Johann Nikolaus Götz
Die Gedichte Anakreons und der Sappho Oden
Johann Nikolaus Götz

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Das anakreontische Gedicht
des Theokritus

Auf den Tod des Adonis.

Als Cyther Adonen itzo
Todt im Blute liegen sahe,
Wie die Locken schmutzig waren,
Und die Wangen ganz erblaßet:
Da hieß sie die Liebesgötter
Den verdammten Eber holen,
Der die böse That verübet.Es ist natürlich, beym Anblicke eines erblaßten Lieblings gegen den in Zorn zu gerathen, der ihn getödtet hat.
Schnell durchstreichen sie die Waldung,In diesen acht Zeilen sieht man die Amors das Thier suchen, finden, feßeln, forttreiben. Es ist nicht erzehlt; es ist gemahlt.
Wo sie ihn in dem Gesträuche
Finden und gefangen nehmen.
Da umlegt ihn der mit Stricken,Properz hat diese und die folgende Zeile nachgeahmt:
      Hefternâ mea lux cum potus nocte vagarer,
          Nec me servorum duceret ulla manus,
      Obvia nescio quot pueri mihi turba minuta
          Venerat (hos vetuit me numerare timor)
      Quorum alii faculas, alii retinere sagittas,
          Pars etiam visa est vincla parare mihi.
      Sed nudi fuerant. Quorum lascivior unus
          Arripite hunc, inquit, nam bene nostis eum.
      Hic erat: hunc mulier nobis irata locavit.
          Dixit, et in collo iam mihi nodus erat.
      Hic alter iubet in medium propellere, et alter;
          Intereat, qui nos non putat esse Deos.
                                                  Lib. II. Eleg. 20.
220
Ihn bequemer fortzuziehen;
Auf den borstenvollen Rücken
Sticht ihn jener mit dem Pfeile,
Ihn zum Laufen anzutreiben.
Aber er gieng ganz betreten,Er hatte es Ursache. Das Mittel, den Liebling her grösten Göttin getödtet zu haben, vor dieser Göttin erscheinen zu sollen, und nicht betreten zu seyn!
Denn er fürchtete Cytheren.
Aergstes unter allen Thieren,
Sagte die nunmehro zornig:
Und du hast dich, meinen Liebling
Zu verletzen unterstanden!die Rede ist kurz: sie sagt aber alles, und alles mit Nachdruck.
Da gab ihr das Thier zur Antwort:Die Rede des Thiers ist weitläuftig. Sein Leben hieng davon ab, sich gründlich zu verantworten, und die Göttin zu besänftigen. Sie ist mit Schmeicheleyen gegen die Göttin, mit Lobsprüchen des Lieblings, mit Reue über die Mordthat, und mit demüthiger Unterwerfung unter alle wohlverdiente Strafe künstlich durchwebt.
Bey dir, und bey deinem Liebling,
Bey den Fesseln, die ich trage,
Bey der Schaar, die mich gefangen,
Schwör ich dir, erzürnte Göttin,
Daß ich deinen schönen Liebling
Niemahls zu verletzen dachte:
Aber als ich ihn so reizend,
Wie ein Götterbild, erblickte,
Und den Glanz der blosen Hüfte
Länger nicht ertragen konnte:
Trieb mich eine Wuth zum Küßen,Wie sinnreich entschuldigt sich das Thier. Adon war so schön, so schön, daß es durch seinen Anblick außer sich, und in die äuserste Liebeswuth versetzet wurde. Was konnte es da thun, als was Venus gethan hatte: den holden Gegenstand verfolgen, und küßen?
Und da hab ich ihn verwundet. 221
Nimm daher, und straf, o Cypris,
Ja, zerbrich mir diese Zähne,
Oder säge sie herunter.Der Eber erkennt sich schuldig, und ist bereit, Strafe zu leiden; doch schiebt er die Schuld listig auf die Zähne, und gibt sie dem Zorne der Göttin Preiß. Eine solche Demüthigung verdiente Gnade, und erhielt sie.
Denn was trag ich, blos zum Schaden,
Diese Zähne, welche lieben?
Und ist dieses noch zu wenig,
O so nimm mir auch die Lippen.
Da erbarmte sich Cythere,
Und befahl den Liebesgöttern:
Kinder, nun so laßt ihn laufen!
Doch er folgete Cytheren,
Wollte nicht mehr ins Gehölze,Wie liebenswürdig muß Venus seyn, da ihr Anblick das wildeste der Thiere so plötzlich zahm macht! Es leget seine Art mit einem mahle ab. Ein kurzer Umgang mit den Liebesgöttern hat es gesittet; die Gnade ihrer Mutter hat es erkänntlich gemacht. Für die Betrübniß, die es dieser verursachet, will es ihr Sklave bleiben, an ihrem Hofe leben, und dem ganzen Hofe zeigen, daß sein Schmerz und seine Reue über die begangene Mordthat aufrichtig, und unsterblich sey.
Sondern machte sich zum Feuer,
Und verbrennete die Zähne,Für Ἔρωτας lese ich: ὀδόντας. Coban Heß behielt die erste Lesart, und gab es: suum nocentem amorem incendit et perussit - und hat sich drauf am Feuer die Liebe ausgebrennet.
Die so plumb geküßet hatten.Plumbe Liebhaber, sehet da! der Eber ist ein Bild von euch.

