesem verfluchten Sacke saß, daß der Ärmste ganz bedrückt und traurig war. Ja, da haben wir nun den Schmied! Einst war er, und nun ist er nicht mehr! Ich wollte doch gerade noch meine scheckige Stute beschlagen lassen! . . .« Und solcher christlicher Gedanken voll, trottete der Amtmann langsam seinem Hause zu.

Oxana war ganz bestürzt, als diese Gerüchte zu ihr drangen. Sie traute zwar den Augen der Perepertschicha und dem Weibergetratsch nur wenig, denn sie wußte, daß der Schmied fromm genug war, seine Seele nicht ins Verderben zu stürzen. Wie aber, wenn er in der Tat mit der Absicht davongegangen war, nie wieder ins Dorf zurückzukehren? Schwerlich konnte man wo anders einen so schmucken Burschen finden, wie der Schmied einer war. Und dann liebte er sie doch so sehr! Er ertrug auch ihre Launen länger als alle anderen . . . Die Schöne drehte sich die ganze Nacht hindurch unter ihrer Decke von der rechten Seite auf die linke, und von der linken auf die rechte, und konnte doch nicht einschlafen. Bald warf sie sich in ihrer berückenden Nacktheit, die das nächtliche Dunkel sogar vor ihr selbst verbarg, hin und her, und schalt laut auf sich, bald verstummte sie, faßte den Entschluß, an nichts mehr zu denken – und grübelte doch weiter und weiter. Sie lag da wie in lohendem Feuer, und gegen Morgen war sie bis über die Ohren in den Schmied verliebt.

Als Tschub den Tod Wakulas vernahm, ließ er weder Freude noch Trauer erkennen. Seine Gedanken waren nur mit einer Sache beschäftigt: er konnte Ssolochas Treubruch nicht vergessen und ließ sogar im Schlafe nicht davon ab, auf sie zu schimpfen.

Der Tag brach an. Die Kirche war schon vor Morgengrauen voll von Menschen. Die alten Frauen in ihren weißen Kopftüchern und Tuchkitteln standen ganz nahe am Eingang und bekreuzigten sich fromm. Vor ihnen standen die adligen Damen in grünen und gelben Jacken, ja manche sogar in blauen Überwürfen, die hinten mit Brokatschleifen versehen waren. Die Mädchen, die einen ganzen Laden von aufgewickelten Bändern auf dem Kopfe und ebensoviel Perlenbänder, Kreuze und Dukaten um den Hals trugen, suchten so nahe als möglich an den Altar heranzukommen. Ganz vorne aber standen die Edelleute und die einfachen Bauern mit Schnurrbärten, Haarschöpfen, mit dickem Hals und frisch rasiertem Kinn, die meisten in Mänteln, unter denen ein weißer, oder bei manchen auch ein blauer Kittel hervorguckte. Wohin man auch blicken mochte, auf allen Gesichtern spiegelte sich die Feiertagsstimmung wider. Der Amtmann leckte sich schon die Lippen, wenn er an die Wurst dachte, mit der er die Festtage beschließen würde; die Mädel dachten daran, wie sie mit den Burschen auf dem Eise schlittern würden, und die alten Frauen murmelten eifriger denn je ihre Gebete. Durch die ganze Kirche konnte man hören, wie der Kosak Swerbygus niederkniete. Nur Oxana stand wie abwesend da: sie betete und betete doch auch nicht. Ihr Herz bestürmten so viele und mannigfaltige Empfindungen, von denen eine immer peinlicher war als die andere, daß ihr Gesicht nichts wie eine starke Verwirrung ausdrückte, und in ihren Augen zitterten Tränen. Die Mädchen konnten natürlich den Grund davon nicht erkennen und ahnten nicht, daß der Schmied daran schuld war. Jedoch der Schmied beschäftigte nicht nur Oxana allein. Alle Bewohner des Dorfes fühlten, daß der Feiertag kein rechter Feiertag war und daß gewissermaßen etwas fehlte. Unglücklicherweise war auch der Küster nach seiner Reise im Sack vom Abend vorher noch heiser geworden und sang seine Lieder mit kaum hörbarer krächzender Stimme; wohl brachte der zugereiste Sänger ein paar prächtige Baßtöne hervor, aber wieviel besser wäre es gewesen, wenn man auch noch den Schmied dagehabt hätte, der jedesmal, wenn man das »Vaterunser« oder die »Himmlischen Heerscharen« sang, auf den Chor stieg und so schön sang, wie man es sonst nur in Poltawa hören konnte. Dazu kam noch, daß er ganz allein sich um das Amt des Kirchenvorstandes kümmerte. Schon war die Frühmesse zu Ende, und nach der Frühmesse war bald auch das Hochamt vorbei . . . In der Tat, wo war nun der Schmied geblieben.