 

Eines Ungenannten auf den Anakreon.

Dieses Gedicht ist ebenfalls aus dem Griechischen übersetzt worden.

Der teische Poete
Erblickte mich im Traume,
Und hies mich zu ihm kommen.
Ich kam, ich kam geschwinde,
Umhalsete und küßt ihn.
Er war zwar hochbetaget,
Doch reizungsvoll von Ansehn,
Und zärtlich und gefällig.φίλευνος, heißt deditus Cytherae, galant. Baxter ließt statt dessen γανύφρων, und warum?
Nur rochen ihm die Lippen
Was weniges nach Weine,Ein Mensch, der nach Weine riecht, würde heute zu Tage wenig gelitten seyn. Die Griechen und Römer waren in diesem Stücke weniger niedlich. Phädrus sagt von einem Gefäse, worinne guter Falerner gewesen:
Odorem quae jucundum late spargeret.

Auch gieng er etwas zitternd;
Weswegen ihm Kupido
Die Hand gab, und ihn führte.Nichts ist einfältiger, mahlerischer, und dem Character des alten und verliebten Anakreons gemäßer, als diese Zeilen. 226
Er hub so gleich sein Kränzgen
Vom Haupt, und gab mir solches.
Man konnte sonder Mühe,
Wer es getragen, riechen.Im Griechischen heißt es: Der Kranz roch nach Anakreon. Diese Zeile, sagt die Frau Dacier, wird zarten Ohren anstösig seyn. Allein da Anakreon überaus reinlich und galant gewesen: so
wollte der Dichter vielleicht nur dieses sagen: man habe am angenehmen Geruche schon abnehmen können, wessen der Kranz gewesen. Vielleicht wollte man auch dieses zu verstehen geben: der Kranz sey so zierlich, mit so viel Kunst, und Geschmack geflochten gewesen, daß er von niemand anders, als Anakreon, habe herrühren können.

Ich nahms in meiner Einfalt,
Ich nahms, und drückt es freudig
Auf meine Stirn. Alleine
Seit dieser Stunde lies mir
Die Liebe keine Ruhe.Eben, als ob, um verliebt zu werden, nur dieses erfordert würde, eines sehr verliebten Menschen Kranz oder Hut eine Weile aufs Haupt zu setzen. Es ist dieses gewiß recht artig gedacht.
    Dieser Traum kommt mit dem überein, in welchem Chaulieu seinen Freund und Bruder im Epikur ehmahls gesehen hatte: »La-Farre, sagt er, erschien mir diese Nacht. Er lag ohne Perrüke, in einem weiten Lehnseßel nachläßig ausgestreckt, und schlief. Eine aus einer Serviette gedrehte Nachtmütze saß ihm halb auf dem Ohre. Einige Züge seines schönen Gesichtes erweckten gleich die Muthmaßung bey mir, er sey allererst vom Schmauße gekommen. Zwey Rülpser aber, die er, mit einigen unverständlichen Reden hervorsties, bestärkten mich in meiner Meynung völlig. Itzo fuhr er im Schlafe auf, und als er die Augen langsam aufgethan hatte, und mich vor sich sahe, o Bruder, schrie er da, die vorige Nacht ist kein Schlaf in meine Augen gekommen, und &c.«

 


 


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