*

Noch rascher fast flog der Teufel in den letzten Stunden der Nacht mit dem Schmied auf dem Rücken heimwärts, und im Nu befand sich Wakula vor seiner Hütte. In diesem Augenblick krähte der Hahn.

»Wohin?« rief der Schmied und ergriff den Teufel, der ausreißen wollte, am Schwanz. »Halt, Freundchen, das ist noch nicht alles: Ich hab' mich noch nicht bei dir bedankt.«

Und er ergriff eine Gerte und versetzte ihm drei mächtige Hiebe, daß der arme Teufel davonrannte wie ein Bauer, dem der Assessor eben tüchtig eingeheizt hat. Und so geschah's, daß der Erzfeind des Menschengeschlechts, statt andere Leute zu foppen, zu versuchen und zu narren, selbst genarrt wurde.

Hierauf trat Wakula in den Flur seines Hauses, warf sich auf ein Heubündel und schlief bis spät in den Mittag hinein. Als er erwachte, erschrak er heftig, denn er sah, daß die Sonne schon hoch am Himmel stand. »Ei, Herrje, ich habe ja die Frühmesse und das Hochamt verschlafen!« rief er aus.

Und der gottesfürchtige Schmied verfiel in eine tiefe Zerknirschung, denn er vermeinte, Gott habe zur Strafe für sein schlimmes Vorhaben und um seine Seele zu verderben, einen Schlaf auf ihn herabgeschickt, der ihn verhindert hätte, an einem so großen Feiertag die Kirche zu besuchen. Er beruhigte sich jedoch bald, nachdem er den Beschluß gefaßt hatte, in der künftigen Woche alles dem Popen zu beichten und von da ab ein ganzes Jahr lang täglich fünfzig Kniefälle zu machen. Er blickte in die Stube hinein: es war niemand da. Die Ssolocha war offenbar noch nicht zurückgekehrt.

Behutsam zog er die Schuhe aus dem Busen, staunte von neuem die kostbare Arbeit an und wunderte sich über die sonderbaren Ereignisse der vergangenen Nacht; er wusch sich, kleidete sich an, so gut er nur konnte, zog das Gewand an, das er von den Saporogern bekommen hatte, holte seine neue Lammfellmütze mit dem blauen Dach, die er, seit er sie seinerzeit in Poltawa gekauft, noch niemals aufgesetzt hatte, aus der Truhe; holte auch einen neuen vielfarbigen Gurt hervor, packte alles, zusammen mit einer Nagaika, in ein Tüchlein und begab sich geradeswegs zu Tschub.

Tschub machte große Augen, als der Schmied eintrat, und wußte nicht, worüber er mehr staunen sollte: darüber, daß der Schmied von den Toten auferstanden war, daß er es wagte, zu ihm zu kommen, oder darüber, daß er so stutzerhaft herausgeputzt und wie ein echter und rechter Saporoger angezogen war. Noch mehr aber staunte er, als Wakula das Tuch aufband, die funkelnagelneue Mütze nebst einem Gurt, wie man ihn noch niemals im Dorfe gesehen hatte, vor ihm auf den Tisch legte, ihm zu Füßen fiel und flehentlich ausrief: »Hab' Erbarmen, Väterchen! Zürne mir nicht! Da hast du eine Peitsche: schlag zu, soviel deine Seele verlangt. Ich gebe mich selbst in deine Hand, ich bereue ja alles; schlage mich, aber zürne mir nicht. Du warst ja vormals meinem seligen Vater wie ein Bruder, ihr habt doch zusammen gegessen und getrunken!«

Nicht ohne heimliche Freude sah Tschub, wie der Schmied, der sich den Teufel um jemand im Dorfe scherte und der Fünfkopekenstücke und Hufeisen mit der Hand zusammendrückte wie Buchweizenplinsen, wie dieser selbe Schmied jetzt zu seinen Füßen lag. Um sich nichts zu vergeben, ergriff Tschub die Peitsche und schlug ihn dreimal auf den Rücken. »Nun ist's aber genug, steh' auf! Hör' stets auf die Alten! Wir wollen alles vergessen, was zwischen uns vorgefallen ist. Und nun sag', was du möchtest!«

»Väterchen, gib mir Oxana zur Frau!«

Tschub überlegte einen Augenblick und sah sich die Mütze und den Gurt an: die Mütze war wunderbar und der Gurt nicht minder; dabei fiel ihm auch noch die treulose Ssolocha ein, und er rief entschlossen: »'s ist recht! Schicke deine Brautwerber her!«

»Ah!« schrie Oxana auf, die über die Schwelle getreten war und den Schmied erblickt hatte, und sie richtete freudig und ganz erstaunt ihre Blicke auf ihn.

»Schau mal, was ich dir für kleine Schuhe mitgebracht habe!« sagte Wakula. »Es sind dieselben, die die Zarin trägt.«

»Nein, nein! Ich brauche keine Schuhe!« rief sie, ihn mit den Händen abwehrend und ohne ihre Augen von ihm abzuwenden. »Ich bin auch ohne Schuhe . . .« Und sie sagte nichts weiter, sondern errötete nur.

Der Schmied kam näher heran, ergriff sie bei der Hand, und die Schöne schlug die Augen nieder. Noch nie hatte sie so wunderbar schön ausgesehen. Der Schmied küßte sie voller Entzücken auf die Lippen, ihr Antlitz verfärbte sich noch tiefer, und sie wurde nur noch schöner.

*

Der Bischof seligen Angedenkens kam einmal durch Dikanka, lobte die schöne Lage des Dorfes und hielt, als er die Straße herunterfuhr, vor einer der Hütten an.

»Wem gehört diese schön bemalte Hütte?« fragten Seine Hochwürden die hübsche Frau, die mit einem Kinde auf dem Arm vor der Türe stand.

»Dem Schmied Wakula!« antwortete ihm mit einer Verbeugung Oxana, denn sie war es.

»Großartig! Eine wundervolle Arbeit!« sprachen Seine Hochwürden, als sie sich Türen und Fenster ansahen. Die Fenster waren ringsherum mit roter Farbe gestrichen und auf den Türen waren überall Bildnisse von reitenden Kosaken mit Pfeifen in den Zähnen aufgemalt.

Noch mehr aber lobten Seine Hochwürden den Schmied Wakula, als sie erfuhren, daß er eine Kirchenbuße eingehalten, die er sich selbst auferlegt, und in der Kirche den ganzen linken Chor mit grüner Farbe gestrichen und mit roten Blumen bemalt habe.

Das ist jedoch noch nicht alles. An die Wand, die, wenn man die Kirche betritt, sich gleich zur Linken befindet, hatte Wakula einen in der Hölle sitzenden Teufel gemalt, und zwar einen so abscheulichen Teufel, daß jedermann, der vorbeiging, ausspeien mußte, und wenn einer Frau das Kind auf dem Arme zu weinen anfing, so trug sie es ans Bild und sprach: »Schau, schau, hu, hu, was da hingemalt ist!« Und das Kind verschluckte seine Tränen, schielte scheu nach dem Bilde und schmiegte sich enger an die Brust der Mutter.


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